Reverse Logistics im After Sales Service: Reparaturservice


Mémoire (de fin d'études), 2006

108 Pages, Note: 1.7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeine Grundlagen
2.1 Reverse Logistics
2.1.1 Definition der Reverse Logistics
2.1.2 Einordnung der Reverse Logistics im SCM
2.1.3 Dimensionen der Reverse Logistics
2.1.3.1 Treiber der Reverse Logistics
2.1.3.2 Ursachen der Rückführung
2.1.3.3 Prozesse der Reverse Logistics
2.1.3.4 Spieler in der Reverse Logistics
2.1.4 Kategorien der Reverse Logistics
2.2 After Sales Service
2.2.1 Definitionen
2.2.2 Dienstleistungsarten im After Sales Service
2.2.3 Nutzenpotenziale des After Sales Service
2.2.4 After Sales Service Management

3. Reverse Logistics im After Sales Service
3.1 Abgrenzung der Reverse Logistics im After Sales Service
3.2 Retouren im After Sales Service
3.3 End-of-life-Entsorgung im After Sales Service
3.4 Service-Rückführung: Reverse Logistics im Reparaturservice

4. Reverse Logistics im Reparaturservice
4.1 Reverse Logistics im Prozessmodell des Reparaturservice
4.2 Kreislauf der Reverse Logistics
4.3 Randbedingungen zur Gestaltung der Reverse Logistics
4.4 Erfolgsfaktoren der Reverse Logistics
4.5 Charakteristika und Anforderungen an die Reverse Logistics
4.6 Management der Reverse Logistics im Reparaturservice
4.6.1 Schritte zur Strategieentwicklung
4.6.2 Strategische Netzwerkgestaltung
4.6.2.1 Netzwerkmodelle
4.6.2.1.1 Netzwerkmodelle der Reparatur
4.6.2.1.2 Netzwerkmodelle der Ersatzteillager
4.6.2.1.3 Beispiele
4.6.2.2 Lagerung der Ersatzteile
4.6.2.3 Outsourcing
4.6.2.3.1 Serviceanbieter
4.6.2.3.2 Potenziale und Risiken
4.6.3 Operatives Management der Reverse Logistics

5. Spezifika des chinesischen Marktes

6. Schlussbetrachtung
6.1 Resümee
6.2 Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Definitionen der Reverse Logistics

Abb. 2: Grundlegende Prozesse im SCOR-Modell

Abb. 3: SCOR-Modell mit Prozesse der Reverse Logsitics

Abb. 4: Prozesse der Reverse Logistics

Abb. 5: Spieler in der Reverse Logistics

Abb. 6: Rückwärtsflüsse in der Reverse Logistics

Abb. 7: Kategorien der Reverse Logistics

Abb. 8: Systematik von Kundendiensten

Abb. 9: Dienstleistungen im After Sales Service

Abb. 10: Entwicklungsstufen der Position von After Sales Service

Abb. 11: Bezugsrahmen für das After Sales Service Management

Abb. 12: ASSM an der Schnittstelle zwischen SCM und CRM

Abb. 13: Reverse Logistics im After Sales Service

Abb. 14: Materialflüsse der Retouren im After Sales Service

Abb. 15: Materialflüsse der End-of-life-Entsorgung im After Sales Service

Abb. 16: Prozessmodell des Reparaturservice

Abb. 17: Struktur der Reverse Logistics im Reparaturservice

Abb. 18: Kreislauf der Reverse Logistics im Reparaturservice

Abb. 19: verschiedene Ablaufmöglichkeiten vom Kreislauf

Abb. 20: Veränderungstreiber der Reverse Logistics im Reparaturservice

Abb. 21: Kundenanforderungen an den Reparaturservice

Abb. 22: Beispiel zur Kundensegmentierung im B2B-Bereich

Abb. 23: Allgemeine Serviceportfolio

Abb. 24: Allgemeine mehrstufige Reparatur

Abb. 25: Netzwerkstruktur des Reparaturzentrums

Abb. 26: Netzwerkmodelle der Ersatzteillager

Abb. 27: Beispiel eines kombinerten Modells

Abb. 28: Reverse-Logistics-Netzwerk von Teradyne

Abb. 29: Reverse-Logistics-Netzwerk von Olivetti

Abb. 30: Gruppierung und Lagerung der Ersatzteile

Abb. 31: Serviceportfolio mit Ersatzteillagerung

Abb. 32: Einflussgrößen der Ersatzteil-Nachfrage

Abb. 33: Regelungen im Bereich der Reverse Logsitics

Abb. 34: Lagerumschlagshäufigkeit der Ersatzteile

Abb. 35: Hierarchie der Produkte und Infrastruktur

Abb. 36: DHL-Lösung für die Reverse Logistics im Reparaturservice

1. Einleitung

Im Zuge der Globalisierung und weltweiter Wirtschaftsentwicklung wächst die Bedeutung des Gebiets „Logistik“ für Unternehmen unaufhaltsam. Dabei wird das Logistikumfeld unter Bedingungen z.B. wachsender Konkurrenz oder verkürztes Produktlebenszyklus als immer komplizierter, dynamischer und unsicherer charakterisiert. Unternehmen sind gezwungen zur Sicherstellung des Überlebens stetig neue Strategien zu implementieren. Zahlreiche neue Themen wie beispielsweise „Global Manufacturing“, „4th Party Logistics“, „e-Logistics“ und „Reverse Logistics“ wird heutzutage von Wirtschaft und Wissenschaft diskutiert, untersucht und umgesetzt.[1]

Darunter umfasst Reverse Logistics u.a. sämtliche logistische Prozesse von der Sammlung, Sortierung, Aufarbeitung bis hin zur Verwertung, zum Recycling sowie zur Redistribution zurückgegebener Produkte und Bauteile. In den letzten zehn Jahren hat Reverse Logistics aufgrund ökologischer Herausforderungen und technisch-ökonomischer Entwicklungen eine große Bedeutung erhalten. Dies hängt zum einen mit den rechtlichen Rahmenbedingungen wie z.B. das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) sowie das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) zusammen. Zum anderen sind sich Unternehmen der Wichtigkeit und des potenziellen Profits von Reverse Logistics bewusst.[2] Über alle Branchen dehnt sich die Rückführung von[3]% bis 50% aller Lieferungen aus.[3] Effizienz in dieser Disziplin kann für Unternehmen sowohl Kostenreduzierung als auch Umsatzerhöhung bedeuten.

