Der Landtagswahlkampf der hessischen SPD 2007/08

Eine Analyse der Plakatserie "Er-Sie"


Dossier / Travail, 2008

23 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das SPD-Wahlkampfstrategiepapier

3. Der Plakatwahlkampf

4. Analyseteil
4.1 Methodik
4.2 Beschreibung, Analyse und Interpretation
4.2.1 Der gemeinsame untere Balken aller Plakatserien
4.2.1.1 Die Beschreibung
4.2.1.2. Die Analyse
4.2.1.3 Die Interpretation
4.2.2 Die Plakatserie „Er-Sie“
4.2.2.1 Die Beschreibung
4.2.2.2 Die Analyse
4.2.2.3 Die Interpretation und ein Zwischenfazit

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 27. Februar 2008 errang die SPD bei den hessischen Landtagswahlen 36,7 Prozent der Stimmen. Damit lagen die Sozialdemokraten mit ihrer Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti 3595 Zweitstimmen hinter der hessischen CDU des Ministerpräsidenten Roland Koch. Obwohl die SPD damit lediglich ihr zweitschlechtestes Ergebnis bei einer hessischen Landtagswahl einholte, stellte sie sich als Siegerin dar. Dies erklärt sich vor allem damit, dass die SPD bezogen auf die Sitzverteilung im Landtag gleichauf mit der CDU liegt und die CDU im Vergleich zu der vorangegangenen Landtagswahl 2003 etwa 12 Prozentpunkte verlor, somit also auch die absolute Mehrheit einbüßte (vgl. Reich 2008, S. 22 ff. und Holl 2008).

Dabei war dieses Wahlergebnis im Sommer 2007 kaum absehbar. So galt die SPD-Kandidatin keineswegs als unumstritten in ihrem eigenen SPD-Landesverband. Bei der Mitglieder-befragung über die Ministerpräsidentenkandidatur gewann Ypsilanti nur knapp mit zehn Stimmen Vorsprung. Hinzu kam, dass sie vergleichsweise unbekannt war in Hessen (vgl. Holl 2008). Obendrein lag die SPD noch im September 2007 in Umfragen immer noch zehn Prozent hinter der Koch-CDU (vgl. HR-Online 2008). Außerdem erlaubten sich die Sozialdemokraten gleich in der ersten Phase des Wahlkampfs, im Sommer 2007, einen Fehler: Das von Ypsilanti federführend formulierte interne Wahlkampfstrategiepapier wurde einer größeren Gruppe zugänglich, indem der SPD-Schattenminister für Umwelt und Wirtschaft, Scheer, es aus Versehen an den gesamten Landesvorstand von ca. 40 Personen per Mail weiterleitete (Hickmann, 2007).

Wie hat es die hessische SPD nun geschafft, doch noch zur CDU aufzuschließen? Diese Frage wird die folgende Analyse nicht komplett beantworten können. Denn sie untersucht medienanalytisch ausschließlich die Plakatserie „Er-Sie“ der Hessen-SPD. Hierbei geht sie den Fragen nach, inwiefern Methoden der (politischen) Werbung angewendet wurden und, ob die Linie des Wahlkampfstrategiepapiers verfolgt worden ist. Vor diesem Hintergrund kann die Untersuchung zumindest Rückschlüsse auf die Anwendung von Regeln erlauben, die in der Werbebranche und Politikberatung als Vorraussetzung für Erfolg gelten.

2. Das SPD-Wahlkampfstrategiepapier

Nachdem im Juli 2007 das Strategiepapier von Ypsilanti unabsichtlich eine größere Gruppe von SPD-Funktionären erreicht hatte, fand es auch den Weg zu den Zeitungen. Basierend auf den Zeitungsartikeln zur ungewollten Veröffentlichung der Papiere sollte die Wahlkampfkampagne einen hohen Personalisierung sgrad[1] aufweisen, somit also ganz auf die Spitzenkandidatin Ypsilanti zugeschnitten sein. So stünde in dem Text, Charaktereigenschaften Ypsilantis, wie Glaubwürdigkeit, sollten in den Vordergrund gestellt werden. Daneben gebe die Abfassung vor, die Spitzenkandidatin als untypische Politikerin zu präsentieren, die außerhalb der politischen Klasse stehe, sowie als Partei-Linke, die offen gegen die Hartz-Gesetze Position bezogen hatte. Kombiniert mit der Personalisierung werde außerdem empfohlen, Gegensätze zwischen dem CDU-Herausforderer zu betonen, somit also auf Polarisierung als Wahlkampfmittel zu setzen. So schlüge das Papier auch vor, gezielt Ypsilanti als Frau darzustellen – in Abgrenzung zu ihrem männlichen Herausforderer. Schließlich seien Frauen zudem vom politischen Gegner schwerer angreifbar (vgl. Hickmann 2007 und Focus-Online 2007a).

