Mit dem angesprochenen, in der Literatur üblicherweise als erster Chattenkrieg bezeichneten Feldzug Domitians möchte sich diese Arbeit befassen. Dabei sollen die Fragen der Datierung, des Verlaufes und der geographischen Verortung dieser Kampagne ebenso Behandlung erfahren, wie die hinter dem militärischen Engagement stehenden Motive des Princeps und die bereits angesprochene Bewertung durch die antike Geschichtsschreibung und Literatur. Die besondere Relevanz des gewählten Themas ergibt sich daraus, dass Domitians Feldzug gegen die Chatten nicht nur für die Beziehungen der Römer und dieses Stammes zueinander, sondern auch für die römische Germanienpolitik im Allgemeinen „von zentraler Bedeutung“ ist, sind hier doch Lösungen für seit langem offene Fragen gefunden und eine Strategie für die weitere Entwicklung in der Rheinregion begründet worden.
1. Einleitung
„Frater Idumaeos meruit cum patre triumphos, quae datur ex Chattis laurea, tota tua est.“[1]
Mit diesen Zeilen lobt der Dichter Martial den Feldzug des flavischen Princeps Domitian gegen den germanischen Stamm der Chatten. Sein Epigramm will damit eine Analogie herstellen zwischen dem Chattenkrieg Domitians und dem für Vespasian so wichtigen Sieg über die Aufständischen in Judäa, mit dem das Herrscherhaus recht früh seine Leistungsfähigkeit hatte demonstrieren können.[2] In den Augen des Hofdichters sei der im Chattenland erworbene Siegeslorbeer in seiner Wertigkeit sogar noch über dem strahlenden Triumph des Titus einzuordnen, da Domitian ihn alleine errungen habe und so weder dem Vater noch dem illustren Bruder als Heerführer nachstehe. Diese Bewertung durch den zur schmeichelnden Hofpoesie zu zählenden Dichter Martial stellt eine bemerkenswerte Ausnahme dar, ist doch dem letzten Herrscher der flavischen Dynastie gegenüber „die antike Überlieferung [...] fast ohne Ausnahme feindlich eingestellt.“[3]
Mit dem angesprochenen, in der Literatur üblicherweise als erster Chattenkrieg bezeichneten Feldzug Domitians möchte sich diese Arbeit befassen. Dabei sollen die Fragen der Datierung, des Verlaufes und der geographischen Verortung dieser Kampagne ebenso Behandlung erfahren, wie die hinter dem militärischen Engagement stehenden Motive des Princeps und die bereits angesprochene Bewertung durch die antike Geschichtsschreibung und Literatur. Die besondere Relevanz des gewählten Themas ergibt sich daraus, dass Domitians Feldzug gegen die Chatten nicht nur für die Beziehungen der Römer und dieses Stammes zueinander, sondern auch für die römische Germanienpolitik im Allgemeinen „von zentraler Bedeutung“ ist, sind hier doch Lösungen für seit langem offene Fragen gefunden und eine Strategie für die weitere Entwicklung in der Rheinregion begründet worden.[4]
2. Zur Quellenlage
Einführend scheint es sinnvoll, in der gebotenen Kürze jene Autoren einzuführen, die in ihren Werken Information über das gewählte Thema liefern.
