Wilhem Tell


Clásico, 2009

153 Páginas

Friedrich von Schiller (Autor)


Extracto


Erster Aufzug

Erste Scene

Hohes Felsenufer des Vierwaldstättensees, Schwytz gegenüber. Der See macht eine Bucht ins Land, eine Hütte ist unweit dem Ufer, Fischerknabe fährt sich in einem Kahn. Ueber den See hinweg sieht man die grünen Matten, Dörfer und Höfe von Schwytz im hellen Sonnenschein liegen. Zur linken des Zuschauers zeigen sich die Spitzen des Haken, mit Wolken umgeben; zur rechten im fernen Hintergrund sieht man die Eisgebirge. Noch ehe der Vorhang aufgeht, hört man den Kuhreihen und das harmonische Geläut der Heerdenglocken, welches sich auch bei eröfneter Scene noch eine Zeitlang fortsezt.

Fischerknabe singt im Kahn

(Melodie des Kuhreihens.)

Es lächelt der See, er ladet zum Bade,

Der Knabe schlief ein am grünen Gestade,

Da hört er ein Klingen,

Wie Flöten so süß,

Wie Stimmen der Engel

Im Paradieß.

Und wie er erwachet in seliger Lust,

Da spühlen die Wasser ihm um die Brust,

Und es ruft aus den Tiefen:

Lieb Knabe, bist mein!

Ich locke den Schläfer,

Ich zieh ihn herein.

Hirte (auf dem Berge)

(Variation des Kuhreihens)

Ihr Matten lebt wohl,

Ihr sonnigen Weiden!

Der Senne muß scheiden,

Der Sommer ist hin.

Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,

Wenn der Kukuk ruft, wenn erwachen die Lieder,

Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,

Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen May.

Ihr Matten lebt wohl,

Ihr sonn’gen Weiden!

Der Senne muß scheiden,

Der Sommer ist hin.

Alpenjäger (erscheint gegenüber auf der Höhe des Felsen)

(Zweite Variation)

Es donnern die Höhen, es zittert der Steg,

Nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg,

Er schreitet verwegen

Auf Feldern von Eis,

Da pranget kein Frühling,

Da grünet kein Reis;

Und unter den Füssen ein neblichtes Meer,

Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr,

Durch den Riß nur der Wolken

Erblickt er die Welt,

Tief unter den Wassern

Das grünende Feld.

(Die Landschaft verändert sich, man hört ein dumpfes Krachen von den Bergen, Schatten von Wolken laufen über die Gegend)

Ruodi der Fischer kommt aus der Hütte, Werni der Jäger steigt vom Felsen, Kuoni der Hirte kommt, mit dem Melknapf auf der Schulter. Seppi , seine Handbube, folgt ihm)

Ruodi.

Mach hurtig, Jenni. Zieh die Naue ein.

Der graue Talvogt kommt, dumpf brüllt der Firn,

Der Mythenstein zieht seine Haube an,

Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch,

Der Sturm, ich mein, wird da sein, eh wirs denken.

Kuoni.

's kommt Regen, Fährmann. Meine Schafe fressen

Mit Begierde Gras, und Wächter scharrt die Erde.

Werni.

Die Fische springen, und das Wasserhuhn

Taucht unter. Ein Gewitter ist im Anzug.

Kuoni zum Buben.

Lug, Seppi, ob das Vieh sich nicht verlaufen.

Seppi.

Die braune Lisel kenn ich am Geläut.

Kuoni.

So fehlt uns keine mehr, die geht am weitsten.

Ruodi. Ihr habt ein schön Geläute, Meister Hirt.

Werni

Und schmuckes Vieh – Ists Euer eignes, Landsmann?

Kuoni

Bin nit so reich – 's ist meines gnädgen Herrn,

Des Attinghäusers, und mir zugezählt.

Ruodi

Wie schön der Kuh das Band zu Halse steht.

Kuoni

Das weiß sie auch, daß sie den Reihen führt,

Und nähm ich ihrs, sie hörte auf zu fressen.

Ruodi

Ihr seid nicht klug! Ein unvernünftges Vieh –

Werni

Ist bald gesagt. Das Tier hat auch Vernunft,

Das wissen wir, die wir die Gemsen jagen,

Die stellen klug, wo sie zur Weide gehn,

'ne Vorhut aus, die spitzt das Ohr und warnet

Mit heller Pfeife, wenn der Jäger naht.

Ruodi zum Hirten.

Treibt Ihr jetzt heim?

Kuoni Die Alp ist abgeweidet.

Werni Glückselge Heimkehr, Senn!

