In der vorliegenden Arbeit geht es um die Frage, welche Rolle ‚Norwegen’ in den Nebengleisverhandlungen des Jahres 1993 zwischen den Israelis und der PLO innehatte, aus dem die gegenseitige Anerkennung, d.h. die Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israels von Seiten der PLO sowie die Anerkennung der PLO als einzige Vertreterin des palästinensischen Volkes durch den Staat Israel, und die „Declaration of Principles on Interim Self- Government Arrangements“ hervorging. Verlauf und Scheitern des Oslo- Prozesses sind oft dargestellt und diskutiert wurden. Bei der Beschäftigung mit dem so genannten Oslo- Kanal fällt auf, dass die jeweiligen Autoren Norwegen wie selbstverständlich die Rolle des stillen Helfers in diesem Prozess zuschreiben. Corbin bemerkt dazu, dass „Egeland und Larsen [beschlossen hatten], daß ihr Land die Rolle des Hilfestellers und nicht die des Vermittlers übernehmen sollte“ . Waage schreibt: “It was clear from the beginning that Norway would play the role of facilitator, not mediator.” Nur bei Ries findet sich neben der Bemerkung, dass “Die Norweger [...] in diesem Sinne jedoch keine Vermittler [waren]“ , eine kurze Abhandlung darüber, was die Norweger damit von der Vermittlung der Amerikaner in Camp David unterschied.
Die Frage, warum ein Land wie Norwegen, das an der Peripherie Europas liegt, eines der wirtschaftlich stabilsten Länder der Erde ist und mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern nicht gerade als Weltmacht auftritt, sich in einen so komplexen und gefährlichen Konflikt wie den israelisch- palästinensischen einmischt, muss erlaubt sein. Welche Voraussetzungen und Intentionen hatte Norwegen, als man sich Anfang der 1990er Jahre entschied, direkte Gespräche zwischen den verfeindeten Parteien über Oslo aufzubauen? Wer war ‚Norwegen’, d.h. welche Akteure traten offiziell oder inoffiziell in den Verhandlungsprozess ein? Welche Erwartungen hatten diese Akteure, und welche konnten erfüllt bzw. nicht erfüllt werden? Welche Auswirkungen hatte das norwegische Engagement auf das Ergebnis der Verhandlungen und wie waren die Reaktionen?
Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
1.1 ABGRENZUNG DER FRAGESTELLUNG
1.2 ZUM AUFBAU DER ARBEIT
2 HISTORISCHER ABRISS DES ISRAELISCH-PALÄSTINENSISCHEN KONFLIKTS BIS ZU DEN GEHEIMVERHANDLUNGEN VON OSLO
3 MEDIATION IN INTERNATIONALEN KONFLIKTEN
3.1 KONZEPTE VON ‚KONFLIKT’ UND ‚MEDIATION’
3.2 VERFAHREN DER FRIEDLICHEN KONFLIKTBEWÄLTIGUNG
3.3 THEORIE DER MEDIATION IN INTERNATIONALEN KONFLIKTEN
3.4 ‚FACILITATION’ ALS VERHANDLUNGSSTRATEGIE
4 NORWEGEN IM ISRAELISCH-PALÄSTINENSISCHEN FRIEDENSPROZESS
4.1 VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE VERHANDLUNGEN VON OSLO
4.2 NORWEGISCHE POLITIK IM NAHEN OSTEN
4.2.1 Die Beziehungen zu Israel
4.2.2 Die Beziehungen zu den Palästinensern und der PLO
4.2.3 Frühere Vermittlungsversuche
4.3 DIE NEBENGLEISVERHANDLUNGEN VON ‚OSLO’
4.3.1 Norwegische Akteure
4.3.2 Kontaktaufnahme
4.3.3 Vorverhandlungsphase
4.3.4 Die offiziellen Verhandlungen
4.3.5 Unterzeichnung des Abkommens und gegenseitige Anerkennung
4.4 DIE NORWEGISCHE ROLLE NACH ‚OSLO’
4.5 NORWEGEN VERSUS USA?
5 NORWEGEN – FACILIATOR ODER MEDIATOR?
6 SCHLUSS
7 LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS
7.1 INTERNETQUELLEN
7.2 LITERATUR
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Abgrenzung der Fragestellung
In der vorliegenden Arbeit geht es um die Frage, welche Rolle ‚Norwegen’ in den Nebengleisverhandlungen des Jahres 1993 zwischen den Israelis und der PLO innehatte, aus dem die gegenseitige Anerkennung und die „Declaration of Principles on Interim Self-Government Arrangements“ hervorgingen. Verlauf und Scheitern des Oslo- Prozesses sind oft dargestellt und diskutiert wurden. Bei der Beschäftigung mit dem so genannten Oslo- Kanal fällt auf, dass die jeweiligen Autoren Norwegen wie selbstverständlich die Rolle des stillen Helfers in diesem Prozess zuschreiben. Corbin bemerkt dazu, dass „Egeland und Larsen [beschlossen hatten], daß ihr Land die Rolle des Hilfestellers und nicht die des Vermittlers übernehmen sollte“[1]. Waage schreibt: “It was clear from the beginning that Norway would play the role of facilitator, not mediator.”[2] Nur bei Ries findet sich neben der Bemerkung, dass “Die Norweger [...] in diesem Sinne jedoch keine Vermittler [waren]“[3], eine kurze Abhandlung darüber, was die Norweger damit von der Vermittlung der Amerikaner in Camp David unterschied.
Die Frage, warum ein Land wie Norwegen, das an der Peripherie Europas liegt, eines der wirtschaftlich stabilsten Länder der Erde ist und mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern nicht gerade als Weltmacht auftritt, sich in einen so komplexen und gefährlichen Konflikt wie den israelisch-palästinensischen einmischt, muss erlaubt sein. Welche Voraussetzungen und Intentionen hatte Norwegen, als man sich Anfang der 1990er Jahre entschied, direkte Gespräche zwischen den verfeindeten Parteien über Oslo aufzubauen? Wer war
‚Norwegen’, d.h. welche Akteure traten offiziell oder inoffiziell in den Verhandlungsprozess ein? Welche Erwartungen hatten diese Akteure, und welche konnten erfüllt bzw. nicht erfüllt werden? Welche Auswirkungen hatte das norwegische Engagement auf das Ergebnis der Verhandlungen und wie waren die Reaktionen?
In dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, ob Norwegen tatsächlich die Rolle eines ‚stillen Maklers’ ausübte. Dazu soll eine theoretische Einordnung der Facilitation als Strategie der friedlichen Konfliktlösung neben der Mediation erfolgen. Außer der Analyse der als Nebengleisverhandlungen von Oslo bekannten Verhandlungsphase (20. Januar bis 13. September 1993) im Hinblick auf die vorher erarbeiteten Merkmale ist die Beschäftigung mit dem Akteur ‚Norwegen’ im Kontext seiner historischen und gegenwärtigen Außenpolitik notwendig, um einige grundlegende Determinanten seiner Rolle zu bestimmen. Aufgrund der vorliegenden Literatur, die sich ausführlich mit dem Fortgang der Verhandlungen beschäftigt (Corbin, Halter / Laurent, Ries), wird auf eine detaillierte Darstellung der einzelnen Verhandlungsrunden verzichtet.
Nach der Klärung der Frage, welche Rolle Norwegen beim Zustandekommen und dem Ablauf der Verhandlungen und im Anschluss an die Unterzeichnung des DoP- Abkommens hatte, soll kurz dargestellt werden, wie sich jene von der Rolle der USA unterschied, die gleichzeitig in einen Vermittlungsprozess mit israelischen und palästinensischen Vertretern involviert waren.
Die Verhandlungen von Oslo im Jahr 1993 sind Bestandteil eines im Anschluss initiierten weiterführenden Prozesses, der zu weiteren Verhandlungen und Abkommen führte. In der vorliegenden Arbeit soll es ausschließlich um die erste Phase des Oslo- Prozesses gehen, d.h. um die Verhandlungen des Jahres 1993. Lediglich die Aufgaben Norwegens im Anschluss an die DoP sollen kurz dargestellt werden. Welche positiven oder negativen Auswirkungen dieses Engagement hatte bzw. hat, soll hier nicht diskutiert werden.
1.2 Zum Aufbau der Arbeit
Zu Beginn der Arbeit soll ein Überblick über den Verlauf des israelisch- palästinensischen Konflikts als Teil des Nahost- Konflikts gegeben werden. Grundlage des theoretischen Teils dieser Arbeit sind die Darstellungen von Konfliktlösungsstrategien. Mit Bercovitch und Ropers werden die beiden wichtigsten Vertreter der Konfliktforschung kurz vorgestellt. In die Betrachtung von ‚Konflikt’ und ‚Mediation’ fließen des Weiteren die Vorstellungen anderer Autoren ein. Da es sich bei beiden Begriffen um sozialwissenschaftliche Begriffe handelt, ist es notwendig, verschiedene Ebenen und Kontroversen zu betrachten. Im Anschluss soll die Mediation von anderen Konfliktlösekonzepten abgegrenzt werden. Um die Facilitation, welche den Norwegern als Verhandlungsstrategie zugeschrieben wird, besser beleuchten zu können, wird ihr ein eigenes Unterkapitel gewidmet.
Im Anschluss an die Darstellung der Theorie werden diese Erkenntnisse auf den konkreten Fall ‚Norwegen’ übertragen. Dazu erfolgt zuerst eine Darstellung der Voraussetzungen für das Zustandekommen von Friedensverhandlungen zwischen Israel und der PLO. Die Verhandlungen von Oslo waren kein plötzlich auftretendes Phänomen, sondern lassen sich in einen zeitgeschichtlichen Zusammenhang einordnen. Die Prinzipien norwegischer Politik im Nahen Osten sollen anschließend aufgezeigt werden. Grundlage hierfür sind Ausführungen des norwegischen Außenministeriums sowie fachwissenschaftliche Texte. Da es im Deutschen und Englischen kaum Literatur zur norwegischen Außenpolitik gibt, greife ich überwiegend auf originalsprachliche Texte zurück. Anschließend wird im historischen Kontext gezeigt, in welchem Verhältnis die Konfliktparteien Israel und Palästinenser/ PLO zu Verhandlungsbeginn mit Norwegen standen. Dies ist notwendig um zu zeigen, ob Affinitäten oder besondere Sympathien zur einen oder anderen Konfliktpartei vorlagen. Außerdem wird dargestellt, welche früheren Vermittlungsbemühungen zum Zustandekommen der Geheimverhandlungen von Oslo beigetragen haben.
Nachdem alle Vorbedingungen geklärt sind, wird untersucht, inwiefern sich das Verhalten der Norweger als Facilitation einordnen lässt. Dazu erfolgt die Betrachtung der beteiligten Akteure an der Initiierung der Gespräche von Oslo sowie deren Funktion während der Verhandlungen. Weiterhin wird gezeigt, welche Auswirkungen die norwegische Vermittlungsarbeit auf das Ergebnis der Verhandlungen – die gegenseitige Anerkennung und die DoP – hatte. Abschließend wird die Frage beantwortet, wie die Supermacht USA auf die Rolle Norwegens reagierte und ob sich die Vermittlungsbemühungen der USA und Norwegens entgegenstanden.
Den Abschluss der Arbeit bildet ein Kapitel zur Beantwortung der Ausgangsfrage: War ‚Norwegen’ Faciliator?
Die im Textteil zu findenden Übersetzungen aus dem Norwegischen stammen von mir. Englische Zitate wurden im Original belassen.
