Möglichkeiten zur Resilienzsteigerung bei chronisch schmerzhafter Endometriose


Bachelorarbeit, 2021

66 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Was ist Endometriose
1.1 Anatomische Grundlagen des weiblichen Beckens
1.2 Der menstruelle Zyklus
1.3 Klassifikation (ICD 10)
1.4 Epidemiologie
1.5 Ätiologie
1.6 Symptome
1.7 Therapie

2 Wie entstehen Schmerzen
2.1 Akutschmerz
2.2 Chronifizierung der Schmerzen
2.3 Löschen des Schmerzgedächtnis
2.4 Der Schmerz und die Psyche

3 Verschiedene Voraussetzungen zur Stärkung und Feststellung von Resilienz
3.1 Was ist Lebensqualität
3.2 Salutogenesemodell nach Antonovsky
3.3 Bewältigung von Entwicklungsaufgaben
3.4 Ressourcen
3.5 Resilienzforschung
3.6 Resilienz
3.7 Resilienzförderung
3.8 Krise

4 Resilienzförderung bei chronisch schmerzhafter Endometriose
4.1 Die Selbst- und Fremdwahrnehmung
4.1.1 Das Selbst-Konzept
4.1.2 Die Selbst-Wahrnehmung im engeren Sinn
4.1.3 Die Selbst-Reflexion
4.1.4 Übungen zur Selbstwahrnehmung
4.2 Die Selbststeuerung / -regulation
4.2.1 Selbstregulation bei Anspannung
4.2.2 Entspannen lernen
4.3 Die Selbstwirksamkeit
4.3.1 Die Gedankenblume
4.3.2 Das Spinnennetz
4.3.3 To-do - Liste
4.3.4 Gesundes Kochen lernen
4.3.5 Lachen
4.3.6 Tagebuch führen
4.3.7 Ablenken durch Hobbies
4.3.8 Aufgeschlossenheit für neue Interessen
4.3.9 Aufgeschlossenheit für mögliche Therapien
4.4 Die soziale Kompetenz
4.4.1 Die Rollenklarheit
4.4.2 Erlebnispädagogik
4.4.3 Besuch einer Endometriose Selbsthilfegruppe
4.5 Umgang mit Stress bzw. aktive Bewältigungskompetenz
4.5.1 MBSR-Programm
4.5.2 Entspannung durch Klopfakupressur bzw. Akupressur
4.5.3 Sinneskanäle
4.5.4 Die „Sanfte Brille“
4.5.5 Genusstraining
4.5.6 Entspannung und Atmung
4.5.7 Körperliche Bewegung
4.6 Die Problemlösung

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Die weiblichen Geschlechtsorgane

Abb. 2 Menstruationszyklus

Abb. 3 Verschiedene Lokalisationsmöglichkeiten von Endometrioseherden

Abb. 4 Der Schmerzkreislauf auf körperlicher Ebene

Abb. 5 Stufenschema zur Behandlung der Endometriose

Abb. 6 Rahmenmodell von Resilienz

Abkürzungsverzeichnis

Endo Endometriose

EVD e.V. Endometriose Vereinigung Deutschland e.V.

FSH Follikel stimulierendes Hormon

LH Luteinisierendes Hormon

WHO Weltgesundheitsorganisation

HRQoL gesundheitsbezogene Lebensqualität (Health-Related-Quality of Life)

PMR Progressive Muskel Relaxation

PROs Patient-reported Outcomes (subjektiv und patientenberichtete

Gesundheitsmerkmale)

Einleitung

Der Staat, in dem wir in Deutschland leben, fordert dass jedes Gesellschaftsmitglied grundsätzlich für sich selbst sorgt und verantwortlich ist. Daher ist der Status der Familie bereits im Grundgesetz als besonders schützenswert festgeschrieben, wodurch auch Familienmitglieder, welche noch nicht für sich sorgen können, geschützt werden.

Manche Menschen können jedoch die an sie gerichtete Anforderung, welche eine Leistungsgesellschaft mit sich bringt, nicht erfüllen. Die Ursachen können in verschieden Gründen liegen. Ein möglicher Grund sind Krankheiten, insbesondere chronische Krankheiten.