Kuoni Die wünsch ich Euch,

Von Eurer Fahrt kehrt sichs nicht immer wieder.

Ruodi

Dort kommt ein Mann in voller Hast gelaufen.

Werni

Ich kenn ihn, 's ist der Baumgart von Alzellen.

Konrad Baumgarten atemlos hereinstürzend.

Baumgarten

Um Gottes willen, Fährmann, Euren Kahn!

Ruodi

Nun, nun, was gibts so eilig?

Baumgarten Bindet los!

Ihr rettet mich vom Tode! Setzt mich über!

Kuoni

Landsmann, was habt Ihr?

Werni.Wer verfolgt Euch denn?

Baumgarten zum Fischer.

Eilt, eilt, sie sind mir dicht schon an den Fersen!

Des Landvogts Reiter kommen hinter mir,

Ich bin ein Mann des Tods, wenn sie mich greifen.

Ruodi. Warum verfolgen Euch die Reisigen?

Baumgarten.

Erst rettet mich, und dann steh ich Euch Rede.

Werni. Ihr seid mit Blut befleckt, was hats gegeben?

Baumgarten.

Des Kaisers Burgvogt, der auf Roßberg saß –

Kuoni.

Der Wolfenschießen? Läßt Euch der verfolgen?

Baumgarten.

Der schadet nicht mehr, ich hab ihn erschlagen.

Alle fahren zurück.

Gott sei Euch gnädig! Was habt Ihr getan?

Baumgarten.

Was jeder freie Mann an meinem Platz!

Mein gutes Hausrecht hab ich ausgeübt

Am Schänder meiner Ehr und meines Weibes.

Kuoni.

Hat Euch der Burgvogt an der Ehr geschädigt?

Baumgarten.

Daß er sein bös Gelüsten nicht vollbracht,

Hat Gott und meine gute Axt verhütet.

Werni.

Ihr habt ihm mit der Axt den Kopf zerspalten?

Kuoni.

O, laß uns alles hören , Ihr habt Zeit,

Bis er den Kahn vom Ufer losgebunden.

Baumgarten.

Ich hatte Holz gefällt im Wald, da kommt

Mein Weib gelaufen in der Angst des Todes.

»Der Burgvogt lieg in meinem Haus, er hab

Ihr anbefohlen, ihm ein Bad zu rüsten.

Drauf hab er Ungebührliches von ihr

Verlangt, sie sei entsprungen, mich zu suchen.«

Da lief ich frisch hinzu, so wie ich war,

Und mit der Axt hab ich ihm 's Bad gesegnet.

Werni.

Ihr tatet wohl, kein Mensch kann Euch drum schelten.

Kuoni. Der Wüterich! Der hat nun seinen Lohn!

Hats lang verdient ums Volk von Unterwalden.

Baumgarten.

Die Tat ward ruchbar, mir wird nachgesetzt –

Indem wir sprechen – Gott – verrinnt die Zeit –

Es fängt an zu donnern.

Kuoni.

Frisch , Fährmann – schaff den Biedermann hinüber.

Ruodi. Geht nicht. Ein schweres Ungewitter ist

Im Anzug. Ihr müßt warten.

Baumgarten.Heilger Gott!

Ich kann nicht warten. Jeder Aufschub tötet –

Kuoni zum Fischer.

Greif an mit Gott, dem Nächsten muß man helfen,

Es kann uns allen Gleiches ja begegnen.

Brausen und Donnern.

Ruodi.

Der Föhn ist los , Ihr seht, wie hoch der See geht,

Ich kann nicht steuern gegen Sturm und Wellen.

Baumgarten umfaßt seine Knie.

So helf Euch Gott, wie Ihr Euch mein erbarmet –

Werni.

Es geht ums Leben, sei barmherzig , Fährmann.

Kuoni.

's ist ein Hausvater, und hat Weib und Kinder!

Wiederholte Donnerschläge.

Ruodi. Was? Ich hab auch ein Leben zu verlieren,

Hab Weib und Kind daheim, wie er – Seht hin,

Wies brandet, wie es wogt und Wirbel zieht,

Und alle Wasser aufrührt in der Tiefe.

– Ich wollte gern den Biedermann erretten,

Doch es ist rein unmöglich , Ihr seht selbst.

Baumgarten noch auf den Knien.

So muß ich fallen in des Feindes Hand,

Das nahe Rettungsufer im Gesichte!

– Dort liegts! Ich kanns erreichen mit den Augen,

Hinüberdringen kann der Stimme Schall,

Da ist der Kahn, der mich hinübertrüge,

Und muß hier liegen, hülflos, und verzagen!

