Das Khalifat in der Seldschukkenzeit


Dossier / Travail de Séminaire, 1995

52 Pages, Note: 2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entstehung des Seldschukkenreichs

3. Die Kooperation zwischen Khalifat und Sultanat

4. Die Konsolidierung der seldschukkischen Macht in Bagdad

5. Die Seldschukken am Zenit ihrer Macht

6. Nizam al-Mulk und seine Bedeutung für die Seldschukken

7. Thronwirren im seldschukkischen Reich

8. Der erste Kreuzzug

9. Die Batiniyya

10. Die Teilung des seldschukkischen Reichs und die Auflehnung des Khalifats gegen das Sultanat

11. Konsolidierung der weltlichen Macht des Khalifats

12. Das Ende der Irak-Seldschukken

13. Das Abbasidenreich und seine Umwelt nach al-Muqtafi

14. Der Untergang des abbasidischen Khalifats in Bagdad

15. Beurteilung des Khalifats in der Seldschukkenzeit

16. Herrschertabellen: Khalifen und Sultane zur Seldschukkenzeit

17. Anmerkungen

18. Abkürzungsyerzeichnis

19. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Nach der Auswanderung ( hiğra ) von Mekka nach Medina ( 622 )

gründet der Prophet Muhammad einen theokratischen Staat.

Gestützt auf göttliche Offenbarungen kann er den islamischen Staat leiten. Im Jahre 632 stirbt der Prophet ohne einen Erben zu hinterlassen, Doch bestimmt er testamentarisch wer die islamische Gemeinde ( ummah ) leiten soll. Da der Prophet der Siegel der Propheten ist, sind sich die Muslime darüber bewusst, daß mit dem Tod des Propheten die göttliche Offenbarung aufhört und Niemand statt seiner die Führung des theokratischen Staates übernehmen kann.1 Trotz dessen braucht dieser Staat eine Führung, damit sich der Staat fortsetzen kann, und die Gläubigen sich nicht spalten sollen. Die Prophetengenossen kommen zu einem Konsens ( iğmāaa ), daß sie einen Führer brauchen, der die geistliche und weltliche Führung der Gemeinde übernimmt. Auch wenn dieser die göttliche Offenbarung nicht hat und den Propheten in seiner Prophetie nicht stellvertreten kann, so hat er doch noch das göttliche Wort, in der Form des Qurans, die durch auswendig Lernen und Rezitierung in der Zeit des Propheten bewahrt wurde, und der Sunnah des Propheten, d.h.: Das Beispiel des Handelns und des Lebens des Propheten nach der Richtschnur des Qurans. Der Führer des Staates soll Halifa benannt werden, welches die Prophetengenossen aus dem Quran ( Sure 2-31 und Sure 38-26.) entnehmen.2 Das Khalifat wird als ein Amt verstanden, es ist da um die weltlichen und geistlichen Belange der Ummah zu leiten. In seinem Amt ist der Khalif Imam ( Vorbeter ) und Sultan

