Für das abendländische Mittelalter, in der die monarchische Staatsform die vor-herrschende war, war die Beratung des Monarchen von nicht minderer Bedeutung als in der Antike. Man wird sich nicht lange mit einem herausragenden mittelalterlichen Herrscher beschäftigen können, ohne auf die Menschen zu stoßen, die ihn und seine Entscheidungen durch Ratschläge maßgeblich beeinflussten. Der Monarch kann als einzelner nicht alles Wissen und ist auf Rat an-gewiesen. Die Fürstenspiegel des Mittelalters, aber auch der frühen Neuzeit und der Antike, nennen deshalb die Bereitschaft des Herrschers, guten Rat an-zunehmen als eine der zentralen Tugenden. Die heutige politische Elite ist ebenfalls, aus Mangel an ausreichenden eigenen Spezialkenntnissen, in zunehmendem Maße auf die Beratung durch Sachverständige angewiesen. Diese Beratung kann in vielen verschiedenen Formen stattfinden. Als telefonische Auskunft, Anhörung oder schriftliches Gutachten. Es werden vom Rat über den Arbeitskreis bis zum Ausschuss Gremien eingerichtet um externen Sachverstand nutzbar zu machen. Ein hoher Bedarf an fachkundiger Beratung besteht zunächst für die Staatsleitung, d. h. in erster Linie für die Regierung und ihren Verwaltungsapparat, die Ministerialbürokratie. Die Regierung setzt die politischen Maßstäbe im Staat. Sie ist, obwohl dies nicht ihre klassische Aufgabe, der Motor der Gesetzgebung. Von ihr werden die mit Abstand meisten Gesetzentwürfe im Parlament eingebracht. [...] Wie ist die Beratung der Experten aus demokratietheoretischer Sicht zu bewerten? Ist das deutsche Beratungswesen mit seinen beachtlichen Möglichkeiten der Einflussnahme ein Konkurrent zum gewählten Parlament? Wie kann den unerwünschten Begleiterscheinungen der Politikberatung begegnet werden? [...] Eine allgemeine Betrachtung der kontroversen Argumente von Gegnern und Befürwortern der Politikberatung soll in eine Anwendung dieser Argumente auf die Regierung Schröder führen. Der öffentliche Vorwurf, Bundeskanzler Gerhard Schröder würde durch exzessive Ausweitung der deutschen Beratungskultur der Entmachtung des Parlaments Vorschub leisten oder er würde, wie es seine Anhänger gerne formulieren, durch die frühzeitige Einbeziehung der betroffenen Gruppen einen besonders konsensorientierten Politikstil pflegen, soll anhand empirischer Daten untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Entwicklung der Politikberatung in Deutschland
- Formen der Beratung und Typologisierung
- Motive für die Einsetzung eines Expertengremiums
- Pro und Contra
- Die Regierung Schröder
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle der Politikberatung durch Kommissionen und Räte in der Bundesrepublik Deutschland. Sie beleuchtet die historische Entwicklung, verschiedene Formen der Beratung und die Motive für deren Einsatz. Die Arbeit analysiert die Vor- und Nachteile derartiger Gremien und wendet diese Analyse auf die Regierung Schröder an.
- Entwicklung der Politikberatung in Deutschland
- Formen und Typologisierung der Politikberatung
- Motive für den Einsatz von Expertengremien
- Pro und Contra der Politikberatung
- Analyse der Politikberatung unter der Regierung Schröder
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung betont die zunehmende Bedeutung fachkundiger Beratung für staatliche Organe und verfolgt diesen Bedarf historisch von der Antike bis zur Gegenwart. Sie führt in die Thematik ein und skizziert den weiteren Aufbau der Arbeit.
Entwicklung der Politikberatung in Deutschland: Dieses Kapitel beschreibt die Entstehung und Entwicklung der Politikberatung in Deutschland, beginnend mit dem Deutschen Reich und Preußen, mit Fokus auf die Rolle von Beratungsgremien in verschiedenen Politikbereichen.
Formen der Beratung und Typologisierung: Hier wird ein Modell zur Typologisierung deutscher Beratungsgremien vorgestellt und verschiedene Formen der Beratung (telefonische Auskunft, Anhörung, schriftliche Gutachten etc.) untersucht und eingeordnet.
Motive für die Einsetzung eines Expertengremiums: Dieses Kapitel analysiert die Motive hinter der Einsetzung von Expertengremien, indem es rationale und politische Motive unterscheidet und deren Zusammenspiel beleuchtet.
Pro und Contra: Die Vor- und Nachteile der Politikberatung werden hier gegeneinander abgewogen und diskutiert.
Die Regierung Schröder: Dieses Kapitel untersucht die Politikberatung unter der Regierung Schröder, insbesondere Vorwürfe bezüglich exzessiver Ausweitung der Beratung und deren Einfluss auf die Macht des Parlaments.
Schlüsselwörter
Politikberatung, Kommissionen, Räte, Expertengremien, Bundesrepublik Deutschland, Regierung Schröder, Demokratie, Legitimation, Sachverständige, Gesetzgebung, Verwaltung, Typologisierung, Interessenvermittlung.
- Quote paper
- Philipp Braitinger (Author), 2004, Politikberatung durch Kommissionen und Räte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119904