Kuoni.

Seht, wer da kommt!

Werni.Es ist der Tell aus Bürglen.

Tell mit der Armbrust.

Tell. Wer ist der Mann, der hier um Hülfe fleht?

Kuoni. 's ist ein Alzeller Mann, er hat sein Ehr

Verteidigt, und den Wolfenschieß erschlagen,

Des Königs Burgvogt, der auf Roßberg saß –

Des Landvogts Reiter sind ihm auf den Fersen,

Er fleht den Schiffer um die Überfahrt,

Der fürcht't sich vor dem Sturm und will nicht fahren.

Ruodi. Da ist der Tell, er führt das Ruder auch,

Der soll mirs zeugen, ob die Fahrt zu wagen.

Tell. Wos not tut , Fährmann, läßt sich alles wagen.

Heftige Donnerschläge, der See rauscht auf.

Ruodi. Ich soll mich in den Höllenrachen stürzen?

Das täte keiner, der bei Sinnen ist.

Tell. Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt,

Vertrau auf Gott und rette den Bedrängten.

Ruodi.

Vom sichern Port läßt sichs gemächlich raten,

Da ist der Kahn und dort der See! Versuchts!

Tell.

Der See kann sich, der Landvogt nicht erbarmen,

Versuch es , Fährmann!

Hirten und Jäger.Rett ihn! Rett ihn! Rett ihn!

Ruodi.

Und wärs mein Bruder und mein leiblich Kind,

Es kann nicht sein, 's ist heut Simons und Judä,

Da rast der See und will sein Opfer haben.

Tell. Mit eitler Rede wird hier nichts geschafft,

Die Stunde dringt, dem Mann muß Hülfe werden.

Sprich , Fährmann, willst du fahren?

Ruodi.Nein, nicht ich!

Tell. In Gottes Namen denn! Gib her den Kahn,

Ich wills mit meiner schwachen Kraft versuchen.

Kuoni.

Ha, wackrer Tell!

Werni. Das gleicht dem Weidgesellen!

Baumgarten.

Mein Retter seid Ihr und mein Engel , Tell!

Tell. Wohl aus des Vogts Gewalt errett ich Euch,

Aus Sturmes Nöten muß ein andrer helfen.

Doch besser ists, Ihr fallt in Gottes Hand,

Als in der Menschen! Zu dem Hirten. Landsmann, tröstet Ihr

Mein Weib, wenn mir was Menschliches begegnet,

Ich hab getan, was ich nicht lassen konnte.

Er springt in den Kahn.

Kuoni zum Fischer.

Ihr seid ein Meister Steuermann. Was sich

Der Tell getraut, das konntet Ihr nicht wagen?

Ruodi.

Wohl beßre Männer tuns dem Tell nicht nach,

Es gibt nicht zwei, wie der ist, im Gebirge.

Werni ist auf den Fels gestiegen.

Er stößt schon ab. Gott helf dir, braver Schwimmer!

Sieh, wie das Schifflein auf den Wellen schwankt!

Kuoni am Ufer.

Die Flut geht drüber weg – Ich sehs nicht mehr.

Doch halt, da ist es wieder! Kräftiglich

Arbeitet sich der Wackre durch die Brandung.

Seppi. Des Landvogts Reiter kommen angesprengt.

Kuoni.

Weiß Gott, sie sinds! Das war Hülf in der Not.

Ein Trupp Landenbergischer Reiter.

Erster Reiter.

Den Mörder gebt heraus, den ihr verborgen.

Zweiter.

Des Wegs kam er, umsonst verhehlt ihr ihn.

Kuoni und Ruodi.

Wen meint ihr , Reiter?

Erster Reiter entdeckt den Nachen.

Ha, was seh ich! Teufel!

Werni oben.

Ists der im Nachen, den ihr sucht? – Reit zu,

Wenn ihr frisch beilegt, holt ihr ihn noch ein.

Zweiter.

Verwünscht! Er ist entwischt.

Erster zum Hirten und Fischer.

Ihr habt ihm fortgeholfen,

Ihr sollt uns büßen – Fallt in ihre Herde!

Die Hütte reißet ein, brennt und schlagt nieder!

Eilen fort.

Seppi stürzt nach.

O meine Lämmer!

Kuoni folgt. Weh mir! Meine Herde!

Werni. Die Wütriche!

Ruodi ringt die Hände.

Gerechtigkeit des Himmels,

Wann wird der Retter kommen diesem Lande?

Folgt ihnen.

Zweite Szene

Zu Steinen in Schwyz. Eine Linde vor des Stauffachers Hause an der Landstraße, nächst der Brücke.

