Der Wind als zentrales Motiv der Veränderung des Vaters im Film 'Mary Poppins'


Hausarbeit, 2008

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Die Rolle des Vaters im Film Mary Poppins
2.1) Figurenanalyse von George Banks
2.1.1) Einführung der Figur in den Film
2.1.2) George Banks als Vater
2.2 Überprüfung der Darstellung des Vaters imhistorischen Kontext
2.2.1) Familien im Bürgertum zu Beginn des 20. Jahrhunderts
2.2.2) Eltern – Kinder – Beziehungen
2.2.3) Beurteilung der Authentizität der Darstellung des Vaters im Film „Mary Poppins“

3) Filmische Zeichen
3.1) Semiotische Grundbegriffe
3.2) Zeichenkategorien
3.3) Der Wind/Drachen als filmische Zeichen im Film „Mary Poppins“
3.4) Einordnung der filmischen Zeichen in Zeichenkategorien

4) Schlusswort

5) Literaturverzeichnis und Anhang

1) Einleitung

Der Film „Mary Poppins“ aus dem Hause Disney ist aus dem Jahr 1964. Er basiert auf einer Romanvorlage der australischen Kinderbuchautorim P.L.Travers, die den ersten Mary Poppins-Roman 1937 veröffentlichte. In dem Roman steht jedoch weniger die Beziehung des Vaters zu seiner Familie im Vordergrund, sondern vielmehr die Abenteuer, die die Kinder mit dem ungewöhnlichen Kindermädchen Mary Poppins erleben. Walt Disney, der für seine „heile Welt“-Filme bekannt ist, wollte aus diesem Buch, das ihn lange faszinierte, schon früh eine Musical-Verfilmung machen. Nach langen und zähen Verhandlungen mit P.L.Travers erhielt er Anfang der 60er Jahre die Rechte an der Verfilmung. Entstanden ist ein Film, der Real- und Zeichentricksequenzen miteinander kombiniert. Zu dieser Zeit war das ein absolutes Novum, was sicher einer der Gründe ist, weshalb der Film so erfolgreich wurde.

Denn schon im ersten Durchlauf spielte „Mary Poppins“ phänomenale 45 Millionen Dollar ein – ein Ergebnis, das den Streifen kommerziell auf den sechsten Platz aller bis dahin gedrehten Filme brachte (s. Eliot 1994, 301). Ein weiterer Grund war sicher, dass Walt Disney mit „Mary Poppins“ eine Welt schuf, „in der Identität, Glück, Selbstausdruck und Befriedigung sich aus dem Füllhorn einer sinnfrohen Freiheit ergießen.“ (Eliot 1994, 300)

„Mary Poppins“ war und ist bis heute ein Film für Kinder und Erwachsene, also die ganze Familie, da es wie in jedem Disney-Film um ein „Happy End“ und in diesem speziellen Fall auch noch um eine am Ende glücklich endende Familiengeschichte geht.

In dieser Hausarbeit geht es darum, die Figur des Vaters George Banks im Film „Mary Poppins“ näher zu untersuchen. Die Veränderung seines Charakters und seines Verhaltens stellen die zentrale Problematik des Films dar. Es geht also im Folgenden darum, die Figur des Vaters zunächst anhand audiovisueller Zitate zu charakterisieren. Im zweiten Schritt werde ich überprüfen, ob die Darstellung des Vaters im historischen Kontext überhaupt realistisch ist; immerhin spielt der Film im Jahre 1910, als die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander noch nicht so sehr von Zuneigung geprägt waren wie heute (oder auch zur Zeit der Entstehung des Films). Historische Quellen von Sozialwissenschaftlern und Historikern werden in diese Überprüfung einfließen.

Anschließend möchte ich darlegen, wie diese Veränderung im Film wiedergegeben wird. Es geht darum, welche Zeichen für die Veränderung verwendet werden, welche Bedeutung sie haben und wie sie anhand der Semiotik und Kategorien filmischer Zeichen eingeordnet werden können. Dazu werde ich mich zunächst mit Semiotik und filmischen Zeichen im Allgemeinen beschäftigen und semiotische Grundbegriffe anhand einiger wissenschaftlicher Ausarbeitungen zu diesem Thema erklären. Danach werde ich die für die Veränderung im Film „Mary Poppins“ verwendeten Zeichen anhand audiovisueller Zitate darlegen und sie anschließend in die entsprechenden Kategorien einordnen.

Das Ziel dieser Arbeit ist es also, den zentralen Aspekt im Film „Mary Poppins“, die Veränderung des Vaters, sowohl anhand filmanalytischer als auch filmtheoretischer Methoden zu untersuchen und darzustellen. Aber auch auf historischer Ebene gibt es ein klares Untersuchungsziel: die Überprüfung der Authentizität der Figur des Vaters. Diese Untersuchungen sollen die Aussage und Bedeutung des Films über eine allgemeine Filmanalyse hinaus darlegen.