Dabei kommt einem anderen Geschäftsfeld, After Sales Service, in einem von zunehmendem Wettbewerb geprägten Marktumfeld eine bedeutende Rolle zu. Für produzierende Unternehmen wird eine Differenzierung über Technologie, Qualität oder Innovation und damit eine Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile zunehmend schwieriger. Das Senken der Gewinnmargen im traditionellen Produktgeschäft hat zur Folge, dass die Relevanz andersartiger Differenzierungsmöglichkeiten steigt.

Es ist kaum mehr möglich, allein über das Kernprodukt mit permanenter Produktinnovation oder vernünftiger Preisgestaltung gegenüber Wettbewerbern zu differenzieren, insbesondere in technologieorientierten Branchen. Um den langfristigen Erfolg zu erzielen, müssen Unternehmen die Kundenbeziehung und Kundenloyalität sorgfältig pflegen und damit das Potenzial der Kunden ausschöpfen. Dies kann heutzutage lediglich durch einen hochqualitativen After Sales Service gewährleistet werden. Der After Sales Service hat sich somit zu einer strategischen Erfolgsposition entwickelt.

Darunter spielt der Reparaturservice im Garantie- und Servicevertragsfall eine besonders wichtige Rolle. Die Serviceleistung, die die Kundenanforderungen perfekt erfüllt, kann maßgeblich zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und -bindung beitragen. In mancher Branche steigen die Gewinne aus Ersatzteilverkauf und Instandhaltung, Reparatur sowie Upgrade sogar über die aus Produktverkauf. Dies gilt insbesondere für die haltbaren Produkte wie Baugeräte, Landmaschinen, Triebwerkanlagen, Aufzüge, Flugzeuge, Computer und Automobile.[4]

Der After Sales Service kann aber ohne entsprechende Reverse Logistics nicht realisiert werden. Ob bei der Operation des Retourenservice oder bei der Rücknahme der End-of-life-Produkte von Kunden oder bei der Durchführung des Reparaturservice handelt es sich aber immer um eine Aktivität, nämlich Rückführung, und gehört somit auch zum Gebiet der Reverse Logistics. Jedoch hat bis jetzt fast kein Autor die Reverse Logistics und den After Sales Service kombiniert analysiert. Während bezüglich der Reverse Logistics die meisten Autoren den Wert auf Entsorgungslogistik gelegt haben, wird hinsichtlich der Logistik im After Sales Service fast lediglich die Ersatzteillogistik behandelt. In dieser Arbeit wird die den After Sales Service betreffende Reverse Logistics diskutiert, insbesondere die den Reparaturservice unterstützende Reverse Logistics.

Zuerst zeigt Kapitel zwei die Grundlagen der Reverse Logistics und des After Sales Service. Durch Gegenüberstellung unterschiedlicher Definitionen in der Literatur wird die Reverse Logistics zuerst vorgestellt. Nach der Einordnung der Reverse Logistics im Supply Chain Management (SCM) werden die verschiedenen Dimensionen der Reverse Logistics dargestellt und anhand dessen die Reverse Logsitics in sechs Kategorien untergliedert und jeweils detailliert beschrieben. Nach der Begriffsbestimmung des After Sales Service werden die Dienstleistungsarten entlang der Nachkaufphase aufgegliedert. Die Wichtigkeit des After Sales Service für den Erfolg des Unternehmens wird durch Darstellung ihrer Nutzenpotenziale erklärt. Darauf basierend wird das Management vom After Sales Service grob behandelt.

In dem dritten Kapitel wird der Zusammenhang zwischen Reverse Logistics und After Sales Service dargestellt. Hier lassen sich die drei Kategorien der Reverse Logistics, die den After Sales Service implementieren und unterstützen, anhand der Definition und Dienstleistungsarten des After Sales Service herausfinden und jeweils weiter beschreiben.

Aufgrund der wesentlichen Rolle des Reparaturservice für den Erfolg des Unternehmens, insbesondere in technologieorientierten Branchen wie Computer, Automobile und Telekommunikation, wird sich das vierte Kapitel auf die Reverse Logistics im Reparaturservice konzentrieren. Dabei werden zuerst das Prozessmodell des Reparaturservice sowie die darauf basierende Struktur der Reverse Logistics beschrieben. Anschließend folgen der Kreislauf, die Randbedingungen, die Erfolgsfaktoren sowie die Charakteristika der Reverse Logistics im Reparaturservice. Ausgehend von den Charakteristika und Anforderungen ist ein vernünftiges Management der Reverse Logistics unentbehrlich. Deswegen werden dann die wesentlichen strategischen Managementaufgaben der Reverse Logistics diskutiert, insbesondere die Netzwerkgestaltung bezüglich Netzwerkmodellen und Outsourcing.

Nach der kurzen Vorstellung des chinesischen Markts in Kapitel fünf endet diese Arbeit dann mit der Schlussbetrachtung.

2. Allgemeine Grundlagen

2.1 Reverse Logistics

2.1.1 Definition der Reverse Logistics

Reverse Logistics, im Deutschen auch als Rückführ- oder Rückwärtslogistik bezeichnet, gewinnt seit den neunziger Jahren unter den ökonomischen und ökologischen Herausforderungen immer mehr wissenschaftliche und wirtschaftliche Aufmerksamkeit. Nach einer Untersuchung in den USA im Jahr 1997 waren die Kosten der Reverse Logistics bereits ca. 4% der gesamten Logistikkosten, nämlich $35 Milliarden. Selbstverständlich variieren die Größe und der Einfluss der Reverse Logistics je nach Branche, aber der Gesamtbetrag der Aktivitäten im Rahmen der Reverse Logistics in der Wirtschaft ist relativ groß und noch im Wachstum.[5] Das bedeutet, dass die Wichtigkeit der Reverse Logistics in größerem Maß erkannt wird und immer mehr Unternehmen sich mit Reverse Logistics Management beschäftigen.