( weltlicher Herr ), der nach der Scharia handeln soll. Unmittelbar nach dem Tod des Propheten und dem Konsens der Prophetengenossen, nach heftigen Debatten mit den medinensischen Ansār ( Helfer ) und trotz des Widerstandes des Saaad bin Ubada wird dem Prophetengenossen Abū Bakr zum Amt des Khalifen die Huldigung ( beyaa ) gegeben. Abū Bakr benennt sich selbst als Stellvertreter des Propheten Gottes ( halīfat rasūl Allāh ).3 Er übergibt viele Angelegenheiten des Khalifats an aUmar bin al-Haţţāb, den wir auch als Vezier ( wezīr, naib ) Abū Bakrs bezeichnen können. Vor seinem Tod( 634 ) bestimmt Abū Bakr, aUmar zu seinem Nachfolger ( aahd ) im Khalifatenamt. Nach der Amtsübernahme lässt sich aUmar als Befehlshaber der Gläubigen ( amīr al-muqminīn )titulieren.4 aUmar ist in seiner Amtsausübung prophetischer als der Prophet selbst. Er gründet viele Institutionen die wir in der späteren islamischen Verwaltung als selbstverständlich kennen, diese Institutionen sind alle dem Amt des Khalifen unterstellt. aUmar versteht es geschickt den islamischen Staat zu lenken. Er wird als ein Moralapostel angesehen. wegen seiner sehr berühmten gerechten Haltung, bekommt er von den Muslimen den Beinamen al-Fārūq. Zum Ende seiner Amtszeit ( 644 ) bestellt er ein Gremium, das aus sieben Männern besteht. Diese sollen einen unter sich zum Nächstfolgenden Khalifen wählen ( ihtiyār ). Mit einer Mehrheit von 3:2 Stimmen gegenüber aAlī bin Abī Talib wird aUtmān bin Affān zum neuen Khalifen.5 Die ersten sechs Jahre seiner Amtszeit verlaufen glücklich. In den folgenden sechs Jahren wird ihm Amtsmissbrauch in der Form von Vetternwirtschaft vorgeworfen. Er betraut die Leitung vieler Provinzen an Personen die aus den Reihen seines eigenen Stammes der Banu Umayyah , die damit auch mit ihm verwandt sind. Die Unzufriedenheit mit aUtmān als Khalifen ist sehr groß. Er wird durch unbekannte Personen ( 656 ) ermordet. Nach der Ermordung aUtmāns bekommt aAlī bin Abī Talib die Huldigung zum Khalifen. Mit dem Recht die Ummah geistlich und weltlich zu verwalten wird ihm auch eine Bedingung gestellt. Diese Bedingung wird vom Stamm aUtmāns der Banū Umayya aufgestellt, insbesondere von dem lang-jährigen Stadthalter von Damaskus Muaāwiya bin Abī Sufyān, der die Führung der Banū Umayya inne hat. Sie bestehen auf das Vergeltungsrecht ( qissās ).6 Mit dem Vergeltungsrecht benutzt Muaāwiyah das islamische Recht gegen das Khalifat aAlīs. Zwischen beiden kommt es zum Krieg in Siffiyn ( 658 ). In dem Augenblick, wo aAlīs Truppen daran sind das Söldnerheer des Muaāwiyahs zu besiegen, wendet der Eroberer Ägyptens, aAmr ibn al aĀs, der an der Seite Muaāwiyahs kämpft eine Kriegslist an. Er lässt Qurane an die Spitzen der Lanzen der Krieger des Muaāwiyah anbringen. Er sagt, daß zwischen den Muslimen kein Blut vergossen werden soll. Der Quran soll zwischen beiden Fraktionen das, Schiedsspruch fällen. aAlī akzeptiert den Vorschlag des aAmr ibn al aĀs. Mit der Einwilligung zum Schiedsspruch verliert aAlī die Unterstützung einiger seiner Kampfgenossen. Sie vertreten den Standpunkt, daß aAlī das Recht auf das Khalifatenamt mit der Einwilligung zum Schiedsspruch verliert. Sie sind der Meinung daß aAlī Unrecht begeht. Er ist zwar der rechtmäßige Khalif aber er verliert das Khalifatenamt, weil er in dem Augenblick des Rechtes auf den Vorschlag des Unrechttuenden eingeht, damit begeht er selbst Unrecht. Sie setzen sich von aAlī ab und werden Hariğiten genannt.7 Im Schiedsspruch bekommt Muaāwiyah, durch eine weitere List aAmr ibn al aĀs das Recht zugesprochen im Recht-und aAlī im Unrecht gehandelt zu haben. Trotzdem kann Muaāwiyah sich gegenüber aAlī nicht durchsetzen. 661 wird Alī im Auftrag der Hariğiten von Ibn Mulğam ermordet. Die Hariğiten wollen am selben Tag aAlī in Kufa, Muaāwiyah in Damaskus und aAmr ibn al aĀs in Kairo umbringen, nur Ibn Mulğam glückt der Auftrag aAlī zu töten. aAlīs älterer Sohn Hasan bekommt nach der Ermordung eeines Vaters die Huldigung für das Khalifat. Er macht mit Muaāwiyah ein Vertrag Er verzichtet zu Gunsten Muaāwiyahs auf das Khalifat um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Muaāwiyah wird zum Khalifen. Er bekommt noch zu Lebzeiten die Huldigung für seinen Sohn Yazīd. Muaāwiyah gründet begünstigt durch das Khalifenamt die arabisch-islamische Dynastie der Omajaden. In der Ummah gibt es neben den Hariğiten noch andere Kräfte die das Khalifat der Omajaden nicht anerkennen. Diese Gegenbewegungen werden von dem zweiten Sohn aAlīs, Huseyn und seiner Šīaa ( Partei ) getragen. Huseyn wird 680 im Auftrag Yazīds in Kerbala umgebracht. Unmittelbar darauf erklärt aAbdallāh bin az-Zubair in Mekka sein Khalifat, das bis 692 mit der Eroberung Mekkas durch Hağğāğ, dem Stadthalter des aAbd al-Malik, und der Ermordung des aAbdallāh bin az-Zubair aufhört. Im Jahr 750 verliert die omajadische Dynastie das Khalifat gegen die Abbasiden.