3. Der Plakatwahlkampf

Für die Konzeption der Plakate beauftragte die Hessen-SPD die Berliner Agentur „Zum goldenen Hirschen“, die zuvor schon etliche Jahre für die Grünen Bundeswahlkämpfe mitplante und begleitete. Der Plakatwahlkampf gliederte sich in vier Phasen:

In der ersten, die im Frühsommer 2007 startete, sollte der Bekanntheitsgrad der Kandidatin gesteigert werden. Die Plakate dieser Phase zeigten ein großes rotes Ypsilon, dem sogenannten Key Visual für Ypsilanti. Durch hinzugefügte Gegenstände sollten die SPD-Themen der anstehenden Wahl mit dem Namen der Spitzenkandidatin verknüpft werden, wie der Chef von „Zum goldenen Hirschen“ in einem Interview erklärte (vgl. Medienhandbuch.de 2008).

Ab 12. November 2007 begann die hessische SPD eine Phase des „negative campaigning“, also des Angriffwahlkampfs: Die Plakate präsentierten auf ironische Weise die aus SPD-Sicht gemachten Fehler der Koch-Regierung, indem sie Bezug nahmen auf die CDU-Kampagne „Koch-kocht-Sommertour“ (vgl. Medienhandbuch.de 2008 und SPD Hessen 2007a).

Anfang Dezember stand die neue Plakatserie unter dem Motto „Jeder kann...“. Sie zeigte Bürger, die SPD-Schwerpunkthemen unterstützen. Die Schwerpunktthemen waren: Bildung, Energiewende, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Mindestlöhne (vgl. SPD Hessen 2007b).

In der Schlussphase folgten Plakate, die Ypsilanti in Nahaufnahme abbildeten. Neben ihrem Konterfei standen vergleichende Aussagen („Er-Sie“) (vgl. Medienhandbuch.de 2008).

4. Analyseteil

4.1 Methodik

Das methodische Vorgehen der folgenden Analyse orientiert sich an dem ikonographisch-ikonologischen Analyseverfahren nach Panofsky. Hierbei wird in drei Schritten vorgegangen:

Im ersten Schritt wird das Sehbare des Bildes beschrieben und im zweiten das Beschriebene analysiert, ihm soll dabei Bedeutung zugewiesen werden. Im letzten Schritt werden die Ergebnisse dann interpretiert und dabei in theoretischen und historischen Kontext gesetzt. Dabei kann es durchaus zu Überschneidungen kommen zwischen den Schritten – was aber nicht Ungewöhnliches darstellt (vgl. Müller 2003, S. 33 ff. und Mikos, Wegener 2005, S. 460 ff.).

4.2 Beschreibung, Analyse und Interpretation

4.2.1 Der gemeinsame untere Balken aller Plakatserien

4.2.1.1 Die Beschreibung

Abbildung 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der freigestellte gemeinsame untere Balken aller Plakatserien

(Quelle: SPD-Hessen.de)

Alle Plakatserien weisen eine gemeinsame Komponente aus: einen vom dargestellten Bild abgegrenzten Balken (vgl. Abb.1), der sich über die gesamte untere Quere erstreckt – sowohl bei den quer- wie hochformatigen Plakaten. Die Höhe des Balkens beträgt ca. 13 Prozent der Gesamthöhe bei den Plakaten im Hochformat, bei den Plakaten im Querformat ca. 19 Prozent.

Der Balken unterteilt sich wiederum in zwei Komponenten: einem rotem Quadrat und, links neben diesem, einem Bordeaux-rotem Rechteck.