Als Forschungsgebiet ist Reverse Logistics aber relativ jung. In der Wissenschaft liegt noch keine einheitliche Definition vor. In der Abbildung 1 werden einige englischsprachige Definitionen aufgeführt,[6] die von unterschiedlichen Perspektiven der Reverse Logistics ausgehen.[7]

In Bezug auf Objekte der Reverse Logistics zeigt Stock lediglich gefährliche Materialien und Krikke lediglich weggeworfene Produkte. Kroon/Vrijens und Guide ergänzen dazu noch Behälter. Rogers/Tibben-Lembke und Dekker fassen alle Waren in der Produktionsphase wie z.B. Rohstoffe, Halbzeuge und Fertigwaren als Objekte der Reverse Logistics auf. Nach Dowlatshahi befasst sich Reverse Logistics lediglich mit Produkten und Bauteilen. Alle solche Objekte gehen in die Reverse Logistics ein und werden von Fleischmann als sekundäre Waren zusammenfasst. Dabei nehmen drei Definitionen auch Bezug auf dazugehörige Informationen im Gegensatz zu anderen, die sich lediglich auf Materialen beziehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Definitionen der Reverse Logistics (Eigene Darstellung)

Hinsichtlich der Prozesse der Reverse Logistics betrachten einige Autoren die Planung, Implementierung und Controlling der entsprechenden Material- und Informationsflüsse, während manche Autoren Wert auf konkrete Aktivitäten legen. Somit ist es aufzuzeigen, dass in der Literatur Reverse Logistics im weiteren Sinne nicht nur logistische Prozesse wie TransportˈUmschlag und Lagerhaltung, sondern auch die Wiederaufarbeitung umfasst. Nach Reverse Logistics Association beinhaltet Reverse Logistics aber alle produktbezogenen Aktivitäten in der Nachkaufphase.[8]

Dabei ist die Frage nach der Materialflussrichtung am strittigsten. Die zweite Definition enthält lediglich die Rückführung der Waren vom Verbraucher bis zum Hersteller, während die Anderen auch z.B. die Rückwärtsflüsse vom Händler bis zum Hersteller oder vom Verbraucher bis zum Händler berücksichtigen. Im Gegensatz dazu schließen Roger/Tibben-Lembke den Materialfluss von Altprodukten zu Dritten aus, die sich auf Wiederaufarbeiten der Altprodukte spezialisieren. Gemäß Kroon/Vrijens und Fleischmann laufen die Materialflüsse der Reverse Logistics entgegen der eigentlichen Wertschöpfungsrichtung. Bezüglich der Materialflüsse ist die Definition von Dekker ziemlich umfassend, die alle oben erwähnten Rückwärtsflüsse umfasst.

Es ist darauf hinzuweisen, dass in das Gebiet der Reverse Logistics ebenso Elemente von vorwärts gerichteten Strömen in die Betrachtung einfließen, obwohl es als Rückwärtslogistik bezeichnet wird. Während bei rückwärts gerichteten Strömen es z.B. um die Rückführung eines Altprodukts zum Hersteller oder einer Verpackung zum Händler geht, sind vorwärts gerichtete Ströme als Folge von Rückwärtsflüssen gegeben, wenn z.B. ein aufgearbeitetes Altprodukt an einen Gebrauchtprodukthändler weitergeliefert oder ein repariertes Produkt wieder zum Kunden geliefert wird.[9] Diese vorwärts gerichteten Ströme werden auch Redistribution genannt.

Damit wird folgende Definition für Reverse Logistics zusammengefasst: Reverse Logistics umfasst sämtliche Prozesse der Planung, Implementierung und Controlling entlang der effizienten und effektiven Flüsse zurücklaufender Waren sowie dazugehöriger Informationen von Gliedern der Wertschöpfungskette (Zulieferer, Hersteller, Spediteure, Händler und Endkunden) über die Behandlung bis hin zu individuellen Kunden der wieder verwendbaren Waren.[10]

In der Sprache der Logistiker besteht noch ein populärer Begriff namens umweltfreundliche Logistik.[11] Hierbei wird Reverse Logistics von diesem Begriff unterschieden. Bei Letzterem handelt es sich um die Umwelt betreffenden Logistikaktivitäten. Der Mangel und die Verschlechterung von natürlichen Ressourcen in der Welt lassen Unternehmen mehr Bewusstsein haben, ihre Geschäfte mit umweltfreundlichen Alternativen oder den Naturschutz betreffenden Methoden zu machen. Wichtige Aktivitäten dafür sind beispielsweise die Verwendung erneuerbarer Stoffe als Rohmaterialien, Reduzierung der Emissionen und Lärm bei der Produktion, Reduzierung des Energieverbrauchs und der Umweltverschmutzung beim Transport, Entsorgung von gefährlichen und ungefährlichen Abfällen. Reverse Logistics und umweltfreundliche Logistik haben zwar einige Gemeinsamkeiten. Jedoch ist Reverse Logistics wie oben analysiert mehr als Wiederverwendung der Behälter und Recycling von Altmaterialien. Die wesentlichen Aktivitäten der umweltfreundlichen Logistik finden eher bei Vorwärtslogistik[12] statt.

2.1.2 Einordnung der Reverse Logistics im SCM

Die traditionelle Logistik bezieht sich auf die vorwärts gerichteten Materialflüsse, diese wird auch als „Vorwärtslogistik“ gegenüber Reverse Logistics bezeichnet. Das Council of Logistics Management definiert die traditionelle Logistik als Prozess der Planung, Implementierung und Controlling des effizienten und effektiven Flusses und der Lagerung von Materialien und zugehöriger Informationen vom Lieferanten zum Empfangspunkt entsprechend den Anforderungen des Kunden.[13] Bei der Vorwärtslogistik erfolgt häufig eine funktionale Aufteilung in Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik. Somit wird die Fließrichtung des Materials vom Lieferanten zum Kunden eindeutig vorgestellt.[14]

In derselben Weise wird Supply Chain Management, kurz auch SCM genannt, definiert als „die unternehmensübergreifende Koordination und Optimierung der Material-, Informations- und Wertflüsse über den gesamten Wertschöpfungsprozess von der Rohstoffgewinnung bis hin zum Endkunden mit dem Ziel, den Gesamtprozess sowohl zeit- als auch kostenoptimal zu gestalten“.[15] Logistik beschäftigt sich eher mit operativen Geschäftsprozessen, während SCM auch die strategische Ebene einbezieht; Logistik bezieht sich auf innerbetriebliche Flüsse und die Flüsse mit den unmittelbaren Geschäftspartnern, aber SCM umfasst auch weitere Organisationen der Wertekette. Außerdem umfasst SCM neben den Material- und Informationsflüssen auch die Finanzflüsse im Vergleich zur Logistik.

