Wieviel Organisation braucht die Vernetzung?

System(theoret)ische Betrachtung von Führung und sozialen Prozessen in Netzwerken/virtuellen Organisationen


Hausarbeit, 2008

45 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vernetzung von Organisationen – eine systemtheoretische Betrachtungsweise

2 Systemische Führung
2.1 Schaffung von Rahmenbedingungen - Förderung des vorhandenen Selbststeuerungspotentials der Organisation/des Netzwerkes
2.2 Interventionstechniken - Koordinationsmechanismen
2.3 „Weiche Faktoren“ - soziale Prozesse in Netzwerken/virtuellen Organisationen
2.3.1 Indirekte Koordinationsmechanismen - Schlüsselkonzepte
2.3.1.1 (Netzwerk-)Kultur
2.3.1.2 Vertrauen
2.3.1.3 Commitment
2.3.1.4 Motivation

3 Fazit und Ausblick

Literatur

Anhang 1: Leadership Processes and Multilevel Work Motivation

1 Vernetzung von Organisationen – eine systemtheoretische Betrachtungsweise

Als Ausgangspunkte für Vernetzungsprozesse, einhergehend mit der Notwendigkeit der Implementierung neuer und flexiblerer Arbeitsformen, werden u.a. die fortschreitende Globalisierung, die Individualisierung, Informations- und Kommunikationstechnologien, Dezentralisierung, Deregulierung und die wachsenden Anforderungen an eine Beschleunigung der Innovationsprozesse genannt (vgl. u.a. HUBER, 1991, S. 43ff; POWELL, 1996, S. 587; SCHIMANK, 2001, S. 19ff; ZOCHE & JOISTEN, 2004, S. 6; WETZEL, 2004, S. 11, 18f). Lt. WEICK (1977) sind Organisationen chronically unfrozen, d.h. deren Beständigkeit liegt vornehmlich im Wandel. Von zahlreichen Autoren wird die These vertreten, dass insbesondere die enorme Vermehrung der Anschlussstellen und die Beschleunigung der Kommunikation zu einer Abflachung von Hierarchien und zu einer Verstärkung informaler horizontaler Kommunikation geführt haben und auch noch weiter führen werden (vgl. z.B. SCHREYÖGG, 1996). WETZEL verweist diesbezüglich auf die empirischen Studien bei MALONE & LAUBACHER (1998), welche zu dem Schluss kamen, dass die Entwicklung im Bereich von Informations- und Kommunikationstechnologie es Organisationen ermögliche, die verteilten Strukturen auf kommunikativer Ebene zu integrieren, dadurch Entscheidungen auf dezentrale Einheiten (Abteilungen, Organisationen) zu verlagern, ohne die zentrale Kontrolle zu verlieren. Aufgrund derartiger dezentraler Strukturen sei aber von einem differenzierten Typ von Koordination, respektive Führung auszugehen.1 Starre bürokratische Regeln und formale Weisungslinien treten in den Hintergrund und die vernetzten Organisationen werden durch Marktmechanismen und Formen der Selbstabstimmung gesteuert (vgl. WETZEL, 2004, S. 38).2 Hier zeigt sich bereits die Frage nach der Organisation der Organisation bzw. der Organisation der Vernetzung, sowie die Auseinandersetzung mit Zentralisations- und Dezentralisationsprozessen (vgl. u.a. BAECKER, 1999, S. 14ff).3 Damit, d.h. dem Zwang zur Schaffung/Produktion von Innovationen „Neues Wissen entsteht, indem Wissen verschiedener Personen mit unterschiedlichem fachlichen Hintergrund zusammengeführt und angewendet wird. Eine Integration von heterogenen Wissensbeständen und damit von Kooperation zum Zwecke von Innovationen wird erforderlich.“ (WETZSTEIN et al, 2004, S. 56)4 Eine vielversprechende und wie eingangs geforderte, ‚neue’ und auch flexible Arbeitsform, stellt der intra- bzw. inter-organisationale Zusammenschluss in Netzwerken dar. Der Netzwerkbegriff, lt. HUBER (1991) ursprünglich aus der alternativen Szene entstammend und eher mit Leitbegriffen wie Informalität und Selbstorganisation,5 aber auch Gemeinschaftlichkeit, Stabilität, Überschaubarkeit verknüpft, repräsentiert im gesellschaftlichen Teilsystem der Wirtschaft zunehmend eine ‚neue’, als überlegen angesehene Form der Bewältigung der Transaktionskostenprobleme zwischen Markt und Hierarchie (vgl. WILLIAMSON, 1985).6 Defizite traditioneller Organisationsformen, wie z.B. bürokratische Instanzen- und Regelwerke, sollen durch flexible Kontakte über Organisationsgrenzen hinweg ausgeglichen werden (vgl. z.B. HEINTEL, 2000, S. 8ff). Diese und andere Argumentationsweisen tragen dazu bei, dass dieser Begriff sowohl in der Alltagssprache, als auch in der wissenschaftlichen Rezeption eine derartige Popularität aufweist, was ihn aber gleichzeitig so schwer fassbar macht (vgl. z.B. STABER, 1999, S. 59).

