DievorliegendeArbeitbeschäftigtsichmitdemGedichtPsalmvonPaulCelan. PsalmstammtausdemfünftenGedichtbandCelans,DieNiemandsrose,welcher1963
erschien.
DassderTiteldesgesamtenGedichtbandesausPsalmstammt,
lässtaufdessenhohe Bedeutungschließen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Jüdische Mystik (Kabbala)
2.2 Psalm
2.3 Interpretation
3. Schlussbetrachtung
Litzeraturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Gedicht Psalm von Paul Celan.
Psalm stammt aus dem fünften Gedichtband Celans, Die Niemandsrose, welcher 1963 erschien. Dass der Titel des gesamten Gedichtbandes aus Psalm stammt, lässt auf dessen hohe Bedeutung schließen.
Dieses Gedicht ist eins der meistinterpretierten Gedichte Celans und in der Sekundärliteratur zu Psalm gibt es viele Herangehens und Betrachtungsweisen. Deshalb wird sich diese Arbeit um sie in einem angemessenen Rahmen zu halten darauf beschränken, zu ermitteln, was an Celans Gedicht „religiös“ ist und zeigen, dass es sich im Gedicht (insbesondere bei dem Ausdruck „N/niemand“) nicht um blasphemisches Sprechen handelt, wie viele Stellen im Gedicht vermuten lassen. Es wird gezeigt, dass das Gedicht für die jüdischen Toten spricht, die in der Geschichte viel Leid ertragen mussten, aber dennoch ihrem Gott ein Loblied singen. Der Aspekt „des Religiösen“ erscheint sehr interessant, da sich Celan in der Zeit, in der die Niemandsrose entstand, intensiv mit der jüdischen Religion, vor allem mit der jüdischen Mystik, beschäftigte.[1] Dieser Aspekt wird allgemein „das Religöse“ genannt, meint damit aber vor allem die im Gedicht erkennbaren Bezüge zur jüdischen Mystik und die Beziehung zwischen dem Titel und dem Inhalt des Gedichts. Da der Tiel bereits ein Wort aus dem religiösen Bereich ist und eine bestimmte Gebetsform aus dem Alten Testament beschreibt, wird untersucht, inwieweit das Gedicht selbst einem Psalm ähnelt. Denn es liegt nahe, den Titel als Gattungsbezeichnung zu übernehmen.[2] Desweiteren gibt das Titelwort Psalm „ [...] bereits einen Hinweis auf den Kontext, auf den sich viele der Gedichte in dieser Phase Celanscher Lyrik beziehen.“[3]
Die Arbeit ist so gegliedert, dass zunächst einige Erläuterungen zur jüdischen Mystik und zu der Gebetform Psalm gegeben werden. Anschließend wird während der Analyse des Gedichtes die Verbindung von Titel und Gedichtinhalt sowie die mystischen Elemente herausgearbeitet. Die Hermetik der Celanschen Lyrik im Gedicht Psalm wird im Hauptteil der Arbeit nicht behandelt, lediglich wird der Schlussteil darauf zurückkommen, wenn erläutert wird, was in der Arbeit nicht untersucht wurde.
2. Hauptteil
2.1 Jüdische Mystik (Kabbala)
Kabbala ist die mystische Tradition des Judentums. Die Wurzeln finden sich in der heiligen Schrift der Juden, der Tora.