2) Die Rolle des Vaters im Film „Mary Poppins“

2.1) Figurenanalyse von George Banks

2.1.1) Einführung der Figur in den Film

Im Film „Mary Poppins“ hat neben der gleichnamigen Hauptfigur der Vater der Familie Banks, George Banks, die zweite Hauptrolle, da er den Kern des Problems in dieser Geschichte darstellt.

Nur knapp zwölf Minuten nach Beginn des Films hat der Vater seinen ersten Auftritt. Als er sein Haus betritt, setzt Musik ein und Mr. Banks fängt an zu singen. George Banks beginnt sich also mit seinem Einführungslied selber in die Story einzuführen und vorzustellen [TC 00:12:30-00:13:45]. Bedingt durch die Tatsache, dass „Mary Poppins“ ein Musical-Film ist, dient die Musik unter anderem zur Charakterisierung einer Person. Musical-Filme sind Filme, „in which songs are a natural outgrowth of the plot and serve to advance the narrative […] as well as to express emotion, thereby delineating and developing character.” (Graves/Engle 2006, 137) Die Lieder dienen meist dazu, eine Figur auf einer emotionalen Ebene zu charakterisieren: „Songs thus function as monologue or dialogue that exists on a higher emotional plane, formalized as they are in structure, rhyme, and melody and triggered by some extreme personal experiences.” (Graves/Engle 2006, 137) Auch im Film „Mary Poppins“ dienen die Lieder zur Charakterisierung der Figuren. Die beiden Hauptcharaktere der Geschichte, Mary Poppins und George Banks, erhalten ihre eigene Erkennungsmelodie. Der Titel von George Banks‘ Lied lautet „The life I lead“ und taucht im Laufe des Films noch einige weitere Male auf. Dies erfolgt immer in Situationen, in denen George Banks im Vordergrund der Handlung steht, er seine Gedanken äußert oder seinen Standpunkt verdeutlicht. Im Laufe der Geschichte wird die Melodie zunehmend langsamer und melancholischer. Dies geschieht in Korrelation zur Stimmung von George Banks: je weiter die Handlung fortschreitet, umso mehr trübt sich seine Stimmung und umso nachdenklicher werden Musik und Text.

Anhand seiner eigenen Charakterisierung zu Beginn seines Einführungsliedes wird deutlich, dass George Banks ein Leben nach Zeitplan lebt und für ihn das wichtigste Ordnung und Routine sind: „I run my home precisely on schedule. At 6:01, I march through my door. My slippers, sherry and pipe are due at 6:02. Consistent is the life I lead.” [TC 00:12:54- 00:13:08][1] Es wird deutlich, dass er sehr mit sich und seinem Leben zufrieden ist und sich jeden Tag auf sein gemütliches, geordnetes Zuhause freut: „I feel a surge of deep satisfaction. Much as a king astride his noble steed. […] When I return from daily strife to hearth and wife. How pleasant is the life I lead.” [TC 00:12:36-00:12:52] In dem Lied wird auch die historische Situation dargestellt. Der Zuschauer hat damit einerseits die Möglichkeit, die Geschehnisse geschichtlich einzuordnen. Andererseits erfährt der Zuschauer damit noch mehr über George Banks, der sich selbst als Herr des Hauses sieht und vorstellt: „It’s grand to be an Englishman in 1910. King Edward’s on the throne. It’s the Age of Men. I’m the lord of my castle.“ [TC 00:13:11-00:13:20] Zusätzlich wird deutlich, wie George Banks seinen Umgang mit Personen im direkten Umfeld sieht: „I treat my subjects, servants, children, wife with a firm but gentle hand. Noblesse oblige.“ [TC 00:13:22-00:13:28] Um zu verstehen, wie dieser Umgang mit anderen Personen, besonders Mitgliedern seiner Familie, genau aussieht und sich das Verhältnis untereinander im Laufe des Films entwickelt, ist eine separate Betrachtung notwendig.