In der Sozialen Arbeit werden Menschen betreut, manche nur eine kurze Zeit, andere eher langfristig, weil sie nicht mit denen an sie gerichteten Anforderungen zurechtkommen. Je nach dem, was die betreffende Person benötigt, erhält sie entsprechende idR. zeitlich begrenzte Unterstützung. Der Staat und Organisationen, wie die Caritas kümmern sich um diese Personen und fangen sie auf. Die Soziale Arbeit bietet in diesen Fällen mittels unterstützender Angebote Hilfe zur Selbsthilfe.

Eine sehr heterogene Gruppe von Gesellschaftsmitgliedern wird bislang kaum oder gar nicht mit ihren Problemen wahrgenommen, obwohl sie es dringend bräuchten. Es sind Mädchen und Frauen, die an Endometriose(Endo) leiden. Es sind keine feministischen Gründe, sondern rein biologisch, medizinische Fakten, wodurch die Endo zu einer der häufigsten Erkrankungen des weiblichen Geschlechts, im gebärfähigem Alter wird. Sie ist eine chronisch verlaufende Erkrankung, ihr Name leitet sich von dem lateinischen Wort „Endometrium“ ab, was für Gebärmutterschleimhaut steht. Ihr Hauptsymptom sind regelmäßig wiederkehrende Menstruationsschmerzen, welche im Laufe der Jahre bzw. Jahrzehnte in ihrer Intensität extrem zunehmen können. Diese gesundheitlichen Belastungen können in ihrer Konsequenz auch zu erheblichen Einschränkungen des täglichen Lebens und der gesamten Lebensplanung führen.

Obwohl es der Medizin inzwischen gelungen ist, für sehr viele Krankheiten die Ursachen zu erforschen und erfolgreiche und nachhaltige Therapien zu entwickeln, ist dies bis heute für die Endo, ihren Symptomen und Auswirkungen auf das tägliche Leben noch nicht geglückt.

Die fehlende Aufmerksamkeit der Endo, sowohl in der Medizin als auch in der Öffentlichkeit, kann bei Freunden und Verwandten zu einer Verständnislosigkeit führen, was bei Bertoffenen zusätzlich zu psychischen Belastungen führen kann.

Ein Ansatz zur Lebensqualitätserhöhung könnte die Stärkung der Resilienz mittels gezielter Förderung personaler Ressourcen sein. Diese Thematik ist Teil der Sozialen Arbeit und stellt den Schwerpunkt in dieser Bachelorarbeit dar.

Diese Erkrankung wird im ersten Kapitel zunächst einmal von allen Seiten her genauer betrachtet, um ein Basiswissen diesbezüglich zu generieren. Einblicke in die vielen Lebensqualitätseinschränkungen wird gegeben.

Im zweiten Kapitel wird das Hauptsymptom, der Schmerz näher ausgeführt. Die regelmäßigen über Jahre bzw. Jahrzehnte wiederkehrenden Schmerzen und ihre möglichen Folgen werden dargestellt.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit verschiedenen Punkten. Beginnend bei Methoden zur „Messung von Lebensqualität“ über die Förderung der Resilienz ab dem Kindesalter bis ins Erwachsenenalter.

Die Themen „Salutogenese“, „Bewältigung von Entwicklungsaufgaben“, „Ressourcen“ und „Resilienzforschung bis hin zur gezielten Förderung der Resilienz“ werden behandelt. Die „Krise“ in Verbindung mit der Thematik der Endo wird ebenfalls erläutert.

Im vierten Kapitel wird der Focus auf die personalen Ressourcen der Resilienzförderung gelenkt. Diese werden definiert und verschiedene Methoden zu ihrer Förderung vorgestellt.

Im fünften und letzten Kapitel wird die Arbeit zusammengefasst und ein Ausblick gegeben.

1 Was ist Endometriose

Wenn Frauen im gebärfähigen Alter während ihrer Regelblutung oder auch zu anderen Zeiten permanent leichte bis starke oder sogar extrem starke Schmerzen im Unterleib verspüren, kann das an Endo liegen. Normalerweise ist die chronische Krankheit nicht lebensbedrohlich. Sehr selten kann es jedoch zu lebensbedrohlichen Folgeerscheinungen wie z.B.einem Darmverschluss kommen. Häufiger führt sie zu leichten bis hin zu extremen Lebensqualitätsverlusten. Frauen mit Kinderwunsch bleiben wegen der Endo z.T. kinderlos. Nachfolgend wird die Endo aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.

1.1 Anatomische Grundlagen des weiblichen Beckens

Im weiblichen Becken sind die folgenden Organe vorhanden: Harnblase, Harnleiter, Gebärmutter, Gebärmutterhals, Eileiter, Eierstöcke, Enddarm und Dickdarm.