Durch die Einbeziehung der Reverse Logistics wird die Logistik inzwischen erweitert. Das Council of Logistics Management hat 2002 der Logistik eine integrierte Definition gegeben, d.h. Logistik ist ein Teilprozess von Supply Chain, der mit Planung, Implementierung und Controlling von effizienten, effektiven Vorwärts- und Rückwärtsflüssen und Lagerung von Waren, Services sowie zugehöriger Informationen zwischen Ursprungs- und Verbrauchspunkt entsprechend den Anforderungen des Kunden beschrieben wird.[16] Somit werden die traditionellen linearen Materialflüsse von SCM zu komplexen Kreislaufwirtschaftssystemen weiter entwickelt, die sowohl vorwärts als auch rückwärts gerichtete Materialflüsse betrachten.[17]

Die Einordnung der Reverse Logsitics im SCM wird im Supply-Chain-Operations-Reference-(SCOR-)Modell deutlich vorgestellt. Das SCOR-Modell ist ein vom Supply Chain Council entwickeltes, branchenübergreifendes hierarchisches Prozessreferenzmodell zur Analyse, Verbesserung und Umsetzung von Supply-Chain-Prozessen. Mit der Angabe von Messgrößen, Best Practices und Benchmarks für die Prozesse stellt SCOR eine standardisierte Beschreibungsmethode zur Erfassung der Aktivitäten entlang der Supply Chain zur Verfügung. Mit der stärkeren Berücksichtigung der Reverse Logistics bezieht SCOR neben den vier grundlegenden Prozessen Planen, Beschaffen, Herstellen, Liefern auch den weiteren Prozess der Rückführung mit ein (siehe Abbildung 2).[18] Laut Alicke lassen sich Entsorgen und Retouren bereits im Prozess Rückführung erfassen.[19] Jedoch nach Baumgarten konzentriert sich der Prozess Rückführung hier lediglich auf Produktinstandhaltung und -reparieren im After Sales Service.[20]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Grundlegende Prozesse im SCOR-Modell (In Anlehnung an: Alicke (2005), S. 187)

Folglich wird eine neue Version vom SCOR-Modell in der Abbildung 3 vorgestellt, in dem die weiteren Prozesse, nämlich Behandlung und Redistribution, zugeordnet werden. Innerhalb des Planungsprozesses werden auch die zur Rückführung und Entsorgung notwendigen logistischen und verfahrenstechnischen Prozesse entwickelt. Der Basisprozess „Rückführung“ lässt sich unter Beachtung des entgegengesetzten Materialflusses mit dem „Liefern“ vergleichen. Der Basisprozess „Behandlung“ entspricht ungefähr einer Umkehrung des „Herstellens“, weil das Produkt ggf. in die ursprünglichen Komponenten zerlegt wird. Diesem Prozess schließt sich der Basisprozess „Redistribution“ an, der die Verwendung der wiederaufgearbeiteten Produkte oder Teile besorgt.[21]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: SCOR-Modell mit Prozesse der Reverse Logsitics (In Anlehnung an: Baumgarten u.a. (2006), S. 4)

2.1.3 Dimensionen der Reverse Logistics

Die vorherigen Kapitel haben zuerst eine umfassende Definition für Reverse Logistics abgleitet, indem die verschiedenen Definitionen in der Literatur verglichen, analysiert und zusammengefasst wurden. Dann wurde das Gebiet Reverse Logistics durch seine Einfügung ins SCOR-Modell im Kontext Logistik und Supply Chain Management eingeordnet. In diesem Kapitel werden vier Dimensionen der Reverse Logistics ausführlich beschrieben, nämlich Treiber, Ursache, Prozesse und Spieler.[22]

2.1.3.1 Treiber der Reverse Logistics

Unternehmen oder Organisationen engagieren sich für Reverse Logistics, weil sie entweder Wettbewerbsvorteile dadurch erzielen können oder Gründe haben, die im Folgenden als „ökonomischer Treiber“ und „ökologisch-rechtlicher Treiber“ dargestellt werden.

- Ökonomischer Treiber. Wiederaufgearbeitete Produkte oder Bauteile können entweder im Sekundärmarkt verkauft oder als Produktionsmittel im Produktionsprozess wiedereingesetzt werden. Wiederaufarbeiten ist häufig günstiger als Herstellen oder Kaufen neuer Produkte. Damit können Unternehmen Kosten reduzieren und die Abhängigkeit von Lieferanten signifikant beschränken. Viele Unternehmen haben bereits eingesehen, dass Altprodukte und -teile eine sehr gute Quelle und manchmal sogar die einzige Quelle für die zur Reparatur notwendigen Ersatzteile sind. Insbesondere in der Elektronik und Hightech-Branche sind die Produktlebenszyklen aufgrund der Technologieentwicklung immer kürzer, aber die einzelnen Komponenten von End-of-life-Produkten funktionieren meistens noch.[23] Außerdem werden wichtige Daten von Altprodukten zur Verbesserung der Produktgestaltung und der Materialauswahl bei der Wiederaufarbeitung gesammelt. Die Rücknahme der End-of-life-Produkte kann ebenso das Nachahmen eigener Technologie von potentieller Konkurrenz teilweise vermeiden. Nicht zuletzt wird die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung erhöht, indem Unternehmen die Entsorgung der Altprodukte von Kunden übernehmen, den Kunden Retouren ermöglichen, Garantie und Reparaturservice anbieten.[24] Solche Wettbewerbsvorteile können unter Kostenführerschaft und Differenzierung zugeordnet werden.[25]

- Ökologisch-rechtlicher Treiber. Durch Umweltschutzbestimmungen sind Unternehmen zur Rücknahme und Entsorgung ihrer Altprodukte verpflichtet, um die Abfallmenge zu reduzieren. Insbesondere in Europa haben viele Länder solche Regelungen ausgearbeitet und teilweise auch erfolgreich umgesetzt. Obwohl die Regelungen in verschiedenen Ländern auch unterschiedlich sind, beziehen sich aber die meisten auf Weiße und Braune Ware, Haushaltskleingeräte, IT-Geräte, Autos, Batterien und Verpackungen. In Deutschland bildet das 1994 verabschiedete Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) die Basis gesetzlicher Weiterentwicklungen im Bereich Kreislaufwirtschaft. Und 2005 trat das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) auf Grundlage der europäischen Waste-of-Electrical-and-Electronical- Equipment- (WEEE-) Direktive in Kraft.[26] Die Abbildung 33 im Anhang gibt einen Überblick über gesetzliche Regelungen im Bereich der Reverse Logistics in Deutschland.[27] Zu erwähnen ist, dass nicht nur rechtliche Bestimmungen, sondern auch das gestiegene Umweltbewusstsein bei Unternehmen zur Rücknahme und Entsorgung der Altprodukte führen.