2 Historischer Abriss des israelisch-palästinensischen Konflikts bis zu den Geheimverhandlungen von Oslo
„Hence any history of this conflict is subjective and might be unaccepted not only to other sides but also by one’s whole community.“ [4]
Der israelisch-palästinensische Konflikt in seiner heutigen Form existiert als internationaler Konflikt seit der Proklamation des Staates Israel am 14. Mai 1948. Die Geschichte dieser Auseinandersetzungen aber ist wesentlich älter und reicht zurück auf den aufkommenden Zionismus in Europa und das damit einhergehende Einsetzen jüdischer Siedlungsaktivitäten im „Heiligen Land“. Zu jener Zeit, um 1880, begann auch der arabische Widerstand – wenn auch anfangs nur vereinzelt] und unorganisiert, da der arabische Nationalismus in Palästina und in den anderen arabischen Regionen noch nicht sehr ausgeprägt war. Damit ist der israelisch-palästinensische Konflikt „der älteste ungelöste Regionalkonflikt von internationaler Bedeutung“[5].
Beide Nationalbewegungen nutzten von Anfang an historische Argumente für die (subjektive) Beantwortung der Frage, wem das Land zustehe: Die Palästinenser meinten, das Land gehöre dem, der seit 1.300 Jahren in ihm wohnt - also der arabisch-sprechenden, mehrheitlich muslimischen Bevölkerung -, weshalb die Briten als auch der Rest der Welt nicht das Recht hätten, das Land einem anderen Volk zu versprechen. Die Zionisten argumentierten, dass es ein historisches Recht der Juden auf Palästina, das Land ihrer Vorfahren, gebe, wobei gerade die Rückgabe des Heiligen Landes ein 2000 Jahre altes Unrecht vergelte und möglicherweise kommende Verfolgung verhindere. Die palästinensisch- arabischen Bürgerrechte und Freiheiten sollten im neuen jüdischen Staat gewahrt und rechtlich gesichert werden.[6]
Schon aus diesen ersten Punkten werden die unterschiedlichen Positionen deutlich. Daraus ergibt sich der Kern des Konflikts, der sich bis in die heutige Zeit nicht lösen ließ: Zwei Völker beanspruchen ein und dasselbe Stückchen Land.
Nach dem Ende des 1. Weltkriegs, in dem die Türken an der Seite Deutschlands und Österreich- Ungarns gekämpft und Großbritannien mit Versprechungen an die Araber zur nationalen Unabhängigkeit deren Unterstützung bekommen hatte, wurde Palästina 1920 britisches Mandatsgebiet. Damit und mit der bereits 1917 unterzeichneten Balfour- Deklaration, in der die Briten offiziell die Gründung eines „Jewish National Homeland“ unterstützten, verloren die palästinensischen Araber nicht nur ihren privilegierten Status als Muslime in einem vormals muslimischen Staat, sondern mussten auch einsehen, dass die Versprechen zur nationalen Unabhängigkeit sich nicht erfüllen würden.
In jener Zeit begann sich der palästinensische Widerstand in Form eines ausgeprägten arabischen Nationalismus zu formieren. Schon in den 1920er Jahren kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen jüdischen Siedlern und palästinensischen Arabern. Die jüdischen Gemeinden entwickelten bereits zur Mandatszeit eine soziale und ökonomische Infrastruktur sowie repräsentative und exekutive Einrichtungen. Im Gegensatz dazu war die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen arabischen Widerstandsgruppen nicht ausreichend organisiert und es konnte kein Konsens über gemeinsame nationale Ziele gefunden werden. Einig war man sich einzig darüber, dass man die jüdische Immigration und die britische Mandatszeit beendet sehen wollte.
In den 1930er Jahren ordnete Großbritannien seine Palästina- Politik neu und versuchte mit dem „White Paper“, die sich ständig erhöhende Zahl jüdischer Siedler und die Landkäufe dieser einzuschränken. Dennoch stieg der Anteil der jüdischen Bevölkerung im Mandatsgebiet bis zum Jahr 1936 auf 1/3der Gesamtbevölkerung an. So kam es von 1936 bis 1939 zur Arabischen Revolte. Es wurde zum Generalstreik und zum Boykott aller jüdischen Dienstleistungen und Produkte aufgerufen. Außerdem kam es zu Übergriffen auf jüdische
Einrichtungen. Die Ziele der Revolte[7] wurden nicht nur wegen der konsequenten Vorgehensweise des britischen Militärs gegen Aufständische verfehlt, sondern scheiterten auch aufgrund mangelnder Ressourcen und der noch immer uneffektiv arbeitenden und in sich gespaltenen Widerstandsführung. Der sich anschließende sechsmonatige Generalstreik schadete den Arabern im Land letztendlich mehr als den Briten oder den Juden, da er zu unvorhergesehenen ökonomischen Einbußen führte.
Einen ersten offiziellen Teilungsplan für Palästina gab es im Jahr 1937. Der Peel- Bericht wies auf unüberbrückbare Differenzen zwischen den beiden Gemeinschaften hin[8] und sah die Zweistaatenlösung[9] als einzige Lösungsmöglichkeit[10]. Die jüdische Gemeinde stimmte dem Plan zu, während die Araber ablehnten.
Zum genau entgegen gesetzten Urteil sollte eine 1939 von Großbritannien vorgeschlagene Konferenz mit den Teilnehmerstaaten Ägypten, Saudi- Arabien, dem Irak, Jemen sowie Transjordanien und einer palästinensischen und einer jüdischen Delegation in London kommen. Das British White Paper versprach den Palästinensern nationale Unabhängigkeit nach einer Übergangsfrist von zehn Jahren, die Einschränkung des Landankaufs durch jüdische Siedler sowie die Beschränkung jüdischer Einwanderung auf 75.000 pro Jahr für die nächsten fünf Jahre, danach sei die Immigration ganz zu stoppen. Während die Araber dem Papier zustimmten, lehnten es die Zionisten als „Paper of Treason“ ab.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs kam die Palästina- Frage erneut auf die internationale Agenda. Großbritannien wollte sein Mandat 1947 an die UN abgeben und sich damit aus der immer unruhiger werdenden Region zurückziehen. Die UN gründete die UNSCOP, die bis August 1947 bestand und die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat und die Internationalisierung Jerusalems empfahl. Am 29. November 1947 wurde die entsprechende UN-Resolution 181 [11] mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit von der UN angenommen.
