Lysander und der Ausgang des Peloponnesischen Kriegs


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

21 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung und Quellenlage

II. Lysander der Spartaner
2.1. Herkunft
2.2. Das erste Kommando
2.3. Flottenkrieg vor Kleinasien

III. Die Kriegsentscheidung
3.1. Das zweite Kommando
3.2. Von Aigospotamoi zur Kapitulation
3.3. Die Folgen des Kriegs

Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

I. Einleitung und Quellenlage

Der Peloponnesische Krieg veränderte die griechische Welt der Antike grundlegend. Die Machtverhältnisse zwischen Syrakus und Aspendos[1] wurden neu geordnet. Der Sieg der Spartaner über die athenische Großmacht ist in hohem Maße der Verdienst des Nauarchen Lysander. Seine Winkelzüge trugen zur Entscheidung über den Kriegsverlauf bei und läuteten ein neues Zeitalter ein: So beschäftigt sich die folgende Arbeit mit Lysanders Wirken, wobei es in erster Linie um die sukzessive Beendigung der Kriegshandlungen und den Fall Athens gehen soll. Als zentral gilt die Darstellung der so genannten Schlacht bei Aigospotamoi, welche Lysander während seiner zweiten Amtszeit als de facto Nauarch für die spartanische Seite entschied. Um jedoch den Weg zum militärischen Sieg einzuordnen, geht es im ersten Teil kurz um die Herkunft von Lysander. So machte sich Lysander in kürzester Zeit einen Namen und konnte auf viele Verbündete zählen. Demzufolge müssen auch die Perser als dritte Partei des Krieges berücksichtigt werden. Es soll aufgezeigt werden, dass die persische Unterstützung für Sparta ein starker Impuls für die Beendigung des Krieges war. Die Darstellung des dritten Teils beinhaltet schließlich Lysanders geschickten Flotteneinsatz im Vorfeld von Aigospotamoi, so dass die Ereignisse der Schlacht hinreichend geschildert werden können.

In der Folgezeit setzten sich die Kämpfe um die Vorherrschaft in Griechenland fort. Die Staaten trieben ihre militärischen und politischen Interventionen stark voran und trugen so zum Korinthischen Krieg bei, der mit der Niederlage Spartas enden sollte. Zwar konnte Athen seine Position wieder stärken, aber der Ausgang des Peloponnesischen Krieges veränderte das Kräfteverhältnis in Griechenland erst einmal zugunsten der Gegenseite: Sparta wurde Zentrum der maritimen Machtpolitik[2].

Die Endphase des Peloponnesischen Krieges, in der sich Lysander entscheidend betätigte, umfasst einen Zeitraum mit schwieriger Quellenlage. Dies betrifft die Person Lysander, als auch die Überlieferungen über die folgenschweren Flottenoperationen zwischen Sparta und Athen - also gerade die Jahre von 409 bis 405 v. Chr. Die überlieferten Quellen sind insofern als kritisch zu untersuchen, als das die Hauptquelle über die Kämpfe - ‚Der Peloponnesische Krieg’[3] des Thukydides - nicht in die Analyse einfließen kann: Thukydides unterbrach seine Arbeiten während des Achten Buchs abrupt, so dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit nach 403 verstarb. Seine fundierten und methodischen Erzählungen können für die angesprochene Zeitspanne nicht verwendet werden. Somit muss die Arbeit auf sein beachtliches Reflexionsniveau[4] verzichten.