„Ein Netzwerk ist nichts Festes, Fixes, klar Abgegrenztes. Ein Netzwerk ist etwas Bewegliches, Fließendes, Flexibles; es beschreibt also eher einen Prozess, der sich kurz in einer bestimmten Form äußert, diese aber auch gleich wieder verändert.“ (EXNER & KÖNIGSWIESER, 2000, S. 23).

D.h., der Netzwerkansatz stellt weniger eine geschlossene Theorie, den]n einen heterogenen Ansatz dar. Allen Ansätzen gemeinsam sind die in einem System handelnden Akteure (Individuen, Gruppen oder korporative Akteure), welche als Knoten bezeichnet werden, und die zwischen den Knoten bestehenden Verbindungen (Beziehungen, Ressourcen- oder Informationsströme), den sogenannten Kanten (vgl. z.B. WASSERMAN & FAUST, 1994, S. 10ff). Ein theoretisches Gerüst, welches auffallende Parallelen zu den Überlegungen im Zusammenhang mit Netzwerken aufweist, findet sich in der Systemtheorie wieder (vgl. WETZEL, 2004, S. 59).

In weiterer Folge soll die oben beschriebene Notwendigkeit zur Vernetzung aus systemtheoretischer Perspektive erläutert werden. Darauf aufbauend wird die zentrale Stellung von Information und Kommunikation im Koordinationskontext und deren Auswirkungen auf Entscheidungsprozesse herausgearbeitet - hin zur vernetzten Organisation. Daran anschließend, nähern sich die folgenden Kapitel in interdisziplinärer Weise, einer in der Arbeits- und Organisationspsychologie stiefmütterlich behandelten Thematik (vgl. ZOCHE & JOISTEN, 2004, S. 18), der sogenannten systemischen Führung und den damit im Zusammenhang stehenden und bedeutsamen weichen Faktoren.

Lt. LUHMANN ergibt sich die zunehmende Aufmerksamkeit für Netzwerke aus einer intra-systemischen Beschleunigung und wachsenden Tiefenschärfe von Strukturänderungsmöglichkeiten, d.h. zunehmender Umweltturbulenzen, sowohl im eigenen, als auch in anderen Systemen. Netzwerke können dabei als Umwelt-Komplexitätsreduktions-Gemeinschaften betrachtet werden (vgl. u.a. auch SCHREYÖGG, 1996, S. 309ff).