Die Abbasiden entspringen aus dem Hause aAbbās der ein Onkel des Propheten ist. Die Brüder as-Saffāh und al Mansūr werden bei ihrem Kampf gegen die Omajaden von den persischen Mawalī ( Schutzbefohlene ) unter der Führung des Abū Muslim al- Hurasānī unterstützt. Auch die Abbasiden gründen eine Dynastie. Der Unterschied zu den Omajaden ist, daß die Abbasiden, die Feinde der Omajaden, die Schiiten etwas freundlicher behandeln, sie tolerieren und in Dialog mit ihnen treten. Die Schia sieht in aAlī bin Abi Talib, den Schwiegersohn des Propheten den rechtmäßigen Khalifen anstelle Abū Bakrs, aUmars und aUthmāns. Und die Nachkommen aAlīs, die die Enkelsöhne des Propheten sind, sind auch Nachfolger aAlīs im Khalifat.9 Demgegenüber erwidern die Abbasiden, daß das Erbe eines Mannes ( des Propheten ) seinem Onkel zusteht und nicht einem Schwiegersohn und seinem Nachfahren. Obwohl nach den ersten vier rechtgeleiteten Khalifen ( al-hulafa ar-rašidīn ) das Kha1ifat der Omajaden und auch das Khalifat der Abbasiden Dynastien sind, haben sie für die Ummah weltliche und geistliche Gültigkeit. Das Auftreten der Bujiden im Jahre 945 in Bagdad stellt für die Geschichte des Khalifats eine Zäsur dar. Die Bujiden werden ab 945 zu den Amir al-aUmera der Khalifen, sie werden zu den Schutzpatronen ( Hausmeier) des Khalifats. Das Khalifat verliert damit seinen Anspruch weltliche Führung zu sein. Der Institution des Khalifats bleibt nur noch der Anspruch, die geistliche Führung der Ummah zu sein. Außerdem ist es der Ort wo die weltlichen Herren ihre Titel verleiht, und ihre Insignien in der Form von Gewändern

bekommen. Das merkwürdige am Schutze des Khalifats das sunnitisch ist, durch die Bujiden ist, daß die Bujiden zaiditische Schiiten sind.10 Begründet ist der Machtverlust der Abbasiden darin, daß die Abbasiden die militärische Macht verloren haben, des weiteren sich in den Grenzen des islamischen Bodens Dynastien entstanden sind. Es ist daneben noch das Gegegenkhalifat einer schiitischen Form, der ismailitischen Fatimiden in Nordafrika, als sehr ernst zu nehmender Konkurrent entstanden. Um sich gegenüber diesem politischen Umfeld behaupten zu können, bieten sich die Bujiden als akzeptable Partner an. Diese Partnerschaft ist aber zu Ungunsten der Khalifen gestaltet. Unwillige Khalifen die nicht bereit sind Konzessionen zu machen setzen die Bujiden ab.11 Um die Herrschaft der Bujiden im Rahmen des Erträglichen zu halten, geben die Khalifen den Nachbarn der Bujiden auch weltliche Titel, wie den Samaniden, den Karahaniden und den Ghaznaviden.12

Die Herrschaft der Bujiden in Bagdad bleibt bis zum Auftreten der türkischen Seldchukken ( 1055 ) bestehen.

