Der Neorealismus nach Kenneth Waltz und Neue Kriege


Essai, 2008

14 Pages, Note: 1.0


Extrait


Gliederung

Fragestellung

Einleitung

Wandel des Krieges seit dem Kalten Krieg

Der Neorealismus

Anwendbarkeit des Neorealismus auf die neuen Kriege

Fazit

Literatur

Fragestellung

Seit Ende der 1990er führt die politikwissenschaftliche Teildisziplin der Internationalen Beziehungen eine Diskussion um so genannte „neue Kriege“. Skizzieren Sie kurz den empirischen Wandel des Krieges seit dem Kalten Krieg. Zeigen Sie kurz anhand einer von Ihnen gewählten Theorie, wie während des Kalten Krieges der Ausbruch von Kriegen erklärt wurde. Kann diese Theorie auch etwas zur Erklärung der neuen Kriege beitragen? Erläutern Sie kurz Ihre Meinung.

Einleitung

Mit dem Ende des Kalten Krieges setzte auch weltweit die Hoffnung auf ein friedlicheres Zeitalter ein. Friedens- und Konfliktforscher erwarteten, dass mit dem Wegfall der Blockkonfrontation die Möglichkeit bestünde, Kriege effektiver zu befrieden oder von vornherein zu verhindern. In der Realität fanden jedoch bereits bis Mitte der 1990er Jahre eine Reihe von Kriegen statt, die mit großer Gewaltintensität und weitreichenden Folgen waren, wie etwa die jugoslawischen Zerfallskriege und besonders der Bosnienkrieg. Zu schwache, zerfallende Staaten stellten neue Krisenherde dar. Als Beispiel für viele weitere sind etwa die Kriege in Somalia und Ruanda zu nennen. Die täglichen Nachrichten über Terroranschläge, Gräueltaten und Flüchtlingsströme beschildern veränderte Formen kriegerischer Gewalt. In der politikwissenschaftlichen Teildisziplin der Internationalen Beziehungen ist eine Debatte darüber entbrannt, ob der Krieg seit dem Ende des Ost-West-Konflikts in den 1990er Jahren eine „neue“ Gestalt angenommen hat. Für Friedensforscher wie Herfried Münkler und Mary Kaldor ist der klassische Staatenkrieg, der die Szenarien des Kalten Krieges noch weithin geprägt hat, zu einem „historischen Auslaufmodell“[1] geworden. Diese Arbeit skizziert den Wandel kriegerischer Gewalt in Bezug auf die Akteure, die Finanzierung, die Ziele und die Strategien der Akteure in diesen Kriegen.

Eine der führenden Erklärungsansätze des Kalten Krieges war Kenneth Waltz’ Neorealismus. Laut Waltz blieb der Ost-West-Konflikt – zumindest in Europa – friedlich, weil das bipolare Gleichgewicht der beiden Hegemonialmächte USA und Sowjetunion für Stabilität in der naturgemäß anarchischen Struktur des internationalen Systems sorgte. In dieser Arbeit soll die Theorie von Waltz vorgestellt werden und anschließend darauf untersucht werden, ob sie etwas zur Erklärung der neuen Kriege beitragen kann. Abschließend erfolgt eine Bewertung der Erkenntnisse und ein kurzes Fazit.

Wandel des Krieges seit dem Kalten Krieg

Die meisten Kriege und Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konflikts fanden in Afrika, Asien sowie dem Vorderen- und Mittleren Orient statt. Generell ist im Zeitverlauf ein deutlicher Rückgang der Zahl der innerstaatlichen Kriege nach 1992 zu verzeichnen[2], der aber nicht gleichbedeutend mit dem Ende von Gewalt ist. Seit 1994 liegt die Anzahl innerstaatlicher Konflikte mittlerer Intensität deutlich über jenen von Kriegen und nimmt seit 2001 überproportional zu.[3]

Münkler und Kaldor beschreiben eine neue Form von Krieg, in der eine zunehmende Privatisierung von Gewaltakteuren, eine Kriminalisierung ihrer Gewaltökonomien, eine Ökonomisierung ihrer Gewaltmotive sowie eine Brutalisierung der Gewaltstrategien zu beobachten ist. Für diesen neuen Typus hat sich der Terminus „neue Kriege“ in der Friedens- und Konfliktforschung etabliert. Damit soll deutlich gemacht werden, dass ein grundsätzlicher Wandel des Krieges stattgefunden hat.

