Clinical Pathways - Entwicklung und Implementierung in einer Klinik der Maximalversorgung


Thèse de Bachelor, 2008

63 Pages, Note: 0,6


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Problemstellung

2. Zielsetzung

3. Gegenwärtiger Kenntnisstand

4. Methodik
4.1 Ziele der Clinical Pathways
4.1.1 Übersicht zu verschiedenen Zielen der Clinical Pathways aus der Literatur
4.1.2 Zieldefinition für Clinical Pathways im Projektkrankenhaus
4.2 Projektorganisation zur Entwicklung des Pfades „Transurethrale Resektion der Blase/Prostata“ (TUR B/P)
4.2.1 Ausrichtung an bestehenden Standards und Leitlinien
4.2.2 Einwandsvorbehandlung bei der Entwicklung von Clinical Pathways
4.2.3 Struktur der Patientenpfade im Pilotkrankenhaus
4.2.3 Organisatorische Vorgehensweise zur Erstellung des Clinical Pathway
4.2.4 Inhaltliche Vorgehensweise zur Erstellung eines Clinical Pathways
4.3 Analyse des benötigten Zeitbudgets zur Entwicklung des TUR B/P- Pathway
4.4 Implementierung des Clinical Pathway als Behandlungspfad incl. strukturierter Verlaufsdokumentation
4.4.1 Kick-off-Veranstaltung
4.4.2 Testlauf des Clinical Pathways
4.4.3 Klinikweite Einführung des Clinical Pathways
4.4.4 Strukturierte Verlaufsdokumentation
4.5 Durchführung von Projekt- Dokumentationsaudits
4.6 Analyse der mittleren Verweildauer von Patienten innerhalb und außerhalb der Pfade
4.7 Monetäre Auswirkungen durch die Veränderung der Verweildauer als Folge des Einsatzes von Clinical Pathways

5. Ergebnisse
5.1 Vorstellung des Behandlungspfades Transurethrale Resektion der Harnblase (TUR B)
5.1.1 Das Grafikdokument TUR B
5.1.2 Diagnosebezogene Verlaufsdokumentation TUR B
5.2 Auswertung des Zeitbedarfs zur Erstellung des Clinical Pathway TUR P
5.2.1 Darstellung der Zeiterfassung
5.2.2 Auswertung des Zeitbedarfs nach Berufsgruppen
5.2.3 Personalkostenaufwand zur Entwicklung des Clinical Pathway TUR P
5.3 Ergebnisauswertungen der Dokumentationsaudits bzgl. der Dokumentationsqualität
5.3.1 Dokumentationsqualität mit der herkömmlichen Dokumentationsweise
5.3.2 Dokumentationsqualität mit der strukturierten, diagnosebezogenen Verlaufsdokumentation der Clinical Pathways
5.3.3 Gegenüberstellung der Dokumentationsqualität nach der herkömmlichen Dokumentationsmethode und der Dokumentationsqualität nach der diagnosebezogenen, strukturierten Verlaufdokumentation
5.4 Darstellung der Verweildauer im Vergleich zwischen Patienten innerhalb und außerhalb der Behandlung nach Clinical Pathways
5.4.1 Durchschnittliche Verweildauer von Nicht – Pfad – Patienten bei Choledocholithiasis mit laparoskopischer Cholezystektomie
5.4.2 Durchschnittliche Verweildauer von Pfad – Patienten bei Choledocholithiasis mit laparoskopischer Cholezystektomie
5.4.3 Direkter Vergleich der beiden Patientengruppen
5.4.4 Monetäre Auswirkungen der verkürzten Verweildauer durch den Clinical Pathway
5.5 Alternative EDV-gestützte Lösungsmöglichkeiten zur Einführung und Nutzung von Clinical Pathways

6. Diskussion
6.1. Eignung von Clinical Pathways zur Gewinnoptimierung
6.2 Einwandsvorbehandlung, um ein Scheitern der Umsetzung von Clinical Pathways zu verhindern
6.3 Grenzen und Potenziale der Clinical Pathways
6.4. Notwendige Voraussetzungen, um das Pilotprojekt klinikweit in den Echtbetrieb zu überführen