2.1.2) George Banks als Vater

Die zentrale Problematik im Film „Mary Poppins“ kreist um das Verhältnis von George Banks zu seinen Kindern Jane und Michael. Gleich zu Beginn, in seinem Einführungslied, stellt er die Beziehung zu ihnen dar und welche Erwartungen er an sie hat: „It’s 6:03 and the heirs to my dominion are scrubbed and tubbed and adequately fed. And so I’ll pat them on the head and send them off to bed.” [TC 00:13:28-00:13:39] George Banks‘ distanzierte und kühle Haltung zu seinen Kindern wird an dieser Stelle besonders deutlich: er sieht sie lediglich als seine Erben an, die er zwar gerne abends einmal sehen möchte, sie aber dann nur ins Bett schickt und sich nicht weiter mit ihnen befasst. Für ihre Bedürfnisse und Anliegen hat er kein offenes Ohr. Dies zeigt er besonders in der Szene, als die Kinder ihre Suchanzeige nach ihrer Wunsch-Nanny vortragen und der Vater sie nur genervt wieder wegschickt, da er genug von diesem „Schwachsinn“ hat: „Thank you. Most interesting. And now I think we’ve had quite enough of this nonsense. Please return to the nursery.” [TC 00:20:05-00:20:10] Kurz danach beginnt die Suche nach einer neuen Nanny. Bis zu diesem Zeitpunkt wirkt der Vater, als ob ihn nichts erschüttern kann. Dies wird in dieser Szene dadurch dargestellt, dass er bei dem allmorgendlichen Kanonenschuss von Admiral Boom unerschütterlich im Wohnzimmer stehen bleibt, während um ihn herum seine Frau und die Hausangestellten in die gewohnte Hektik verfallen [TC 00:21:45-00:21:58]. Doch kurze Zeit später beginnt diese Unerschütterlichkeit das erste Mal zu zerfallen. Als er in der Hand von Mary Poppins die von ihm zerrissene Anzeige entdeckt, beginnt er zu stottern und verzweifelt zu überlegen, wie das denn möglich ist. „May I? Eh, this paper? Where did you get it from? I thought I tore it up. […] [George Banks in Gedanken] I tore it up, turned it over. Tore it up again and threw it in there. Yes.” [TC 00:24:34-00:25:04] Dies ist der Zeitpunkt im Film, in der seine eigene kleine, für ihn heile Welt einzustürzen beginnt und die Verwandlung, ausgelöst durch Mary Poppins, ihren Lauf nimmt.

Nachdem Mr. Banks zu Beginn noch überzeugt ist, dass Mary Poppins die richtige Nanny für die Kinder ist, ist er schon kurze Zeit später anderer Meinung. Er kann nicht nachvollziehen, warum auf einmal alle Personen um ihn herum so glücklich und fröhlich sind. Für ihn ist das ein Beweis des Verfalls von Anstand und Ordnung und sieht dies demnach als Angriff auf seine Position im Haus. Er gibt dafür Mary Poppins die Schuld, die den Kindern nur Unsinn in den Kopf setzt und keine pädagogisch wertvollen Aktivitäten mit ihnen unternimmt.

„Winifred, I should like to make a slight differentiation between the word cheerful and just plain giddy irresponsibility. […] I have no objection to anyone being cheerful or pleasant. But I do expect a certain decorum. […] I don’t propose standing idly by and letting that woman Mary Poppins undermine the discipline and - -“ [TC 01:04:04-01:04:23] Seine kleine Welt beginnt weiter zu zerfallen, was im Film durch zwei Ereignisse visualisiert wird. Bei der Kanonenzündung an dem Morgen, als Mr. Banks sich über die unsinnige Fröhlichkeit im Hause aufregt, verliert er zum ersten Mal den Halt [TC 01:04:22-01:04:25]. Ein weiterer Hinweis für die schleichende Veränderung, die ihn in den Grundfesten erschüttert, gibt Admiral Boom. Als Mr. Banks von der Arbeit nach Hause kommt, versucht er ihn in ein Gespräch zu verwickeln: „Bit late tonight, aren’t you, Banks?“ [TC 01:15:31-01:15:39] Für einen stets pünktlichen Menschen, der sein Leben nach striktem Zeitplan lebt, ist der Verweis auf eine Verspätung ein wichtiges Indiz darauf, dass sein Leben langsam aus den Fugen gerät. In einem Gespräch mit Mary Poppins versucht er später, seine Prinzipien noch einmal hervorzuheben und ihr klar zu machen, dass er es nicht länger duldet, wenn die Kinder weiterhin nur „Unsinn“ lernen. Auf geschickte Art und Weise bringt Mary Poppins ihn dazu,die Kinder am nächsten Tag mit in die Bank zu nehmen, um ihnen den Ernst des Lebens vor Augen zu führen. Dass der Vater der Kern des gesamten Familienproblems ist, wird durch Mary Poppins‘ Aussage in der nachfolgenden Szene deutlich: „Well, most things he can. But sometimes a person we love through no fault of his own can’t see past the end of his nose.“

[...]


[1] Um Übersetzungsfehler/ungenaue Übersetzungen zu vermeiden, beziehe ich mich in der gesamten Arbeit bei den audiovisuellen Zitaten auf die englische Originalversion des Films.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Wind als zentrales Motiv der Veränderung des Vaters im Film 'Mary Poppins'
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Institut für Kommunikationswissenschaften)
Veranstaltung
Der deutsche Kinder- und Jugendfilm
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V121565
ISBN (eBook)
9783640261284
Dateigröße
397 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wind, Motiv, Veränderung, Vaters, Film, Jugendfilm, Kinderfilm, Mary Poppins, Filmsemiotik, filmische zeichen
Arbeit zitieren
Claire-Marie Tappert (Autor:in), 2008, Der Wind als zentrales Motiv der Veränderung des Vaters im Film 'Mary Poppins', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121565

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