Typisch für die neuen Formen des Krieges ist demnach eine Entstaatlichung und Privatisierung der Gewaltakteure. Immer mehr private, para- oder nichtstaatliche Gewaltakteure drängen in das Kriegsmonopol des Staates. Durch die Überschwemmung der Konfliktregionen mit billigen Waffen ist die Schwelle der Kriegsführungsfähigkeit in einer Weise abgesenkt worden, dass sie von zahllosen Gruppierungen überschritten werden kann.[4] Zerfallene Staatsstrukturen begünstigen diesen Prozess. Während sich in klassischen Bürgerkriegen die staatlichen Einheiten häufig mit nur einer Rebellenbewegung bekämpft haben, finden sich in den neuen Kriegen häufig eine Vielzahl von Gewaltakteuren. So sind auf Seiten der staatlichen Streitkräfte häufig Paramilitärs, Milizen und private Sicherheits- und Söldnerfirmen zu finden, die sich zunehmend der Kontrolle des Staates und der Armee entziehen. Auf Seiten der Rebellenbewegungen beteiligen sich immer mehr dezentral operierende privatisierte Kampfverbände am Krieg, wie etwa gewöhnliche Kriminelle, Guerillagruppen unter der Befehlsgewalt lokaler Warlords oder internationale Terrornetzwerke. Die Fragmentisierung und Dezentralisierung der Gewaltakteure ist weiter fortgeschritten und einzelne Einheiten agieren zunehmend unabhängig voneinander, sodass sich, wie etwa in Bosnien, unterschiedliche Kampfverbände bekriegen.[5]

Darüber hinaus hat sich die Ökonomie dieser Kriege gewandelt. Basierten die externen Versorgungsstrukturen der Gewaltakteure zu Zeiten der bipolaren Weltordnung noch auf der Unterstützung durch die beiden Supermächte, müssen sich die Gewaltakteure seit dem Ende des Kalten Krieges immer mehr als Gewaltunternehmer betätigen. Münkler und Kaldor sprechen von einer neuartigen Gewaltökonomie bzw. einer neuen Kriegswirtschaf, in der die Finanzierung des Krieges – anders als in den klassischen Staatenkriegen – ein wichtiger Aspekt der Kriegsführung ist. Für Gewaltakteure ist Gewalt - wie etwa für die Taliban in Afghanistan - ein Geschäft geworden. Dieses Geschäft ist gekennzeichnet durch eine Kriminalisierung der internen sowie externen Versorgungsstrukturen der Gewaltakteure. Während die interne Versorgung in den klassischen Kriegen häufig auf der Unterstützung durch die Bevölkerung basierte, für deren Anliegen die Rebellen vielfach im Rahmen des Ost-West-Konflikts zu kämpfen behaupteten, stützt sie sich in den neuen Bürgerkriegen auf kriminelle Aktivitäten.[6] Die Kriegsparteien finanzieren sich durch gewaltsame Plünderungen der Zivilbevölkerung, Geiselnahmen, Schmuggel und das Abpressen von Hilfsgütern der UNO oder von Nichtregierungsorganisationen (NROs).[7] Als externe Finanzierungs­möglichkeit kommen Finanztransaktionen von Diasporagemeinden und vor allem der Handel und Schmuggel mit Rohstoffen und illegalen Gütern hinzu. So werden weltweit insbesondere Edelsteine (UNITA in Angola), Drogen (FARC in Kolumbien) oder Edelhölzer (Rote Khmer in Kambodscha) veräußert, um die für den Fortgang des Krieges erforderlichen Ressourcen zu beziehen.[8] Hierbei gehen die Kriegsherren enge Verbindungen mit der transnational organisierten Kriminalität ein und sichern sich somit ihre Versorgung. Darüber hinaus werden internationale Konzerne in den Konfliktgebieten tätig, um aus den zerfallenen Staatsstrukturen Gewinne zu ziehen.[9] Im Rahmen der internationalen Verflechtung der Ökonomien docken Bürgerkriegsökonomien an Friedensökonomien an, wodurch eine transnationale Gewaltökonomie – eine globale Schattenwirtschaft – entsteht.[10]