Das rote Quadrat befindet sich innerhalb des Balkens am äußersten rechten Rand. Die Breite des Quadrats ist ca. 11 Prozent größer als dessen Höhe (,die ,wie der Balken, ca. 13 Prozent bzw. 19 Prozent der Plakatgesamthöhe ausmacht). Die Breite macht ca. 18,6 Prozent der Gesamtbreite des Balkens bei den hochformatigen Plakaten aus, bei den Querformatigen ca. 12 Prozent.

Das rote Quadrat beinhaltet eine Buchstabengruppe: „SPD“. Die Höhe der serifenlosen Groß buchstaben, die weiß sind und sich somit vom roten Hintergrund kontrastierend abheben, beträgt 25 Prozent (also einviertel) der Gesamthöhe des Quadrats[2]. Die Lettern weisen eine relativ starke Kontur auf, sind also fett dargestellt. Neben der Buchstabenfolge ist auf gleicher Höhe ein Symbol zu erkennen. Die weiße Kontur des Symbols zeichnet eine Löwenartige Figur, die auf zwei Pfoten zu stehen scheint und ihre an Tatzen erinnernden oberen Gliedmaßen samt Vorderkörper der Wölbung des „D“ zuwendet. Innerhalb des Symbols grenzen die Konturen ebenfalls weiße Balken ab, die sich mit dem rot des Quadrats abwechseln. Der Abstand der äußersten Kontur (einem nach oben gerichteten Schwanz nicht unähnlich) des Symbols beträgt in etwa die Breite des senkrechten Elements des „P“ der Buchstabengruppe. Wenn man Buchstabengruppe und Symbol als ein zusammenhängendes Element betrachtete, wäre es bezogen auf die äußeren Seitenränder zentriert. Vom der unteren Plakatgrenze sind Buchstabengruppe und Symbol etwas weniger als eine Buchstabenhöhe entfernt. Dies wäre auch der Fall bezüglich der Entfernung zu der oberen Grenze, wenn man das Quadrat der Höhe nach teilte. Folglich befinden sich Buchstabengruppe und Symbol zentriert in der unteren Hälfte des Quadtrats.

Der linke Rand des Quadrats wirft einen Schatten auf die restliche Fläche des Balkens – einem Bordeaux-rotem Rechteck. Dabei ist ein linearer Farbverlauf festzustellen: Das Bordeaux-Rot wird zum oberen Rand hin dunkler. In dem Rechteck befinden sich zwei Wortgruppen, die eine linksbündig, die andere rechtsbündig angeordnet:

Alle Wortgruppen sind auf einer senkrechten Linie auf gleicher Höhe angeordnet Daneben sind auch die Lettern der beiden Buchstabengruppen weiß. Gemein haben die beiden auch, dass ihre Lettern keine Serifen aufweisen. Allerdings unterscheiden sie sich auch in einigen Merkmalen:

So sind die Lettern der linksbündig angeordneten Buchstabengruppe in kleiner Schriftart, die der rechtsbündigen durchweg groß und fett. Außerdem sind die Lettern der rechtsbündigen Gruppe etwa zweidrittel so hoch wie der Buchstaben im Quadrat, die längsten des linksbündigen Schriftzugs etwa eindrittel. Auch die Abstände zu den Rändern sind unterschiedlich: beim linksbündigen Schriftzug zu dem linken Rand etwa die Letternhöhe der Buchstabengruppe aus dem Quadrat, beim rechtsbündigen zum rechten Rand etwa eine Buchstabenbreite desselben.