S. Iulius Frontinus (um 40 bis 103) gehörte dem Senatorenstand an und nahm wahrscheinlich als Kommandeur des niedergermanischen Heeres am Chattenkrieg teil. In seinen Strategemata, die wohl kurz nach dem Abschluss des Feldzuges und damit noch zu Lebzeiten Domitians erschienen, schildert er, thematisch gegliedert, die Kriegleistungen großer Feldherren der griechischen und römischen Geschichte. Seine Berichte sind im wesentlichen ohne persönliches Werturteil formuliert.[5] Ereignisse des Chattenkrieges finden in den Strategemata an vier Stellen Erwähnung, die Chatten selbst jedoch nur in I, 3,23.[6]
Ein Zeitgenosse Frontins war der Dichter M. Valerius Martialis (um 40 bis 104), der von Titus in den Ritterstand erhoben worden war. Die Bewertungen Martials differieren: Während manche ihn als „geradezu widerwärtigen Adulator“ beschreiben, rühmen andere seine kritische Sichtweise, mit der er durch Doppeldeutigkeiten indirekte Kritik übte.[7] Der Chattenkrieg findet bei ihm Erwähnung in dem in der Einleitung angeführten Epigramm aus dem Jahre 86, eine weitere Erwähnung der Chatten bei Martial lässt auf bestehende Handelskontakte mit den Römern schließen.[8]
P. Cornelius Tacitus (um 55 bis nach 116) erlebte nicht nur die gesamte Herrschaftszeit des flavischen Hauses, sondern überlebte die Dynastie um rund zwanzig Jahre. Er war Mitglied des ordo senatorius und bekleidete auch unter Domitian, den er in seinen Werken stark ablehnt und von dem er ein einheitlich negatives Bild vermittelt, hohe Ämter in der kaiserlichen Verwaltung. Durch seine Werke ist Tacitus „ein Stern allererster Ordnung am Himmel der römischen Historiker“; in Bezug auf die Chatten muss er als der bedeutendste der erhaltenen antiken Autoren gesehen werden.[9] Das biographisches Werk über seinen Schwiegervater Agricola ist gefärbt von einer starken subjektiv empfundenen Zurücksetzung durch Domitian. Leider sind die Teile seiner Historiae, in denen die Herrschaft der Flavier behandelt wird, nicht erhalten. Sie brechen inmitten der Beschreibung des Bataveraufstandes im Jahre 70 ab.
Für die Betrachtung des gewählten Themas ist weiterhin die 98 erschienene ethnographische Studie Germania von Bedeutung.[10]
C. Plinius Caecilius Secundus (61/62 bis 113/115) war der Neffe des Älteren Plinius. Der Beginn der Herrschaft Domitians 81 fiel ungefähr mit dem Beginn seiner Ämterlaufbahn zusammen. Insgesamt profitierte der jüngere Plinius von der Protektion durch den Princeps, was er aber in den nach dessen Tode veröffentlichten Werken stillschweigend übergeht. In Plinius Darstellung erscheint Domitian als der Tyrann schlechthin, positive Aspekte pflegt er geflissentlich zu unterschlagen. Sein Panegyricus aus dem Jahre 100, das den neuen Princeps Trajan in starker Kontrastierung zu Domitian als Lichtgestalt feiert, enthält auch Aussagen über mit dem Chattenkrieg verbundene Ereignisse.[11]
C. Suetonius Tranquillus (um 70 bis 130-140) war ebenfalls ein Zeitgenosse der Flavier, erlebte aber wohl nur die Herrschaft Domitians bewusst. Seine fast vollständig erhaltene Vita Caesarum hat er in zeitlicher Distanz zu dieser geschrieben, wobei er nach seiner Entlassung aus kaiserlichen Diensten für die späteren Berichte nicht mehr auf Archive zugreifen konnte und somit weitgehend auf mündliche Überlieferungen angewiesen war. Wenn Sueton auch „die tausend Kleinigkeiten, die Intimitäten des täglichen Lebens, die Bonmots, die Anekdoten und das Hofgeflüster [...] in reicher Fülle“ thematisiert und darüber die politische Dimension vernachlässigt, misst ihm die heutige Forschung einen hohen Stellenwert als Quelle bei.[12]
Als wichtigste spätere Quelle sei noch L. Claudius Cassius Dio Cocceianus (155-160 bis nach 235) genannt. Cassius Dio gehörte ebenfalls dem Senatorenstand an. Um das Jahr 200 nahm er die rund 22 Jahre dauernde Arbeit an seiner Römischen Geschichte auf, er schrieb also mit einer zeitlichen Distanz von rund 100 Jahren zur Herrschaft Domitians. Man kann davon ausgehen, dass er die einschlägige Literatur kannte und sie als Quelle verwandte, woher er sein einseitig negatives Bild über den letzten Flavier bezieht, ist hingegen nicht geklärt.[13]