„Mehr als zuvor sieht man was immer schon der Fall war, dass „die Umwelt“ nicht einfach nur „der Markt“ oder „die öffentliche Meinung“ ist, sondern aus unterscheidbaren Systemen besteht, die als solche agieren und als solche eingeschätzt sein wollen – die System/Umwelt-Unterscheidung ist durch die System-zu-System Unterscheidung zu ergänzen – aber nicht zu ersetzen (Hervorhebung durch d. Verf.).“ (LUHMANN, 2000, S. 410) Wesentlicher Anstoß zur Vernetzung scheint dabei eine ‚Programmschwäche’ der Organisation zu sein. D.h. das Problem, dass die (bestehenden) Programme der Organisation, verbunden mit organisationalem Entscheiden, nicht bzw. nicht mehr suffizient sind, ein mit der Umwelt des Systems abgestimmtes Operieren zu ermöglichen.7 Eine intra-systemische Kompensation durch Verwendung anderer, organisationsinterner Entscheidungsprämissen ist nicht immer bzw. aufgrund der oben rudimentär dargestellten Makro-Trends, immer weniger möglich, wodurch Alternativen herangezogen werden müssen. Eine solche besteht für die Organisation u.a. in der Erhöhung ihrer Umweltabhängigkeit, d.h., dass das betreffende soziale System die Varietät der internen Entscheidungen erhöht, indem sie ihre interne Komplexität der Umweltkomplexität annähert (vgl. LUHMANN, 1988, S. 174f). Diese Überlegungen, sowie die Ausführungen hinsichtlich der Erweiterung der Betrachtungsweise hin zu einer System-zu-System Differenzierung legen nahe, weshalb Organisationen symbiotische Verhältnisse zu anderen Organisationen suchen und eingehen bzw. eingehen müssen. Es geht weniger um die Beherrschung der für die Organisation relevanten Umwelt - dies wäre aus systemtheoretischer Perspektive schlicht anmaßend -, sondern darum, diese in eine überschaubare Fassung zu bringen. „Vernetzungen gewährleisten kein ruhiges Leben, aber sie halten die Herausforderungen in Grenzen, mit denen man zurechtkommen kann.“ (LUHMANN, 2000, S. 409; 1991, S. 212ff) Dies wiederum bedeutet die Abkehr von einer Problembetrachtung, welche auf Einheit ausgerichtet ist, sondern Differenz in den Mittelpunkt stellt. Differenz als Erhaltung und Reproduktion der Ausdifferenzierung von Systemen auf allen Ebenen der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Jene Differenz, wodurch Systeme als distinkte, selbst reproduzierende Einheiten überhaupt erst existieren. D.h. wiederum, dass sich soziale Systeme und somit auch Organisationen durch Abgrenzung von bzw. gegenüber ihrer Umwelt konstituieren und dabei auf Umweltkomplexität mit Binnendifferenzierung antworten. Antworten darf hier jedoch nicht im Sinne situativer Ansätze (vgl. z.B. Kontingenztheorie bei FIEDLER, 1967) verstanden werden, da kein Umwelt-Determinationsverhältnis vorliegt (vgl. MARTENS & ORTMANN, 1992, S. 427).