Wie in Abb.1 zu sehen ist, liegen alle Organe dicht beieinander und laufen aufgrund dieser Tatsache Gefahr, durch die Endo in Mitleidenschaft gezogen zu werden (vergl.Becherer2017,15).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1 Die weiblichen Geschlechtsorgane (Becherer 2017, 16)

Die Gebärmutter ist mit je zwei Bändern Richtung Kreuzbein und Leistenkanal im Becken befestigt. Zwischen Enddarm und Hinterwand des Gebärmutterhalses, befindet sich die tiefste Stelle des Bauchraums, der sog.Douglas´scheRaum, in den freie Flüssigkeit fließen kann. Flüssigkeiten können sich z.B. durch das Platzen von normalen Zysten und Schokoladenzysten (Endometriosezysten mit Blut gefüllt) dort sammeln und für weitere Symptome sorgen.

1.2 Der menstruelle Zyklus

Der weibliche Zyklus läuft normalerweise im Großen und Ganzen gleichmäßig ab. „Ziel des weiblichen Hormonzyklus ist es einerseits im Eierstock eine Eizelle reifen zu lassen und andererseits die Gebärmutterschleimhaut für das Einnisten und Weiterwachsen der befruchteten Eizelle vorzubereiten.“ (Kaiser2017,43)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2 Menstruationszyklus (Becherer 2017,16)

Im Einzelnen verläuft ein Zyklus wie in Abb. 2 zu sehen „in vier Phasen ab […]. In der ersten Phase, der eigentlichen Menstruation, löst sich die oberste Schicht des Endometriums [(Gebärmutterschleimhaut)], die Funktionalis, unter oft heftigen Blutungen und Uteruskontraktionen ab. Diese Phase dauert 3-7 Tage und geht in die Proliferationsphase (5.-14. Tag) über, in der unter dem Einfluss des ansteigenden Östrogenspiegels die Funktionalis mit ihren Blutgefäßen wieder aufgebaut wird. Die Östrogene stimulieren auch die Hypophyse, so dass [(follikel stimulierendes Hormon)] FSH und [(luteinisierendes Hormon)] LH ausgeschüttet werden und durch die Freisetzung von großen Mengen LH zur Zyklusmitte der Eisprung ausgelöst wird. Vom 15.Tag an bis kurz vor der nächsten Menstruation dauert die Sekretionsphase, die auch gestaltende Phase genannt wird. Die durch Progesteron eingeleiteten Aufbauvorgänge des Endometriums bereiten unter Glykogeneinlagerung das Einnisten des befruchteten Eies vor. Wurde die gesprungene Eizelle nicht befruchtet, bildet sich in der Ischämiephase der Gelbkörper zurück, seine Progesteron-sekretion nimmt ab, die Blutgefäße im Endometrium verengen sich, und durch die Mangeldurchblutung schrumpft die Funktionalis und stirbt ab. Diese Phase dauert oft nur wenige Stunden und führt zur anschließenden Menstruation.“ (Clauss 2018, 354)

Diese Ausführungen verdeutlichen, das komplexe Zusammenspiel der Hormone und deren Auswirkungen auf den Körper der Frau. Gesteuert wird dieser gesamte Regelkreis im Gehirn, in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse). Sie schüttet je nach aktuell vorhandener Hormonkonzentration im Blut, die entsprechenden Hormone aus (vergl.Kaiser2017,43).

1.3 Klassifikation (ICD 10)

Die Schulmedizin klassifiziert Endometriose mit dem Code „N 80“. Je nachdem, wo die Herde vorkommen, wird die Klassifizierung weiter unterteilt in die Nummern N80.0bis80.9. (icd-code: online).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3 Verschiedene Lokalisationsmöglichkeiten von Endometrioseherden (Becherer 2017, 23)

Die Herde können sich an den unterschiedlichsten Stellen im Bauchraum ansiedeln, vom Zwerchfell bis zum Douglas´schen Raum. Manche sind auf den Organen wie dem Darm oder infiltrieren diese wie in Abbildung3 zu sehen ist. Wenn die Gebärmutter-wand von Infiltration betroffen ist, wird von Adenomyose gesprochen, welche insbesondere während der Periode für Schmerzen sorgt.