Werner Stauffacher , Pfeiffer von Luzern kommen im Gespräch.

Pfeiffer.

Ja, ja , Herr Stauffacher, wie ich Euch sagte.

Schwört nicht zu Östreich, wenn Ihrs könnt vermeiden.

Haltet fest am Reich und wacker wie bisher,

Gott schirme Euch bei Eurer alten Freiheit!

Drückt ihm herzlich die Hand und will gehen.

Stauffacher.

Bleibt doch, bis meine Wirtin kommt – Ihr seid

Mein Gast zu Schwyz, ich in Luzern der Eure.

Pfeiffer.

Viel Dank! Muß heute Gersau noch erreichen.

– Was ihr auch Schweres mögt zu leiden haben

Von eurer Vögte Geiz und Übermut,

Tragts in Geduld! Es kann sich ändern, schnell,

Ein andrer Kaiser kann ans Reich gelangen.

Seid ihr erst Österreichs, seid ihrs auf immer.

Er geht ab. Stauffacher setzt sich kummervoll auf eine Bank unter der Linde. So findet ihn Gertrud, seine Frau, die sich neben ihn stellt und ihn eine Zeitlang schweigend betrachtet.

Gertrud.

So ernst, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr.

Schon viele Tage seh ichs schweigend an,

Wie finstrer Trübsinn deine Stirne furcht.

Auf deinem Herzen drückt ein still Gebresten,

Vertrau es mir, ich bin dein treues Weib,

Und meine Hälfte fodr ich deines Grams.

Stauffacher reicht ihr die Hand und schweigt.

Was kann dein Herz beklemmen, sag es mir.

Gesegnet ist dein Fleiß, dein Glücksstand blüht,

Voll sind die Scheunen, und der Rinder Scharen,

Der glatten Pferde wohlgenährte Zucht

Ist von den Bergen glücklich heimgebracht

Zur Winterung in den bequemen Ställen.

– Da steht dein Haus, reich, wie ein Edelsitz,

Von schönem Stammholz ist es neu gezimmert

Und nach dem Richtmaß ordentlich gefügt,

Von vielen Fenstern glänzt es wohnlich, hell,

Mit bunten Wappenschildern ists bemalt,

Und weisen Sprüchen, die der Wandersmann

Verweilend liest und ihren Sinn bewundert.

Stauffacher .

Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt,

Doch ach – es wankt der Grund, auf den wir bauten.

Gertrud.

Mein Werner, sage, wie verstehst du das?

Stauffacher.

Vor dieser Linde saß ich jüngst wie heut,

Das schön Vollbrachte freudig überdenkend,

Da kam daher von Küßnacht, seiner Burg,

Der Vogt mit seinen Reisigen geritten.

Vor diesem Hause hielt er wundernd an,

Doch ich erhub mich schnell, und unterwürfig,

Wie sichs gebührt, trat ich dem Herrn entgegen,

Der uns des Kaisers richterliche Macht

Vorstellt im Lande. Wessen ist dies Haus?

Fragt' er bösmeinend, denn er wußt es wohl.

Doch schnell besonnen ich entgegn ihm so:

Dies Haus, Herr Vogt, ist meines Herrn des Kaisers,

Und Eures und mein Lehen – da versetzt er:

»Ich bin Regent im Land an Kaisers Statt

Und will nicht, daß der Bauer Häuser baue

Auf seine eigne Hand, und also frei

Hinleb, als ob er Herr wär in dem Lande,

Ich werd mich unterstehn, Euch das zu wehren.«

Dies sagend ritt er trutziglich von dannen,

Ich aber blieb mit kummervoller Seele,

Das Wort bedenkend, das der Böse sprach.

Gertrud. Mein lieber Herr und Ehewirt! Magst du

Ein redlich Wort von deinem Weib vernehmen?

Des edeln Ibergs Tochter rühm ich mich,

Des vielerfahrnen Manns. Wir Schwestern saßen,

Die Wolle spinnend, in den langen Nächten,

Wenn bei dem Vater sich des Volkes Häupter

Versammelten, die Pergamente lasen

Der alten Kaiser, und des Landes Wohl

Bedachten in vernünftigem Gespräch.

Aufmerkend hört ich da manch kluges Wort,

Was der Verständge denkt, der Gute wünscht,

Und still im Herzen hab ich mirs bewahrt.

So höre denn und acht auf meine Rede,

Denn was dich preßte, sieh, das wußt ich längst.