Die durch die Vernetzung geschaffene intra-/inter-organisationale Beziehung konstituiert wiederum ein soziales und damit auch selbst organisierendes System, eigene Kommunikations- und Entscheidungsmuster, sprich Programmatik und Handlungslogik aufweisend. Im Hinblick auf die ‚Gestaltung’ dieser Kollektive (Organisations- hin zur Netzwerkentwicklung bzw. zum Transformationsmanagement)8 stellt sich daher die Organisationsfrage erneut, und zwar sowohl hinsichtlich der Struktur, als auch der Prozesse der intra-/inter-organisationalen Beziehungen: Wieviel Organisation braucht also Vernetzung? LUHMANN äußert sich hinsichtlich dieser Frage wie folgt: „Die Organisation der Organisation ist die vorgeordnete Frage, die nie abstrakt, sondern nur im Hinblick auf den historischen Zustand des jeweiligen Systems beantwortet werden kann.” (ebd., 2000, S. 328). In ähnlicher Form argumentiert BAECKER, wenn er schreibt, dass Organisation sowohl viel, als auch wenig Organisation brauche (vgl. 1999, S. 14), wobei er das Prekäre dieser Frage und deren Beantwortung hervorhebt und dies mit dem aktuellen Zustand von Organisationen in Verbindung setzt. Implizit zeigt sich bei beiden die Notwendigkeit von Organisation, was bei BAECKER an anderer Stelle auch noch explizit zur Sprache gebracht wird. Ordnung und Unordnung innerhalb einer Organisation lasse sich nicht anders bewältigen, als durch Organisation selbst (ebd., S. 26). Auch wenn dies so manchen enttäuschen mag, so bleibt die Frage, wie viel denn nun viel und wie wenig, wenig ist, aus system(theoret)ischer Perspektive zwangsläufig offen. Eine derartige Betrachtungsweise kann somit auch nicht mit generell gültigen Werten, Verhaltensanweisungen, Instrumenten und Methoden dienen. Die Organisation müsse in die Lage versetzt werden, sich in den wesentlichen Hinsichten des Wechsels zwischen Ordnung und Unordnung selbst zu bestimmen, d.h. die Unordnung der Welt in eine hinreichend stabile Struktur des Verkehrs mit ausgewählten anderen zu überführen, wozu die Struktur des Netzwerks genutzt werde, um der eigenen Unruhe verlässliche Anlaufpunkte zu bieten (vgl. ebd., S. 25f). Aufgrund einer derartigen systemischen Betrachtungsweise, stellen sich aber ganz andere Anforderungen an die Führung von Organisationen bzw. Netzwerke, welche im folgenden Kapitel unter dem Schlagwort der systemischen Führung dargestellt werden. Die Führung eines Netzwerks bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen Vertrauen und Kontrolle, Autonomie und Abhängigkeit sowie Kooperation9 und Wettbewerb. Netzwerkmanagement ist in nicht unerheblichem Maße Beziehungsmanagement zwischen den Akteuren, wobei Kommunikationsverbindungen in diesem Prozess als zentral angesehen werden (vgl. WETZEL, 2004, S. 150).10 Folgt man den obigen Überlegungen, so sind Netzwerke letzten Endes genauso und wiederum als soziale Systeme zu betrachten und bestehen, in Anlehnung an LUHMANN, nicht aus Menschen, auch nicht aus Handlungen, sondern aus Kommunikation (vgl. 1984; 2000, S. 59ff, 62, 388ff).

2 Systemische Führung

“The trick is to learn how to use abstraction to advantage by applying it to your own situation.” LIPNACK & STAMPS (2000, S. 254)

Dieser Terminus, respektive systemische Ansätze der Führung,11 stellen einen unmittelbaren Angriff gegen traditionelles Führungsverständnis dar.12 Dabei vereint dieser Begriff zwei diametrale und scheinbar widersprüchliche Elemente:13 Systemisch wird allgemein mit Ganzheitlichkeit und Selbstorganisation, in der Soziologie mit Autopoiesis verbunden, während Führung im traditionellen Sinne individuelle Einwirkung und Fremdbestimmung, Herrschaft und Macht impliziert (vgl. NEUBERGER, 2002, S. 597).14

Die Verbindung des Systemischen mit Führung bedeutet aber, dass die Vorstellung vom Manager, als dem dominanten Macher, welcher aufgrund seines hierarchischen Einflussmonopols das Unternehmen steuert, obsolet und ersetzt wird, durch eine von anonymen, verstreuten, selbstständigen Einflusszentren ausgehenden Orientierung, in der Selbstorganisation die Hauptrolle spielt. Dies impliziert aber die Verabschiedung vom naiven ontologischen Realismus auf den Führungspraktiker(-innen) so stolz sind (vgl. ebd., S. 593, 599).15 BAECKER führte dazu pointiert aus, dass es vielmehr darauf ankommt, „den Leithammel mit einer Glocke auszustatten, die hinreichend weit hörbar ist, damit alle Schafe ihren Launen nachgehen können und dennoch immer wissen, wie sie sich zur Herde verhalten. Die Glocke macht den Unterschied und der Schäferhund sorgt nur dafür, daß er aufrechterhalten wird. Die Organisation einer Organisation ist die Organisation einer Differenz.“ (1999, S. 20f) Es mag nun argumentiert werden, dass die (psychologische) Führungsforschung schon seit langem partizipative Führungsstile, d.h. die Erweiterung des Handlungsspielraums der Geführten thematisiert und mit positiven Effekten in Verbindung setzt. Aufgrund derartiger Führungsstile oder der Einführung neuer Arbeitsformen (z.B. teilautonomer Arbeitsgruppen), soll den negativen Folgen direktiver Übersteuerung und Überregulierung begegnet werden. Diese Maßnahmen lassen sich zumeist auf die Human-Relations- Bewegung zurückführen, welche Ziele wie Selbstverwirklichung, Verbesserung des Betriebsklimas, Vertrauen, etc. und darauf aufbauend, Leistungsverbesserung verfolgen. Oder war die Reihenfolge doch eine andere?16

