Interpretation zweier Flugschriften bezüglich der Frage, „ob ein recht Evangelischer ReichsStand den Pragerischen Frieden annehmen könne“


Dossier / Travail de Séminaire, 2004

19 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Schreiben „Johann Gerharts“
2.1 Die Person des Johann Gerhard und die des Adressaten Anton Wolff von Todenwarth
2.2 Die Argumente
2.3 Bewertung des Charakters und der Motivation für die Veröffentlichung als Flugschrift

3. Die „Bedencken“ der Stettiner Theologen
3.1 Die Stettiner Theologen und die Lage Pommerns unter Bogislav XIV.
3.2 Die Argumente
3.3 Bewertung des Charakters und der Motivation für die Veröffentlichung als Flugschrift

4. Schlussbetrachtung

5. Quellen und Literatur

Interptation zweier Flugschriften bezüglich der Frage, „ob ein recht Evangelischer ReichsStand den Pragerischen Frieden annehmen könne“

1. Einleitung

Der Prager Frieden vom 30. Mai 1635 – geschlossen zwischen Kaiser Ferdinand II. und dem Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen als Führungsmacht der protestantischen Partei - ist in der neueren Forschung durch die wissenschaftliche Konzentration auf den Westfälischen Frieden in den Hintergrund gedrängt worden.[1] Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass er trotz des Beitrittes der überwiegenden Zahl der Reichsstände letztlich nicht zum Frieden führte; im selben Jahr trat der Dreissigjährige Krieg in seine letzte Phase, die des schwedisch-französischen Krieges.

Thema dieser Arbeit ist die Frage, welche Gründe für und wider die Annahme des Prager Friedens im Lager der protestantischen Reichsstände kursierten. Dies geschieht anhand der diesbezüglichen Auswertung zweier Flugschriften zu diesem Vertrag: Dem „Schreiben.// Herrn D. IOHANN. Gerharts/ // Theologi vnd PROFFESSORIS // zu IENA.// An// Den Fürstlichen Hessischen Kanzler/ // Herrn D. Antonium Wolffium [...] Ob ein recht Evangelischer// ReichsStand den Pragerischen Frieden// mit unverletzten Gewissen annehmen könne [...]“[2] aus dem Jahr 1636 und der Flugschrift „Der// Stetinischer Theologen// Bedencken/ // An// Deß Herzogen zu Pommern// Fürstl. Durchl. Ob der Pragische Frieden-// Schluß mit guten Gewissen könne acce-// ptiret werden?“[3] vom August 1636, die 1637 veröffentlicht wurde.

Die beiden Texte kommen zu unterschiedlichen Bewertungen und Schlussfolgerungen bezüglich des ausgehandelten Friedenswerkes. Dies soll im Folgenden genutzt werden, um einen Überblick über die prominentesten Argumente auf Seiten der Protestanten zu erhalten. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei den protestantischen Ständen nicht um eine bezüglich ihrer Interessen und Positionen homogene Gruppe gehandelt hat, geschieht dies unter Einbeziehung der jeweiligen politischen Hintergründe der an den Schreiben beteiligten Persönlichkeiten.

Die Bewertung des Friedensvertrages ist auch in der neueren Forschung umstritten. Die Einschätzungen reichen von einem „monstrum pacis“[4] bis zu der Beurteilung: „The Peace of Prague was the first official step beyond the Peace of Augsburg and a milestone on the way toward religious toleration in Germany.“[5] Die Bandbreite der Einschätzungen ist insbesondere einer unterschiedlichen Beurteilung der Frage des „Reichsabsolutismus“ in Verbindung mit den Intentionen des Kaisers geschuldet. Allerdings erscheint eine zu negative Sichtweise der kaiserlichen Bemühungen nicht haltbar zu sein, und der Versuch beider Seiten – unter schwierigsten Bedingungen - zu einem ´fairen´ Ausgleich zu kommen, kann schwerlich bestritten werden.[6] Nichtsdestotrotz zeigt diese Diskussion anschaulich, wie kontrovers die Bestimmungen des Prager Friedens beurteilt werden konnten und können. Obwohl eine strikte Trennung der in den beiden Flugschriften genannten Argumente in religiöse und politische nicht möglich ist, wird im Folgenden eine historisch-politische Perspektive eingenommen. Eine theologische Untersuchung der von den Autoren angeführten Bibelstellen würde eine religionswissenschaftliche Arbeit erfordern.