2. Die Entstehung des Seldschukkenreichs

Die Seldschukken sind eine Familie der Kïnïk Sippe das aus 24 Sippen bestehenden Oghus Stammes. Unter diesen Sippen sind auch die Ğïģïl und Karluq, die die Karahanidische- bzw. Ghaznavitische Dynastien gründen. Der Stammvater der Seldschukken, Dukak ist in Mavaraannahr ( Transoxeanien ) im Dienste des oghusischen Yabku ( Fürst) als Subašï ( Ober-

befehlshaber des Militärs )tätig. Sein Sohn Seldchukk tritt auch in die Dienste des Yabku ein. Er ist ein fähiger Heeresführer. Eines Tages setzt sich Se1dschukk unaufgefordert neben dem Yabku. Die Frau des Yabku weist ihren Mann auf die Tollkühnheit des Seldschukk hin, der für den Yabku gefährlich sein könnte, wenn er weiterhin im Dienst bleibt. Die Popularität Seldschukks unter den Oghusen ( Türkmenen ) ist so groß, daß der Yabku ihn als Rivalen sieht.13 Das kommt daher, daß die Führung unter den Oghusen nicht vererblich ist. Nur ein sehr starker Yabku kann seinen eigenen Sohn oder einen seiner nahen Verwandten zum Yabku designieren, ansonsten ist der Yabkutitel nur durch Tapferkeit und gute Eigenschaften zu erringen. Der Yabku hat sehr viele Pflichten als Anführer der Oghusen aber weitgehende Kompetenzen stehen ihm nicht zu. Er ist der Erste unter Gleichen, d.h.: Er kann sich nur auf seine Hausmacht verlassen, diese sind aus seiner eigenen Sippe. Die anderen Sippenführer können ihm jederzeit die gegebene Huldigung aufkündigen.14 Um sich von der Konkurrenz zu befreien lässt der Yabku Seldschukk verfolgen. Seldschukk flüchtet von seinem Sitz in Balasagun nach Ğand. Er flieht von der heidnischen- zur islamischen Welt. Hier tritt er geschlossen mit seiner Familie zum Islam über. Hier avanciert er sich wiederum. Ğand ist zwar eine muslimische Stadt, aber dem heidnischen oghusischen Yabku tributpflichtig. Seldschukk versagt den Steuereinsammler des Yabku aus Ğand, wodurch er in der unmittelbaren muslimischen Nachbarschaft berühmt wird.15 Wegen der Knappheit ihrer Weideplätze bieten die nomadisierenden Seldschukken ihre Dienste als Grenzkämpfer des Islams an, in der Hoffnung genug Weideplätze für ihre Herden zu finden. Sie kommen unter der Führung des Arslan Yabku, dem zweiten Sohn Seldchukks nach Hwarazmien, wo sie in die Dienst der Karahaniden unter Harun eintreten. Sie bezwingen gemeinsam die Samaniden.16 Die Neffen Arslan Yabkus Muhammed Tuģrul Beg und Ğaģrï Dawud Beg, die Söhne des Mikail der der älteste Sohn Seldchukks ist, aber schon zu Lebzeiten seines Vaters gestorben ist, folgen ihrem Onkel in das karahanidische Reich nach. Dort werden sie dem Sultan Bugra Han zu gefährlich, so daß dieser ihnen nach ihrem Leben trachtet.