Die arabische Welt lehnte diesen Vorschlag mit der Begründung ab, die UN habe nicht das Recht, über die arabische Mehrheit auf dem Gebiet zu entscheiden. Außerdem bekamen ihrer Ansicht nach die Juden nicht nur mehr, sondern auch das landwirtschaftlich einträglichere Land zugesprochen.[12] Die Zionisten hingegen akzeptieren die Resolution – für sie war damit nicht nur die internationale Anerkennung gewährleistet, sie sahen den Staat auch als „erweiterungsfähig“ an.[13]
Am Tag nach dem Beschluss des UN-Teilungsplans kam es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Palästina: Die Hagana, eine jüdisch- militante Gruppe mit informellem Charakter, die sich die Zerschlagung des arabischen Widerstands und die Beendigung der britischen Besatzung auf ihre Fahnen geschrieben hatte, kämpfte dabei gegen arabische Einheiten. Aber auch innerhalb der arabischen Widerstandsgruppen kam es erneut zu Rivalitäten und Auseinandersetzungen. Bis Mitte Mai 1948 flohen bis zu
300.000 palästinensische Araber aus den den Juden zugesprochenen Gebieten.
Am 14. Mai 1948 wurde nach dem Abzug Großbritanniens der Staat Israel unter Führung einer provisorischen Regierung von David Ben Gurion ausgerufen. Innerhalb von vier Stunden erkannten die USA und die Sowjetunion den neuen Staat an. Zur gleichen Zeit fand in Damaskus ein Treffen arabischer Staaten zur strategischen Kriegsvorbereitung statt. Mit dem Beginn des von Israel so genannten „Unabhängigkeitskriegs“ in der Nacht vom 14. auf den 15. Mai 1948 griffen Ägypten, Syrien, Libanon, Transjordanien und der Irak also einen existierenden, von der UN legitimierten Staat an.[14] In den ersten Kriegswochen hatte Israel größere Probleme, sich den Angriffen zu erwehren, doch bald schon ging man in die Offensive und konnte Landgewinne verbuchen, die über den UN-Teilungsplan hinausgingen. Am Ende der Kampfhandlungen am 7. Januar 1949 stand ein klarer Sieg Israels zu Buche. Der Preis dafür waren 6.000 getötete Israelis (1% der Bevölkerung Israels). Auf palästinensischer Seite gab es bis zu 700.000 neue Flüchtlinge.
Auf der Friedenskonferenz von Lausanne im selben Jahr konnte keine dauerhafte Lösung des Konflikts erzielt werden. Israel lehnte die Verhandlungen ab, in denen die arabischen Staaten die UN-Resolution 194 [15] akzeptieren wollten. Stattdessen kam es jeweils zu Waffenstillstandsabkommen mit Ägypten, Libanon, Transjordanien und Syrien auf Grundlage des Frontverlaufs am Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen. Jerusalem wurde geteilt[16], und 1950 wurde das Westjordanland von Jordanien[17] annektiert. Für Israel war die Unabhängigkeit des Landes gewahrt und bestätigt worden, während die Araber von der ‚al- naqba’ (Katastrophe) sprachen.
1956 kam es zu einem erneuten Krieg im Nahen Osten, der allerdings nur bedingt etwas mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt zu tun hatte. Vielmehr handelte es sich um einen gezielt geführten Krieg Israels zur Erweiterung des eigenen Staatsgebiets sowie zur Neuordnung der Politik im Nahen Osten. Israel erhielt Unterstützung von Großbritannien und Frankreich. Ausgangspunkt waren Aussagen des ägyptischen Staatspräsidenten Nasser, der dazu aufforderte, Israel vom Gazastreifen aus anzugreifen, sowie die Sperrung der Straße von Tiran, dem einzigen Zugang Israels zum Roten Meer, und die Nationalisierung des Suez-Kanals. Letzteres veranlasste Großbritannien und Frankreich, die Kanalzone zu bombardieren. Außerdem schickte Großbritannien Einheiten, die am 31. Oktober 1956 in Port Said landeten. Zur gleichen Zeit marschierten israelische Truppen auf der Sinai- Halbinsel ein und besetzten neben ihr auch den Gazastreifen. Ägypten hatte Unterstützung in Form eines Paktes mit Jordanien und Syrien. Dennoch blieb es am Ende bei einem israelisch- ägyptischen Krieg.[18] Auf Druck der beiden Supermächte USA und Sowjetunion zogen sich die Israelis, Briten und Franzosen gegen die Garantie der freien Schifffahrt im Golf von Aqaba im Dezember 1956 von der Sinai- Halbinsel, im März 1957 aus dem Gazastreifen zurück. Im Gegenzug wurden UN-Truppen stationiert.
Im Mai 1964 wurde die PLO in Jerusalem gegründet. Sie sollte als Sprachrohr der Palästinenser ihren politischen Forderungen Ausdruck verleihen. Unter ihr als einer Art Dachverband vereinigten sich zahlreiche Widerstandsgruppen. Die PLO sollte in späteren Verhandlungen bis hin zu ‚Oslo’ eine tragende Rolle spielen.
Doch zu jener Zeit steuerte Israel auf einen weiteren Krieg zu: den Junikrieg von 1967, in dem Syrien, Ägypten und Jordanien innerhalb weniger Tage kriegsunfähig gemacht wurden. Den Kampfhandlungen vorausgegangen waren gegenseitige Provokationen und ein ständiges Wettrüsten zwischen Israel und Ägypten. Nachdem die UN der Bitte Ägyptens, ihre Truppen zurückzuziehen, umgehend nachgekommen war, blockierte Ägypten am 22. Mai 1967 erneut den Golf von Aqaba, was Israel als casus belli interpretierte. Schon vorher war ein Beistandspakt zwischen Syrien und Ägypten zustande gekommen. Seit dem 14. Mai mobilisierte Ägypten seine Truppen – eine Art Säbelwetzen.