– Dir grollt der Landvogt, möchte gern dir schaden,

Denn du bist ihm ein Hindernis, daß sich

Der Schwyzer nicht dem neuen Fürstenhaus

Will unterwerfen, sondern treu und fest

Beim Reich beharren, wie die würdigen

Altvordern es gehalten und getan. –

Ists nicht so, Werner? Sag es, wenn ich lüge!

Stauffacher.

So ists, das ist des Geßlers Groll auf mich.

Gertrud.

Er ist dir neidisch, weil du glücklich wohnst,

Ein freier Mann auf deinem eignen Erb,

– Denn er hat keins. Vom Kaiser selbst und Reich

Trägst du dies Haus zu Lehn, du darfst es zeigen,

So gut der Reichsfürst seine Länder zeigt,

Denn über dir erkennst du keinen Herrn

Als nur den Höchsten in der Christenheit –

Er ist ein jüngrer Sohn nur seines Hauses,

Nichts nennt er sein als seinen Rittermantel,

Drum sieht er jedes Biedermannes Glück

Mit scheelen Augen giftger Mißgunst an,

Dir hat er längst den Untergang geschworen –

Noch stehst du unversehrt – Willst du erwarten,

Bis er die böse Lust an dir gebüßt?

Der kluge Mann baut vor.

Stauffacher.Was ist zu tun!

Gertrud tritt näher.

So höre meinen Rat! Du weißt, wie hier

Zu Schwyz sich alle Redlichen beklagen

Ob dieses Landvogts Geiz und Wüterei.

So zweifle nicht, daß sie dort drüben auch

In Unterwalden und im Urner Land

Des Dranges müd sind und des harten Jochs –

Denn wie der Geßler hier, so schafft es frech

Der Landenberger drüben überm See –

Es kommt kein Fischerkahn zu uns herüber,

Der nicht ein neues Unheil und Gewalt

Beginnen von den Vögten uns verkündet.

Drum tät es gut, daß eurer etliche,

Die's redlich meinen, still zu Rate gingen,

Wie man des Drucks sich möcht erledigen,

So acht ich wohl, Gott würd euch nicht verlassen

Und der gerechten Sache gnädig sein –

Hast du in Uri keinen Gastfreund, sprich,

Dem du dein Herz magst redlich offenbaren?

Stauffacher.

Der wackern Männer kenn ich viele dort

Und angesehen große Herrenleute,

Die mir geheim sind und gar wohl vertraut.

Er steht auf.

Frau, welchen Sturm gefährlicher Gedanken

Weckst du mir in der stillen Brust! Mein Innerstes

Kehrst du ans Licht des Tages mir entgegen,

Und was ich mir zu denken still verbot,

Du sprichsts mit leichter Zunge kecklich aus.

– Hast du auch wohl bedacht, was du mir rätst?

Die wilde Zwietracht und den Klang der Waffen

Rufst du in dieses friedgewohnte Tal –

Wir wagten es, ein schwaches Volk der Hirten,

In Kampf zu gehen mit dem Herrn der Welt?

Der gute Schein nur ists, worauf sie warten,

Um loszulassen auf dies arme Land

Die wilden Horden ihrer Kriegesmacht,

Darin zu schalten mit des Siegers Rechten

Und unterm Schein gerechter Züchtigung

Die alten Freiheitsbriefe zu vertilgen.

Gertrud. Ihr seid auch Männer, wisset eure Axt

Zu führen, und dem Mutigen hilft Gott!

Stauffacher.

O Weib! Ein furchtbar wütend Schrecknis ist

Der Krieg, die Herde schlägt er und den Hirten.

Gertrud.

Ertragen muß man, was der Himmel sendet,

Unbilliges erträgt kein edles Herz.

Stauffacher.

Dies Haus erfreut dich, das wir neu erbauten.

Der Krieg, der ungeheure, brennt es nieder.

Gertrud.

Wüßt ich mein Herz an zeitlich Gut gefesselt,

Den Brand wärf ich hinein mit eigner Hand.

Stauffacher.

Du glaubst an Menschlichkeit! Es schont der Krieg

Auch nicht das zarte Kindlein in der Wiege.

Gertrud.

Die Unschuld hat im Himmel einen Freund!

– Sieh vorwärts, Werner, und nicht hinter dich!

Stauffacher.

Wir Männer können tapfer fechtend sterben,

Welch Schicksal aber wird das eure sein?

Gertrud.

Die letzte Wahl steht auch dem Schwächsten offen,

Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei.

Stauffacher stürzt in ihre Arme.

Wer solch ein Herz an seinen Busen drückt,

Der kann für Herd und Hof mit Freuden fechten,

Und keines Königs Heermacht fürchtet er –

Nach Uri fahr ich stehnden Fußes gleich,

Dort lebt ein Gastfreund mir, Herr Walter Fürst,

Der über diese Zeiten denkt wie ich.