Die Seldschukken wandern nach Horasan aus, welches unter der Hoheit des ghaznavitischen Sultan Mahmūd steht. Mahmūd lädt Arslan Yabku nach Ghazna ein, welchem Arslan entspricht. Mahmūd lässt ihn gefangen nehmen, wo er auch stirbt. Aus Protest handeln Tuģrul und Ğaģrï Beg wider dem Sultan Mahmūd. Sie erobern Horasan. Sie teilen sich die Führung in den eroberten Gebieten in der Form des Triumvirats. Neben der Herrschaft der beiden Brüder wird auch die Herrschaft ihres jüngsten Onkels Musa Yabkus anerkannt. Die Oberhoheit übernimmt Tuģrul Beg.17 Masūd der Sohn des Mahmūd möchte die Seldschukken für ihre Abtrünnigkeit in Horasan bestrafen. Er zwingt sie zur Annahme des Krieges in Dandanqan ( 1040 ). Unverhofft verliert Masūd diesen Krieg. Mit dem unerwarteten Sieg über die ghaznavitischen Truppen, bekommen die Seldschukken ein Imperium in die Hände, welche in ihrer größten Ausdehnung von Transoxeanien bis nach Anatolien reicht. Nach dem Sieg über die Ghaznaviden wird der Khalif in Bagdad auf die Seldschukken aufmerksam. Da die Bujiden, die das Khalifat seit al-Muţī(945-974 ) kontrollieren, in ihren Kämpfen untereinander beschäftigt sind, die sie immer schwächer werden lassen, ergreift der Khalif al-Qāaim die Chance die unerwünschte Vormachtsstellung der Bujiden los zu werden. al-Qāaim bittet um die Hilfe Tuġrul Begs. Tuġrul Beg der seit 1038 sich Sultan benennt willigt ein, um die Bujiden aus Bagdad zu vertreiben. Durch diplomatischen Geschick versteht es Abū Kālīğār, der Machthaber der Bujiden in Bagdad, das Eindringen des Tuġrul Begs in Bagdad. Im Jahr 1055 kann der letzte Bujide in Bagdad al-Malik ar-Rahim den Einzug Tugrul Begs in Bagdad nicht mehr verhindern. Die Hutba wird im Namen des Khalifen al- Qāaim und Tuġrul Begs abgehalten. Neben dem Hutbarecht darf Tuġrul Beg auch den Titel des weltlichen Herren, Sultan tragen, den er schon vorher für sich beansprucht hatte. Mit dem Einmarsch Tuġrul Begs in Bagdad beginnt die Beziehung des abbasidischen Khalifats und des Seldchukkischen Sultanats, die bis 1194 währen soll.

3. Die Kooperation zwischen Khalifat und Sultanat

Der Khalif al-Qāaim sieht die Seldschukken als eine Schutzmacht die den Fortdauer des abbassadischen Khalifats gewährleisten sollen. Tuġrul Beg wird mit dem Titel Sultan beehrt der zuvor keinem Amir durch einen Khalifen gegeben wurde.17 Die Bujiden durften sich nur Amir al-aUmera benennen. Weiterhin bekommen die Seldschukken den Beinamen mit Dīn zugesprochen, während die Bujiden den Beinamen mit Dawla haben.17 Der Grund ist, daß die Seldschukken die Beschützer des sunnitischen Khalifats gegen den schiitisch-ismailitischen Khalifat in Ägypten und schiitisch-zaiditischen Bujiden werden. Die Seldscukken sind selbst, wie die Khalifen ihrer Zeit, Sunniten, und gehören der Rechtsschule( mazhab ) der Hanafiten an.18 Um eine Geste der Verbundenheit mit dem Khalifen zu zeigen, gewähren sie dem Amt des Khalifats einen Vezier. Dieses Amt wurde dem Khalifat durch die Bujiden entzogen. Die Seldschukken möchten nicht nur als Beschützer des Khalifats angesehen werden, sondern sie möchten Verwandtschaftsbande mit dem Khalifen knüpfen, damit ihre Macht sich konsolidiert. Die Tochter des Ğaġrï Begs wird mit al-Qāaim vermählt ( 1056 ). Trotz diesem starken Bündnis mit den Seldschukken passiert das wovor sich al-Qāaim fürchtet. Die ägyptischen Fatimiden unterstützen militärisch den türkischen Heeresführer des letzten Bujiden al-Malik ar-Rahim in Bagdad, Arslan Besasīrī. Dieser besiegt den šahna ( militärischer Befehlshaber ) der Seldschukken in Bagdad. Er nimmt den al-Qāaim als gefangenen und läßt die Hutba im Namen des fatimidischen Khalifen al-Mustansir vortragen. Mit der Hutba ändert sich auch das Gebetsaufruf vom sunnitischem- zum schiitischem Gebetsaufruf.19