2.1.3.2 Ursachen der Rückführung

Oben sind die zwei wesentlichen Treiber für Reverse Logistics aufgeführt. Auf der Basis dieser Treiber werden folgende Ursachen für die Rückführung der Produkte zusammengefasst:[28]

- End-of-life- und End-of-use-Rücknahme. Wie oben erwähnt haben die Gesetzgeber aufgrund des Umweltschutzes die ursprünglichen Supply-Chain-Spieler zur Sammlung und Wiederaufarbeitung der Altprodukte am Ende ihrer Nutzungs- und Lebensdauer verpflichtet.[29]
- Kundenunzufriedenheit. Unter Unterstützung vom Gesetzgeber und den Verbraucherverbänden haben Konsumenten das Recht, dem Hersteller oder Händler innerhalb eines bestimmten Zeitraums die gekauften Produkte wegen Fehlfunktion oder Unzufriedenheit zurückzugeben. Nach einer Studie sind 70% zurückgeführte Produkte ohne Fehler. Kunden geben die Produkte zurück, weil sie niedrigere Preise bei anderen Händlern finden, weil sie andere Produkte versuchen möchten, weil sie Probleme bei der Inbetriebsetzung haben usw.
- Verkürzter Produktlebenszyklus. Die rasante Technologieentwicklung führt zur zunehmenden Produktersetzung und -upgrade, insbesondere in der Elektronik und Hightech-Branche. Es kann sogar passieren, dass die Produkte vor dem Verkauf noch in den Lagern schon obsolet sind. Daraus resultieren die Rückführungsaktivitäten.
- Electronic Commerce und Katalogverkauf. Onlinebestellung und Katalogverkauf sind zwar günstig. Aber Kunden sind danach oft unzufrieden, weil sie die Produkte nicht persönlich erlebt haben. Manche Elektronikhändler schätzen, dass ca. 50% ihrer online verkauften Produkte am Ende zurückgesendet werden.
- Auslieferungsprobleme. Sowohl Endkonsumenten als auch Händler können die Auslieferungsprobleme erleben, die z.B. durch beschädigte Produkte oder Verpackungen, mangelhafte Produktqualität, Lieferung falscher Produkte, Doppellieferungen oder verspätete Lieferungen zum Rücklauf führen.
- Bereinigung der Bestände. Lieferanten und Kunden können auch eine Zurückführung nicht abgesetzter Produkte vereinbaren. Sie bezieht sich besonders auf Saisonware wie z.B. Sonnenbrillen und veraltete Produkte wie z.B. Computer sowie Bücher.
- Produktrückruf. Aufgrund von Sicherheitsproblemen können Produkte, die entweder noch in den Lagern oder in der Nutzungsphase liegen, auch von Hersteller oder Regierung zurückgerufen werden. Allgemein wird Produktrückruf in den Automobil-, pharmazeutischen und Spielzeugbranchen getätigt.
- Zunehmende recyclebare Produkte oder ihre Bestandteile. Gesetzgeber und Konsumenten fordern angesichts des Umweltschutzes, dass die Produkte mehr oder weniger aus recyclebaren Materialien oder Komponenten bestehen. Typische Beispiele dafür sind recycelbares Papier und recycelbare Behälter.
- Garantie und Servicevertrag. Defekte Produkte oder Bauteile können zur Reparatur an Hersteller oder Händler zurückgesendet werden. Im Geschäftsbereich erzwingen die Produktvermietung und der Servicevertrag den OEM, die Verfügbarkeit der Anlagen beim Kunden zu gewährleisten. Im Privatkundenbereich kommt die Erweiterung der Garantieverordnung entsprechend vor. Diese bedingen eine zunehmende Rückführung von defekten Produkten und Bauteilen. Dabei werden die zur Reparatur notwendigen Ersatzteile und Austauschprodukte immer mehr nachgefragt.
- Produktionsrückstände. In der Produktionsphase fallen Stoffe zwangsläufig an, die kein Sachziel darstellen, sog. Produktionsrückstände. Dazu zählen beispielsweise nicht mehr verwendbare Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, ausgediente Potenzialfaktoren, unerwünschte Kuppelprodukte, Ausschuss.[30]

Mehr oder weniger erfolgt diese Ursache auch entlang dem Produktlebenszyklus, nämlich in der Produktion, Distribution, Verbrauch und am Ende der Nutzung.[31]

2.1.3.3 Prozesse der Reverse Logistics

Die Basisprozesse der Reverse Logistics sind vorher bei der Einordnung im SCM kurz erwähnt, nämlich Rückführung, Behandlung und Redistribution. Hier werden sie jeweils ausführlich beschrieben, insbesondere die Dispositionsalternativen in der Behandlung. Die klassischen Logistikprozesse Auftragsabwicklung, Transport, Lagerung und Umschlag sowie Kommissionierung sind ebenso wichtig bei der Reverse Logsitics wie bei der Vorwärtslogistik, aber sie werden hier nicht als weitere Teilprozesse dargestellt, sondern eher als Verbindung zwischen den Prozessen oder Aufgaben in jedem Prozess gesehen (siehe Abbildung 4).[32]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Prozesse der Reverse Logistics (Eigene Darstellung)

Die Rückführung ist dafür zuständig, die zurücklaufenden Produkte oder Teile zu identifizieren und zu sammeln sowie zu Behandlungswerken zu liefern. In mancher Literatur besteht die Rückführung aus zwei Teilprozessen: Sammlung und Sortierung. Bei der Sortierung werden die gesammelten Produkte/Teile geprüft und nach ihrer Wiederverwendbarkeit und möglicher Wiederaufarbeitungsweise getrennt.

Die Behandlung ist der wichtigste Prozess, durch den die zurückgeführten Produkte/Teile wieder verwendbar oder verwertbar werden. Dabei stellen sich 5 Alternativen für Wiederaufarbeitung zur Verfügung:

- Wenn die zurückgeführten Produkte/Teile noch sehr gute Qualität besitzen, werden sie vielleicht lediglich nach Maßnahmen wie z.B. Reinigung direkt wiederbenutzt.[33]
- Beim Defektfall werden an den Produkten/Teilen Reparatur/Instandsetzung unter Umständen mit dem Austausch einiger Ersatzteile ausgeführt.
- Gegebenenfalls werden die Module ausgetauscht und damit wird ein Upgrade für die Produkte gemacht.
- Wenn die ursprünglichen Funktionen der Produkte/Teile unmöglich wiederzugewinnen oder die Produkte sogar unbrauchbar sind, werden Sie demontiert und ihre einzelnen Komponenten und Bauteile möglichst in der Montage von Neuprodukten oder in der Reparatur von defekten Produkten als Ersatzteile eingesetzt. Das ist Remanufacturing.
- Falls die vier Situationen nicht auftreten, dann kommt das Recycling der Materialien vor, die wahrscheinlich in völlig verschiedenen Produkten wieder verwendet werden.[34]

Die fünf Alternativen werden in unterschiedlichen Situationen je nach Bedarf ausgewählt. Die wesentlichen Fertigungsschritte bei den Wiederaufarbeitungen sind Demontage, Reinigung, Prüfung, Aufarbeitung und Wiedermontage. Die Sortierung kann auch in den Behandlungsprozess involviert sein.

