Die Geschichte von St. Domingo ist ein Freiheitskampf der ‚Schwarzen’ gegen die französische Kolonialmacht.
Dessalines ist der Anführer der ‚Schwarzen’. Er ist Nachfolger von Toussaint L’ Ouverture, der durch den Befehl Napoleons eingekerkert und zu Tode geschunden wurde. L’ Ouverture sitzt in demselben Gefängnis in welches auch Kleist durch die Franzosen 1807 gesperrt wurde. Unter Dessalines Führung wird St. Domingo am 1. Januar 1804 offiziell zum unabhängigen schwarzen Staat erklärt.
Mit diesem Hintergrund erscheint die Novelle „Die Verlobung in St. Domingo“ 1811 in der Zeitschrift „Der Freimüthige“ .
Die Novelle erzählt eine Liebesgeschichte unter Extrembedingungen. Gustav, ein Schweizer, sucht Zuflucht auf dem Hof von Congo Hoango, „ein[em] fürchterliche[n] alte[n] Neger“ , welcher mit Babekan, der Haushälterin und Babekans Tochter Toni dort lebt. Toni und Gustav werden sich, wie der Titel hergibt, verloben. Beide Protagonisten sterben zuletzt durch Mord und Selbstmord.
Hauptaspekt meiner Betrachtungen soll das Thema der ‚schönen Seele’ sein. Die Seele als ein Konzept von Weiblichkeits- und Schönheitsideal ist geprägt von Anmutigkeit, Edelmut, Tugendhaftigkeit und Demut. Friedrich Schiller, ein Zeitgenosse Kleists, schreibt in seiner Abhandlung „Ueber Anmuth und Würde“:
In einer schönen Seele ist es also, wo Sinnlichkeit und Vernunft, Pflicht und Neigung harmoniren, und Grazie ist ihr Ausdruck in der Erscheinung. Nur im Dienst einer schönen Seele kann die Natur zugleich Freyheit besitzen, und ihre Form bewahren, da sie erstere unter der Herrschaft eines strengen Gemüths, letztere unter der Anarchie der Sinnlichkeit einbüßt.
Inwieweit besitzt Toni bereits eine ‚schöne Seele’? Wird sie erst durch eine ethisch-moralische Leistung zu einer ‚schönen Seele’? Muss Toni sterben, weil sie eine ‚schöne Seele’ hat und sie dadurch nicht in die Welt passt, die Kleist in seiner Novelle beschreibt?
Kann man bei Gustav von einer ‚schönen Seele’ sprechen? Welche Rolle in dieser Seelenkonzeption spielen dabei Babekan und Congo Hoango? Inwieweit ist der Rassenkonflikt von Bedeutung?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Congo Hoango und Babekan
- Die schöne Seele bei Congo Hoango und Babekan - Zwischenstand
- Toni und Gustav
- Die „wahren“ Gefühle
- Die Parallelgeschichten und die Verlobung
- Die schöne Seele - Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Konzept der „schönen Seele“ in Heinrich von Kleists Novelle „Die Verlobung in St. Domingo“. Die Analyse fokussiert auf die Charaktere Toni und Gustav, sowie deren Beziehung zu Congo Hoango und Babekan im Kontext des Rassenkonflikts und der revolutionären Ereignisse in St. Domingo. Die Arbeit beleuchtet, inwieweit die Charaktere den Schiller'schen Ideal der „schönen Seele“ entsprechen und wie dieses Ideal mit den dargestellten Lebensumständen interagiert.
- Das Konzept der „schönen Seele“ nach Schiller und seine Anwendung auf die Charaktere der Novelle.
- Die Darstellung des Rassenkonflikts und seine Auswirkungen auf die Charaktere und deren Beziehungen.
- Die Rolle der weiblichen Charaktere (Toni und Babekan) und ihre Entwicklung im Verlauf der Handlung.
- Die Beziehung zwischen Toni und Gustav und die Frage nach ihren „wahren“ Gefühlen.
- Die Parallelen zwischen den verschiedenen Handlungssträngen der Novelle.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die historische Situation St. Domingos und in die Thematik der „schönen Seele“ ein. Das Kapitel über Congo Hoango und Babekan beschreibt die Charaktere und deren Handlungen im Kontext des revolutionären Aufstands. Es wird dargestellt, wie Congo Hoango, trotz früherer Rechtschaffenheit, zu Gewalt und Rache greift. Babekan, eine Mulattin, wird als eine Figur mit komplexen Motiven vorgestellt, die aktiv am Konflikt teilnimmt. Weitere Kapitel befassen sich mit der Beziehung zwischen Toni und Gustav, analysieren deren Gefühle und beleuchten die sich entwickelnden Handlungsstränge, ohne jedoch die zentralen Wendungen oder das Ende vorwegzunehmen.
Schlüsselwörter
Schöne Seele, Heinrich von Kleist, Die Verlobung in St. Domingo, Rassenkonflikt, Haitianische Revolution, Schiller, Weiblichkeitsideal, Toni, Gustav, Congo Hoango, Babekan, Moral, Tugend.
- Arbeit zitieren
- Carla Pohl (Autor:in), 2006, Die schöne Seele bei Heinrich von Kleists "Die Verlobung in St. Domingo", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120879