Mit der Form der Finanzierung verschieben sich auch die Gewaltmotive dieser Akteure. Der Zufluss aus den externen Quellen lässt sich nur durch fortgesetzte Gewalt aufrechterhalten, so dass die Funktionsweise der Wirtschaft mit einer Kriegslogik bestückt wird.[11] War Gewaltanwendung während des Kalten Krieges meistens identitätsbezogen oder ideologisch motiviert, so tritt heute die ökonomisch motivierte Gewalt in den Vordergrund, wie etwa in Kolumbien. Die Gewaltakteure bedienen sich häufig nur einer ideologischen oder identitätsbezogenen Rhetorik, die als Deckmantel für ihre ökonomischen Gewaltmotive und besonders für die Selbstbereicherung der Kriegsakteure dient. Krieg dient als Selbstzweck und der Wille zur politischen Herrschaft tritt in den Hintergrund, wobei die Grenze zwischen Erwerbsleben und Gewaltanwendung verschwindet.[12] Münkler geht sogar soweit, die „rauschhafte Gewaltausübung um ihrer selbst Willen“[13] als Gewaltmotiv zu definieren .

[...]


[1] Münkler 2002a: 7

[2] Von 53 innerstaatlichen Kriegen (von 55 Kriegen insgesamt) im Jahr 1992 auf 28 im Jahr 2005. Quelle: Schwank 2007, nachzulesen unter http://www.bpb.de/themen/7U54R1.html, besucht am 16.12.2007

[3] vgl.: Schwank 2007, nachzulesen unter http://www.bpb.de/themen/7U54R1.html, besucht am 16.12.2007

[4] vgl.: Münkler 2004: 181

[5] vgl.: Heupel/Zangl 2004: 250-51 sowie Mathis 2007: 46

[6] vgl.: Heupel/Zangl 2004: 251-52

[7] vgl.: Kaldor 2007: 9 sowie Mathis 2007: 47

[8] vgl.: Mathis 2007: 47

[9] vgl.: Münkler 2002b, nachzulesen unter http://www.boell.de/downloads/presse/pm_muenkler.pdf, besucht am 22.12.2007

[10] vgl.: Heupel/Zangl 2004: 251-52

[11] vgl.: Kaldor 2007: 28

[12] vgl.: Heupel/Zangl 2004: 253-54

[13] Münkler 2002a: 111-12

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Der Neorealismus nach Kenneth Waltz und Neue Kriege
Université
University of Applied Sciences Bremen
Cours
Voraussetzungen aktueller Probleme der Weltpolitik
Note
1.0
Auteur
Année
2008
Pages
14
N° de catalogue
V121514
ISBN (ebook)
9783640262472
ISBN (Livre)
9783640262496
Taille d'un fichier
450 KB
Langue
allemand
Annotations
Seit Ende der 1990er führt die politikwissenschaftliche Teildisziplin der Internationalen Beziehungen eine Diskussion um so genannte „neue Kriege“. Die Arbeit skizziert kurz den empirischen Wandel des Krieges seit dem Kalten Krieg. Die Arbeit zeigt anhand der Theorie Kenneth Waltz, wie während des Kalten Krieges der Ausbruch von Kriegen erklärt wurde. Kann diese Theorie auch etwas zur Erklärung der neuen Kriege beitragen?
Mots clés
Neorealismus, Kenneth Waltz, Neue Kriege, Mary Kaldor, Münkler
Citation du texte
BA Mara Drochner (Auteur), 2008, Der Neorealismus nach Kenneth Waltz und Neue Kriege, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121514

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Titre: Der Neorealismus nach Kenneth Waltz und Neue Kriege



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