Auch find ich dort den edeln Bannerherrn

Von Attinghaus – obgleich von hohem Stamm

Liebt er das Volk und ehrt die alten Sitten.

Mit ihnen beiden pfleg ich Rats, wie man

Der Landesfeinde mutig sich erwehrt –

Leb wohl – und weil ich fern bin, führe du

Mit klugem Sinn das Regiment des Hauses –

Dem Pilger, der zum Gotteshause wallt,

Dem frommen Mönch, der für sein Kloster sammelt,

Gib reichlich und entlaß ihn wohl gepflegt.

Stauffachers Haus verbirgt sich nicht. Zu äußerst

Am offnen Herweg stehts, ein wirtlich Dach

Für alle Wandrer, die des Weges fahren.

Indem sie nach dem Hintergrunde abgehen, tritt Wilhelm Tell mit Baumgarten vorn auf die Szene.

Tell zu Baumgarten.

Ihr habt jetzt meiner weiter nicht vonnöten,

Zu jenem Hause gehet ein, dort wohnt

Der Stauffacher, ein Vater der Bedrängten.

– Doch sieh, da ist er selber – Folgt mir, kommt!

Gehen auf ihn zu, die Szene verwandelt sich.

Dritte Szene

Öffentlicher Platz bei Altorf.

Auf einer Anhöhe im Hintergrund sieht man eine Feste bauen, welche schon so weit gediehen, daß sich die Form des Ganzen darstellt. Die hintere Seite ist fertig, an der vordern wird eben gebaut, das Gerüste steht noch, an welchem die Werkleute auf und nieder steigen, auf dem höchsten Dach hängt der Schieferdecker. – Alles ist in Bewegung und Arbeit.

Fronvogt. Meister Steinmetz. Gesellen und Handlanger.

Fronvogt mit dem Stabe, treibt die Arbeiter.

Nicht lang gefeiert, frisch! Die Mauersteine

Herbei, den Kalk, den Mörtel zugefahren!

Wenn der Herr Landvogt kommt, daß er das Werk

Gewachsen sieht – Das schlendert wie die Schnecken.

Zu zwei Handlangern, welche tragen.

Heißt das geladen? Gleich das Doppelte!

Wie die Tagdiebe ihre Pflicht bestehlen!

Erster Gesell.

Das ist doch hart, daß wir die Steine selbst

Zu unserm Twing und Kerker sollen fahren!

Fronvogt.

Was murret ihr? Das ist ein schlechtes Volk,

Zu nichts anstellig als das Vieh zu melken,

Und faul herumzuschlendern auf den Bergen.

Alter Mann ruht aus.

Ich kann nicht mehr.

Fronvogt schüttelt ihn.

Frisch, Alter, an die Arbeit!

Erster Gesell.

Habt ihr denn gar kein Eingeweid, daß Ihr

Den Greis, der kaum sich selber schleppen kann,

Zum harten Frondienst treibt?

Meister Steinmetz und Gesellen.

's ist himmelschreiend!

Fronvogt.

Sorgt ihr für euch, ich tu, was meines Amts.

Zweiter Gesell.

Fronvogt, wie wird die Feste denn sich nennen,

Die wir da baun?

Fronvogt.Zwing Uri soll sie heißen,

Denn unter dieses Joch wird man euch beugen.

Gesellen.

Zwing Uri!

Fronvogt Nun, was gibts dabei zu lachen?

Zweiter Gesell.

Mit diesem Häuslein wollt ihr Uri zwingen?

Erster Gesell

Laß sehn, wieviel man solcher Maulwurfshaufen

Muß übernander setzen, bis ein Berg

Draus wird, wie der geringste nur in Uri!

Fronvogt geht nach dem Hintergrund.

Meister Steinmetz

Den Hammer werf ich in den tiefsten See,

Der mir gedient bei diesem Fluchgebäude!

Tell und Stauffacher kommen.

Stauffacher

O hätt ich nie gelebt, um das zu schauen!

Tell Hier ist nicht gut sein. Laßt uns weitergehn.

Stauffacher

Bin ich zu Uri, in der Freiheit Land?

Meister Steinmetz.

O Herr, wenn Ihr die Keller erst gesehn

Unter den Türmen! Ja, wer die bewohnt,

Der wird den Hahn nicht fürder krähen hören!

Stauffacher.

O Gott!

Steinmetz.

Seht diese Flanken, diese Strebepfeiler,

Die stehn, wie für die Ewigkeit gebaut!