Die Kabbala hat das Ziel einer Annäherung an Gott durch Vertiefung in eine geheime Tradition und durch eine innere Konzentration auf religiöse Inhalte. Dem zu Grunde liegt die Annahme, dass ein innerer Zusammenhang zwischen Menschen und Kosmos besteht. Die Schöpfung geht nicht vom Urgöttlichen aus, sondern vom Ersterschaffenen, dem ersten Menschen Adam Kadmon. Der Mensch ist hervorgegangen aus einem Wesensübergang aus dem Urgöttlichen. Es gibt also mehrere Stufen der Schöpfung und dementsprechend vier Schöpfungswelten: Die Welt der Emanation, die zeitgeist und wesenhafte, die formhafte und die physisch wirkende und in die Erdentat einwirkende Stufe. Diese entfalten sich organisch in den 10 Sefiroth, den 10 übersinnlichen Potenzen, in denen sich das Göttliche entfaltet. Die Sefiroth werde häufig dargestellt im kabbalistischen Weltenbaum. Er ist ein Baum, der von oben nach unten wächst. Den Wurzelbereich bilden die drei obersten Sefiroth, der Wille, die Weisheit und die Einsicht. Drei weitere Sefiroth sind die Gnade, die Strenge (oder das Gericht) und das Erbarmen, welches auch Schönheit oder Pracht genannt wird. Das Bild des Weltenbaums wird durch die drei Sefiroth der Dauer, der Majestät und dem Gerechten vervollständigt. Durch die zehnte Sefiroth, die Königsherrschaft Gottes, wirkt Gott mit seinen lebendigen Kräften in die Schöpfung.[4]
Die Sefiroth werden auch die Pforten genannt, durch die der Mensch das Mysterium Gottes erfassen kann, wenn er eintritt. Das ist möglich, weil die Welt und der Mensch als Abbild der Sefiroth geschaffen sind und die Sefiroth als schöpferische Kräfte die „untere“ Welt beeinflussen. So spiegelt sich die in den Sefiroth manifestierte göttliche Wesenheit in der Welt.
2.2 Psalm
Der Psalm ist eine Gebetsformt, die im Alten Testament vorkommt. Psalmen sind Lobgesänge und enden letztendlich immer im Lob Gottes, auch wenn es sich nicht um ein Lob Gottes großer Taten oder seiner Weisheit und Gerechtigkeit handelt, sondern um Fluchpsalmen.[5]
150 Psalmen sind im Psalter, dem Liederbuch der Jahwegemeinde Israel überliefert, welches innerhalb der biblischen Bücher einen hohen Stellenwert hat. Die Psalmen lassen sich in Gattungen aufteilen. Dabei stellen sich der Hymnus und die individuellen Klage und Danklieder als wichtigste Gattungen dar.[6]
2.3 Interpretation
Die Interpretation folgt weitestgehend dem Aufbau des Gedichts. Den Titel betreffend werden einige Verweise auf spätere Stellen im Gedicht vorkommen.
Zunächst ist der Titel des Gedichts bereits von großer Bedeutung, da an die Wahl eines Titels, der eine Gattung bezeichnet, die Erwartung gebunden ist, dass es sich bei dem Gedicht tatsächlich um einen Psalm handelt. Arnold Stadler folgt in seinen Ausführungen gar der Auffassung „Der Titel ist Programm“.[7]
Es fallen viele Formulierungen und Begriffe auf, die aus der religösen Sprache bekannt sind, vor allem aus der psalmischen Sprache ( z.B.: „Gelobt seist du, [...]“). Die erste Strophe erinnert an eine Klage, an die sich im vierten Vers ein Lob anschließt, welches der klassischen jüdische Benediktionsformel entspricht. Anschlißend klingen die zwei folgenden Verse („Dir zulieb wollen/wir blühen“) wie ein Gelübde.[8] Die im Gedicht vorkommenden Parallelismen („Dir zulieb[...]“ und „Dir/entgegen“, „die Nichts, die/Nemandsrose“, „waren wir, sind wir, werden/wir bleben,[...]“) zeigen, dass sich das Gedicht an der für Psalmen charakteristischen Figur des Parallelismus membrorum orientieren:
Ein Vers besteht dabei zumeist aus zwei, manchmal aus drei parallel gesetzten Teilen (Stichoi), die einander, je nach Art des Parallelismus, als synonymer, antithetischer, synthetischer oder klimatischer Parallelismus zugeordnet sind.[9]
So ist der oben zuerst genannte Parallelismus ein antithetischer, der zweite ein synonymer und der dritte ein klimatischer. Jetzt ist zu sehen, dass Celans Psalm sowohl im Aufbau als auch in der Wortwahl tatsächlich einem biblischen Psalm ähnelt. Nun ist herauszustellen, an welchen Stellen diese Ähnlichkeit endet, bzw. was ungwöhnlich erscheint. Im 14. Vers findet ein Bruch statt, die Sprache ist nicht mehr „psalmisch“ und auch der Aufbau ähnelt nicht mehr dem eines Psalms. Das einzige Element im letzten Abschnitt, welches noch in Verbindung mit der Psalmensprache steht, ist das eingeklammerte „o“ im vorletzten Vers.