Der systemische Ansatz hingegen stellt Rationalitätssteuerung durch Selbstorganisation in den Vordergrund, sieht Selbstorganisation als systemisch bedingt an und betrachtet Organisationen als Systeme im Sinne der LUHMANNschen Systemtheorie, welche nie vollständig „von oben“ durchorganisiert sein können (vgl. NEUBERGER, 2002, S. 625; STEINKELLNER, 2006, S. 92).17 Aufgrund der hohen Komplexität und (doppelten) Kontingenz sozialer Systeme heißt es aber Abschied nehmen von vereinfachenden trivialisierenden Macher-Phantasien (vgl. u.a. NEUBERGER, 2002).18

Bedeutet systemische Führung deshalb aber einen Wegfall von Führung im traditionellen Sinne, der direktiven und fremdbestimmenden Komponente per se? Dies ist zu verneinen, jedoch gleichzeitig auch zu relativieren. Einer direkten Gestaltung des Systems durch einen direktiven Eingriff durch den Führenden, also der Umwelt des Systems,19 ist aus systemtheoretischer Sicht zu widersprechen, da wie bereits weiter oben ausgeführt, kein Umwelt- Determinationsverhältnis besteht. Das System verarbeitet derartige Interventionen nach eigenen Programmen. Lediglich im System selbst kommt es zu einer Entscheidung hinsichtlich dieser Irritation seitens der Umwelt. Dies weist aber bereits daraufhin, dass Führende nicht überflüssig sind, sondern, dass sich lediglich deren Einflussmöglichkeiten ändern. Verschiedene Veröffentlichungen weisen darauf hin, dass, mit Bezug auf die verschiedenen Phasen im Lebenszyklus eines Netzwerks, eine Notwendigkeit von Managementfunktionen besteht. „Solche „organisationsunterstützenden“ Rollen stellen unter anderem der sogenannte „Integrator“, das „Kernunternehmen“ oder der „Koordinator“ dar.“ (VAN DEN ANKER, 2004, S. 5)20 Die Umsetzung systemtheoretischer Konzepte im Management zeigt sich aber als schwierig, da Sichtweisen und Denkinstrumente der Systemtheorie nicht mit dem Alltagsverständnis und den Erfahrungen der Manager korrespondieren. Diese(s) folgen/folgt größtenteils noch dem allopoietischen Maxim (vgl. STEINKELLNER, 2006, S. 92f).21

STEINKELLNER, Vertreter des Wiener Ansatzes, sieht in der Systemtheorie jene Universalität, die es ermöglicht Psychologie und Soziologie zu verbinden.

„Diese Verbindung erscheint deshalb so wesentlich (Anm. d. Verf.: und auch notwendig), da Führung nur erklärt werden kann, wenn man sowohl soziale als auch psychische Vorgänge berücksichtigt und soziale und psychische Systeme untersucht.“ (2006, S. 94) Dem ist auch deshalb beizupflichten, da sich die Arbeits- und Organisationspsychologie, als angewandte Wissenschaft, dem interdisziplinären Postulat verschrieben hat.

[...]