7. Zusammenfassung

Literatur

Onlinequellen

Abkürzungsverzeichnis

Glosar

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung und Problemstellung

Das deutsche Gesundheitssystem befindet sich in einem drastischen Wandel. Durch mehrfache Umstrukturierungen des deutschen Gesundheitswesens und der Einführung der DRG’s (Diagnosis Related Groups, diagnosespezifische Fallgruppen) nach australi- schem Vorbild steigt der Kostendruck auf die Kliniken in Deutschland ständig an. Insbesondere Kliniken der Maximalversorgung, die sich ihre Patienten nicht aussuchen können, sondern jeden Patienten behandeln und versorgen müssen, stehen unter einem immer größer werdenden Druck wirtschaftlicher zu arbeiten (vgl. BARTZ, S. 4, 2006).

Das Entgelt für die Behandlung eines Patienten ist im DRG-System nicht von den er- brachten Leistungen oder der Liegezeit des Patienten abhängig, sondern wird durch die Einweisungs- und Behandlungsdiagnosen, bzw. die Nebendiagnosen bestimmt und durch sog. Fallpauschalen vergütet. Die Höhe des Entgeltes ist nach dem G-DRG- System (G steht hier für „German“) geregelt. Somit sind die monetären Ressourcen, die für die Behandlung eines Patienten zur Verfügung stehen, nicht abhängig von der Be- handlungsmethode, dem Schweregrad oder der Liegezeit, sondern rein von der Diagno- se und den Nebendiagnosen, die dem Patienten zugewiesen werden.

Somit stellt das DRG-System ein fallpauschalenbasiertes und leistungsorientiertes Ver- gütungssystem dar. HELLMANN (2003, S. 33) stellt fest, dass im DRG-System weder die Qualität noch die Effizienz eines Leistungsprozesses widergespiegelt werden.

Durch den dadurch stetig steigenden Kostendruck auf die Kliniken muss versucht wer- den durch Überprüfung und Optimierung der Prozesse und Strukturen im DRG-System konkurrenzfähig zu bleiben. Dies bedeutet, dass die Kliniken unter bestmöglicher Er- gebnisqualität ihre Kostenstrukturen senken müssen, was eine Optimierung der Leis- tungsprozesse aus gesamtheitlicher Sicht bedeutet (vgl. BARTZ, 2006, S. 5).

Als Lösung dieses Problems wird die Einführung von Clinical Pathways (Patientenpfa- de) diskutiert. Sie basieren auf einem in den USA entwickelten Konzept, welches dazu dient, klinische Prozesse strukturiert zu organisieren, und die Behandlungsqualität trotz hohem Kostendruck zu steigern (vgl. ROEDER/KÜTTNER, 2007, S. 9 f.).

Durch die Standardisierung von Prozessen rund um den Patienten durch Clinical Pathways erhofft man sich eine Konstanz im Behandlungsergebnis, eine höhere Patien- tenzufriedenheit, geringere „Drehtüreffekte“ (Wiederaufnahme des Patienten wegen Komplikationen), eine Verringerung der Aufenthaltsdauer, höhere Dokumentationsqua- lität und somit insgesamt einen ökonomischeren Umgang mit den knappen monetären Ressourcen. Ein Pfad sollte daher, in Form einer strukturierten Verlaufsvorgabe und Verlaufsdokumentation, die medizinischen, pflegerischen, und verwaltungstechnischen Abläufe abbilden und standardisieren. Er ist somit ein multidisziplinärer Weg eines Pa- tienten von der Einweisung bis zur Entlassung, der jedoch die Abweichung von der Norm bei entsprechender Notwendigkeit und deren Dokumentation zulässt. Ein Clinical Pathway ist mehr als eine Handlungsanweisung, er dient auch zur Dokumentation und Kommentierung des Geschehens rund um den Patienten.