Insgesamt muss man die Quellenlage für Zeit der Herrschaft des Domitian als
„unbefriedigend“ bezeichnen, da kein ausführliches zeitgenössisches historiographisches Werk vorliegt und das epigraphische Material der kurz nach dem Ableben des Princeps einsetzenden damnatio memoriae anheim gefallen sein wird.[14]
3. Die Germanienpolitik der Flavier bis Domitian
Im Jahre 69 entstand am Rhein für die Römer eine nicht ungefährliche Situation: Innerhalb des Imperiums kämpften die Prätendenten der einzelnen Heeresgruppen um die Nachfolge Neros, der nach für Staatskasse, Rechtssprechung und Verwaltung katastrophalen Regierungsjahren vom Senat zum Staatsfeind erklärt worden war und sich der Verantwortung durch Selbstmord entzogen hatte.[15] Durch den eiligen Zug des militärischen Oberbefehlshabers am Niederrhein mit den besten Truppenteilen nach Rom blieb die Rheingrenze entblößt zurück. Dies machten sich mehrere germanische und gallische Stämme unter der Führung des romanisierten Bataverfürsten Iulius Civilis für einen Aufstand zu Nutze.[16] Hatte seit Augustus „im Prinzip das Gesetz des Handelns“ bei den Römern gelegen, so demonstrierte dieser Bataveraufstand, dass die Germanenstämme jenseits der Ströme Rhein und Donau weiterhin ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotential für die Herrschaft der Römer in der Region darstellten.[17] In den bürgerkriegsähnlichen Kampfhandlungen meutern reguläre römische Truppenteile offen und schlossen sich den Aufständischen an, die römische Rheinlinie brach beinahe vollständig zusammen und auch der Brückenkopf der Römer gegenüber von Mainz ging verloren.[18]
Nachdem sich Vespasian bis zum Jahre 70 in Rom als Princeps hatte durchsetzen können, musste sein außenpolitisches Hauptaugenmerk auf der Sicherung und Wiederherstellung der Rheinlinie liegen. Eine starke Heeressäule von insgesamt acht Legionen wurde nach Germanien entsandt, um den Aufstand niederzuwerfen.[19] Lapidar vermerkt Cassius Dio, dass der Feldherr des neuen Princeps, Petillius Cerialis, „die Dinge durch viele Kämpfe wieder in Ordnung brachte.“[20]
Die Folgen des Aufstandes waren gravierend: Neben den immensen materiellen Schäden – „alle Legionslager nördlich von Mainz gingen in Flammen auf“[21] – hatte der Bataveraufstand schonungslos die erschreckende Führungslosigkeit des römischen Heeres offengelegt, das konnte auch den angrenzenden Germanenstämmen nicht verborgen geblieben sein. Somit durften sich römische Aktivitäten nicht auf den materiellen Wiederaufbau der in Mitleidenschaft gezogenen Legionslager beschränken, sondern es musste auch der unbedingte Wille zur Grenzverteidigung und die ungebrochene Stärke des Imperium Romanum demonstriert werden: „Was sich an der Rheingrenze abgespielt hatte, durfte sich nicht wiederholen.“[22]
So kam es während der Herrschaft des Vespasian in Germanien vor allem zu Reorganisations- und Konsolidierungsmaßnahmen, die dort stationierten Legionen und Auxiliareinheiten wurden vollständig umgruppiert, belastete Truppenteile entfernt und die zerstörten Legionslager wieder aufgebaut.[23] Wahrscheinlich in den Jahren 73 und 74 kam es darüber hinaus wieder zu einer Okkupation von Gebieten jenseits des Rheines, vor allem im Bereich des Neckars und des Schwarzwaldes, wo germanisches Land wie ein Keil in römisches Territorium hineinragte. Unter der Führung des Legaten Pinarius Clemens wurde eine durch Kastelle gesicherte Straße vom Legionslager Straßburg nach Raetien verlegt, um den unnötig langen Weg zu verkürzen. Auch der Oberrheingraben und die fruchtbare Wetterau kamen fest in römische Hand, zudem sorgte die Ansiedlung von germanischen Volksgruppen für eine gewisse Vorfeldsicherung.[24]
[...]