1 Vgl. z.B. FLEISCH (2001), WETZEL (2004).

2 Steuerung im Sinne von LUHMANN bedeutet zunächst „das Bemühen um eine Verringerung der Differenz.“ (1988, S. 328)

3 Netzwerke versuchen, die oben beschriebenen Anforderungen „in einem Nebeneinander von Zentralisierung und Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen, durch flache Hierarchien, eine Organisation um insbesondere im Zusammenhang stehend oder gar deren conditio sine qua non, ist die Erzeugung von neuem bzw. die Lokalisierung und Anwendung von bisher unbenutztem Wissen. Prozesse herum, Team-Management, Kunden- und Marktorientierung, eine umfassende interne wie externe Informationsvernetzung zu bewältigen.“ (WETZEL, 2004, S. 23); vgl. auch die Erläuterungen zu den Dimensionen der Dezentralisierung (Inhalt, Richtung und Dynamik der Dezentralisation) in Anlehnung an BASSEN (1998).

4 Unter Innovation ist Erneuerung bzw. Neuheit zu verstehen und bezieht sich sowohl auf Produkte und Dienstleistungen, als auch auf Prozesse und Verfahren (vgl. WETZSTEIN et al, 2004, S. 57); vgl. insbesondere die Ausführungen zu den empirischen Ergebnissen im Zusammenhang mit Schwierigkeiten im Hinblick auf Kooperationsprozesse, rückführbar auf Aspekte der Wissensintegration und Kommunikation (ebd., S. 64).

5 „Selbstorganisation kann als Steuerungshandeln verstanden werden, das entstehende Unsicherheiten zulässt und reflektiert damit umzugehen vermag.“ (PONGRATZ & VOSZ, 1997, S. 30) vgl. auch die Begrifflichkeit des postheroischen Managements; dazu siehe weiter unten.

6 Zum Begriff der Netzwerkgesellschaft vgl. CASTELLS (2003, S. 527ff).

7 Die Transformation von Kontingenz in Eindeutigkeiten erfolgt erst durch Entscheidungen innerhalb des betroffenen Systems. Hierbei handelt es sich aber oft genug „nur um scheinbare Eindeutigkeiten, die weiteren Interpretationen von Kontingenz zugänglich sind“ (SYDOW, 1992, S. 281), was u.a. den dynamischen Charakter betont. Vgl. auch die Ausführungen zur Kontingenz bei LUHMANN (1984, S. 152).

8 Vgl. z.B. SCHREYÖGG (1996), der diesen Entwicklungsschritt mit dem Konzept der lernenden Organisation aufgrund der Notwendigkeit zur permanenten Innovation in Verbindung setzt. Dazu aber weiter unten.

9 WETZSTEIN et al kritisieren, dass viele Modelle, die sich mit Kooperation auseinandersetzen, als bedeutsame Teilprozesse lediglich Aspekte der Kommunikation und Koordination berücksichtigen, die in interdisziplinärer Zusammenarbeit ablaufenden Prozesse, sowie die aufgrund der Interdisziplinarität auftretenden Schwierigkeiten jedoch vernachlässigen. „Erfahrungen mit interdisziplinärer Zusammenarbeit haben gezeigt, dass Kooperieren mehr als Kommunizieren bedeutet.“ (2004, S. 58)

10 Vgl. diesbezüglich die Begrifflichkeit der Kommunikationsarbeit bei KNOBLAUCH (1996) und im Bezug darauf, GOLL (2002), im Rahmen ihrer ethnografischen und ethnomethodologischen Untersuchungen zur Arbeit in Organisationen; vgl. auch KNOBLAUCH & HEATH (1999).

11 Vgl. hierzu die kritischen Anmerkungen zur Zuschreibung der Eigenschaft systemisch in Verbindung mit Handlungen bei SIMON (2006, S. 13); zur Begrifflichkeit des Systemischen und der damit zusammenhängenden Emergenz vgl. u.a. WILLKE (2004, S. 12ff).

12 Lt. STEINKELLNER bleibt systemisches Führen auch in der aktuellen wissenschaftlichen Rezeption oftmals unerwähnt. Aus der Verwendung dieses Begriffs des Systemischen im Rahmen der Führungsdiskussion, resultieren zwei wichtige Problempunkte der Systemtheorie für die Führungspraxis. Einerseits der Praxistransfer systemischer Theorien, andererseits das Erkennen bereits in der Praxis eingesetzter Methoden systemischer Mitarbeiterführung (vgl. 2006, S. 91).