4. Die Konsolidierung der seldschukkischen Macht in Bagdad

Tuġrul Beg bleibt nach seiner Ankunft 18 Monate in Bagdad. Während dieser Zeit darf er den Khalifen nicht ein einziges Mal sehen. 1056 muss Tuġrul Beg nach Nordirak und Südostanatolien um die Aufständigen arabischen Stämme zu bekämpfen. Auch sein Halbbruder Ibrāhīm Inal der, der Sohn des Yūsuf Inal ist, dieser ist der dritte Sohn Seldschukks, rebelliert gegen Tuġrul Beg. Er wird zur Rebellion von den Fatimiden verleitet. Die Fatimiden fUrchten sich vor einem großseldschukkischen Reich, da sie sich als Nachbarstaat um ihre Existenz bedroht sehen. Ein schwächeres seldschukkisches Reich ist in ihrem Interesse, deshalb sagen sie Ibrāhīm Inal Hilfe zu.20 1058 marschiert Tuġrul Beg nach Mussul um seinen Halbbruder zum Gehorsam zu bringen. Ibrāhīm Inal bittet um Verzeihung, was ihm gewährt wird. Bei seinem nächsten Aufstand in Rayy ( 1059 )wird ihm nicht mehr verziehen, er wird nach türkisch-mongolischer Art hingerichtet.21 Nach der Auseinandersetzung mit seinem Bruder kommt Tuġrul Beg nach Bagdad zurück und lässt den Besasīrī töten. al-Qāaim wird von der Gefangenschaft befreit und wieder als Khalif eingesetzt.

Für die weitere Konsolidierung seiner weltlichen Macht lässt sich Tuġrul Beg etwas unerhörtes Einfallen. Er wirbt um die Hand der Khalifentochter. Al-Qāaim ist damit nicht einverstanden. Durch eine List des Veziers aAmid al-Mulk al-Kundūrī wird der Khalif genötigt seine Zustimmung für die Vermählung zu geben. Die Vermählung findet 1062 statt. Das Ziel Tugrul Begs ist nicht die Vollziehung der Ehe, sondern neben der Konsolidierung seiner Macht die Ehre zu bekommen mit der Tochter des Khalifen verheiratet- und mit dem Khalifen verwandt zu sein.22

5. Die Seldschukken am Zenit ihrer Macht

Tuġrul Beg stirbt im Jahre 1063 ohne einen Erben zu hinterlassen. Die türkischen Amire einigen sich auf die Wahl des Neffen Tuġrul Begs und dem Sohn Ğaġrï Begs, auf Alparslan, zum neuen Sultan. Mit dem neuen Sultan kommt auch ein neuer Vezier zum Vezirat des Sultans, Nizām al-Mulk, der seinen Vorgänger al Kundūrī umbringen läßt.23

Die Prinzen des Hauses Seldschukk möchten jeder für sich die Macht gewinnen. Es ist üblich bei den Türken Aufstände gegen den Herrscher zu machen, nur der Stärkste und zugleich der Gütigste hat das Recht zu herrschen.24 Der Großonkel Alparslans Mūsā Yabku und seine Söhne und Alparslans Bruder Kawurd, der in Kirman selber ein Reich gegründet hat ( 1048 ),die Kirmanšāh, Tekiš und Süleymānšāh, dem Tuġrul Beg sein Reich hinterlassen wollte.25 Alparslan besiegt sie alle, aber statt sie zu liquidieren belässt er alle in ihren Iqtāaländereien, womit Alparslan die vom Herrscher verlangte Güte zeigt, deshalb rebelliert kein seldschukkischer Prinz mehr gegen ihn bis zu seinem Tod (1072 ).