Danach kommen wieder benutzbare Produkte, Teile oder Materialien als Outputs der Wiederaufarbeitung heraus, die je nachdem im ursprünglichen oder alternativen Markt wieder eingesetzt werden, nämlich Redistribution. Was nicht verwendbar und verwertbar ist, wird als Abfall vernichtet. Sowohl bei der Sammlung und Sortierung als auch während der Wiederaufarbeitung werden manche Produkte als Abfall zur Vernichtung bestimmt. Allerdings ist Vernichtung keine Aufgabe der Reverse Logistics, sondern eher eine Folge davon.

2.1.3.4 Spieler in der Reverse Logistics

Alle Spieler in der Reverse Logistics kann man in drei Gruppen einteilen. Alle Glieder in der Vorwärts-Supply-Chain wie Zulieferer, Hersteller, Händler, Logistikdienstleister und Kunden werden auch in der Reverse Logistics herangezogen, die sich nach Fleischmann in der ursprünglichen und alternativen Supply Chain unterscheiden lassen. Die Spieler in alternativer Supply Chain haben nicht an der Vorwärtslogistik, nämlich Produktion, Distribution und Verbrauch des Originalprodukts teilgenommen. So entsteht ein geschlossener oder eröffneter Kreislauf je nach dem Bezug auf ursprüngliche oder alternative Supply Chain. Außerdem gibt es auf die Reverse Logisitcs spezialisierte Spieler, die z.B. Sekundärmärkte betreiben oder lediglich Entsorgungsaktivitäten ausführen.[35] Aber manchmal besteht eine Überschneidung zwischen beiden Gruppen. Z.B. Die Händler in der Vorwärts-Supply-Chain können gelegentlich auch Sekundarmärkte als Nebengeschäft betreiben. Eine weitere Gruppe nach De Brito sind Stiftungen, die auf der Umweltseite Entsorgungsaktivitäten initiieren.[36]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Spieler in der Reverse Logistics (Quelle: De Brito, Dekker (2004), S. 20)

Jeder Spieler hat eigene Aufgaben, die Reverse Logistics entweder zu verantworten, zu organisieren oder einfache Aktivitäten wie Sammlungen durchzuführen, wie Abbildung 5 zeigt. Alle Spieler haben eigene wirtschaftliche oder ökologische Ziele.[37] Außerdem kommt in jeder konkreten Situation die Entscheidung über Outsourcing von Aktivitäten an Logistikdienstleister oder Spezialisten in Frage, was eben die Anzahl und Struktur der Spieler beeinflusst.

2.1.4 Kategorien der Reverse Logistics

Basierend auf den oben beschriebenen Dimensionen werden Reverse Logistics in sechs verschiedene Kategorien unterteilt,[38] deren Rückwärtsflüsse in Abbildung 6 gezeigt werden. Es ist dabei anzumerken, dass die Pfeile den tatsächlichen Materialflüssen nicht genau entsprechen.[39]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Rückwärtsflüsse in der Reverse Logistics (In Anlehnung an: Fleischmann (2001), S. 20)

- Retouren. Als Retouren werden solche Materialien bezeichnet, die vom Kunden beanstandet werden oder die aus Gründen der Kundenunzufriedenheit oder wegen Auslieferungsproblemen oder Bereinigung der Bestände usw. an den Lieferanten zurückgegeben werden dürfen. Das kann sich prinzipiell zwischen irgendwelchen Gliedern im Supply Chain ereignen, die direkt miteinander Geschäfte machen.[40] Hauptsächlich kommt diese Kategorie zwischen Hersteller und Händler sowie zwischen Händler und Endkunden vor und kommt normalerweise in der Distributionsphase oder kurz danach.[41] Wenn gegen eine der logistischen Zielsetzungen verstoßen wird, dem Kunden das richtige Produkt in richtiger Menge, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, im richtigen Zustand bereitzustellen, entsteht dann Retouren. In erster Linie werden die zurückgeführten Produkte durch einfache Behandlung wie z.B. Umpacken, oder ggf. durch Reparatur und Upgrade möglichst schnell wieder in den Distributionsprozess überführt.[42] Dabei handelt es sich um einen geschlossenen Kreislauf, weil die Produkte entlang der ursprünglichen Supply Chain zurückgeführt und durch Vorwärtsvertriebswege wieder ausgeliefert werden.

- Service-Rückführung. Es gehört zu B2C Retouren, wenn der Endkunde ein Neuprodukt zurückgibt. Service-Rückführung bezieht sich meistens auf eine fehlerhafte Funktion des Produkts in der Nutzungsphase.[43] Kundendienste und -esetzgebende Regeln sind die Treiber dahinter. Wenn ein Produkt bei einem Kunden nicht richtig funktioniert, solange es noch im Rahmen von Garantie oder Servicevertrag steht, muss der Hersteller oder Händler die Funktion dieses Produkts meistens durch Reparatur wiederherstellen. Obwohl das Defektprodukt entweder vor Ort beim Kunden oder zurück beim Hersteller/Händler repariert werden kann, umfasst dieser Prozess aber immer Rückwärtsfluss entweder in Bezug auf seine Komponenten (Module/Ersatzteile) oder auf das Produkt. Danach muss das reparierte Originalprodukt oder ggf. ein Neuprodukt als Ersatz, das die gleiche Funktion besitzt, dem Kunden wieder zur Verfügung gestellt werden. Somit entsteht ein geschlossener Kreislauf. In der Literatur wird die Rückführung beim Produktrückruf auch dieser Kategorie zugeordnet.[44]

- Behälterrückführung. Dabei handelt es sich um die Rückführung sowohl von Einweg- als auch Mehrwegbehälter. Während die Einwegbehälter mit Entnahme des Packguts ihren Wert verlieren, können Mehrwegbehälter bei gleich bleibender Verpackungsqualität mehrfach eingesetzt werden. Die Letzteren sind relativ teure mehrwegfähige Pack- und Ladehilfsmittel wie auffüllbare Flaschen, Lattenkisten, Paletten, Gitterboxen oder Container.[45] Motivationen dafür sind neben der ökologischen Vorteile und darauf basierenden rechtlichen Regelungen noch ökonomische Vorteile, z.B. können Unternehmen damit Investitionskosten für Verpackungen einsparen. Und zwar können Mehrwegbehälter relativ schnell zurückgeführt werden, weil sie lediglich beim Transport benutzt werden und nach der Lieferung wieder verfügbar sind.[46] Der Eigentümer von Mehrwegbehältern kann Versender, Empfänger und Logistikdienstleister oder eine zentrale Agentur sein. Die Mehrwegbehälter werden durch relativ einfache Wiederaufarbeitung wie Spülung oder ggf. Reparatur direkt wiederbenutzt.[47] Bei Einwegbehältern wird aber Materialrecycling von Entsorgungsunternehmen ausgeführt.

