Erstmalig erschienen 1921. Auszug: Zu den indischen Bergen, wo sie einst glücklich gewesen, hatte es sie
zurückgezogen.
Oftmals war ihr im Traum die ferne indische Sommerstadt
erschienen, die, einem riesigen Wespennest gleich, an der Bergwand
zu hängen scheint und aus kühler Höhe herabschaut auf die
endlose, in der Hitze dampfende Ebene tief unten.
Nun, nach Jahren, war die einsame Frau wieder dort oben.
Aus dem lärmenden, dünnwandigen Hotel mit den wackligen
Holzveranden, wo sie, nach der langen Postfahrt bergan,
abgestiegen war, trat sie bald wieder hinaus und schritt durch die
winklig gewundenen Gäßchen des Bazars.
Es war da alles wie früher, und, wie so oft im Traume, erkannte sie
es nun in der Wirklichkeit wieder. Da waren die glatten,
geschmeidigen Händler aus Delhi, die schimmernde Goldstickereien
und glitzerndes Geschmeide in elenden Buden feilbieten; die
feierlichen Kaschmirioten, die ihre Warenballen aufrollen und alte
Schals ausbreiten, deren Farben wie bunte Kirchenfenster glühen;
die Holzschnitzer, die in offener Werkstatt immer wieder die
gleichen durchbrochenen Wandschirme anfertigen. Kameele, in
langer Reihe, zogen noch wie einst mit wiegendem Nicken der
würdevollen Köpfe durch die Straße; neben ihnen afghanische
Karawanentreiber mit grünem Turban und rotgefärbten Bärten.
Unverändert waren auch die fetten bengalischen Babus mit ihren
Imperatorenköpfen dekadenten Zeitalters, ihren togaartigen
Gewändern, weißen Socken an nackten haarigen Beinen, schwarzen
Zugstiefeln und baumwollenen Regenschirmen. Alles so
unverändert, als müßten es noch dieselben Menschen, dieselben
Tiere sein, die sie hier vor Jahren gesehen!
Inhaltsverzeichnis
- 1. Die Trommel
- 2. Aus dem Gewirr der Stimmen
- 3. Den Schatten
- 4. Und nun lag es vor ihr
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text beschreibt die Rückkehr einer Frau an einen Ort vergangener Glückseligkeit in den indischen Bergen. Er beleuchtet die Veränderungen, die sowohl in der Umgebung als auch in der Protagonistin selbst stattgefunden haben.
- Erinnerung und Nostalgie
- Vergänglichkeit und Verlust
- Die Suche nach Identität
- Der Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart
- Die Erfahrung von Einsamkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Die Trommel beschreibt die Ankunft der Frau in der indischen Bergstadt und ihre Wiederbegegnung mit der vertrauten, doch veränderten Umgebung des Bazars. Die detaillierte Schilderung des Marktlebens betont den Kontrast zur inneren Welt der Protagonistin.
Kapitel 2: Aus dem Gewirr der Stimmen schildert den Aufstieg der Frau zu den Bungalows der weißen Bewohner. Sie beobachtet die Gesellschaft, die ihr fremd geworden ist, und spürt die Kluft zwischen ihrem gegenwärtigen Zustand und dem Leben der anderen.
Kapitel 3: Den Schatten beschreibt den weiteren Aufstieg der Frau zum „letzten Haus“, ihrem ehemaligen Zuhause. Die Natur wird hier als Spiegel ihrer inneren Welt dargestellt; Erinnerungen an vergangenes Glück werden lebendig.
Schlüsselwörter
Indien, Erinnerung, Nostalgie, Verlust, Einsamkeit, Vergangenheit, Gegenwart, Identität, heimkehr, vergangenes Glück.
- Arbeit zitieren
- Elisabeth von Heyking (Autor:in), 2008, Die Trommel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119599