Tell. Was Hände bauten, können Hände stürzen.

Nach den Bergen zeigend.

Das Haus der Freiheit hat uns Gott gegründet.

Man hört eine Trommel, es kommen Leute, die einen Hut auf einer Stange tragen, ein Ausrufer folgt ihnen, Weiber und Kinder dringen tumultuarisch nach.

Erster Gesell.

Was will die Trommel? Gebet acht!

Meister Steinmetz.Was für

Ein Faßnachtsaufzug und was soll der Hut?

Ausrufer

In des Kaisers Namen! Höret!

Gesellen

Still doch! Höret!

Ausrufer

Ihr sehet diesen Hut, Männer von Uri!

Aufrichten wird man ihn auf hoher Säule,

Mitten in Altorf, an dem höchsten Ort,

Und dieses ist des Landvogts Will und Meinung:

Dem Hut soll gleiche Ehre wie ihm selbst geschehn,

Man soll ihn mit gebognem Knie und mit

Entblößtem Haupt verehren – Daran will

Der König die Gehorsamen erkennen.

Verfallen ist mit seinem Leib und Gut

Dem Könige, wer das Gebot verachtet.

(Das Volk lacht laut auf, die Trommel wird gerührt, sie gehen vorüber.)

Erster Gesell.

Welch’ neues Unerhörtes hat der Vogt

Sich ausgesonnen! Wir ’nen Hut verehren!

Sagt! Hat man je vernommen von dergleichen?

Meister Steinmetz.

Wir unsre Kniee beugen einem Hut!

Treibt er sein Spiel mit ersthaft würd’gen Leuten?

Erster Gesell

Wär’s noch die kaiserliche Kron’! So ist’s

Der Hut von Oesterreich, ich sah ihn hangen

Ueber dem Thron, wo man die Lehen giebt!

Meister Steinmetz

Der Hut von Oesterreich! Gebt acht, es ist

Ein Fallstrick, uns an Oestreich zu verrathen!

Gesellen

Kein Ehrenmann wird sich der Schmach bequemen.

Meister Steinmetz

Kommt, laßt uns mit den andern Abred’ nehmen.

(sie gehen nach der Tiefe)

Tell (zum Stauffacher)

Ihr wisset nun Bescheid. Lebt wohl, Herr Werner!

Stauffacher

Wo wollt ihr hin? O eilt nicht so von dannen.

Tell

Mein Haus entbehrt des Vaters. Lebet wohl.

Stauffacher

Mir ist das Herz so voll, mit Euch zu reden.

Tell

Das schwere Herz wird nicht durch Worte leicht.

Stauffacher

Doch könnten Worte uns zu Taten führen.

Tell

Die einzge Tat ist jetzt Geduld und Schweigen.

Stauffacher

Soll man ertragen, was unleidlich ist?

Tell

Die schnellen Herrscher sind’s, die kurz regieren.

– Wenn sich der Föhn erhebt aus seinen Schlünden,

Löscht man die Feuer aus, die Schiffe suchen

Eilends den Hafen, und der mächtge Geist

Geht ohne Schaden, spurlos, über die Erde.

Ein jeder lebe still bei sich daheim,

Dem Friedlichen gewährt man gern den Frieden.

Stauffacher

Meint Ihr?

Tell. Die Schlange sticht nicht ungereizt.

Sie werden endlich doch von selbst ermüden,

Wenn sie die Lande ruhig bleiben sehn.

Stauffacher.

Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden.

Tell.

Beim Schiffbruch hilft der einzelne sich leichter.

Stauffacher.

So kalt verlaßt Ihr die gemeine Sache?

Tell. Ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst.

Stauffacher.

Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.

Tell. Der Starke ist am mächtigsten allein.

Stauffacher.

So kann das Vaterland auf Euch nicht zählen,

Wenn es verzweiflungsvoll zur Notwehr greift?

Tell gibt ihm die Hand.

Der Tell holt ein verlornes Lamm vom Abgrund,

Und sollte seinen Freunden sich entziehen?

Doch was ihr tut, laßt mich aus eurem Rat,

Ich kann nicht lange prüfen oder wählen,

Bedürft ihr meiner zu bestimmter Tat,

Dann ruft den Tell, es soll an mir nicht fehlen.

Gehen ab zu verschiedenen Seiten. Ein plötzlicher Auflauf entsteht um das Gerüste.

Meister Steinmetz eilt hin.

Was gibts?

Erster Gesell kommt vor, rufend.

Der Schieferdecker ist vom Dach gestürzt.

Berta mit Gefolge.