1.4 Epidemiologie

Die Prävalenz liegt bei ca. 10–15 % aller Frauen in der Geschlechtsreife, d.h. bei einer geschätzten Prävalenz von 10 % liegt die Anzahl der Endopatientinnen allein in Deutschland bei 1,2 Millionen. Mindestens 40% von ihnen sind therapiebedürftig (vergl.Ebert2019,47) und „pro Jahr geht man in Deutschland von ca.40.000 Neuerkrankungen aus.“ (Becherer 2017, 33).

Bis es zu der Diagnose Endo kommt, vergehen idR. im Durchschnitt 10Jahre.

1.5 Ätiologie

Bis heute sind die genauen Faktoren der Krankheitsentstehung nicht vollständig geklärt, diese Tatsache spiegelt sich auch in der Existenz verschiedener Erklärungsmodelle wider. Die häufigsten verwendeten Modelle werden nachfolgend vorgestellt:

- DerrückwärtigeMenstruationsfluss(Transplantations-oder Verschleppungstheorie)

„Sie besagt, dass lebensfähige Gebärmutterschleimhaut während der Periodenblutung rückwärts durch die Eileiter in das kleine Becken transportiert wird. Günstige Ernährungsbedingungen [(für die Gebärmutterschleimhaut)] im Bauchfellbereich des kleinen Beckens führen dazu, dass sich diese Zellfragmente einnisten und damit eine Endometriose entsteht.“ (Keckstein 2009, 15)

- Die Metaplasie

Zellen enthalten komplexe Informationen (denChromosomensatz) in welchem die Information zum Bau aller Zellen, inklusive spezialisierter Gewebestrukturen, enthalten sind. Durch unterschiedliche Faktoren, wie z.B. hormonelle Ungleichgewichte wird das Coelomkeimblatt (=Gewebeschlauch, aus dem sich die inneren Organe entwickeln) wiederholt gestört und gereizt und verursacht so, dass sich bei normaler Zellerneuerung des Bauchfells Zellen zu Endometriosegewebe entwickeln (vergl.Keckstein2009,16).

Einige Wissenschaftler halten eine Synthese aus beiden Theorien für wahrscheinlich (vergl. Becherer 2017, 21).

- Konzept der Archimetra

Eine neuere Theorie geht davon aus, dass die Gebärmutterwand aus zwei übereinanderliegenden Schichten besteht. Die innere Schicht, die Funktionalis, welche bei der Menstruation abgestoßen wird und die äußere Basalis, aus welcher sich im Zyklusverlauf die neue Funktionalis wieder aufbaut. Aufgrund von außergewöhnlich starken retrograden Kontraktionswellen der Gebärmutter gelangen Zellen der Basalis, welche normalerweise nicht abgestoßen werden, aus dem Uterus durch die Eileiter in den Bauchraum. Da diese Basalis-Zellen von Natur aus die Fähigkeit besitzen, sich zu vermehren, können sie sich einmal im Bauchfell angesiedelt vermehren (vergl.Becherer2017, 21).

- Die Bedeutung des Immunsystems

Tierexperimentelle und klinische Untersuchungen der letzten Jahre lassen auch einen Zusammenhang zwischen Endo und Störungen des Immunsystems vermuten. Es zeigten sich bei Menschen mit einer deutlichen Endo eine Veränderung der Immunreaktion, so z.B. eine veränderte Abwehrreaktion durch Eiweißstoffe (vergl.Keckstein2009,17).

Eine Gemeinsamkeit haben alle Theorien, Gebärmutterschleimhaut siedelt sich an Stellen im Bauchraum zu Endometrioseherden an. „In vielen Fällen bildet sich um die Schleimhaut herum Muskel- und Bindegewebe. Das heißt, der Körper versucht eine gewisse Normalität herzustellen und bildet etwas, was unter dem Mikroskop wie eine kleine Gebärmutter aussieht.“ (Kaiser2017,26). Dieses Gewebe „baut sich zyklisch auf und geht mit Einsetzen der Regelblutung ab. Jedoch ohne Kontakt zur Gebärmutterhöhle kann sich das Blut nicht nach außen entleeren und es staut sich an der entsprechenden Stelle. Als Folge können Entzündungen, Verwachsungen und Narben entstehen.“ (Becherer2017,19). Diese Folgen können wiederum Schmerzen entstehen lassen. Verschiedene Studien deuten auf ein komplexes Zusammenspiel von genetischen, ökologischen, immunologischen und psychischen Faktoren hin (vergl.Egle2020, 517).