- End-of-use-Rückführung. Es geht um die Altprodukte, die ihre ursprünglichen Benutzer nach zeitweiliger Nutzung nicht mehr brauchen, aber andere Neukunden weiter benutzen können. Wesentlicher Grund für diese Rückführung ist der Fall der Mietung oder Pacht, bei der der Hersteller oder Händler das Produkt zurücknimmt und nach Wiederaufarbeitung entweder Neukunden dafür sucht oder es in den Sekundärmarkt überführt. Reinigung, Reparatur oder Upgrade treten dabei als typische Wiederaufarbeitungen auf, insbesondere im B2C-Bereich für kurzfristig verwendete, unkomplizierte Produkte. Im B2B-Bereich dagegen kommt nach der langfristigen Vermietung meistens Remanufacturing vor.

- Produktionsrückstände. Normalerweise werden die Produktionsrückstände innerbetrieblich oder in Zusammenarbeit mit Lieferanten wiederaufgearbeitet. Um die vorgeschriebene Qualität zu erreichen, wird der Ausschuss teilweise in der Produktion wieder verarbeitet. Ausschuss kann auch demontiert werden und seine Komponenten werden in der Produktion wieder verwendet, d.h. Remanufacturing. Dabei bezieht es sich auf einen geschlossenen Kreislauf. Die unerwünschten Kuppelprodukte werden oft zu alternativer Supply Chain oder Entsorgungsunternehmen zum Materialrecycling transferiert.[48]

- End-of-life-Rückführung. Sie befasst sich mit der Rückführung des Produkts, das sein technisches oder ökonomisches Lebensende erreicht. Der Letztnutzer kann grundsätzlich die Altprodukte kostenlos an allen Kontaktpunkten abgeben. Es entsteht hauptsächlich aufgrund gesetzlicher Regelung z.B. die Verpflichtung zur unentgeltlichen Rücknahme aller Elektro- und Elektronikaltgeräte und Altautos durch die Hersteller nach Krw-/AbfG. End-of-life-Rückführung ist aufgrund des räumlichen Auseinanderfallens von Quellen und Senken unumgänglich.[49] Die Sammlung von End-of-life-Produkten können öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger übernehmen und den Herstellern bereitstellen. Die Hersteller erfüllen ihre Rücknahmepflicht bereits durch Abnahme und Rücktransport von den Entsorgungsträgern.[50] Die Hauptwiederaufarbeitungen dabei sind Remanufacturing und Recycling. Während die Hersteller eventuell in Zusammenarbeit mit Logistikdienstleistern für das Remanufacturing verantwortlich sind, wird das Recycling normalerweise durch Entsorgungsunternehmen als externe Recyclingträger erfolgen.[51] Eventuell können die noch funktionierenden Produkte teilweise durch Upgrade in den Sekundärmarkt überführt werden. End-of-life-Rückführung ist auch ein günstiger Weg zur Beschaffung der Ersatzteile für manche Produkthersteller wie z.B. IBM.[52]

Die Abbildung 7 fasst die sechs Kategorien anhand von fünf Kriterien zusammen. Zu ergänzen ist es, dass Remanufacturing und Recycling unter Umständen auch bei den ersten vier Kategorien eintreten können. Jedoch stehen sie dabei nicht an erster Stelle.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Kategorien der Reverse Logistics (Eigene Darstellung)

2.2 After Sales Service

2.2.1 Definitionen

Service, in Deutsch auch als Dienstleistungen bezeichnet, lässt sich in Primär- und Sekundärdienstleistungen unterteilen. Während Primärdienstleistungen selbständige Absatzobjekte und von materiellen Produkten unabhängig sind, sind Sekundärdienstleistungen hingegen unselbständiger und produktverbundener Bestandteil eines Angebotsbündels aus Sach- und Dienstleistungen. Dabei werden die Sekundärdienstleistungen im Allgemeinen als Kundendienste bezeichnet und können konsumtiver Natur (im Privatbereich) oder produktiver Natur (im Geschäftsbereich) sein. Für produktive Kundendienste finden sich unterschiedliche Bezeichnungen in der betriebswirtschaftlichen Literatur, wie produktbegleitende, produktbezogene oder produktdifferenzierende Dienstleistungen, industrielle oder investive Dienstleistungen.[53] Die in der Literatur vorhandenen Definitionen der Kundendienste sind entweder unterschiedlich in Bezug auf ihre Abgrenzungsmerkmale oder aus unterschiedlichen Perspektiven abgeleitet. Deswegen liegt keine eindeutige und allgemein anerkannte Begriffsbestimmung vor. In dieser Arbeit werden unter Kundendiensten alle Dienstleistungen verstanden, die Unternehmen neben dem Primärprodukt erbringen, um durch Erfüllung von Kundenwünschen den Absatz des Primärprodukts zu ermöglichen und zu fördern.[54] In Anlehnung an den unternehmerischen Leistungserstellungsprozess lässt sich der Begriff der Kundendienste wie folgt in Kundendienste der Vorverkaufsphase, während der Verkaufsphase und im Rahmen der Nachkaufphase unterteilen (siehe Abbildung 8).[55]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Systematik von Kundendiensten (Quelle: Mattmüller, Irion (2004), S. 23)

Darunter sind die Kundendienste in der Nachkaufphase, nämlich After Sales Service, von hoher Bedeutung für Unternehmen. Die Definitionen davon in der Literatur sind z.B.:

- „die Dienstleistungen, die nach dem Kauf eines Produktes für Zielgruppen in materieller oder immaterieller Weise erbracht werden.“[56]
- „alle Dienstleistungen, die einem Konsumenten eines gekauften Produkts in der Nachkaufphase zur Verfügung gestellt werden … beinhalten demnach alle Zusatz-, Folge- und Nebenleistungen, die als Unterstützung der Primär- beziehungsweise Hauptleistung zum Einsatz kommen.“[57]
- „die Zusammenfassung aller zur Instandhaltung erforderlichen Dienstleistungen, wie zum Beispiel Wartung, Reparatur, Überholung oder Ersatzteilversorgung.“[58]
- „all activities undertaken by service support providers (manufacturers, retailers, and/or independent servicers) to ensure that a product is available for trouble-free use to consumers over its useful life span. It includes elements such as warranty provision, extended-service contract option, availability of repair service, loaners, toll-free phone service, etc.“[59]

Dabei ist es von geringerer Relevanz, ob eine Organisation, ein Unternehmen oder eine Privatperson als Konsument auftritt und durch wen die Dienstleistungen angeboten werden. Entscheidend ist der zeitliche Aspekt der Leistung. Während die ersten zwei Definitionen die gesamte Nachkaufphase betrachten, betonen die letzten zwei Definitionen die Nutzungsphase.

