Die Zusammensetzung des kindlichen Wortschatzes: Erklärungsansätze zur Dominanz von Nomen im frühen Spracherwerb


Term Paper (Advanced seminar), 2008

16 Pages, Grade: 2


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlegende Unterschiede zwischen Nomen und Verben

3. Lexikonentwicklung

4. Kategorisierung im frühen Spracherwerb

5. Erklärungsansätze
5.1 Natural Partitions Hypothesis
5.2 Sprachlichen Relativität
5.3 Ansatz nach Nazzi und Houston
5.4 Ansatz nach Pinker
5.5 Worthäufigkeit
5.6 Wortstellung
5.7 Morphologischen Transparenz
5.8 Sprachlehr-Methoden
5.9 Ergebnis

6. Kritik an der Dominanz von Nomen im frühen Spracherwerb

7. Schluss

8. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit diskutiert Erklärungsansätze zur Dominanz von Nomen im frühen Spracherwerb. Das Thema des Nomenerwerbs ist in der fachspezifischen Diskussion sehr aktuell und noch nicht abgeschlossen.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Sprache nicht nur ein Kommunikationsmittel und ein Werkzeug der Verständigung, sondern auch ein Schlüssel zur Welt, mit dem der Mensch geistigen Zugang zu allem, was er erfahren und erleben kann, ist[1].

Zum Thema „Dominanz von Nomen im frühen Spracherwerb“ direkt findet man nicht sehr viel Literatur. Allerdings stehen eine handvoll uneinheitliche Befunde, die die Dominanz von Nomen im frühen Spracherwerb entweder beweisen, oder widerlegen wollen, zur Verfügung. Da sich aber das Thema Spracherwerb aus verschiedensten Facetten zusammensetzt, erscheint eine weitergehende Beschäftigung mit dem Thema als lohnenswert.

Zunächst werden in dieser Hausarbeit grundlegende Unterschiede zwischen Nomen und Verben im Hinblick auf den Spracherwerb näher beleuchtet. Anschließend rückt der Lexikonerwerb in den Fokus der Betrachtungen. Kategorisierungen im frühen Spracherwerb bilden den nächsten Aspekt, der keine unerhebliche Bedeutung inne hat.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf den verschiedenen Erklärungsansätzen zur Dominanz der Nomen im frühen Spracherwerb.

Punkt 6 befasst sich ausführlich mit der Kritik, die zu den verschiedenen Theorien, die die Nomendominanz belegen, geäußert wurde. Ein kurzes Schlusswort und das Quellenverzeichnis runden die Hausarbeit ab.

2. Grundlegende Unterschiede zwischen Nomen und Verben

Das Deutsche wird als typischer Vertreter von Nomen-Verb-Sprachen behandelt. Kauschke erwähnt in ihrem Buch „Erwerb und Verarbeitung von Nomen und Verben“, dass der Strukturunterschied zwischen Nomen und Verben im Deutschen stärker ausgeprägt sei, als in anderen Sprachen, da die Wortarten durch morphologische und syntaktische Kriterien klar voneinander zu unterscheiden seien[2].

Des Weiteren erkennt man den Unterschied auch an der Groß- und Kleinschreibung.

Nomen repräsentieren „Ding-Konzepte“, dies zeigt sich durch die morphologischen Kategorisierungen Numerus (sie sind zählbar) und durch das substantivierte Genus.

Deutsche Verben werden hinsichtlich Tempus und Modus kategorisiert. Moduskategorien betreffen die Möglichkeiten der Realisierungen, Tempuskategorisierungen dagegen die zeitliche Situierung[3].

Das Deutsche verfügt über ein sehr reichhaltiges Flexionssystem. Dies betrifft sowohl Verben, als auch Nomen. Nomen kann man hinsichtlich Numerus und Kasus kategorisieren, Verben hinsichtlich Person, Numerus, Tempus und Modus.

Durch die Prozesse der Derivation und der Konversion können Verben in Nomen und Nomen in Verben umgewandelt werden. Bei der Derivation werden durch Grundmorpheme und Affixe neue Wortformen gebildet. Die Konversion ist ein Wortbildungstyp, bei dem ein Wortstamm oder auch ein flektiertes Wort ohne Veränderung der Form in eine neue Wortart übertragen wird. Ein Beispiel stellt folgendes Wort dar:

leben (Verb im Infinitiv) – (das) Leben (Nomen)

Ferner ist festzustellen, dass Nomen im Deutschen von Artikeln begleitet werden.