1.6 Symptome

Die Symptome sind bei der Endo sehr unterschiedlich. Die Krankheit wird wegen ihres unterschiedlichen Erscheinungsbildes auch mit einem Chamäleon verglichen. Bei manchen Frauen beginnt sie mit leichten Periodenschmerzen und wird über die Jahre langsam stärker bis hin zu zeitweise unerträglichen Schmerzen. Andere junge Frauen haben ab ihrer ersten Blutung sehr starke Schmerzen, welche sich zu chronischen z.T. zyklischen oder permanenten Schmerzen vor allem im Beckenbereich oder im gesamten Bauchraum ausdehnen bzw. entwickeln können. Die Frauen haben häufig zusätzlich verschiedene unspezifische Symptome wie Magenbeschwerden, Völlegefühl, Übelkeit, Darmsymptome, diffuse Bauchbeschwerden, allgemeines Unwohlsein oder häufige Infektionen. Zusätzlich können Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, gering erhöhte Körpertemperatur, Stimmungsschwankungen oder Antriebsarmut auftreten. Aufgrund der verschiedenen unspezifischen Symptome, die ihr Wohlbefinden beeinträchtigen können, ist ihre Leistungsfähigkeit zu manchen Zeiten sehr eingeschränkt. Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, sowie evtl. ungewollte Kinderlosigkeit können die Frau zusätzlich belasten. Mit der Zeit kann es aufgrund der chronischen Beschwerden auch zu psychischen Belastungen kommen, insbesondere wenn ihr soziales Umfeld mit Unverständnis reagiert.

Aufgrund der vielen unterschiedlichen Symptome, welche auch bei anderen Erkrankungen auftreten können, werden auch manche Fehldiagnosen gestellt (vergl.Keckstein2009, 21 ff).

Zusätzlich kann der Verlauf der symptomatischen Endo von Fall zu Fall äußerst verschieden sein, da sie gesichert nur mittels Bauchspiegelung (Eingriff) diagnostiziert werden kann. Diesem Eingriff, welcher idR. in eine Operation mündet, gehen oft viele Jahre mit entsprechenden Beschwerden voraus, welche mal mehr mal weniger ausgeprägt sein können. Die diagnostizierten Befunde müssen auch nicht im Verhältnis zu den von der Patientin empfundenen Schmerzen stehen (vergl.Becherer2017).

Ist die Endo nur ein Zufallsbefund, liegt eine asymptomatische Variante vor, welche nicht weiter behandelt werden muss.

1.7 Therapie

Es gibt verschiedene Therapieansätze, welche idR. jedoch nicht nachhaltig sind. Nachfolgend werden sie kurz skizziert:

- Schmerzmittel

Eine Überdeckung der Schmerzen ist über einen gewissen Zeitraum mit Arzneimitteln wie Aspirin, Diclofenac oder Ibuprofen möglich (vergl.Kaiser2015,63). Diese Präparate helfen über einige Zeit, aber mit jeder „schmerzhaften“ Menstruation wird das Schmerzgedächtnis weiter verfestigt. Durch die Einnahme von Schmerzmitteln spürt die Frau den Schmerz bewusst nicht oder weniger, die Schmerzbotenstoffe bleiben dennoch im Körper aktiv.

- Antibabypille

Die Antibabypille stellt eigentlich kein Schmerzmittel dar. Die hemmende Wirkung auf den Aufbau von Gebärmutterschleimhaut durch pausenlose Einnahme führt aber zu keinem bzw. nur geringem Aufbau der Schleimhaut. In der Folge hat die Frau keine Menstruation. Ggf. muss die Dosis verändert werden, um das Ausbleiben zu erreichen, was zu einer weitgehenden Schmerzfreiheit führt.

- Monatsspritze

Eine vollständige Hemmung der Hormonproduktion in den Eierstöcken wird durch die GnRH-Analoga erreicht. Die Frau wird durch dieses Medikament künstlich in die Wechseljahre versetzt. Sämtliches Wachstum der Endometrioseherde wird unterdrückt. Häufig treten Nebenwirkung wie Hitzewallungen, Nachtschweiß, trockene Scheide, Schlafstörungen, Gefühlsschwankungen ähnlich den natürlichen Wechseljahren auf. Diese Hormontherapie darf wegen drohender Osteoporose höchstens 6Monate angewendet werden.

Nach Beendigung der Therapie setzt der normale Zyklus wieder ein. Die Frau bekommt ihre Monatsblutung wieder. Wenn alles planmäßig verläuft, ist die Periode anschließend weniger schmerzhaft als zuvor. Nach einiger Zeit sind die Schmerzen wieder vorhanden.