In einem Pilotprojekt in einem südwestdeutschen Klinikum der Maximalversorgung mit 700 Betten (im Folgenden Projektklinik oder Projektkrankenhaus genannt) wurden mehrere Behandlungspfade entwickelt und implementiert. Bei diesem Pilotprojekt soll gezeigt werden ob und wenn ja, wie sich durch Behandlungspfade die Dokumentati- onsqualität und damit die Versorgungsqualität erhöht und ob es insgesamt zu einer Ver- besserung der Einnahmen-/ Ausgabensituation kommt.

2. Zielsetzung

Ziel dieser Bachelor-Thesis ist die Darstellung der fachübergreifenden Entwicklung und Implementierung eines Behandlungspfades am Beispiel eines urologischen Clinical Pathways im Rahmen des Pilotprojektes. Hierbei werden die einzelnen Entwicklungs- schritte aufgezeigt und die personell benötigten Ressourcen analysiert.

Ein Vergleich der Verweildauer zwischen Patienten, die sich innerhalb eines Behand- lungspfades bewegen und Patienten, die bei gleicher Diagnose ohne Behandlungspfad behandelt werden, soll Auskunft über den Erfolg des Pfadeinsatzes geben.

Ob und wenn ja, wie erfolgreich die Umsetzungsphase gelingt, wird mit Hilfe von Do- kumentationsaudits auf den am Pilotprojekt teilnehmenden Stationen ermittelt. Zunächst erfolgt die Entwicklung von Clinical Pathways als papiergestützte Variante. Auf Wunsch der Klinikleitung und der Mitarbeiter sowie zur Vereinfachung der tatsächli- chen Anwendbarkeit sollen die Pfade in einem nächsten Schritt in das bestehende EDV- System integriert werden.

3. Gegenwärtiger Kenntnisstand

Der Begriff Clinical Pathway stammt aus dem angloamerikanischen Sprachraum und findet seinen Ursprung in den Critical Pathways (kritischen Pfaden). Critical Pathways beschreiben in der Industrie den kürzesten Weg zwischen Ursprung und Ziel bei der Erstellung eines Produktes (vgl. REIBNITZ/HERMANNS, 2004, S.1). Im Gesund- heitsbereich wurde in Anlehnung an die Critical Pathways der Begriff Clinical Pathway geprägt (vgl. ROEDER/KÜTTNER, 2007, S. 19-23).

Eine Kienbaum-Krankenhausstudie von 2002 hat ergeben, dass 87 % der befragten Krankenhäuser es als erforderlich ansehen, Patientenpfade zu implementieren (vgl. KIENBAUM KRANKENHAUSSTUDIE, 2002, S. 23).

Dieser Meinung schließt sich auch das in dieser Arbeit beschriebene Projektkranken- haus an und hat ein Projekt zur Entwicklung von Clinical Pathways ins Leben gerufen. Bei dem hier beschriebenen Projekt sind inzwischen über 20 Behandlungspfade im Pilottest auf unterschiedlichen Stationen und Fachgebieten im Einsatz. Der Erfolg der Implementierungen ist von Bereich zu Bereich sehr unterschiedlich und bedarf am Ende der Testphase (Ende 2008) einer genauen Betrachtung und Analyse.

Um zum jetzigen Zeitpunkt bereits abschließende Ergebnisse über die Akzeptanz und den monetären Erfolg des Projektes präsentieren zu können, läuft das Projekt noch nicht lange genug. Ein erstes Zwischenergebnis lässt sich anhand der erhobenen Daten des Medizinischen-Controllings des Klinikums geben.

In der deutschen Literatur wird das Thema sehr kontrovers diskutiert, häufig lassen sich die Studienergebnisse nicht miteinander vergleichen, weil schon in den Definitionen von Clinical Pathways unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.