13 Auf der einen Seite Begrifflichkeiten wie: Planung, Steuerung, Management, Gestaltung und damit letztlich (Fremd-) Organisation, andererseits hingegen: Spontaneität, Evolution, Systemisches und damit impliziert Selbstorganisation (vgl. SYDOW, 1992, S. 245).

14 Für die LUHMANNsche Definition zur Autopoiesis siehe u.a. (1984, S. 403).

15 FOUCAULT (1977) sprach diesbezüglich vom Disziplinarindividuum, wobei er aber nicht auf das unterjochte Subjekt feudaler Macht verwies, sondern auf ein Individuum, das anstelle externer Kontrolle, eine interne Steuerungsinstanz in sich aufrichtet. Darauf Bezug nehmend bezeichnet NEUBERGER die Individualisierung als organisierte Disziplinierung, als Herstellung des produktiven Subjekts (vgl. 1997, S. 510).

16 Oder anders formuliert und in Anlehnung an einen von NEUBERGER verfassten Aufsatz: „Der Mensch ist Mittelpunkt. Der Mensch ist Mittel. Punkt.” (1990)

17 „Die relativ große Autonomie der Systemelemente (hier: der Netzwerkunternehmungen) fördert die Evolution selbstorganisierender Prozesse. Das Ergebnis aber ist, nicht zuletzt wegen der nur losen Kopplung der Systemelemente, kaum von vornherein bestimm- oder planbar, sondern immer das Ergebnis von (teil-) autonomen Prozessen, die zwar mit Absicht angeregt werden, aber nicht vollkommen durch den Initiator steuerbar sind.“ (SYDOW, 1992, S. 248f)

18 LUHMANN versteht unter Komplexität ein mehr an Möglichkeiten, als aktualisiert werden kann. „Unter Kontingenz wollen wir verstehen, daß die angezeigten Möglichkeiten weiteren Erlebens auch anders ausfallen könnten als erwartet wurde. (…) Komplexität heißt also praktisch Selektionszwang. Kontingenz heißt praktisch Enttäuschungsgefahr und Notwendigkeit des Sicheinlassens auf Risiken.“ (1964, S. 31) Kontingenz weist also auf die Möglichkeit des „Auch-anders-möglich Seins“ hin, jedoch nicht Beliebigkeit. „Eine Transformation von Kontingenz in Eindeutigkeiten erfolgt erst durch Entscheidungen.“ (SYDOW, 1992, S. 281)

19 „Alle Personen, auch die Mitglieder, sind daher für das Sozialsystem Umwelt.“ (LUHMANN, 1964, S. 23f; vgl. auch 1997b, S. 72); vgl. auch die Ausführungen zur Polykontexturalität psychischer Systeme bei FUCHS (1997) und daran anschließend TACKE (2000).

20 Vgl. auch die Ausführungen zu den Projekten TELEflow und Virtuelle Fabrik hinsichtlich der Rollen innerhalb eines virtuellen Unternehmens bei KATZY & SCHUH (1998, S. 83ff); siehe auch https://www.vengroup.com/ve- net/Library.nsf/ab283684d03f231d80256b520047d321/429C9D658B0013CE802 56F6C004BB509/$file/Designing%20the%20Virtual%20Enterprise.pdf, 08.06.2008.

21 Vgl. u.a. die Ausführungen bei NEUBERGER (2002, S. 629) zum allopoietischen Maxim.

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Wieviel Organisation braucht die Vernetzung?
Untertitel
System(theoret)ische Betrachtung von Führung und sozialen Prozessen in Netzwerken/virtuellen Organisationen
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1.0
Autor
Jahr
2008
Seiten
45
Katalognummer
V120243
ISBN (eBook)
9783640241170
ISBN (Buch)
9783640245000
Dateigröße
2023 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wieviel, Organisation, Vernetzung
Arbeit zitieren
Gerald Ulmer (Autor:in), 2008, Wieviel Organisation braucht die Vernetzung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120243

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