Die ‚Hellenika’[5] des Xenophon gilt als einzige und vollständig erhaltene Quelle für die Ereignisse von 411 bis 362 v. Chr. Das historiographische Werk knüpft zwar an die Überlieferungen des Thukydides an, legt jedoch sein Hauptaugenmerk auf die Darstellung von großen Persönlichkeiten und ihrer Charaktere. Xenophon liefert eine psychologisierende Beschreibung von Lysander und dem Ausgang des Kriegs. Ebenso muss erwähnt werden, dass der Autor ein Bewunderer des Agesilaos war und ihm eine spartanahe Perspektive zugeschrieben werden kann[6]. Es ist demnach auch nicht verwunderlich, dass sich Xenophon 401 dem Zug des Kyros nach Babylonien anschloss und aus Athen verbannt wurde[7]. Darüber hinaus erhalten wir aus der Alternativtradition Hinweise von Diodor, welcher die Ereignisse um Athens Niederlage in seiner ‚Bibliothek’[8] aufgriff. Diodors Werk wird aus unterschiedlichen Quellen gespeist, so dass man von einer ‚Zusammenstellung’ ausgeht. Obwohl er seine Referenzquelle auf den Historiker Ephoros zurückführte, zeigen sich Übereinstimmungen mit der ‚Hellenika des Oxyrhynchos’. Ob man nun seine Überlieferungen als glaubwürdig oder als vage auffasst, hängt nicht zuletzt von der allgemeinen Quellenproblematik der Alternativtradition ab[9].

Plutarchs Werk ‚Große Griechen und Römer’[10] komplettiert die Quellenauswahl und bietet in erster Linie Informationen über die historische Person Lysander. Obwohl es sich bei Plutarchs Werk um eine Elitenbiographik handelt, ermöglichen seine Darlegungen einen erzählerischen Einblick. Er legt großen Wert auf die Charakterzüge Lysanders und schreibt ihm die hilfreiche Gabe zu, „wenn es not tat, die Last einer ihm übergeordneten Machtfülle zu ertragen“[11]. Obwohl alle genannten Quellen in Bezug auf das thukydideische Werk oft als ‚kompensatorisch’ verstanden werden, bieten sie eine haltbare Ausgangslage für die Zeit von 409 bis 405 v. Chr. So geht es in der Folge darum, die Analyse der historischen Ereignisse aus der Schnittmenge der Überlieferungen und mit Hilfe der Sekundärliteratur durchzuführen. Sicherlich bieten die Überlieferungen nicht so viel Material wie etwa bei Alkibiades, aber nichtsdestoweniger geht es nun um Lysanders Herkunft, die sich bedeutsam und prägend auf seine Gestalt im Peloponnesischen Krieg auswirkte.

II. Lysander der Spartaner

2.1. Herkunft

Die Biographie des Lysander (griech. Lysandros) ist wie keine zweite mit dem Peloponnesischen Krieg verwoben und ist somit charakteristisch für einen aufstrebenden Entscheidungsträger Spartas. Denn vor dem Frühjahr 407, in dem sich der jüngere Kyros auf dem Weg in seine persische Satrapie nach Sardes befand, erfahren wir nichts über den Spartiaten, der wenig später das Flottenkommando in Ephesos übernahm[12]. Sein Andenken war daher unabdingbar vom Krieg abhängig, in dem er sich bewährte und zu Ruhm gelangte.

Über etwaige Verdienste ist somit vor seinem Auftreten als Befehlshaber der Streitkräfte ebenso nichts bekannt. Es gilt jedoch als gesichert, dass er als Sohn des Aristokritos in Sparta geboren wurde, dessen Familie zwar nicht aus königlichem Hause stammte, aber ihre Herkunft auf das Geschlecht der Herakliden zurückführte[13]. Darüber hinaus besaß er mindestens einen Bruder mit dem Namen Libys, der nach einem Gastfreund der Familie - König Libys von Kyrene - benannt war[14]. Diodor bestätigt die Verbindung nach Kyrene, obwohl dort zu dieser Zeit kein Königtum mehr bestand[15]. Trotz dieser Widersprüche scheint es den Autoren wichtig gewesen zu sein, die Vornehmheit der Herkunft zu betonen, was sicherlich bei der Darstellung eines heroischen Charakters von Nutzen war. So spricht Plutarch auch von der Dürftigkeit der Verhältnisse[16], in denen Lysander aufwuchs, was im Sinne der ‚Bedürfnislosigkeit’ zu den Leitmotiven der antiken Elitenbiographik zählte. Dennoch gilt es als wahrscheinlich, dass Lysanders Vater nicht wohlhabend genug war, um dem Jungen aus eigenen Mitteln die spartanische Staatserziehung zu ermöglichen. Vermutlich war Lysander ein so genannter móthax (‚Nährbruder’), der von einem móthakes (‚Bürgerknaben’) finanziell unterstützt wurde[17]. Ob diese Patenschaft Lysanders Kindheit und Jugend belastete oder gar Vorteile verschaffte, kann nicht gesagt werden, obgleich die lakonische Erziehung sein Streben nach Ehre und Bewährung bedingt haben soll[18]. Insofern werden die frühen Jahre oft durch Andeutungen und ausschmückende Elemente umschrieben, wobei etwa konkrete Altersangaben versäumt werden. So wurde Lysander in Briefen des Plutarch als ‚Liebhaber’ des Agesilaos bezeichnet, was indirekt die ungefähre Bestimmung seines Geburtsjahres zuließe[19]: Da der Altersunterschied solcher Beziehungen in der Regel 10 Jahre betrug und das Geburtsjahr des Agesilaos allgemein um 444 angesetzt wird, scheint Lysander ungefähr 454 geboren worden zu sein[20]. Doch gelten diese Angaben ebenfalls als bestreitbar und unterliegen der Interpretation.