Aus den verschiedenen Definitionen lassen sich folgende Gemeinsamkeiten extrahieren:

- Klinische Behandlungspfade haben Bezug zu einer bestimmten Patientengruppe.
- Sie werden von interprofessionellen Behandlungsteams genutzt.
- Sie definieren einen diagnostischen und therapeutischen Handlungskorridor. (vgl. ROEDER/KÜTTNER, 2007, S.19).

In dieser Arbeit soll der Definition von ROEDER/KUTTNER (2003, S. 21) gefolgt werden:

Ein klinischer Behandlungspfad ist der im Behandlungsteam selbst gefundene berufs- gruppen- und institutionenübergreifende Konsens für die beste Durchführung der ge- samten stationären Behandlung unter Wahrnehmung festgelegter Behandlungsqualität sowie unter Berücksichtigung der notwendigen und verfügbaren Ressourcen, ebenso unter Festlegung der Aufgaben sowie der durchführungs- und Eigenverantwortlichkei- ten. Der Klinische Pfad steuert den Behandlungsprozess; gleichzeitig ist er Dokumenta- tionsinstrument und erlaubt die Kommentierung von Normabweichungen zum Zwecke fortgesetzter Evaluation und Verbesserung.“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Das Prinzip des klinischen Behandlungspfades (eigene Darstellung)

Einen groben Überblick über verschiedene Möglichkeiten der Implementierung von Clinical Pathways in deutschen Kliniken gibt das Buch von HELLMANN, W.: Praxis klinischer Pfade, Viele Wege führen zum Ziel, ecomed, Augsburg 2003. Er beschreibt das Ziel seines Buches damit „…vor allem kleine und mittlere Krankenhäuser, die sich noch nicht mit der komplexen Materie auseinandergesetzt haben, zu ermutigen, die Herausforderung Klinische Pfade anzunehmen und sich damit ... der Notwendigkeit einer berufsgruppenübergreifenden Kooperation zu stellen“ (HELLMANN, 2003, S. 12).

Die Möglichkeiten der Prozessoptimierung im Krankenhaus beschreibt BARTZ (2007, S. 5). Seine Zielsetzung ist, „vor dem Hintergrund der regen Diskussion und der unter- schiedlichen Aussagen über Nutzen und Erfolg von Patientenpfaden zu untersuchen, inwieweit Patientenpfade sich allgemein als Instrument für die zentrale Aufgabe der qualitativen und wirtschaftlichen Optimierung der Leistungsprozesse im Krankenhaus eignen“

Weiterführende Informationen über Studien, über Nutzen, Grenzen und Potenziale der Behandlungspfade geben ROEDER, N. und KÜTTNER, T. in ihrem Buch: Klinische Behandlungspfade, Mit Standards erfolgreich arbeiten, Deutscher Ärzteverlag GmbH, Köln, 2007. ROEDER und KÜTTNER (2006, S. XI) sagen im Vorwort zu Ihrem Buch: „Dieses Buch ist daher insbesondere für diejenigen von Interesse, die sich selbst mit dieser Thematik in der Praxis auseinandersetzen. Informativ ist es aber auch für alle, die nach neuen Wegen suchen, den künftigen Anforderungen im Zuge der pauschalierten Finanzierung konstruktiv zu begegnen.“

4. Methodik

Zunächst werden durch Literaturarbeit die allgemeinen Ziele der Clinical Pathways er- arbeitet, bevor das Projekt zur Implementierung der Clinical Pathways vorgestellt wird. Zur Kosten – Nutzen – Analyse werden im Verlauf des Kapitels die benötigten Perso- nalressourcen zur Erstellung der Pathways ermittelt und die Einwirkungen der Clinical Pathways auf die Erlössituation analysiert.

4.1 Ziele der Clinical Pathways

So unterschiedlich, wie Clinical Pathways definiert werden, so unterschiedlich werden auch die Ziele definiert. In der Literatur findet sich eine große Bandbreite für die Ziel- setzung von Clinical Pathways.