- Laparoskopie (Bauchspiegelung)

Sichtbar vorhandene Endometrioseherde können mit einem Minimal-Invasivem-Eingriff (Schlüssellochtechnik) der Laparoskopie beseitigt werden. Die Herde können z.B. mit Hilfe eines Skalpells im Bauchraum weggeschnitten oder mit Hitze koaguliert werden. Äußerlich sind anschließend nur drei kleine Narben sichtbar. Im Inneren können dagegen sehr viele Wunden vorhanden sein.

- Ernährung

Nach Kaiser/Korell(2017) kann auch die Ernährung Einfluss auf die (Schmerz-)Befindlichkeit der Patientinnen nehmen. Die sogenannte „Mittelmeerdiät“ (vielfrischesGemüseundOlivenöl) kann durch ihre optimale Zufuhr von Vitaminen und vielen Antioxidantien bei gleichzeitig geringer Aufnahme von gesättigten tierischen Fetten, ebenfalls auf die inflammatorischen Prozesse der Endo positiven Einfluss nehmen.

Mittels einer Ernährungsumstellung, Akupunktur, Heilkräuter und Tees der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) kann eine Verringerung der Schmerzsymptomatik erzielt werden. Eine Heilung ist dadurch nicht möglich.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Endo eine chronisch fortschreitende Erkrankung ist, welche bei Frauen im gebärfähigen Alter auftreten kann. Eine erfolgreiche Behandlung erweist sich als extrem schwierig, da die Ursachen bis heute nicht geklärt werden konnten. Für viele Bertoffene bedeutet eine Symptomlinderung bereits einen großen Gewinn an wiedergewonnener Lebensqualität.

Eine mögliche Therapie, das erfolgreiche Ausbleiben der Monatsblutung über viele Jahre, was zum Aufhalten weiterer Chronifizierung beiträgt, verdeutlicht den massiven Eingriff in die biologischen Vorgänge des weiblichen Hormonzyklusses. Nebenwirkungen können die Therapie ebenfalls begleiten.

2 Wie entstehen Schmerzen

Der primäre Sinn des Schmerzes liegt in der Vermeidung von Schäden am bzw. im Körper. Er dient als Warnhinweis. Der Schmerz wird je nach Ursache in den Akut-schmerz und den chronischen Schmerz unterteilt.

2.1 Akutschmerz

Der Schmerz ist nach der Begriffserklärung der Weltschmerzorganisation

(IASP=InternationalAssociation for the Study of Pain) ein unangenehmes Sinn- und Gefühlserleben, welches die Aufgabe hat, vor einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung zu schützen, indem die Person versucht diesen Reiz zu vermeiden. Das Wort „akut“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Schmerz plötzlich auftritt und nicht für lange Zeit anhält (vergl.Nobis2016,4;Huch2011,183).

2.2 Chronifizierung der Schmerzen

Treten Schmerzen bei Krankheitsgeschehen regelmäßig wiederkehrend über einen Zeitraum von mindestens 3 bis 6 Monaten auf, wird in der Medizin von chronischen Schmerzen gesprochen. Das Schmerzempfinden kann noch verstärkt werden, wenn das soziale Umfeld auf die für Außenstehende unerklärbaren Schmerzen mit Unverständnis reagiert (vergl.Nobis2016,7). Ab ca. 6 Monaten regelmäßig wiederkehrender Schmerzen ist auch bereits eine biochemische Veränderung auf Rezeptorebene nachweisbar (vergl.Egle2020,516).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.4 Der Schmerzkreislauf auf körperlicher Ebene (Richter 2021, 23)

Abbildung 4 zeigt die Entstehung des Schmerzkreislaufs:

„Durch das Anhaften und Einwachsen von Endometrioseherden in das umliegende Gewebe und die darum entstehende Entzündungsabwehrreaktionen werden >>Schmerzfühler<< (Schmerzrezeptoren bzw. sog. >>Nozizeptoren<<) aktiviert, wodurch sog. >>nozizeptive<< Schmerzen hervorgerufen werden. Diese Schmerzen sind eher dumpf, ziehend, diffus und oft nur schwer zu lokalisieren. Endometrioseherde können aber auch durch Druck auf Nerven und deren direkte Infiltration zu Schmerzen führen, den sog. >>neuropathischen << Schmerzen. Diese Schmerzen sind eher brennend, spontan einschießend oder elektrisierend. Beide Schmerzarten werden über Nervenbahnen an das Gehirn weitergeleitet. Bis der Nervenreiz dort als Empfindung >>Schmerz<< wahrgenommen wird, wird er auf vielfältige Weise - sowohl körperlich-biologisch als auch psychisch – bearbeitet. So kann er verstärkt und auch abgeschwächt werden.“ (Becherer2017,56)