Folglich muss sich Lysander in Schlüsselpositionen des Heerwesens verdient gemacht haben, denn obwohl die Quellen über diese Bewährungsjahre schweigen, heben sie sein Talent im Kriegswesen als Grund für seine Wahl zum Nauarchen hervor[21]. Es ist offensichtlich, dass die Wahl eines fähigen Kommandeurs Spartas zentrale Entscheidung des Jahres 408 war. Denn der Wiederaufbau der Flotte war vorangeschritten, so dass der Seekrieg mit Athen wieder aufgenommen werden konnte. Der eigentliche Amtsantritt von Lysander ist jedoch erst ins Frühjahr 407 zu verorten, als er das Kommando über die in Ionien stationierten Flottenverbände übernahm[22]. Bevor er das Hauptquartier der Flotte nach Ephesos verlegte, zog der neue Nauarch systematisch die verteilten Flottenverbände im Mittelmeerraum zusammen: Zu den dort stationierten 30 Trieren zog er von Rhodos und Chios weitere 25 Schiffe hinzu. Zwar ist danach die genaue Vergrößerung der Flotte nicht eindeutig zu klären, doch Xenophon berichtet, er habe über 70 Schiffe verfügen können und später über 90 Trieren in die Schlacht von Notion geführt[23]. Allein diese Zahlen lassen den Schluss zu, dass er ein starkes Durchsetzungsvermögen besaß und nicht zuletzt von seinem Ansehen profitierte. Den Flottenbau mit dieser Geschwindigkeit voranzutreiben, liegt somit in seinem umtriebigen Wesen begründet. Ebenso ist nicht zu unterschätzen, dass der Wiederaufbau der Flotte auf die finanzielle Unterstützung der Perser zurückzuführen war, denn ohne ihre Ressourcen wäre ein solches Unterfangen nicht möglich gewesen. Zu Lysanders nützlichsten Episoden sollte daher die Bekanntschaft mit Kyros dem Jüngeren werden: Sie stellte das Fundament für das neue spartanisch-persische Kriegsarrangement dar, wozu die persönliche Freundschaft mit dem Königssohn noch beitragen sollte. Lysander bewies im Taktieren mit dem persischen Königshaus Weitsicht und verband die Interessen der Kriegsparteien, so dass die Perser Sparta mit Hilfsgeldern unterstützten[24].

Er demonstrierte während des ersten Kommandos seine Kompetenz, was ihm später nicht ohne Grund auch das zweite Amt einbrachte. Lysanders weitreichende Beziehungen nach Persien und im Mittelmeerraum lassen jedoch darauf schließen, dass er abgesehen vom Wunsch die Athener definitiv zu schlagen[25], gezielt an seiner persönlichen Machterweiterung arbeitete. So avancierte die Nauarchie zu derartiger Bedeutung, „dass man sie später sogar dem Königtum an die Seite stellen konnte“[26]. Das Ausmaß von Lysanders Statusdemonstration wird an seinem Anathem in Delphi deutlich, das ihn im Kreise von Göttern und einer Reihe von hohen Offizieren der spartanischen Flotte zeigt[27]. Zweifellos wurde das Monument ein eindrucksvolles Zeichen für die Macht Spartas, aber die Traditionen der Heldenverehrung dermaßen zu verstärken, lag an der Persönlichkeit Lysanders. Nach Athens Kapitulation zeigte er seine Verschlagenheit, indem er spartafreundliche Regime in ehemals athenischen Bündnispoleis einrichtete, welche der eigenen Konsolidierung dienen sollten. Im Jahre 400 unterstützte er den Agesilaos bei der Erlangung der Königswürde, verlor jedoch wegen seiner Art der Politikpflege an Einfluss gegenüber der Regierung.