Israel kam dem Angriff der Ägypter, Syrer und Jordanier zuvor und zerstörte am 5. Juni 1967 innerhalb weniger Stunden fast die komplette Luftwaffe der drei Länder. Innerhalb von sechs Tagen wurden der Gazastreifen, die Sinai- Halbinsel, das Westjordanland, Ost- Jerusalem und die Golan- Höhen besetzt. Israel hatte seinen dritten Krieg innerhalb von 19 Jahren gewonnen.
Am 22. November 1967 verabschiedete die UN jedoch die Resolution 242 [19], die die Unzulässigkeit von Landgewinn durch kriegerische Mittel feststellte. Israel wurde aufgefordert, sich auf die Grenzen von vor dem 5. Juni 1967 zurückzuziehen. Man hielt jedoch an seinen besetzten Gebieten fest und schlug stattdessen „Land für Frieden“ vor, was Ägypten, Syrien und Jordanien ablehnten. Die UN-Resolution 242 sollte in allen weiteren Verhandlungen eine der Hauptrollen spielen.
Neben den großen Kriegen und den gewaltsamen Auseinandersetzungen auf israelischem Staatsgebiet begann in den 1960er Jahren eine neue Art von Terrorismus, der sich nicht mehr nur gegen Ziele in Israel, sondern allgemein gegen israelische Bürger, Einrichtungen und Unterstützer überall auf der Welt richtete.[20] 1974 distanzierte sich die PLO von dieser Art des Widerstands und forderte deren Ende.
Zur Unterstreichung des Anspruchs auf die eroberten Gebiete unterstützte der Staat Israel nach dem Ende des Sechstagekriegs die Entstehung neuer strategischer jüdischer Siedlungen, v.a. im Westjordanland.
US- Außenminister William Roger versuchte sich Anfang der 1970er Jahre an der Vermittlung eines Abkommens auf der Basis der Resolution 242 zwischen Ägypten und Israel. Die arabischen Staaten aber lehnten zu dieser Zeit, in der Hochphase des Kalten Krieges, die USA als Vermittler ab. Man sah die Neutralität nicht gewährleistet.[21] Zu jener Zeit wollte Israel direkte Gespräche mit seinen arabischen Nachbarn führen. Dies war allerdings einzig politisches Kalkül, da direkte Gespräche eine de facto - Anerkennung des Staates Israel bedeutet hätte.
Im Oktober 1973 kam es zum Yom- Kippur- Krieg. Ägypten besetzte das Ostufer des Suezkanals und Syrien flog Überraschungsangriffe auf Israel und marschiert in die Golan- Höhen ein. Während Ägypten Unterstützung durch die Sowjetunion erhielt, halfen die USA Israel. Am 16. Oktober 1973 setzten die arabischen Staaten erstmals Öl als strategische Waffe ein und verhängten ein Embargo gegen die USA, Israel und die Niederlande. Außerdem wurde beschlossen, die Ölförderung pro Monat um 5% zu reduzieren, bis Israel sich auf die Grenzen vom 4. Juni 1967 zurückzieht.[22] Am 26. Oktober 1973 erzwangen die USA einen Waffenstillstand zwischen Israel und Ägypten, dem sich Syrien anschloss. Die Sowjetunion hatte kurz vorher gedroht militärisch in die Kriegshandlungen einzugreifen. Die Situation drohte damit vollkommen zu eskalieren.
Zwar hatte Israel erneut einen klaren Sieg eingefahren, allerdings herrschte eine tiefe moralische und politische Krise in dem jungen Staat. In den folgenden Jahren sollte es zu ersten Schritten hin zur Entspannung in der Region kommen. Die UN-Resolution 338 [23] richtete die Präsenz von UN-Truppen auf der Sinai- Halbinsel wieder ein und forderte die volle Durchsetzung der Resolution 242 sowie sofortige Friedensgespräche. Mit der Konferenz von Genf als ‚Sprungbrett’ kam es 1974 zu einem Abkommen zwischen Israel und Ägypten. Nach der Wiedereröffnung des Suez- Kanals 1975 und weiterer Verhandlungen wurde der Kriegszustand zwischen den beiden Staaten für beendet erklärt. 1978 schließlich kam es zur Unterzeichnung des ersten Friedensvertrags zwischen Israel und einem arabischen Staat auf dem Feriensitz der amerikanischen Präsidenten, Camp David. Das Abkommen, das neben dem Abzug der israelischen Truppen von der Sinai- Halbinsel auch einen Rahmenplan für das Westjordanland und den Gazastreifen vorsah, kam unter der Vermittlung des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter zustande und war die Basis für weitere Abkommen zwischen Israel und anderen arabischen Staaten.
Bereits zwei Jahre zuvor, 1977, hatte der ägyptische Präsident al- Sadat bei einem symbolträchtigen Jerusalem- Besuch der Knesset Frieden angeboten, wenn sich Israel auf seine Grenzen vom 4. Juni 1967 zurückziehen würde. Dieser Schritt sowie der Separatfrieden zwischen Israel und Ägypten sorgten für die Isolation des nordafrikanischen Staates in der arabischen Welt. Obwohl der Friedensvertrag voll implementiert wurde, kam es immer wieder zu Spannungen zwischen den beiden Staaten. Sela spricht hier von einem „kalten Frieden“[24].
Nicht nur die verstärkten Bemühungen um Verständigung mit den arabischen Nachbarn in den 1970er Jahren deuten auf den Willen Israels und seiner ‚Freunde’ in der westlichen Welt hin, dem ständigen Kriegszustand im Nahen Osten ein Ende zu setzen. 1974 wurde ein weiterer wichtiger Schritt für die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts gegangen: Die PLO bekam den Beobachterstatus in der UN zugedacht und wurde als offizielle Vertretung der Palästinenser anerkannt. Israel und die USA verweigerten aber noch immer die Anerkennung. Die Palästina- Frage blieb damit weiterhin ungeklärt.