[1] Martial, Epigr. II 2,5f.
[2] Die Wichtigkeit des Triumphes in Judäa betont u.a. Peter Kneißl, Die Siegestitulatur der römischen Kaiser. Untersuchungen zu den Siegerbeinamen des 1. und 2. Jahrhunderts, Göttingen 1969, S. 42.
[3] Hermann Bengtson, Die Flavier. Geschichte eines römischen Kaiserhauses, München 1979, S. 179.
[4] Armin Becker, Rom und die Chatten, Darmstadt [u.a.] 1992, S. 265.
[5] Becker (wie Anm. 4), S. 26f.
[6] Frontin, Strat. I, 1,8; I, 3,10; I, 3, 23; II, 11,7.
[7] Bengtson (wie Anm. 3), S. 146.
[8] Martial, Epigr. XIV, 26f; vgl. Becker (wie Anm. 4), S. 28.
[9] Bengtson (wie Anm. 3), S. 276.
[10] „Nachwort. Leben und Werk des Tacitus“, in: Tacitus, Germania. Übers. u. erl. von Manfred Fuhrmann, Stuttgart 1971, S. 59ff. Für diese Arbeit wurde folgender Sammelband der taciteischen Werke verwandt: Tacitus. Gesammelte Werke, hrsg. von Andreas Schäfer, Essen 1999.
[11] Christiana Urner, Kaiser Domitian im Urteil antiker literarischer Quellen und moderner Forschung, Augsburg 1994, S. 40. Vgl. Plinius, Paneg. 16,3.
[12] „Nachwort. Sueton, Leben und Persönlichkeit“, in: Sueton, Leben der Caesaren. Hrsg. u. übers. von André Lambrecht, 4. Aufl., München 1983, S. 345-354, S. 353.
[13] Urner (wie Anm. 11), S. 48ff.
[20] Cassius Dio, Röm. Geschichte 66,3,1. Inmitten der Verhandlungen brechen die taciteischen Historien ab, die detailliertere Informationen über die Beendigung des Bataveraufstandes hätte liefern können. Man kann davon ausgehen, dass es zu einem „Kompromissfrieden“ gekommen sei, der die Kampfhandlungen, von Tacitus als „bellum externum“ beschrieben, als Teil der innerrömischen Wirren um die Nachfolge Neros, somit als „bellum internum“ deklarierte und somit in der Folgezeit keine Nachteile für die Aufständischen bedeuteten; so Reinhard Wolters, Tam Diu Germania Vincitur. Römische Germanensiege und Germanensieg-Propaganda bis zum Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus, Bochum 1989, S. 55.
[14] Ebd., S. 1.
[15] Vgl. Jürgen Malitz, Nero, München 1999, „Das Ende der Dynastie“, S. 103ff.
[16] Dietwulf Baatz, „Römische Eroberungen unter den flavischen Kaisern, Bau des Limes“, in: ders. und Fritz- Rudolf Hermann (Hrsg.), Die Römer in Hessen, aktual. Aufl., Hamburg 2002, S. 66-83, 66f.
[17] Reinhard Wolters, Die Römer in Germanien, 4. aktual. Aufl., München 2004, S. 64.
[18] Baatz (wie Anm. 16), S. 68.
[19] Bengtson (wie Anm. 3), S. 94
[21] Baatz (wie Anm. 16), S. 68.
[22] Bengtson (wie Anm. 3), S. 93.
[23] Detailliert Becker (wie Anm. 4), S. 249f.
[24] Dietwulf Baatz, Der römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau, 3. überarb. Aufl., Berlin 1993, S. 14f.
- Arbeit zitieren
- Florian Unzicker (Autor:in), 2008, "Quae datur ex Chattis laurea" - Domitians erster Chattenkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121523
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