[...]


[1] Hiermit ist die damalige griechische Welt gemeint, die sozusagen von Syrakus nach Aspendos reichte. Die Bezeichnung stammt aus der Überschrift des Seminars.

[2] Falkner, Caroline, Sparta and the sea, A history of Spartan Sea-Power (C.706-C.373), Edmonton 1992, 223

[3] Thukydides, Der Peloponnesische Krieg, übers. u. hg. v. Helmut Vretska u. Werner Rinner, Stuttgart 2004.

[4] Vretska, Helmut, Nachwort, in: Thukydides, Der Peloponnesische Krieg, übers. u. hg. v. Helmut Vretska u. Werner Rinner, Stuttgart 2004, 794 ff.

[5] Xenophon, Hellenika, übers. u. hg. v. Gisela Strasburger, Tübingen 1970.

[6] Falkner, Caroline, Ebd., 222

[7] Xenophon, in: Der kleine Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd.12/2, hg. v. Hubert Cancik u. Helmuth Schneider, Stuttgart/ Weimar 1996,1422

[8] Diodorus of Sicily, The Library of History Books, XII.41-XIII, with an English Translation by C.H. Oldfather, Cambridge, Massachusetts / London, England JAHR.

[9] Diodors Quellenwert orientiert sich daran, welcher These man über die Herkunft seiner Stoffe Glauben schenkt. Dies soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft werden. Vgl. hierzu: „Diodor“, in: Der kleine Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd.3, hg. v. Hubert Cancik u. Helmuth Schneider, Stuttgart/Weimar 1996, 588

[10] Plutarch, Große Griechen und Römer, Bd. III, eingel. u. übers. v. Konrat Ziegler, Zürich/ Stuttgart 1955.

[11] Plut. Lys. 2

[12] Lotze, Detlef, Lysander und der Peloponnesische Krieg, Berlin 1964, 11

[13] Plut. Lys. 2

[14] Xen. Hell. 2,4,28

[15] Lotze, Detlef, Ebd., 12

[16] Plut. Lys. 2

[17] Lotze, Detlef, Ebd., 12

[18] Plut. Lys. 2

[19] Lotze, Detlef, Ebd., 12

[20] Lotze, Detlef, Ebd., 13

[21] Diod. 13,70,1; Plut. Lys. 3

[22] Xen. Hell. 1,5,1; Wahrscheinlich ist dies darauf zurückzuführen, weil nicht alle Trieren fertig waren. Die Erfahrungswerte hatten freilich gelehrt, über eine vollzählige und schlagkräftige Flotte zu verfügen.

[23] Xen. Hell. 1,5,1

[24] Bleicken, Jochen, Die athenische Demokratie, Paderborn 1994, 73

[25] Bleckmann, Bruno, Ebd., 572

[26] Lotze, Detlef, Ebd., 13

[27] Welwei, Karl-Wilhelm, zu: Reinhard Frötsch, Kunstverwendung und Kunstlegitimation im archaischen und frühklassischen Sparta, Mainz 2001, in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 5 (2002), 1038 http://www.gfa.d-r.de/5-02/welwei.pdf (Abfragedatum: 10. März 2006).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Lysander und der Ausgang des Peloponnesischen Kriegs
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Veranstaltung
Von Syrakus bis Aspendos – Die griechische Welt im Peloponnesischen Krieg
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V121593
ISBN (eBook)
9783640262151
Dateigröße
470 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Christoph Hermes (Autor:in), 2006, Lysander und der Ausgang des Peloponnesischen Kriegs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121593

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