Ende der 1970er Jahre verschärfte sich die Krise in der arabischen Welt. Innerstaatliche Revolten und zwischenstaatliche Kriege (z.B. der Iran- Irak- Krieg von 1980) zeigten auf, wie uneins und führungslos man war. So wusste sich Israel nur noch mit Krieg gegen die von der PLO aus dem Libanon heraus organisierten Angriffe auf Nord- Israel zu helfen. Die Operation „Frieden für Galiläa“ wurde in Zusammenarbeit mit den USA von langer Hand geplant und laut offizieller Begründung als Reaktion auf den Tötungsversuch des israelischen Botschafters in London am 6. Juni 1982 mit dem Vormarsch auf Beirut begonnen.[25] Von israelischer Seite vorausgegangen waren die verstärkte Besiedlung des Westjordanlandes und unbegründet hartes Durchgreifen israelischer Sicherheitskräfte gegen Palästinenser. Johannsen bezeichnet diesen fünften Nahost- Krieg als „Krieg Israels gegen die Palästinensische Befreiungsorganisation“[26], obwohl es sich ganz offiziell um einen Krieg zwischen zwei Staaten (Israel und Libanon) handelte. Unter libanesischem und arabischem Druck zog sich die PLO im August 1982 schließlich aus Beirut zurück, ihr Präsident Arafat folgte eine Woche später nach Tunis, wo das neue PLO- Hauptquartier eingerichtet wurde. Durch Vermittlung der USA wurde 1983
von israelischer Seite ein Friedensabkommen unterzeichnet[27], dass den israelischen Rückzug aus dem Libanon und Beirut festlegte. Allerdings errichtete Israel im Südlibanon eine Sicherheitszone, um zukünftig Übergriffe von hier aus auf den Norden Israels zu verhindern. Erst im Jahr 2000 wurden die Truppen von hier abgezogen, bevor sie im Sommer 2006 [28] zum bisher letzten Nahost- Krieg wieder in den Libanon gingen. Der letzte offizielle Krieg vor den Verhandlungen von Oslo spaltete ob der unverhältnismäßigen Brutalität und Kosten nicht nur die politischen Eliten Israels, sondern auch seine Bürger. Hinzu kam die 1987 beginnende ‚Intifada’, die bis 1992 dauerte. Die Intifada war ein Aufstand der Palästinenser gegen ihre israelischen Besatzer in ihren Gebieten. Die PLO übernahm das Management des zivilen Ungehorsams, konnte aber nicht verhindern, dass eine andere Gruppierung immer mehr Einfluss in den Reihen der Palästinenser gewann: die Hamas, eine national- religiöse Bewegung, die die soziale Versorgung der Palästinenser aufrechterhielt und mit den Qassam- Brigaden auch eine gefürchtete Untergrundmiliz unterhielt. 1988 verurteilte Arafat erneut internationalen Terrorismus als Mittel des Widerstands und erkannte die UN-Resolution 242 und damit eine Zweistaatenlösung und faktisch auch das Existenzrecht Israels an. Die Hamas hingegen lehnte dies weiterhin ab. In den folgenden Jahren kam es auch immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der PLO und der Hamas um den Führungsanspruch des palästinensischen Volkes. Am 30. Oktober 1991 begann die Konferenz von Madrid, die unter amerikanischer und russischer Vermittlung zustande gekommen war. Israel setzte durch, dass die PLO nicht als allein verhandelnde Partei, sondern nur als Teil einer jordanisch- palästinensischen Delegation auftreten durfte. Aufgrund ihrer geschwächten Position stimmte die PLO dieser Vorbedingung zu.
Neben multilateralen Gesprächen zwischen Israel, Jordanien (inklusive der Palästinenser), Ägypten, Marokko, Tunesien und anderen Golf- Staaten kam es zu bilateralen Gesprächen zwischen Israel und der jordanisch- palästinensischen Delegation, Syrien und Libanon in Washington. Die beiden letzteren hatten direkte Gespräche mit Israel in Madrid abgelehnt. Obwohl von den Verhandlungspartnern jeweils nur geringe Zugeständnisse zu erwarten waren, ist das historisch bedeutende an der Konferenz von Madrid, dass erstmals alle am Nahost- Konflikt direkt und indirekt Beteiligten miteinander redeten.
Die Verhandlungen von Madrid verliefen ohne erkennbaren Fortschritt. Die Gespräche mit Syrien, denen der seit 1992 amtierende neue Ministerpräsident Rabin erhöhte Priorität zugestanden hatte, wurden in Washington fortgesetzt. Gleichzeitig tat sich im Hintergrund ein Türchen auf, das später als „the Oslo Channel“[29] in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Seit Januar 1993 verhandelten israelische Akademiker und Funktionäre der PLO in der norwegischen Hauptstadt hinter verschlossenen Türen. Offiziellen Status erhielten die Gespräche erst im Mai. Im September kam der viel zitierte Durchbruch mit der „Declaration of Principles on Interim Self- Government Arrangements“.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Sozialwissenschaften.[30] Es besteht eine Diskrepanz zwischen der alltäglichen Auffassung, dass ein Konflikt immer etwas Schlechtes ist, und der wissenschaftlichen Prämisse, dass ein Konflikt ein sozialer Tatbestand ist, den man grundsätzlich wertfrei betrachten muss. Für Holtmann ist ein Konflikt ein Interessengegensatz, bei dem die Beteiligten bestrebt sind, die Niederlage des Gegners herbeizuführen oder aber wenigstens die eigene Niederlage abzuwenden.[31] Bonacker u.a. gehen nicht so weit und definieren Konflikte „als soziale Tatbestände, an denen mindestens zwei Parteien [...] beteiligt sind, die auf Unterschieden in der sozialen Lage und/oder auf Unterschieden in der Interessenkonstellation der Konfliktparteien beruhen.“[32] Für Bonacker stellt ein Konflikt demnach nicht zwangsläufig eine Dichotomie in den Zielvorstellungen der Beteiligten dar. Solche Auseinandersetzungen grenzt Deutsch als Formen von Konkurrenz oder Wettbewerb vom Konfliktbegriff ab, da die Lösung einer Situation mit entgegengesetzten Zielsetzungen nur ein Nullsummenspiel sein kann. Die Konfliktparteien können aber auch identische Ziele mittels unterschiedlicher Handlungsweisen verfolgen. [33]
Konflikte können Ausgangspunkt, Mittel oder Resultat von sozialen Prozessen sein. Der Konfliktgegenstand kann von der Verteilung knapper Güter über Uneinigkeit bei sozialen Normierungen und divergenten Wertvorstellungen bis hin zu Weltanschauungsunterschieden reichen.[34] Oftmals gehen auch mehrere Dimensionen ineinander über. So kann die ungleichmäßige Verteilung des Gutes Geld zu Verschiebungen in der Weltanschauung führen, was neue Konflikte verursachen kann.