Die Position des Verbs ist im Deutschen in Abhängigkeit von der Satzart geregelt. So steht das finite Verb in Entscheidungsfragen in Spitzenstellung, in Aussagesätzen und Ergänzungsfragen in Zweitposition, in Nebensätzen und manchen Exklamativsätzen in Finalposition[4].

3. Lexikonentwicklung

Die ersten Wörter produzieren Kinder mit einem durchschnittlichen Alter von ca. 13 Monaten. Der erste Geburtstag markiert für die meisten Kinder mit ungestörter Sprachentwicklung den Beginn der produktiven Wortverwendung[5]. Zuvor artikulieren Kinder so genannte Protowörter, deren Verwendung in spezifische Handlungs- und Situationskontexte eingebettet ist[6].

Doch wann kann man von einem „richtigen Wort“ sprechen? Von einem referentiellen Wort kann man dann sprechen, wenn das Kind eine konventionell festgelegte lexikalische Form als unabhängiges und flexibles Zeichen in unterschiedlichen Kontexten und mit einem festen inhaltlichen Bezug verwendet[7].

Untersuchungen zum Spracherwerb an englischsprachigen Kindern ergaben, dass Nomen im Alter von 11 bis 13 Monaten zuerst erlernt werden (Daddy, duck). Wörter wie „happy“, „up“ und „down“ tauchen erstmals im Alter von 18 bis 19 Monaten auf. Dabei kann die Produktion von Wörtern ab einem bestimmten Alter nicht mehr mit dem Verständnis mithalten. Kinder verstehen viel mehr Wörter, als sie selbst produzieren können.

In diesem Zusammenhang scheint es interessant zu wissen, dass Erwachsene mit ein bis dreijährigen Kindern anders sprechen, als mit älteren Sprechern der Sprache. Die Inputsprache der Erwachsenen weist im Gegensatz zur alltäglichen Sprache Vereinfachungen und systematische Veränderungen auf[8].

Befunde aus indogermanischen Sprachen zeigen überdies, dass Nomen zwar zeitlich oft vor den ersten Verben auftauchen; aber Nomen sind nicht die erste Wortart, die die Kinder sprechen. Im Besonderen sind personal-soziale und relationale Wörter (Mama, Papa) stark vertretene Wörter des kindlichen Lexikons[9].

Einwortäußerungen bestehen allerdings nicht nur aus Nomen und Verben. Auch Adverbien, Adjektive wie zum Beispiel „heiß“ oder Demonstrativa wie „dieses“ können vorkommen[10].

Crosslinguistische Untersuchungen ergaben, dass nominale Wörter einen Anteil von 50 bis 85 Prozent der ersten Wörter ausmachen (im Deutschen machen die Nomen einen Anteil von 60 Prozent bei den ersten 50 Wörtern aus). Prädikative Ausdrücke werden dagegen nur für einfache Zustandsveränderungen benutzt.

Der Wortschatz der Kinder zeichnet sich durch einige begriffliche Gemeinsamkeiten aus. Dies können Eigennamen, Bezeichnungen für Essen, Tiere oder auch Körperteile sein[11].

Während die Kinder im Alter von 1,6 Jahren noch deutlich mehr Nomen als Verben verwenden, so belegen übereinstimmend Ergebnisse bei franz. und deutschen Untersuchungen, steigt die Zahl der Verben in den folgenden Monaten an.

Mit 2,6 Jahren stehen schließlich 25 Prozent Verben 18 Prozent Nomen gegenüber. Diese Ergebnisse wurden sowohl bei französischen als auch bei deutschen Untersuchungen gefunden. Die französischen Befunde decken sich auch mit den deutschen Daten, wenn es um den Wortartenerwerb zwischen dem zweiten und dem dritten Lebensjahr geht. Der Anteil der Nomen geht zugunsten eines Anstiegs der Verben zurück, so dass die Verben ab einem Alter von 36 Monaten den Anteil der Nomen übersteigen[12]. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Lexikonerwerb ab dem ersten Lebensjahr zunächst langsam ansteigt. Mit 18 Monaten beschleunigt sich der Worterwerb rapide; man spricht dann auch vom vocabulary spurt[13].