Berta stürzt herein.

Ist er zerschmettert? Rennet, rettet, helft –

Wenn Hülfe möglich, rettet, hier ist Gold –

Wirft ihr Geschmeide unter das Volk.

Meister. Mit eurem Golde – Alles ist euch feil

Um Gold, wenn ihr den Vater von den Kindern

Gerissen und den Mann von seinem Weibe,

Und Jammer habt gebracht über die Welt,

Denkt ihrs mit Golde zu vergüten – Geht!

Wir waren frohe Menschen, eh ihr kamt,

Mit euch ist die Verzweiflung eingezogen.

Berta zu dem Fronvogt, der zurückkommt.

Lebt er?

Fronvogt gibt ein Zeichen des Gegenteils.

O unglückselges Schloß, mit Flüchen

Erbaut, und Flüche werden dich bewohnen! Geht ab.

Vierte Szene

Walter Fürsts Wohnung.

Walter Fürst und Arnold vom Melchthal treten zugleich ein, von verschiedenen Seiten.

Melchthal.

Herr Walter Fürst –

Walter Fürst.Wenn man uns überraschte!

Bleibt, wo Ihr seid. Wir sind umringt von Spähern.

Melchthal.

Bringt Ihr mir nichts von Unterwalden? Nichts

Von meinem Vater? Nicht ertrag ichs länger,

Als ein Gefangner müßig hier zu liegen.

Was hab ich denn so Sträfliches getan,

Um mich gleich einem Mörder zu verbergen?

Dem frechen Buben, der die Ochsen mir,

Das trefflichste Gespann, vor meinen Augen

Weg wollte treiben auf des Vogts Geheiß,

Hab ich den Finger mit dem Stab gebrochen.

Walter Fürst.

Ihr seid zu rasch. Der Bube war des Vogts,

Von Eurer Obrigkeit war er gesendet,

Ihr wart in Straf gefallen, mußtet Euch,

Wie schwer sie war, der Buße schweigend fügen.

Melchthal.

Ertragen sollt ich die leichtfertge Rede

Des Unverschämten: »Wenn der Bauer Brot

Wollt essen, mög er selbst am Pfluge ziehn!«

In die Seele schnitt mirs, als der Bub die Ochsen,

Die schönen Tiere, von dem Pfluge spannte,

Dumpf brüllten sie, als hätten sie Gefühl

Der Ungebühr, und stießen mit den Hörnern,

Da übernahm mich der gerechte Zorn,

Und meiner selbst nicht Herr, schlug ich den Boten.

Walter Fürst.

O kaum bezwingen wir das eigne Herz,

Wie soll die rasche Jugend sich bezähmen!

Melchthal.

Mich jammert nur der Vater – Er bedarf

So sehr der Pflege, und sein Sohn ist fern.

Der Vogt ist ihm gehässig, weil er stets

Für Recht und Freiheit redlich hat gestritten.

Drum werden sie den alten Mann bedrängen,

Und niemand ist, der ihn vor Unglimpf schütze.

– Werde mit mir was will, ich muß hinüber.

Walter Fürst.

Erwartet nur und faßt euch in Geduld,

Bis Nachricht uns herüber kommt vom Walde.

– Ich höre klopfen, geht – Vielleicht ein Bote

Vom Landvogt – Geht hinein – Ihr seid in Uri

Nicht sicher vor des Landenbergers Arm,

Denn die Tyrannen reichen sich die Hände.

Ist noch zu fürchten, wenn der Stern des Auges

In seiner Höhle nicht mehr sicher ist?

– Sind wir denn wehrlos? Wozu lernten wir

Die Armbrust spannen und die schwere Wucht

Der Streitaxt schwingen? Jedem Wesen ward

Ein Nothgewehr in der Verzweiflungsangst,

Es stellt sich der erschöpfte Hirsch und zeigt

Der Meute sein gefürchtetes Geweih,

Die Gemse reißt den Jäger in den Abgrund –

Der Pflugstier selbst, der sanfte Hausgenoß

Des Menschen, der die ungeheure Kraft

Des Halses duldsam unters Joch gebogen,

Springt auf, gereizt, wezt sein gewaltig Horn

Und schleudert seinen Feind den Wolken zu.

Final del extracto de 153 páginas

Detalles

Título
Wilhem Tell
Autor
Año
2009
Páginas
153
No. de catálogo
V121217
ISBN (Ebook)
9783640252688
ISBN (Libro)
9783640252756
Tamaño de fichero
965 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Wilhem, Tell
Citar trabajo
Friedrich von Schiller (Autor), 2009, Wilhem Tell, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121217

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