Die wichtigste Zielsetzung von Clinical Pathways ist die Verbesserung der Versor- gungsqualität des Patienten und die gleichzeitige Kosteneinsparung (vgl. SOWINSKI, 2004, Onlinequelle [Stand: 08.07.2008]). Dies geschieht durch die geplante und struktu- rierte Verzahnung sämtlicher Berufsgruppen und Funktionsstellen, die an der Behand- lung des Patienten beteiligt sind.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass Clinical Pathways keine Anleitungen für eine sog. Kochbuchmedizin sind und dass sie nicht dazu dienen, Medizin und Genesungsprozesse von der Stange anzubieten. Auf diesen Punkt wird in der Diskussion (Kap. 7) weiter eingegangen.

4.1.1 Übersicht zu verschiedenen Zielen der Clinical Pathways aus der Literatur

- TENGLER (2003, S. 44) gibt als Hauptziele von Patientenpfaden die Herstellung von Ablauf- und Kostentransparenz sowie Verbesserung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität an, wobei die Ergebnisqualität vor allem durch Behandlungsziele und umfassende Information des Patienten verbessert werden soll.

- Für HELLMANN (2003, S. 43f.) sind Ziele der Patientenpfade Prozessoptimierung, Gewährleistung der Kosten-, Ergebnis- und Leistungstransparenz, der Einsatz als Steuerungs- und Finanzierungsinstrument sowie die Nutzung für innovative Marketingstrategien.

- Das Ziel der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements bzgl. der Patienten- versorgung steht für JOHNSON (2002, S. 29) im Vordergrund. Er hebt hervor,

„dass jeder Patient, der das Krankenhaus aufsucht, um eine bestimmte Behandlung zu erhalten, erwarten können sollte, dass das Team aus Ärzten, Pflegekräften, und OP-Fachkräften, das sich im Krankenhaus um ihn kümmert, eine kongruente, konsi- stente und bestmögliche Behandlung in Bezug auf diese Klinik realisiert“

- Als Hauptziele für Clinical Pathways geben REIBNITZ und HERMANNS (2004, S. 13) die Steigerung der Behandlungsqualität, Standardisierung auf hohem Niveau, Optimierung des Behandlungsablaufs sowie Kostenkontrolle und Kostenop- timierung an.

4.1.2 Zieldefinition für Clinical Pathways im Projektkrankenhaus

Abbildung 2 zeigt, dass Clinical Pathways im Erwartungsfeuerwerk verschiedener Inte- ressen und Interessensgruppen stehen. Dabei spielen nicht nur krankenhausinterne, son- dern auch externe Interessengruppen eine Rolle. Bei der Zieldefinition ist zu berück- sichtigen, dass der Clinical Pathway auch eine Wirkung auf diese Gruppen und ihre Erwartungen hat.

Beispielsweise wird für die externen Interessengruppen die Transparenz der Leistungs- erbringung im Vordergrund stehen, für die Internen jedoch die Vereinheitlichung und Vereinfachung der Behandlungsabläufe und deren Dokumentation (vgl. ROEDER /KUETTNER., 2007, S. 34 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Zieldefinition von Clinical Pathways im Spannungsfeld der Interessengruppen (eig. Darstellung)

Angelehnt an die Zielsetzung klinischer Behandlungspfade von ROEDER et al. (2007, S. 13) werden im Projektkrankenhaus unter Berücksichtigung der involvierten Interes- sengruppen die folgenden Ziele für Clinical Pathways durch die Geschäftsführung, die Pflegedirektion, den ärztliche Direktor und das Qualitätsmanagement festgelegt:

