Psychische Erkrankungen stellen seit 2016 die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit dar. Vor dem Hintergrund der damit verbundenen Produktionsausfallkosten ist es von großer Relevanz, die Ursachen für die Zunahme psychischer Erkrankungen zu analysieren. Nach Klaus Peters (2011) ist es nicht hinreichend, die Zunahme psychischer Erkrankungen auf eine Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse oder auf zunehmenden Stress zurückzuführen. Peters (2011) sieht die Ursache vielmehr in dem Paradigmenwechsel in der Unternehmenssteuerung, der sich seit den 1990er Jahren abzeichnet. Dieser Wandel in der Unternehmenssteuerung kann als Abkehr vom Kommandosystem hin zu einer indirekten Steuerung von Unternehmen und Arbeitskräften aufgefasst werden. Andere Autoren beschreiben den Paradigmenwechsel als Herausbildung des „Finanzmarkt-Kapitalismus“ (Windolf, 2005) oder des Umbruchs des Produktionsmodells in Richtung eines „flexibel-marktzentrierten Produktionsmodells“ (Sauer, 2005).
In der Literatur werden diese verschiedenen Entwicklungstendenzen der letzten 30 Jahre auch unter dem Begriff „neue Steuerungsformen“ zusammengefasst (Kratzer & Dunkel, 2013). Trotz aller Unterschiede im Einzelnen gibt es zwei konstitutive Merkmale, die sich als Gemeinsamkeit der Entwicklungstendenzen identifizieren lassen: Vermarktlichung und Selbststeuerung. Vermarktlichung bedeutet, dass Märkte, insbesondere die Finanzmärkte, eine größere Rolle für die Unternehmens- und die Leistungssteuerung spielen. Die Selbststeuerung bezieht sich auf die aktivere Rolle der Beschäftigten bei der Bewältigung von Marktanforderungen. Was die Mitarbeitenden wann, in welcher Reihenfolge und mit welchen Methoden erledigen, bleibt ihnen überlassen (Kratzer & Dunkel, 2013).
Vor dem Hintergrund der „neuen Steuerungsformen“ fokussiert sich die vorliegende Arbeit auf Klaus Peters Modell der indirekten Steuerung und interessierten Selbstgefährdung (Peters, 2001, 2011). Klaus Peters entwickelte die Theorie seit 1997 im Rahmen des COGITO-Instituts, einem Zentrum für Autonomieforschung. Er sieht die indirekte Steuerung als ursächlich für die zunehmenden psychischen Belastungen an. Der Effekt zwischen indirekter Steuerung und der Zunahme psychischer Erkrankungen wird zu großen Teilen über Mechanismen der interessierten Selbstgefährdung vermittelt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zentrale Modellkomponenten
- Das Konzept der indirekten Steuerung
- Interessierte Selbstgefährdung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Modell der indirekten Steuerung und interessierten Selbstgefährdung von Klaus Peters. Sie analysiert die Auswirkungen dieser neuen Steuerungsformen auf die psychische Belastung von Beschäftigten in Unternehmen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie die indirekte Steuerung zu einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen führen kann. Die Arbeit befasst sich außerdem mit dem Konzept der interessierten Selbstgefährdung, das die selbstverschuldete Gefährdung der eigenen Gesundheit durch Beschäftigte im Kontext von erfolgsorientierten Arbeitsmodellen beleuchtet.
- Indirekte Steuerung als neues Paradigma der Unternehmenssteuerung
- Vermarktlichung und Selbststeuerung als zentrale Merkmale der indirekten Steuerung
- Interessierte Selbstgefährdung als Folge der indirekten Steuerung
- Psychische Belastungen und Stressoren als Auswirkungen der indirekten Steuerung
- Faktoren, die zur Selbstgefährdung im Arbeitskontext beitragen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Das Kapitel erläutert den Anstieg psychischer Erkrankungen in den letzten Jahren und führt diesen Anstieg auf den Paradigmenwechsel in der Unternehmenssteuerung zurück, der als Abkehr vom Kommandosystem hin zu einer indirekten Steuerung von Unternehmen und Arbeitskräften verstanden werden kann. Das Kapitel stellt den Fokus der Arbeit auf Klaus Peters Modell der indirekten Steuerung und interessierten Selbstgefährdung dar.
Zentrale Modellkomponenten
Das Konzept der indirekten Steuerung
Das Kapitel beschreibt die Unterschiede zwischen direkter und indirekter Steuerung in Unternehmen. Die direkte Steuerung basiert auf Weisungsgebundenheit und Leistung, während die indirekte Steuerung durch Erfolgs- und Ergebnisorientierung geprägt ist. Es werden vier Kriterien zur Identifikation indirekter Steuerungsmechanismen erläutert, wie z.B. Zielvorgabe, Kennzahlenorientierung und Verantwortungsübertragung.
Interessierte Selbstgefährdung
Das Kapitel beleuchtet die Folgen indirekter Steuerungsmechanismen für die psychische Belastung von Beschäftigten. Es wird die "interessierte Selbstgefährdung" als Folge der veränderten Leistungsdynamik in indirekt gesteuerten Unternehmen beschrieben. Das Kapitel präsentiert verschiedene Facetten der Selbstgefährdung, wie z.B. Ausdehnung der Arbeitszeit, Intensivierung der Arbeitszeit und Einnahme von Substanzen zum Erholen.
Schlüsselwörter
Indirekte Steuerung, Selbstgefährdung, psychische Belastung, Stressoren, Unternehmenssteuerung, Vermarktlichung, Selbststeuerung, Kennzahlenorientierung, Verantwortungsübertragung, Arbeitsbedingungen, Unternehmenskultur, Arbeitsmotivation, Arbeitszufriedenheit, Gesundheitsförderung
- Arbeit zitieren
- Franziska Klimt (Autor:in), 2019, Modell der indirekten Steuerung und interessierten Selbstgefährdung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1216435