Gurr u.a. beschäftigen sich im Speziellen mit ethnopolitischen Konflikten.[35] Sie ordnen die Bestrebungen der Palästinenser der Gruppe der Ethnonationalisten zu.[36] Ethnonationalisten sind Volksgruppen, die sich seit 1945 an politischen Autonomiebewegungen beteiligt haben. Der Gegenstand bei ethnopolitischen Konflikten liegt darin, dass eine organisierte ethnische Gruppe nach größerer Unabhängigkeit strebt, während ein bestehender Staat seine territoriale Integrität und die zentrale Staatsgewalt bewahren will. Die Definition der Dimension „Ethnie“ ist ebenso umstritten wie der Konfliktbegriff an sich: Die primordialistische Theorie geht davon aus, dass es eine kollektive Identität gibt, die fundamental und unveränderlich ist. Daran übt der instrumentelle Ansatz Kritik, indem er sagt, dass Ethnizität eine Grundlage von Identität sein kann, sie aber von einnehmenden Führungspersönlichkeiten erst zum Erreichen von politischen Zielen instrumentalisiert werden muss, um seine Wirkung in Nationalismus zu entfalten. Der konstruktivistische Ansatz sieht Ethnizität nicht als feste Größe in der Identitätsbildung, sondern meint, dass diese erst durch Intellektuelle und Eliten mittels Symbolen, Traditionen oder dem Hochhalten von Sprachen manifestiert werden. Demnach ist die ethnische Identität eines Volkes nicht unveränderbar und unterliegt verschiedenen sozialen Faktoren.[37] Das Bewusstsein von Ethnizität ist nicht per se negativ. Nach Ropers führt erst eine Politisierung von ethnischen Merkmalen einer Gruppe zu Konflikten.[38]
Kein Konflikt ist einem anderen gleich. Konflikte haben unterschiedliche Erscheinungs- und Austragungsformen und bilden einen fließenden Übergang zwischen Frieden und Krieg. Neben den beiden Extremen gibt es Machtkonflikte, Konkurrenz der Weltanschauungen, globale Verteilungskonflikte sowie regionale Spannungen und Auseinandersetzungen.[39] Konfliktdefinitionen sind demnach äußert schwierig zu finden. Ein Beispiel für eine willkürlich erscheinende Einordnung zeigt sich bei Singer und Small, bei denen ein Konflikt dann international wird, wenn es sich um „[...] einen organisierten und anhaltend militarisierten Konflikt [handelt], an dem mindestens ein Staat beteiligt ist und der mindestens 100 Todesopfer gefordert hat.“[40]
Der Begriff ‚Mediation’ ist eine aus dem Englischen übernommene Bezeichnung für ein Verfahren der Konfliktlösung. Wörtlich übersetzt bedeutet er ‚Vermittlung’ oder ‚Schlichtung’.[41] Der Duden bestimmt seine Bedeutung mit „Vermittlung eines Staates in einem Streit zwischen anderen Mächten“ und „aussöhnende Vermittlung in persönlichen od. sozialen Konflikten“.[42] Diese Definition geht Bercovitch nicht weit genug. Ein Mediator kann nicht nur ein Staat, sondern auch ein Individuum, eine Gruppe oder eine Organisation sein.[43] Mediation ist reaktiv, das heißt, dass den beteiligten Parteien der Konflikt bewusst sein muss und der Mediator in einen Prozess eingreift. Sie ist freiwillig, keine der Parteien, weder die Konfliktparteien noch der Mediator, kann zu Interventionen gezwungen werden.
Ursprünglich wurde das Verfahren der Mediation in der Organisationssoziologie entwickelt. Es kommt seit den späten 1940er Jahren in den USA in Arbeitskämpfen zum Einsatz. Erst seit den 1960er Jahren fand diese Methode Einzug in die wissenschaftliche Auseinandersetzung im Rahmen der aufkommenden Konfliktmanagement- Forschung. Nach Karsch wurde in Deutschland Mediation erstmals 1997 im Zusammenhang mit außergerichtlichen Einigungen erwähnt. Als politikwissenschaftlicher Begriff war er aber schon vorher etabliert.[44]
[...]
[1] Siehe Corbin, Jane (1994): Riskante Annäherung. Die Geheimverhandlungen zwischen den Israelis und der PLO in Norwegen. München: Droemer Knaur: 67
[2] Siehe Waage, Hilde Henriksen (2000): “Norwegians? Who needs Norwegians?”. Explaining the Oslo Back Channel: Norway’s Political Past in the Middle East. In: Norsk Utenriksdepartment.
[3] Siehe Ries, Matthias (2000): Oslo – Tor zum Frieden in Nahost? Heidelberg: Meinhardt: 95
[4] Siehe Sela, Avraham (Hrsg.) (2002): The Continuum political encyclopedia of the Middle East. Rev. and updated edition. New York: Continuum: 58
[5] Siehe Johannsen, Margret (2006): Der Nahost-Konflikt. Wiesbaden : VS Verlag für Sozialwissenschaften: 9
[6] Vgl. Sela (2002): 60f.