Durch die Schmerzempfindung kann es zu Bewegungsvermeidung und Ausweichverhalten kommen, was wiederum zur Minderversorgung des Gewebes führen kann. Verspannungen und Steigerung des Schmerzempfindens können zusätzlich eine Folge sein und verstärkend wirken. Im nächsten Monat beginnt der Kreislauf von vorne. Der Schmerz ist auf biologischer Ebene eine Form von Stress. Dieser Stress, der durch die Endo entsteht, löst eine endokrine (hormonelle) Kaskade aus, die über die Hormone der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse weitergeleitet wird. Unter anderem ist auch das Hormon Kortisol daran beteiligt. Kortisol wirkt immunsuppressiv (immunfunktionsmindernd), so dass eine gesteigerte Kortisolausschüttung die Immunaktivität der Endometriosezellen beeinflussen könnte (vergl.Egle2020, 518).

2.3 Löschen des Schmerzgedächtnis

In Tierversuchen konnte Liu et al. 1998 mit Hilfe von niederfrequenter konditionierender elektrischer Stimulation die Schmerzchronifizierung wieder rückgängig machen (vergl.Standl2010,33).

Aktuell läuft in der UKGM (UniversitätsklinikumGießenundMarburg) das Forschungs-projekt „Retroperitoneale Sakralnervenstimulation zur Behandlung chronischer pelviner Schmerzen“, welches in einem Vortrag des UKGM im Rahmen der Aktion „Schlaglichter“ der Endometriose VereinigungDeutschlande.V.(EVDe.V.) vorgestellt wurde. In diesem Forschungsprojekt werden Patientinnen, welche unter massiven chronischen Endometrioseschmerzen leiden, Elektroden in die Nähe der subcutanen peripheren Nervenbahn des Rückenmarks implantiert. Mittels einer Art Schrittmacher können die Patientinnen anschließend selbstständig die Stärke und Frequenz von ihm abgehende elektrische Impulse einstellen. Auf diese Weise wird der Schmerzreiz „maskiert“ und die Frau spürt ihn kaum noch. Eine Chronifizierung kann möglicherweise dauerhaft umgekehrt werden (vergl.UKGM:online).

2.4 Der Schmerz und die Psyche

Der Gynäkologe Dr. Seckin (2019, 54) brachte es in einer Fallbeschreibung auf den Punkt:

„In Anbetracht der Hölle, die Laura durchgemacht hat, störte mich an ihrer Geschichte am meisten, dass ihr ein Arzt einmal weismachen wollte, sie bilde sich die körperlichen Qualen nur ein. Zahlreiche Frauen haben mir erzählt, dass auch sie mit solchen Aussagen von Ärzten konfrontiert wurden.“

Diese Aussage verdeutlicht, wie Endometriosepatientinnen vielfach von Gynäkologen in der Praxis behandelt werden. Sie wollen und brauchen Hilfe und ernten häufig nur Unverständnis.

„Die Kombination aus häufig starken Schmerzen, notwendigen Operationen und den Schwierigkeiten mit Endo schwanger zu werden bedeutet eine große Belastung für die betroffenen Frauen. Dazu kommt das große Rezidivrisiko, was das Gefühl „verfolgt zu werden“ noch verstärkt. Nimmt man auch den Einfluss der Erkrankung auf das Berufsleben durch häufige Krankheit und auf die Partnerschaft durch Einschränkungen des täglichen und nächtlichen Lebens (Stichwort Dyspareunie ([Schmerzen beim Geschlechtsverkehr]) hinzu, kann man ihre erhebliche Dimension erfassen.“ (Kaiser2017,66)

Zusätzlich zu den Schmerzbelastungen, evtl. psychischen Belastungen scheint auch ein erhöhtes Risiko für Komorbiditäten wie Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), Fibromyalgie, chronischem Müdigkeitssyndrom, Autoimmunerkrankungen, Allergien und Asthma zu bestehen (vergl.Egle2020,517).