Im Jahre 1071 gelingen Alparslan zwei Coups. Er verheiratet seine Tochter mit dem Enkel al-Qāaims dem nächstfolgenden Khalifen al-Muqtadī. Das historisch bedeutendere Ereignis ist jedoch die Vernichtung des byzantinischen Heeres bei Manzekert ( Malazgird ). Damit eröffnet er den Türken den Weg zur Eroberung und Besiedelung Anatoliens. Mit diesem Sieg über den byzantinischen Kaiser wird er noch berühmter in der islamischen Welt. Dadurch können sich die Seldschukken noch stärker als Protektoren des Bagdader Khalifs zeigen.26

Alparslan hinterlässt seinem Sohn Melikšāh ein gefestigtes Reich. Jedoch findet dieser zum Anfang seiner Herrschaft keine Ruhe. Ihm wird der Thron streitig gemacht. Seine Brüder lehnen sich gegen ihn auf, die er schnell mit der Hilfe seines Veziers Nizām al-Mulk und seinem stehenden Heer, aus Mamluken bestehend besiegen kann. Auch der Onkel Kavurd möchte die Macht an sich reißen. Aus Machtpolitik bringt er den türkischen Standpunkt zum Erbe in die Diskussion mit Melikšāh. Er meint, daß er als der älteste lebende Bruder Alparslans das Recht habe seinen Bruder zu beerben. Melikšāh erwidert ihm aus der islamischen Sicht. Er meint, daß das Erbe eines Vaters dem Sohne zukommt und nicht dem Bruder.27 Kavurd kann sich gegenüber Melikšāh nicht durchsetzen. Auch der Khalif al-Muqtadī muss die Macht des Sultans spüren. Melikšāh verheiratet seine Tochter Mahmelek Hatun ( 1087 ) mit dem Khalifen. Aus dieser Ehe wird Abu al-Fadl Ğafar geboren(1088). Mahmelek Hatun kommt nach einem Streit mit al-Muqtadī zu ihrem Vater nach Merw. Um al-Muqtadī wegen seiner Handlung zu bestrafen kommt Melikšāh nach Bagdad. Um sich seines Lebens sicher zu sein muss al-Muqtadī aus seinem Palast umziehen.28 Hier sehen wir den Gegensatz des Khalifats al-Qāaims und des al-Muqtadī. Al-Qāaim konnte es sich erlauben 1055 Tuġrul Beg während seines Aufenthalts in Bagdad das 18 Monate dauerte, nicht einmal zu sich zum Palast zu einladen. Al-Qāaim handelt aus der Position der Stärke, da die Seldschukken das Protektorat des Khalifats erst neu in die Hände bekommen haben. Im Gegensatz dazu wird al-Muqtadī, nur weil er Streit mit seiner Frau hat aus dem Khalifatspallast vertrieben. In diesem Augenblick möchte Melikšāh nicht nur Stärke demons- trieren, sondern es liegt auch eine handfeste politische Ursache darin. Al-Muqtadī hat neben Abū al-Fadl Ğāfar noch ältere Söhne von anderen Gattinnen. Melikšāh möchte das al-Muqtadī, Abū al-Fadl als Nachfolger im Khalifatenamt designiert.30 Der Grund dafür ist sehr plausibel. Es geht nicht nur um die Liebe zu seinem Enkelsohn sondern auch um Machtpolitik. Melikšāh sieht durch seinen Enkelsohn die Chance bewahrt, das der zukünftige Khalif mütterlicherseits aus dem Hause Seldschukk stammt, dann würde eine sehr enge verwandtschaftliche Beziehung zwischen Khalifat und Sultanat existieren, welches den Seldschukken in der Ausübung ihrer Macht nur Vorteile bringen würde. Melikšāh kommt nicht mehr dazu seine Absicht in die Tat umzusetzen. Er stirbt 1092 in Bagdad. Zwei Monate später folgt ihm Nizām al-Mulk nach. Er wird von Baţiniden ermordet.

[...]

Fin de l'extrait de 52 pages

Résumé des informations

Titre
Das Khalifat in der Seldschukkenzeit
Université
Free University of Berlin  (Arabistik)
Cours
Arabische Historiographie
Note
2
Auteur
Année
1995
Pages
52
N° de catalogue
V121230
ISBN (ebook)
9783640262076
ISBN (Livre)
9783640262298
Taille d'un fichier
3894 KB
Langue
allemand
Mots clés
Khalifat, Seldschukkenzeit, Arabische, Historiographie
Citation du texte
Fahri Özkul (Auteur), 1995, Das Khalifat in der Seldschukkenzeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121230

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