Begrifflich umfasst After Sales Service alle Dienstleistungen, die den Konsumenten in der Nachkaufphase zur Erfüllung ihrer Wünsche zur Verfügung gestellt werden. Aber wirtschaftlich und wissenschaftlich wird die Aufmerksamkeit wesentlich auf die Dienstleistungen gelegt, die den Konsumenten zur Gewährleistung der Funktion und Verfügbarkeit der Produkte während der Nutzung erbracht werden,[60] weil diesen für die Aufrechterhaltung und den Ausbau von Geschäftsbeziehungen zu Kunden eine überragende Bedeutung zukommt.

[...]


[1] Vgl. Lourenco, Zuluaga (2002), S. 1 f.

[2] Vgl. Letmathe (2005), S. 2

[3] Vgl. Poole (2003), S. 60

[4] Vgl. Cohen, Whang (1997), S. 535

[5] Vgl. Rogers, Tibben-Lembke (1998), S. 5

[6] In der deutschsprachigen Literatur besteht noch keine Definition von Reverse Logistics. Die meisten Autoren verwenden Reverse Logistics synonym mit Entsorgungslogistik.

[7] Vgl. Zuluaga (2005), S. 16 f.; De Brito, Dekker (2004), S. 4 f.; Fleischmann (2001), S. 5

[8] Vgl. Reverse Logistics Association (2006), URL siehe Literaturverzeichnis

[9] Vgl. Letmathe (2005), S. 4

[10] Vgl. Fleischmann (2001), S. 45

[11] In der englischsprachigen Literatur wird diese als „Green Logistics“ bezeichnet. Vgl. Zuluaga (2005), S. 19; De Brito, Dekker (2004), S. 6

[12] In der englischsprachigen Literatur wird diese als „Forward Logistics“ bezeichnet. Vgl. Zuluaga (2005), S. 21; De Brito, Dekker (2004), S. 6

[13] Vgl. Pfohl (2000), S. 12

[14] Vgl. Steven u.a. (2003), S. 643

[15] Arndt (2005), S. 46

[16] Vgl. Riopel u.a. (2003), S. 1

[17] Vgl. Steven u.a. (2003), S. 643; Tuma, Lebreton (2005), S. 60

[18] Vgl. Alicke (2005), S. 185 f.

[19] Ebenda, S. 186

[20] Vgl. Baumgarten u.a. (2006), S. 2, URL siehe Literaturverzeichnis

[21] Vgl. Elsenbach (2005), S. 19

[22] Detaillierte Informationen über Dimensionen der Reverse Logistics finden Sie in: Steven (2004), S. 165 ff.; Fleischmann (2001), S. 18-24; De Brito, Dekker (2004), S. 9-20; Ravi u.a. (2005), S. 331-334; Bloemhof-Ruwaard u.a. (1999), S. 24 ff.

[23] Vgl. Schatteman (2003), S. 270

[24] Vgl. De Brito, Dekker (2004), S. 10 f.; Fleischmann (2001), S. 17 f.; Ravi u.a. (2005), S. 331 f.; Bloemhof-Ruwaard u.a. (1999), S. 26 f.

[25] Vgl. Elsenbach (2005), S. 18

[26] Ebenda, S. 16

[27] Für detaillierte Informationen über solche Regelungen siehe Baumgarten (2003), S. 209

[28] Vgl. Schatteman (2003), S. 268-270; Krikke u.a. (2003), S. 2 f.

[29] Vgl. Letmathe (2005), S. 4

[30] Vgl. Schulte (2005), S. 511

[31] Vgl. De Brito, Dekker (2004), S. 13

[32] Vgl. Fleischmann u.a. (2000), S. 657

[33] Vgl. Kokkinaki u.a. (2000), S. 12

[34] Vgl. De Brito, Dekker (2004), S. 15 f.

[35] Vgl. Fleischmann (2001), S. 19

[36] Vgl. De Brito, Dekker (2004), S. 19

[37] Ebenda

[38] Vgl. Fleischmann (2001), S. 19-24

[39] Diese Abbildung veranschaulicht lediglich das, woraus im Supply Chain die verschiedenen Flüsse hervorgehen und wo die Waren am wahrscheinlichsten aufgearbeitet werden. Dabei sind die möglichen Logistikdienstleister und Unterlieferanten vernachlässigt.

[40] Vgl. Fleischmann (2001), S. 21

[41] Vgl. De Brito u.a. (2002), S. 9

[42] Vgl. Steven u.a. (2003), S. 779

[43] Vgl. De Brito, Dekker (2004), S. 14

[44] Vgl. Fleischmann (2004), S. 23

[45] Vgl. Steven u.a. (2003), S. 781

[46] Vgl. Fleischmann (2004), S. 24

[47] Vgl. Steven u.a. (2003), S. 782

[48] Fleischmann (2004), S. 23

[49] Vgl. Steven u.a. (2003), S. 645

[50] Vgl. Baumgarten u.a. (2003), S. 210

[51] Vgl. Bloemhof-Ruwaard u.a. (1999),S. 34-38

[52] Vgl. Fleischmann (2001), S. 15

[53] Vgl. Pepels (1999), S. 3 f.

[54] Vgl. Frisch (1989), S. 47, zitiert nach: Mattmüller, Irion (2004), S. 22

[55] Vgl. Dangelmaier u.a. (2006), S. 156; Mattmüller, Irion (2004), S. 23

[56] Pflaum (1999), S. 125

[57] Dangelmaier u.a. (2006), S. 155

[58] Schmidt u.a. (2006), S. 95

[59] Loomba (1998), S. 143

[60] Dies kann dadurch bewiesen werden, dass fast alle vorhandene Literatur über After Sales Service auf die Nutzungsphase fokussiert.

Fin de l'extrait de 108 pages

Résumé des informations

Titre
Reverse Logistics im After Sales Service: Reparaturservice
Université
University of Stuttgart
Note
1.7
Auteur
Année
2006
Pages
108
N° de catalogue
V119841
ISBN (ebook)
9783640233496
ISBN (Livre)
9783640233663
Taille d'un fichier
1769 KB
Langue
allemand
Mots clés
Reverse, Logistics, After, Sales, Service, Insbesondere, Reparaturservice
Citation du texte
Xiaozhen Xie (Auteur), 2006, Reverse Logistics im After Sales Service: Reparaturservice, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119841

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