4.2.1.2. Die Analyse

Der Balken beinhaltet ein typisches Gestaltungselement für Printwerbung von insgesamt vier: nämlich Slogan/Logo/Netzadresse[3] (vgl. Schneider 2003, S. 502). Die linksbündige Wortgruppe ist dabei die Netzadresse (www.spd-hessen.de), die rechtsbündige der Slogan („Die Zeit ist reif“) und das Quadrat samt Inhalt das regionalisierte Logo der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Der Balken hat hier eine gruppierende Funktion für diese Teilelemente – er klammert sie ein. Daneben trennt er das Bildmotiv von den Teilelementen. Die Position des Balkens bzw. der gruppierten Teilelemente beeinflusst somit auch seine Bedeutung. So orientiert sich die Werbebranche an folgendem Ergebnis der Werbeforschung: Je weiter unten sich ein Bildelement befindet, desto weniger wird es vom Blick des Betrachters fixiert – am wenigsten, wenn das Element unten links positioniert ist (vgl. Schneider 2003, S. 502). Für das untersuchte Balkenelement samt Inhalt kann dies folglich bedeuten, dass die Schöpfer der Plakatentwürfe es für unwichtiger hielten als die restlichen Elemente. Schließlich bleiben dem Betrachter oft nur wenige Sekunden, um die Plakatinhalte zu erfassen. So kann es vorkommen, dass nur Teile des Plakats auch tatsächlich rezipiert werden können. Hinter der Positionierung der Wortgruppen und des Logos könnte sich also folgende Intention verbergen: Die Netzadresse wird nach den Ergebnissen der Werbeforschung vom Betrachter am wenigsten Beachtung geschenkt – somit hielten sie die Plakatschöpfer mit hoher Wahrscheinlichkeit am unwichtigsten. Der Slogan stellt somit die zweitbedeutsamste Teilkomponente innerhalb des Balkenelements dar und der SPD-Schriftzug die bedeutsamste. Dieser Hierarchie entsprechen auch die einzelnen Schriftgrößen, wenn man bedenkt, dass größere und fettere Schriften schneller erfasst werden vom Betrachter: sie steigen nach rechts mit jeder Teilkomponente um eindrittel an – genauso wie die Konturenstärke der Lettern. Zudem sind die Buchstaben der Netzadresse nur klein, während sie bei Slogan und Logo-Schrift durchgängig groß sind. Auch die Farbgestaltung entspricht dieser Hierarchie. Denn Farben können die Illusion von Perspektive schaffen. Bezogen auf den untersuchten Balkenabschnitt bedeutet dies, dass das Logo, das Quadrat, näher wirkt als das linksbefindliche Rechteck, da das Rot des Quadrats intensiver ist als das Bordeaux-Rot des Rechtecks. Unterstützt wird dieser Effekt durch den Schatten, den das Quadrat auf das Rechteck wirft. Der Balken als ganzes wirkt durch diese perspektivische Illusion wie ein Zaun über dem man auf das eigentliche Motiv des Plakats schaut. Denn die rote Farbgebung lassen ihn als nahste Komponente im Plakat erscheinen (vgl. Schneider 2003, S. 497ff.) Daneben wird Rot auch mit verschiedenen Eigenschaften assoziiert: „Diese aktive und warme Farbe steht für Energie, Kraft, Leidenschaft, Lebensfreude, Glück, Erotik und Liebe, aber auch für Wut, Aggressivität, Zorn, Aufregung, Gefahr und Verbote“ (Schneider 2003, S. 494).

[...]


[1] Ausführliche Begriffserläuterungen zu modernen Inszenierungsstrategien der Politik finden sich ab Seite 35 in Schicha, C. 2003: Die Theatralität der politischen Kommunikation. Medien-inszenierungen am Beispiel des Bundestagswahlkampfes 2002. Münster: LIT Verlag.

[2] Dies ist sowohl bei den hoch- wie bei den querformatigen Plakaten der Fall, da sich die Höhenverhältnisse nicht verändern bei einem Quadrat.

[3] Die restlichen vier sind: Bild, Headline und Copytext/Fließtext, wobei letztere Komponente immer seltener Anwendung bei der Herstellung von Printmedien findet (vgl. Schneider 2003, S. 502 f.).

Fin de l'extrait de 23 pages

Résumé des informations

Titre
Der Landtagswahlkampf der hessischen SPD 2007/08
Sous-titre
Eine Analyse der Plakatserie "Er-Sie"
Université
University of Siegen
Cours
SEMINAR POLITIK UND WERBUNG
Note
1,0
Auteur
Année
2008
Pages
23
N° de catalogue
V120825
ISBN (ebook)
9783640249749
ISBN (Livre)
9783640249794
Taille d'un fichier
1881 KB
Langue
allemand
Mots clés
Landtagswahlkampf, SEMINAR, POLITIK, WERBUNG, SPD, Ypsilanti, Koch
Citation du texte
Daniel-David Pirker (Auteur), 2008, Der Landtagswahlkampf der hessischen SPD 2007/08, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120825

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Titre: Der Landtagswahlkampf der hessischen SPD 2007/08



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