- Transparenz schaffen bzgl. der Inhalte, der Prozesseigenschaft, der Leistungen und der Kosten sowie die transparente Darstellung aller Abläufe, die den Ge- samtprozess betreffen
- Unterstützung und Optimierung von Kundenzufriedenheit durch Verbesserung der Patientenzentrierung
- Optimierung der Ablauforganisation und des Prozessmanagements
- Verbesserung der medizinischen und pflegerischen Qualität, sowie der Struktur-, Prozess-, und Ergebnisqualität durch Einbindung der KTQ – Kriterien und DIN EN ISO – Anforderungen
- Ausrichtung des Gesamtbehandlungsprozesses auf das definierte Behandlungs- ziel und damit Reduzierung nicht indizierter Leistungen und Reduktion nicht notwendiger Varianzen in der Behandlung
- Optimierung und Verkürzung der Verweildauer
- Messung qualitativer, quantitativer und ökonomischer Ergebnisse
- Optimierung der Falldokumentation und dadurch Reduktion des Dokumentati- onsaufwandes auf das Notwendigste
- Konfliktreduktion mit Kostenträgern und medizinischem Dienst hinsichtlich der Angemessenheit der erbrachten Leistungen und Behandlung
- Fundierte Ergebnisqualität durch Beschreibung und Messung der bestmöglichen Behandlungs- und Pflegequalität
- Erleichterung der Einarbeitung neuer Mitarbeiter
- Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit durch transparente Aufgabenverteilung und Festlegung der Verantwortlichkeiten

4.2 Projektorganisation zur Entwicklung des Pfades „Transurethrale Resektion der Blase/Prostata“ (TUR B/P)

Um die Organisation dieser speziellen Pfadentwicklung verständlich zu machen, bedarf es der Klärung einiger grundsätzlicher Voraussetzungen und Vorgehensweisen zur Pfadentwicklung.

4.2.1 Ausrichtung an bestehenden Standards und Leitlinien

Schon vor der Einführung von Clinical Pathways wurde in Kliniken nach Standards gearbeitet. Von verschiedenen Arbeitsgruppen wurden Leitlinien, Pflegestandards, Be- handlungsstandards und Dokumentationsstandards entwickelt. Allen voran zu nennen sind hier die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaft e.V. (AWMF). In der AWMF sind derzeit 152 wissenschaftliche Fachgesellschaften aus allen Bereichen der Medizin zusammengeschlossen. Die Leitli- nien der AWMF dienen der Entscheidungsfindung für Ärzte in spezifischen Situationen. Sie sind nicht rechtlich bindend, die Leitlinien beruhen jedoch auf aktuellen wissen- schaftlichen Erkenntnissen und auf Behandlungsverfahren, die sich in der Praxis be- währt haben (BAETHGE, 2008, S. 423).

Viele Kliniken haben auch im Laufe der Zeit sog. Pflegestandards entwickelt, die für bestimmte Diagnosen oder Problemstellungen hausinterne verbindliche Handlungsan- weisungen sind. Mit Hilfe dieser Standards soll neben der einheitlichen pflegerischen Leistungserbringung auch die Dokumentation erleichtert werden, da man sich bei der Leistungsdokumentation auf den jeweiligen Standard beziehen kann.

Neben diesen Standards verfügen die meisten Kliniken und Krankenhäuser in Deutsch- land über die verschiedensten Verfahrensanweisungen und Leitlinien zu bestimmten Abläufen wie z.B. über den Ablauf der Aufnahme, Verlegung und Entlassung eines Patienten, um nur einige zu nennen.

Auch der Gesetzgeber ist in Deutschland bei der Entwicklung von Leitlinien im Ge- sundheitswesen tätig. Insbesondere das Robert-Koch-Institut (RKI) als Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit entwickelt Richtlinien und Verfahrensanweisungen.

Zu den Aufgaben gehört der gesetzliche Auftrag, wissenschaftliche Erkenntnisse als Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen zu erarbeiten (ONLINEQUELLE: http://www.bund.de/).

Die daraus entwickelten Empfehlungen sind nach ihrer Verbindlichkeit in Kategorien eingeteilt und teilweise rechtlich bindend. Das RKI arbeitet als eigenständige Bundes- behörde.