2. Das Schreiben „Johann Gerharts“

2.1 Die Person des Johann Gerhard und die des Adressaten Anton Wolff von Todenwarth

Bei dem Verfasser der ersten Flugschrift, „Johann Gerharts“, handelt es sich um den mit der Schreibweise „Johann Gerhard“ in der ADB und der NDB verzeichneten lutherischen Theologen und Erbauungsschriftsteller aus Jena. Dieser „gehörte zu den hervorragendsten Vertretern der altprot. Luth. Orthodoxie und leitete innerhalb derselben die Periode der Hochorthodoxie ein.“[7]

Gerhard wurde am 17.10.1582 in Quedlinburg geboren und starb am 17.8.1637 in Jena. Er studierte in Wittenberg, Jena und Marburg zunächst Philosophie, dann Medizin und schließlich den Ratschlägen „seines geistlichen Vaters“, des Predigers Johann Arndt, folgend Theologie.[8] 1603 erwarb er in Jena die Magisterwürde und lehrte ab 1604 in

Marburg. Dort hielt er philosophische und theologische Vorlesungen. Nachdem die lutherische Fakultät infolge der Einführung des reformierten Lehrtypus durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel nach Gießen verlegt worden war, kehrte er 1605 nach Jena - an die dortige theologische Fakultät - zurück, wo er die theologische Doktorwürde erhielt. Ein Jahr später wurde Gerhard auf Drängen des Herzogs Johann Casimir von Sachsen-Coburg Superindendent in Heldburg, um dann 1615 zum Generalsuperintedenten von Coburg berufen zu werden. Als im Jahr 1615 eine Professur in Jena frei wurde, übersiedelte er – auf direkte Intervention Johann Georg I. von Sachsen bei Herzog Casimir - erneut und blieb dieser Fakultät dann bis zu seinem Tod erhalten: „Außerordentlich vielseitig, eifrig und erfolgreich war fortan Gerhard´s akademische -, viel ausgedehnter und einflußreicher noch seine persönliche, briefliche, litterarische, kirchenpolitische Wirksamkeit.“[9] So sollen von ihm mehr als 10.000 Briefe existiert haben. In bezug auf die Veröffentlichung seines Schreibens ist zu betonen, welchen hervorragenden Ruf Gerhard besaß. Jörg Baur bezeichnet ihn als den „wohl angesehensten lutherische(n) Theologen seiner Zeit“.[10]

Auch in politischen Fragen wurde sein Rat eingeholt und er verfasste Gutachten zu diesbezüglichen Fragen. Die „Sorge um den Frieden“, insbesondere den Prager Frieden, stand im Zentrum seiner Ausführungen: „Zum Höhepunkt des Gerhardschen Eintretens gegen den Krieg wurden seine Aktivitäten im Zusammenhang des Prager Friedens.“[11] Gerhard blieb auch von negativen Einflüssen des Krieges auf seine private Existenz nicht verschont: „Die Kriegszeiten brachten ihm freilich auch große Verluste durch Einquartirung, Plünderung und Verwüstung seines Hauses und Gutes.“[12]

Das Schreiben des Johann Gerhard ist an den „bedeutenden“[13] und „machtwilligen“[14] Kanzler Dr. Anton Wolff von Todenwarth gerichtet, der von 1626 bis 1643 in Diensten des Landgrafen Georg II. von Hessen-Darmstadt stand. Hessen-Darmstadt war seit 1630 an fast allen Friedensbemühungen im Reich beteiligt, da ein Friedensschluss die Sicherung der im Verlauf des Krieges hinzugewonnenen Gebiete garantiert hätte, insbesondere derjenigen, die auf Kosten Hessen-Kassels, das der kalvinistischen Konfession angehörte, gemacht worden waren.[15] Deshalb nahm Georg II., der ein Verbündeter des Kaisers war, aber auch politisch-dynastische Beziehungen zu Kursachsen und Kurbrandenburg besaß, in der Zeit nach dem Konvent von Leipzig 1631 eine neue politische Positionierung vor: „Vielmehr suchte Georg II., beraten von seinem bedeutenden Kanzler, Dr. Anton Wolff von Todenwarth, eine vermittelnde Position zwischen dem Kaiser und dem lutherischen Lager zu gewinnen.“[16] Man hielt an den eigenen Grundsätzen, der kaiserlichen Autorität und der Integrität des Reiches, fest und diese verfolgte Politik „wurde zu einer wichtigen Wegbereiterin des Prager Friedens“.[17]

Dass Wolff von Todenwarth persönlich an der Vorbereitung des Prager Friedens beteiligt war, geht aus dem Schreiben Johann Gerhards hervor: „Vnter andern benereien, damit E. Edle Magnifigentz, beydes das hochlöbliche Fürstenthumb Hessen/ wie auch das gantze Heilige Römische Reich/ als welches das vornemhste/ vnd am meisten hierbey interefsiret ist/ jhme hoch verbunden/ achte ich nicht das geringste/ sondern gantz hoch vnd herrlich zu seyn/ daß Sie den/ zwischen keyserl. Maj. vnd Churf. Durchl. zu Sachssen/ in diesem Jahre/ zu Prag in Böhmen auffgerichteten Frieden/ neben andern hochansehenlichen Herren/ hat befördern/ unnd diß hochwichtige Werck/ durch seine so weit bekandte vnd berümbte Prudentz auch unverdrossenen fleiß zum gewüntschten Ende bringen helffen.“ [A2r]