Wie im Stufenschema (Abb.5) zu erkennen ist, gibt es Therapiemöglichkeiten zur kurzfristigen Verbesserung der Lebensqualität. Sie werden jedoch, wie Nobis (2016,135) ausführt, kaum angeboten und angewendet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.5 Stufenschema zur Behandlung der Endometriose (Mechsner 2021)

Je häufiger nozizeptive Schmerzen (sensorische Schmerzempfindungen) auftreten, desto mehr verändert sich die körperliche Schmerzverarbeitung hin zu noziplastischen Schmerzen (chronisch veränderte Schmerzweiterleitung) verursacht durch Gewebe-schäden und Entzündungen. Je fortgeschrittener die Chronifizierung ist, desto schwieriger und langfristiger wird die Behandlung z.B. mittels Physiotherapie, Osteopathie, Yoga und Ernährung. Aufgrund der Diagnose Endometriose alleine übernehmen die Krankenkassen außerhalb von Klinikaufenthalten die resultierenden Kosten von Kursen idR. nicht.

Für die Endo sind bislang vergleichsweise wenige kontrollierte Studien zur Therapie durchgeführt worden, weshalb es in der Praxis zu ein und demselben Befund unterschiedliche Therapievorschläge geben kann (vergl.Mechsner2021).

Bei der Behandlung von Endo Patientinnen ist laut Nobis (2016, 135) die Aufklärung und die Feststellung „möglicher psychosozialer und beruflicher Belastungen [wichtig]. Konsequenterweise […] [sind] […] auch Behandlungsbausteine aus unterschiedlichen Fachrichtungen gefordert. So kommen, wenn möglich, bei einer „interdisziplinär-multimodalen“ Behandlung gleichzeitig auf Schmerz spezialisierte Ärzte, Psychologen, Pflegekräfte, Physio- und Sporttherapeuten, Bewegungs- und Ergotherapeuten sowie Sozialarbeiter zum Einsatz. Die Deutsche Schmerzgesellschaft kommt allerdings zu der Feststellung, dass die interdisziplinär-multimodale Schmerztherapie in der Gesundheitsversorgung eher die Ausnahme darstellt. Es wurde kritisch angemerkt, dass zwar viele Behandlungsstätten mit einer „Interdisziplinär-multimodalen Schmerz-Therapie“ werben, aber festzustellen war, dass sich die Angebote in der geforderten Qualität erheblich unterscheiden.“

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine funktionierende Schmerzweiterleitung sehr wichtig ist, um den Menschen vor der Gefahr von Verletzungen zu schützen. Verändert sich die Schmerzweiterleitung durch regelmäßig wiederkehrende Schmerzen wie z.B. bei der Endo, können langfristige biochemische Veränderungsprozesse zu chronischen Schmerzen führen und die Lebensqualität kann massiv eingeschränkt werden. Eine Umkehrung dieser Chronifizierung ist bislang kaum möglich. Eine Symptomreduktion kann unter Einsatz von verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten idR. erzielt werden.

3 Verschiedene Voraussetzungen zur Stärkung und Feststellung von Resilienz

Früher wurden körperliche und psychische Krankheiten und deren Ursachen nur aus der pathogenetischen Sicht betrachtet. Inzwischen hat ein Umdenken stattgefunden, hin zu ressourcenorientierter salutogenetischer Sichtweise. Diese stellt förderliche Schutzmechanismen (Ressourcen) als Konzept der Gesundheitsförderung in den Vordergrund. Auf diese Weise stellt die Resilienz und ihre Förderung einen übergeordneten Ansatz dar (vergl.Kunzler2018,747).

Nachfolgend werden verschiedene Theorien und Konzepte kurz vorgestellt.

Als erstes, das Konstrukt der Lebensqualität und dessen Messbarkeit. Anschließend werden die für eine gelingende Entwicklung besonders wichtigen Voraussetzungen wie das Salutogenesemodell, die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und Ressourcen genauer beleuchtet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten zur Resilienzsteigerung bei chronisch schmerzhafter Endometriose
Hochschule
Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
66
Katalognummer
V1195918
ISBN (eBook)
9783346639349
ISBN (eBook)
9783346639349
ISBN (eBook)
9783346639349
ISBN (Buch)
9783346639356
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Endometriose, Soziale Arbeit
Arbeit zitieren
Sozialarbeiterin /Sozialpädagogin BA Ute Zimmer (Autor:in), 2021, Möglichkeiten zur Resilienzsteigerung bei chronisch schmerzhafter Endometriose, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1195918

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