SENS et al. (2007, S. 20) zitieren die Definition für Leitlinien der Bundesärztekammer folgendermaßen: „Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über angemessene Vorgehensweisen bei speziellen diagnostischen und therapeutischen Prob- lemstellungen. Sie lassen dem Arzt einen Entscheidungsspielraum und Handlungskorri- dore, von denen in begründeten Einzelfällen auch abgewichen werden kann“. Vergleicht man diese Definition mit der Definition von Clinical Pathways wird deutlich, dass Leitlinien nicht mit Clinical Pathways gleichzustellen sind. Leitlinien und Standards dienen bei der Entwicklung von Clinical Pathways als fachlich - sachliche Grundlage und bieten Anhaltspunkte für Verfahren und Abläufe innerhalb der Clinical Pathways.

Verdeutlichen lässt sich dies in folgender Grafik:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Pathway versus Leitlinie (eigene Darstellung)

4.2.2 Einwandsvorbehandlung bei der Entwicklung von Clinical Pathways

Die Entwicklung und Einführung von Clinical Pathways können schon in der Entwick- lungsphase durch weit verbreitete Vorurteile der Mitarbeiter scheitern (vgl. REIB- NITZ/HERMANNS, 2004, S. 13). Meist sind es berufsgruppenspezifische Einwände, die nicht früh genug entkräftet werden und dann zu einem insuffizienten Ergebnis in der Pfadentwicklung oder der unzureichenden Umsetzung der Pfade führen. Diese Vorurtei- le haben ihren Ursprung in den teils sehr festgefahrenen und seit Jahrzehnten bestehen- den Strukturen und Arbeitsabläufen, die sich jenseits des ökonomischen Druckes auch durchaus bewährt haben.

Es ist ebenso ein schwieriges Unterfangen, die traditionellen Hierarchien innerhalb der Klinikorganisation aufzubrechen, was jedoch Grundvoraussetzung für die gelungene Entwicklung klinischer Verlaufspfade ist.

Damit ein Clinical Pathway erfolgreich sein kann, muss er von allen beteiligten Berufs- gruppen akzeptiert und ebenso gelebt werden, Widerständen ist konstruktiv und offen zu begegnen (vgl. ROEDER et al., 2007, S. 98).

In einer Studie von FIDDES et al. (2000, S. 13) wurde nachgewiesen, dass der Erfolg der Anwendung und Entwicklung von Patientenpfaden von einer patientenpfadbezoge- nen Verantwortlichkeit und dem Engagement der Mitarbeiter maßgeblich abhängt. Demnach ist es im Vorfeld zur Entwicklung der Clinical Pathways wichtig, bestehende Vorurteile auszuräumen und mangelnder Information über Patientenpfade bei den Be- schäftigten entgegenzuwirken.

In der folgenden Tabelle werden die am häufigsten auftretenden Vorurteile behandelt:

Tab. 1: Einwandsvorbehandlung bei Clinical Pathways (modifiziert nach REIBNITZ/HERMANNS, 2004, S.10)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.2.3 Struktur der Patientenpfade im Pilotkrankenhaus

Die Struktur der Pathways wurde im Projektkrankenhaus von der Abeilung für Quali- tätsmanagement entwickelt. Genehmigung und Freigabe erfolgten auf Direktoriumsebe- ne. Diese Struktur ist das Gerüst für alle Pfade, die in der Klinik entwickelt werden. Sie gibt bindend den Pfadaufbau vor und erleichtert den klinikweiten, multidisziplinären Einsatz der Clinical Pathways.

Der Pfadaufbau besteht aus sieben Elementen:

1. Grafik des Patientenpfades (Grafikdokument):

Die Grafik entspricht einem schematischen Flussdiagramm vom Eintritt des Patien- ten in die Klinik bis zu seiner Entlassung. Sie dient als Übersichtsdarstellung der Abläufe und Entscheidungen bzgl. Diagnose und Therapie für die Verwaltung und die Kliniker.

2. Basisdokument:

Das Basisdokument stellt den „Steckbrief“ des Pfades dar. In ihm werden die Pfad- autoren, Ein- und Ausschlusskriterien, Schnittstellen, Kodierungshilfen, Verweil- dauer, und Qualitätsindikatoren festgelegt und genannt. Ebenso dient das Basisdo- kument als literarischer Quellennachweis.

