Wirnt von Grafenberg hat Anfang des 13. Jahrhunderts mit Wigalois einen höfischen Versroman geschaffen, der zu den Artusromanen zählt und auf den altfranzösischen Bel Inconnu basiert. Er erfreut sich damals wie heute großer
Beliebtheit. Wigalois ist ein junger Ritter, welcher am Artushof vom tugendreichen Gawein höfisch gebildet wird. Die Botin Nereja erreicht den Hof und bittet im Auftrag der Königstochter Laire um Hilfe. Nach ein paar kleineren Aventiuren erreicht der junge Ritter das Land Korntin, welches er von dem Heidenkönig Roaz befreit, wodurch er die Hand Laires und die Herrschaft über Korntin erlangt. Wigalois bekommt zur Erfüllung seiner Aufgabe eine Reihe an magischen und wundersamen Gegenständen an die Hand gegeben, welche ihm helfen sollen das Reich zu befreien.
Wirnt von Grafenbergs Roman ist durchzogen von magischen Wesen und Dingen. Unter anderem die Wunderblume aus König Lars Paradiesanger, das Zauberbrot der Laire sowie die von einem Engel überreichte Lanze. Auf diese drei Gegenstände soll sich die Analyse beschränken. Diese stehen aber stellvertretend für andere magische
Hilfsmittel, die Wigalois auf seiner Reise erlangt. Alle haben in der Korntin-Glois- Episode verschiedene und gemeinsame narrative Funktionen.
Zunächst soll der Begriff des Wunderbaren definiert werden. Hierzu beziehe ich mich auf die Begriffserläuterung von Jutta EMING, da sie Ideen von u.a. Le Goff und Wehrli berücksichtigt und erweitert und einen besonderen Fokus auf die Anwendbarkeit bei Romaninterpretationen legt. Anschließend wird auf die Akteur-Netzwerk-Theorie und auf Thesen von Latour eingegangen. Es ist der Versuch mit einer modernen soziologischen Dingtheorie einen mittelalterlichen Roman zu fassen und über diesen Ansatz eine weitere Bedeutungsebene der magischen Hilfsmittel zu erschließen. Bei
der Analyse der genannten Dinge werden anschließend auch Interpretationen von Linden und Selmayr betrachtet, welche sich beide mit den wundersamen Dingen im Wigalois intensiv befasst haben. Dabei verfolgen beide einen dingtheoretischen Ansatz.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Wunderbare
- Akteur-Netzwerk-Theorie nach Bruno LATOUR
- Über die Wirkung und Funktion der magischen Hilfsmittel des Wigalois
- Wunderbrot
- Zauberblüte
- Lanze
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der vorliegende Text analysiert die magischen Hilfsmittel in Wirnt von Grafenbergs höfischem Versroman Wigalois. Ziel ist es, die Bedeutung dieser Gegenstände im Kontext der Erzählung zu beleuchten und ihren Einfluss auf den Handlungsverlauf zu untersuchen. Dabei werden verschiedene Perspektiven auf das Wunderbare in der Literatur des Mittelalters betrachtet, insbesondere im Hinblick auf die Akteur-Netzwerk-Theorie von Bruno LATOUR.
- Das Wunderbare als literarisches Konzept
- Die Rolle magischer Hilfsmittel in der mittelalterlichen Literatur
- Die Anwendung der Akteur-Netzwerk-Theorie auf literarische Figuren und Objekte
- Die narrative Funktion von magischen Gegenständen im Kontext von Wigalois
- Die Interaktion von Menschen und Objekten in der Erzählung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Werk Wigalois von Wirnt von Grafenberg und den jungen Ritter Wigalois vor, der auf seiner Reise zahlreiche magische Gegenstände erhält. Der Text konzentriert sich auf die Analyse von drei dieser Gegenstände: dem Wunderbrot, der Zauberblüte und der Lanze. Die Analyse bezieht sich auf die Definition des Wunderbaren nach Jutta EMING, die Ideen von LE GOFF und WEHRLI berücksichtigt.
Im Kapitel "Das Wunderbare" wird der Begriff des Wunderbaren definiert und seine Ambivalenz im religiösen Kontext hervorgehoben. EMING betont die Bedeutung des Orients als jenseitiger Ort des Wundersamen und die Bedeutung des Kontrasts zur Wirklichkeit, um die Wirkung des Wunderbaren zu verstärken. WEHRLI ergänzt die Definition des Wunderbaren als Atmosphäre und Stimmung, die auf die moralische Wertigkeit zwischen Gut und Böse hinweisen kann.
Das Kapitel über die Akteur-Netzwerk-Theorie von Bruno LATOUR stellt die Kerngedanken der Theorie vor. LATOUR bricht mit traditionellen Definitionen des Sozialen und betont die Bedeutung von nichtmenschlichen Entitäten in der Konstruktion sozialer Strukturen. Er beschreibt die kurzlebigen Beziehungen zwischen Menschen und Objekten als Netzwerke, die in bestimmten Momenten ein Kollektiv bilden.
Schlüsselwörter
Der Text befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Wunderbares, magische Hilfsmittel, Akteur-Netzwerk-Theorie, Bruno LATOUR, Wirnt von Grafenberg, Wigalois, narrativer Kontext, Dingtheorie, mittelalterliche Literatur, emotionale Prozesse, religiöser Kontext, Orient, Kontrast zur Wirklichkeit, atmosphärische Qualität, sozialer Kontext, menschliche Interaktion, nicht-menschliche Entitäten, Netzwerk, Kollektiv.
- Quote paper
- Fabian Hirschfeld (Author), 2021, Wunderblume, Zauberbrot und Lanze. Welche narrative Funktion haben die magischen und wundersamen Hilfsmittel des Wigalois?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1214363