Eine Vielzahl von Studien untersucht die Lexikonentwicklung der Kinder. Daten zur Entwicklung des Verständnisses von Nomen und Verben gibt es dagegen kaum.

Grundsätzlich muss klargestellt werden, dass der Spracherwerb nicht bei allen Kindern gleich verläuft[14]. Individuelle Unterschiede, zum Beispiel Verzögerungen des Spracherwerbs, sind keine Seltenheit. Solchen Verzögerungen oder Unterschieden müssen nicht unbedingt Sprachentwicklungsstörungen zugrunde liegen.

[...]


[1] vgl. Wagner, Klaus/Altmann, Gabriel/Köhler, Reinhard: Zum Gesamtwortschatz der Kinder. In: Wagner, Klaus (Hrsg.): Wortschatz-Erwerb. Bern, Frankfurt, New York, Paris. 1987. Peter Lang Verlag. S. 13.

[2] vgl. Kauschke, Christina: Erwerb und Verarbeitung von Nomen und Verben. Tübingen. 2007. Max Niemeyer Verlag. S. 35.

[3] vgl.ebd..

[4] vgl. ebd., S. 37.

[5] vgl. Kauschke, Christina: Der Erwerb des frühkindlichen Lexikons. Eine empirische Studie zur Entwicklung des Wortschatzes im Deutschen. Tübingen. 2000. Gunter Narr Verlag. S. 11.

[6] vgl. http://www.christina-kauschke.de/__site/pdf/Kauschke_Stan_2004.pdf (S.194) 26.02.2008

[7] vgl. Kauschke, Christina: Der Erwerb des frühkindlichen Lexikons. Eine empirische Studie zur Entwicklung des Wortschatzes im Deutschen. Tübingen. 2000. Gunter Narr Verlag. S. 11.

[8] vgl. Szagun, Gisela: Sprachentwicklung beim Kind. Weinheim. 6. vollst. überarbeitete Auflage. 1996. Psychologie Verlags Union. S. 206.

[9] vgl. Kauschke, Christina: Erwerb und Verarbeitung von Nomen und Verben. Tübingen. 2007. Max Niemeyer Verlag. S. 60.

[10] vgl. Szagun, Gisela: Sprachentwicklung beim Kind. Weinheim. 6. vollst. überarbeitete Auflage. 1996. Psychologie Verlags Union. S. 31.

[11] vgl. http://www.sandra-hoelscher.de/docs/ha-dedre-gentner-spracherwerb.pdf 26.02.2008 (S. 1)

[12] vgl. Kauschke, Christina: Erwerb und Verarbeitung von Nomen und Verben. Tübingen. 2007. Max Niemeyer Verlag. S. 60.

[13] vgl. Kauschke, Christina: Der Erwerb des frühkindlichen Lexikons. Eine empirische Studie zur Entwicklung des Wortschatzes im Deutschen. Tübingen. 2000. Gunter Narr Verlag. S. 14.

[14] vgl. Szagun, Gisela: Sprachentwicklung beim Kind. Weinheim. 6. vollst. überarbeitete Auflage. 1996. Psychologie Verlags Union. S. 235.

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Details

Title
Die Zusammensetzung des kindlichen Wortschatzes: Erklärungsansätze zur Dominanz von Nomen im frühen Spracherwerb
College
University of Frankfurt (Main)  (Institut für deutsche Sprache 1)
Course
Vom ersten Wort zu Wortkombinationen
Grade
2
Author
Year
2008
Pages
16
Catalog Number
V121157
ISBN (eBook)
9783640252077
ISBN (Book)
9783640252367
File size
437 KB
Language
German
Keywords
Nomen, Wortschatz, Spracherwerb
Quote paper
Katharina Keil (Author), 2008, Die Zusammensetzung des kindlichen Wortschatzes: Erklärungsansätze zur Dominanz von Nomen im frühen Spracherwerb , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121157

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