[7] Das Ende jüdischer Immigration und Landnahme und die Errichtung einer nationalen Regierung auf Grundlage der arabischen Mehrheit im Mandatsgebiet.
[8] „Welches sind die bestehenden Umstände? Ein unüberwindlicher Konflikt hat sich zwischen den beiden nationalen Gemeinschaften innerhalb der engen Grenzen eines kleinen Landes erhoben. [...] Es gibt keine gemeinsame Grundlage zwischen ihnen [den Arabern und Juden, L.B.].“ – vgl. Peel, Earl (1937): Bericht über Palästina, erstattet durch die Königliche Palästina- Kommission unter dem Vorsitz von Earl Peel ... vorgelegt im Juli 1937. Berlin: Schocken- Verlag: 422
[9] Es sollten ein jüdischer Staat und ein arabischer Staat unter der Führung Transjordaniens entstehen.
[10] „Die Teilung scheint wenigstens eine Chance für endgültigen Frieden zu bieten.“ – ebd.: 429
[11] UN- Generalversammlung, Resolution 181(II) vom 29. November 1947 „Teilungsplan“
[12] Vgl. Johannsen (2006): 21
[13] Ebd.: 22
[14] Vgl. Sela (2002): 72
[15] UN- Generalversammlung, Resolution 194 (III) vom 11. Dezember 1947
[16] Der Westteil wurde israelisch, der Ostteil jordanisch.
[17] vormals Transjordanien (1949 umbenannt)
[18] Während Großbritannien für die Internationalisierung des Suez-Kanals und Frankreich gegen die Unterstützung der Ägypter durch die Algerier kämpften, griffen Syrien und Jordanien aufgrund innerer Streitigkeiten nicht aktiv in die Kampfhandlungen ein. - vgl. Sela (2002): 80
[19] UN- Sicherheitsrat, Resolution 242 vom 22. November 1967 „Rückzug israelischer Streitkräfte aus (den) Gebieten, die im jüngsten Konflikt besetzt wurden“
[20] Als prominentestes Beispiel auf deutschem Boden ist die Entführung israelischer Sportler bei den Olympischen Sommerspielen in München 1972 zu nennen.
[21] Vgl. Waage (2000)
[22] Vgl. Sela (2002): 94f.
[23] UN- Sicherheitsrat, Resolution 338 vom 22. Oktober 1973
[24] „cold peace“ – siehe Sela (2002): 100
[25] vgl. Sela (2002): 101
[26] siehe Johannsen (2006): 30
[27] Von libanesischer Seite wurde das Abkommen nie ratifiziert, da Syrien Widerspruch einlegte. 1984 wurde es sogar formal von Libanon annulliert.
[28] Der Libanon- Krieg vom 12. Juli bis 14. August 2006.
[29] Dieser Ausdruck (auch „Norway Channel“) findet sich in der englischsprachigen Literatur. Im Folgenden werde ich die in der deutschen Literatur gebräuchlichen Begriffe „(norwegisches) Nebengleis“, „Oslo“ und „Nebengleisverhandlungen“ synonym verwenden.
[30] Vgl. Bonacker, Thorsten / Imbusch, Peter: Begriffe der Friedens- und Konfliktforschung: Konflikt, Gewalt, Krieg, Frieden. In: Imbusch, Peter / Zoll, Ralf (Hrsg.): Friedens- und Konfliktforschung. Eine Einführung. 4., überarbeitete Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften: 67
[31] Vgl. Holtmann, Everhard (Hrsg.) (2000): Politik-Lexikon.
[32] Siehe Bonacker u.a. (2006): 69
[33] Vgl. Deutsch, Morton (1976): Konfliktregelung. Konstruktive und destruktive Prozesse. Basel: E. Reinhardt: 18
[34] Vgl. Bonacker u.a. (2006).: 70
[35] Siehe dazu Gurr, Ted R. / Pitsch, Anne (2002): Ethnopolitische Konflikte und separatistische Gewalt. In: Heitmeyer, Wilhelm / Hagan, John (Hrsg.): Internationales Handbuch der Gewaltforschung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag: 287ff.
[36] Siehe Minorities at Risk (2004): Assessment for Palestinians in Israel. In: Minority Group Assessments for Middle East and North Africa (http://www.bsos.umd.edu/cidcm/mar)
[37] Vgl. Gurr u.a. (2002): 290
[38] Vgl. Ropers, Norbert (1995): Die friedliche Bearbeitung ethno- politischer Konflikte. Eine Herausforderung für die Staaten- und Gesellschaftswelt. In: Ropers, Norbert / Debiel, Tobias (Hrsg.): Friedliche Konfliktbearbeitung in der Staaten- und Gesellschaftswelt. Bonn: Stiftung Entwicklung und Frieden: 197
[39] Bonacker u.a. (2006): 69f.
[40] Siehe Bercovitch, Jacob (1995): Mediation in der Staatenwelt. Bedingungen für Erfolg oder Scheitern internationaler Vermittlungsbemühungen. In: Ropers, Norbert / Debiel, Tobias (Hrsg.) (1995): Friedliche Konfliktbearbeitung in der Staaten- und Gesellschaftswelt. Bonn: Stiftung Entwicklung und Frieden: 93
[41] Da Schlichtung ein nicht zwangsläufig auf Freiwilligkeit beruhendes Verfahren der Konfliktbewältigung ist, bleibe ich im Folgenden bei der englischen Bezeichnung Mediation.
[42] Siehe Duden- Verlag (Hrsg.) (2005): Das Fremdwörterbuch. 8. Auflage. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Duden- Verlag: 643
[43] Vgl. Bercovitch (1995): 90
[44] Vgl. Karsch, Nadine S. (1998): Mediation in internationalen Konfikten. Theorie und Anwendung dargestellt an den Verhandlungen von Camp David. München: Studiengesellschaft für Friedensforschung e.V.: 13ff.
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