„Gemeinnutz vor Eigennutz!“ lautet eine der bekanntesten Parolen, die von der NSDAP verbreitet wurden. Aber auch andere Forderungen der Nationalsozialisten wie der Apell, dass „[…] die Tätigkeit des einzelnen […] nicht gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen, sondern […] im Rahmen des Gesamten und zum Nutzen aller erfolgen (muss)“ oder die Aufforderung zum „Rücksichtslosen Kampf gegen diejenigen, die durch ihre Tätigkeit das Gemeininteresse schädigen“ haben eine eindeutige Bezugnahme zum Gemeinsinn. Wenn die NSDAP und die nationalsozialistische Bewegung weitergehend untersucht werden, so werden sich immer wieder Bezüge zu dem Begriff Gemeinsinn in seinen beiden Dimensionen finden lassen. Den Einzelnen für das große Ganze zu gewinnen, ist eine immer wieder auftretende Forderung der Nationalsozialisten, welche die Selbstsucht und die daraus resultierende Spaltung der Nation in Klassen, Schichten und Parteien anprangern. Zugleich versuchten die Ideologen der Bewegung einen neuen Sinn zu finden, dem sich der Einzelne verschreiben sollte.
Die Frage, die sich zwangsläufig aus dieser Feststellung heraus aufdrängt, ist welche Verbindung sich zwischen der Ideologie des Nationalsozialismus und Gemeinsinn herstellen lässt. Konkret soll geklärt werden, welcher neue Sinn der Gemeinschaft, oder treffender Volksgemeinschaft, gegeben und wie der Einzelne für das Ganze gewonnen werden sollte. Mit welchen Ideen wollte die nationalsozialistische Ideologie Gemeingeist erzeugen? Wie konnte die NS-Ideologie trotz ihrer Banalität und ihres Irrationalismus eine derart integrierende und dynamische Kraft entwickeln? In der Beantwortung dieser Fragen liegt der Zugang, um zu erkennen, mit welchen Versprechen und Visionen eine radikale Bewegung eine immer breitere Anhängerschaft gewinnen und eine neue politische und soziale Ordnung in Form einer totalitären Diktatur errichten konnte.
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung
- Geistige Grundlagen und prägende Diskurse
- Diskurse des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
- Theorien rassischer Überlegenheit
- Volksgemeinschaft des Blutes
- Boden und Lebensraum
- Vom Antijudaismus zum Antisemitismus
- Deutsche Diskurse nach 1918
- Der Erste Weltkrieg
- Der Mythos vom Führer
- Nationalsozialismus als handlungsleitende Situationsdefinition
- Traditionelle Elemente
- Antworten auf Fragen der Zeit
- Antikapitalismus
- Gegen Demokratie, Liberalismus und Bürgertum
- Gegen Bolschewismus und Klassenkampf
- Bindeglied „Erlösungsantisemitismus“
- Zusammenführung der Ideologie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Verbindung zwischen der Ideologie des Nationalsozialismus und dem Konzept des Gemeinsinns. Ziel ist es zu klären, wie der Nationalsozialismus einen neuen Sinn für die Volksgemeinschaft schuf und Individuen für das Ganze gewann. Es werden die verwendeten Versprechen und Visionen analysiert, die es der Bewegung ermöglichten, eine breite Anhängerschaft zu gewinnen und eine totalitäre Diktatur zu errichten.
- Geistige Grundlagen des Nationalsozialismus
- Die Rolle des Gemeinsinns in der nationalsozialistischen Ideologie
- Antworten der NS-Ideologie auf die drängenden Fragen der Zeit
- Analyse der Integrationskraft des Nationalsozialismus
- Die Wirkung nationalsozialistischer Propaganda
Zusammenfassung der Kapitel
Die Vorbemerkung erläutert die Relevanz des Gemeinsinns für die NSDAP und formuliert die Forschungsfrage nach der Verbindung zwischen nationalsozialistischer Ideologie und Gemeinsinn. Kapitel 2 beleuchtet die geistigen Grundlagen, insbesondere Diskurse des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (rassische Überlegenheit, Volksgemeinschaft, Boden und Lebensraum, Antisemitismus) und deutsche Diskurse nach 1918 (Erster Weltkrieg, Führermythos). Kapitel 3 beschreibt den Nationalsozialismus als handlungsleitende Situationsdefinition, seine traditionellen Elemente und die Antworten auf die sozialen Fragen der Zeit (Antikapitalismus, Ablehnung von Demokratie und Liberalismus, Kampf gegen Bolschewismus, „Erlösungsantisemitismus“). Kapitel 4 behandelt die Zusammenführung der verschiedenen ideologischen Elemente.
Schlüsselwörter
Nationalsozialismus, Gemeinsinn, Volksgemeinschaft, Ideologie, Diskurse, Rassismus, Antisemitismus, Erster Weltkrieg, Führermythos, Antikapitalismus, Antiliberalismus, Propaganda, Totalitarismus.
- Citar trabajo
- cand. phil. Martin J. Gräßler (Autor), 2008, Nationalsozialismus und Gemeinsinn, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119695