3. Kriteriendokument:

Im Kriteriendokument werden Verantwortlichkeiten und Standards zur Aufnahme, zum Behandlungsverlauf und zur Diagnostik festgelegt. Es beinhaltet ärztliche und pflegerische Maßnahmen sowie To/Do – Vorgaben incl. deren Kontrolle. Zugleich ist im Kriteriendokument die Kommunikation mit Schnittstellen sonstiger Leis- tungserbringer wie Labor, Physiotherapie, Radiologie, Diätassistenten, Anästhesie, Hygiene, u. ä. geregelt.

4. Patienteninformation:

Sie dient dem Patienten dazu, die Abläufe rund um seine Erkrankung zu verstehen, indem sie über seine Erkrankung sowie über Voraussetzungen und Risiken bzgl. der Behandlung aufklärt. Prä- und postoperative Verhaltensweisen werden hier erklärt und begründet. Zugleich ist die Patienteninformation die Grundlage für das Aufklä- rungs- und Einwilligungsgespräch mit dem Behandler und deren Dokumentation. Je nach Diagnose wird im Pilotkrankenhaus auf anerkannte Medien wie z.B. DioMed® -Aufklärungen / Informationen zurückgegriffen oder es werden eigens für die Be- handlung erstellte Informationen verwandt.

5. Kostenkalkulation:

Bei der Kostenkalkulation wird in der Projektklinik die Prozesskostenrechnung an- gewandt. Die Prozesskostenrechnung ist eine Vollkostenrechnung und bedient sich der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung.

Die Prozesskostenrechnung geht von Tätigkeiten, Personalkosten und Material- einsätzen aus, die für einen bestimmten Fall anfallen und bewertet diese mit den da- durch verursachten Kosten. Somit wird der Fall als Prozess abgebildet und die ein- zelnen Schritte werden analysiert und bewertet. Die Erfassung der anfallenden Kos- ten wird nicht bei jedem Patienten durchgeführt, vielmehr wird der Prozess einmal abgebildet und davon ausgegangen, dass dieser bei ähnlichen Fällen im Wesentli- chen identisch abläuft.

Für die Prozesskostenanalyse bzgl. der Clinical Pathways ist in der Projektklinik die Abrechnungs- und Revisionsabteilung in Kooperation mit dem Controlling zu- ständig.

6. EDV-gestützte Pfadführung:

Zurzeit sind alle im Pilot befindlichen Pfade in einer Dokumentendatenbank abge- speichert und können über eine Stichwortsuche diagnosebezogen gesucht und aus- gedruckt werden. Die Pfade durchlaufen zur Freigabe und Überarbeitung durch die Verantwortlichen das Workflow – System Jobrouter®. Durch dieses System wird sichergestellt, dass die Pfade nach einer vorher definierten Gültigkeitsdauer automa- tisch zur Überarbeitung und Überprüfung den Autoren vorgelegt werden, damit sie an die aktuellen Bedürfnisse und Erkenntnisse angepasst werden.

Das Pilotkrankenhaus befindet sich derzeit in einer Umstrukturierungsphase bzgl. der EDV - Landschaft und wird in das zukünftige Krankenhausmanagementsystem die Clinical Pathways und Verlaufsdokumentationen einpflegen.

[...]

Fin de l'extrait de 63 pages

Résumé des informations

Titre
Clinical Pathways - Entwicklung und Implementierung in einer Klinik der Maximalversorgung
Note
0,6
Auteur
Année
2008
Pages
63
N° de catalogue
V119588
ISBN (ebook)
9783640229420
Taille d'un fichier
850 KB
Langue
allemand
Mots clés
Clinical, Pathways, Entwicklung, Implementierung, Klinik, Maximalversorgung
Citation du texte
Bachelor of Arts Frank Vogelgesang (Auteur), 2008, Clinical Pathways - Entwicklung und Implementierung in einer Klinik der Maximalversorgung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119588

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