Wie elementar der Einfluss des hessischen Kanzlers tatsächlich war, lässt sich nicht genau feststellen. Die politischen und politisch-dynastischen Beziehungen Hessen-Darmstadts bildeten aber eine gute Grundlage und das Interesse an einem Friedensschluss just im Jahr 1635 dürfte aus ähnlichen Gründen wie denen des Kaisers bei den Vertretern Hessen-Darmstadts sehr ausgeprägt gewesen sein, denn Schweden war nach der Niederlage in der Schlacht von Nördlingen stark geschwächt. Dementspchend hoch waren auch die Forderungen, die Hessen-Darmstadt stellte.[18] Es ist ferner hervorzuheben, dass der Einfluss des hessischen Kanzlers wohl auch vor Ort in Prag gegeben war, denn neben Georg II. war dessen Rat Dr. Johann Jakob Wolff, der Bruder des Kanzlers, direkt an den Verhandlungen beteiligt.[19]

[...]


[1] Der Vertragstext ist gedruckt in: Die Politik Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618-1651, 2. Teil, 10. Bd., bearbeitet von Bierther, K., München/ Wien 1997, S. 1603-1661.

[2] Schreiben// Herrn D. IOHANN. Gerharts/ // [...] Ob ein recht Evangelischer// ReichsStand den Pragerischen Frieden// mit vnverletzten Gewissen annehmen könne/ [...] Anno 1636. SBBPK Flugschr. 1635, 1.

[3] Der// Stetinischer Theologen// Bedencken/ // [...] Ob der Pragische Frieden-// Schluß mit guten Gewissen könne acce-// ptiret werden?// Im Jahr/ 1637. SBBPK Flugschr. 1637, 5.

[4] Barudio, G.: Der Teutsche Krieg, Frankfurt/ M. 1988, S. 472.

[5] Bireley, R.: Religion and Politics in the Age of the Counterreformation, Chapel Hill 1981, S. 227; vgl. zum Dissens in der Forschung: Schormann, G.: Der Dreißigjährige Krieg, 3. Aufl., Göttingen 2004, S. 66/ 67.

[6] U.a. ebd.: Bierther, K.: Zur Edition von Quellen zum Prager Frieden vom 30. Mai 1635 zwischen Kaiser Ferdinand II. und Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, in: Repgen, K. (Hg.): Forschungen und Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, Münster 1981, S. 3; Repgen, K.: Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede, Paderborn [u.a.] 1998, S. 307.

[7] NDB, Bd. 6, Berlin 1964, S. 281; ADB, Bd. 8, Neudruck der 1. Aufl., Berlin 1968, S. 767-771.

[8] ADB, S. 767.

[9] ADB, S. 768.

[10] Baur, J.: Johann Gerhard, in: Greschat, M. (Hg.): Gestalten der Kirchengeschichte, Bd. 7, Stuttgart [u.a.] 1982, S. 99-119, S. 99.

[11] Ebd.: S. 111/ 112.

[12] ADB, S. 769; Baur, J.: S. 111 u. 112.

[13] Press, V.: Hessen im Zeitalter der Landesteilung (1667-1655), in: Heinemeyer, W. (Hg.): Das Werden Hessens, Marburg 1986, S. 267-331, S. 309.

[14] Demandt, K. E.: Geschichte des Landes Hessen, 2. Aufl., Kassel/ Basel 1972, S. 301.

[15] Press, V.: S. 308.

[16] Ebd.: S. 309.

[17] Ebd.; genauer zur hessisch-darmstädtischen Vermittlungstätigkeit: Bierther, K., 1981, S. 9 u. 20ff.

[18] Ebd.: S. 310.

[19] Ebd.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Interpretation zweier Flugschriften bezüglich der Frage, „ob ein recht Evangelischer ReichsStand den Pragerischen Frieden annehmen könne“
Université
Free University of Berlin  (Friedrich Meinecke Institut)
Cours
Hauptseminar 13 362 „Die Publizistik zum Prager Frieden 1635“
Note
1,3
Auteur
Année
2004
Pages
19
N° de catalogue
V120922
ISBN (ebook)
9783640243693
ISBN (Livre)
9783640246755
Taille d'un fichier
455 KB
Langue
allemand
Mots clés
Interpretation, Flugschriften, Frage, Evangelischer, ReichsStand, Pragerischen, Frieden, Hauptseminar, Publizistik, Prager, Frieden
Citation du texte
Magister Artium Timo Metzner (Auteur), 2004, Interpretation zweier Flugschriften bezüglich der Frage, „ob ein recht Evangelischer ReichsStand den Pragerischen Frieden annehmen könne“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120922

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