[...]
[1] Vgl. Jürgen Lehmann: Kommentar zu Paul Celans „Die Niemandsrose“. Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter 1997.
[2] Vgl. Bernd Auerochs: Gründung und Auslöschung des Judentums: Zu Paul Celans Gedicht „Psalm“. S.267. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch.N.F.45. Berlin: GörresGesellschaft zur Pflege der Wissenschaft <Bonn>. 2004. S.261281.
[3] Heinz Michael Krämer: Eine Sprache des Leidens. Zur Lyrik von Paul Celan. München: MatthiasGrünewald Verlag 1997.
[4] Vgl. Lothar Quinkenstein: Die Freiheit zu Blühen. Überlegungen zu Paul Celans Geicht Psalm. S.182. In: Convivium. 11 (2003). S.177189.
[5] Vgl. Jutta Konda: Das Christusbild in der deutschen Hymnendichtung vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Weimar Wien: Böhlau Verlag 1998. S.224 ff.
[6] Vgl. Arnold Stadler: Das Buch der Psalmen und die deutschsprachige Lyrik des 20. Jahrhunderts. Zu den Psalmen im Wekr Bertholt Brechts und Paul Celans. Köln: Böhlau Verlag 1989. S. 34.
[7] Stadler: Das Buch der Psalmen und die deutschsprachige Lyrik des 20. Jahrhunderts. S.155.
[8] Vgl. Auerochs: Gründung und Auslöschung des Judentums. S. 267268.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in der vorliegenden Arbeit "Psalm" von Paul Celan?
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Gedicht Psalm von Paul Celan aus dem Gedichtband Die Niemandsrose. Sie untersucht, was an Celans Gedicht „religiös“ ist, insbesondere die Bezüge zur jüdischen Mystik und die Beziehung zwischen dem Titel und dem Inhalt des Gedichts. Es wird gezeigt, dass es sich nicht um blasphemisches Sprechen handelt und dass das Gedicht für die jüdischen Toten spricht.
Welche Schwerpunkte werden in der Arbeit gesetzt?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Ermittlung des "Religiösen" in Celans Gedicht, die Analyse der Bezüge zur jüdischen Mystik (Kabbala), die Untersuchung der Ähnlichkeiten des Gedichts mit einem Psalm und die Interpretation des Ausdrucks "N/niemand".
Wie ist die Arbeit gegliedert?
Die Arbeit ist in Einleitung, Hauptteil und Schlussbetrachtung gegliedert. Der Hauptteil umfasst Erläuterungen zur jüdischen Mystik (Kabbala), die Beschreibung der Gebetsform Psalm und die Interpretation des Gedichts.
Was ist Kabbala (Jüdische Mystik)?
Kabbala ist die mystische Tradition des Judentums, die auf der Tora basiert. Ziel ist die Annäherung an Gott durch Vertiefung in eine geheime Tradition und innere Konzentration. Sie basiert auf der Annahme eines inneren Zusammenhangs zwischen Mensch und Kosmos und der Existenz verschiedener Schöpfungswelten und Sefiroth.
Was ist ein Psalm?
Der Psalm ist eine Gebetsform aus dem Alten Testament. Psalmen sind Lobgesänge, die im Psalter überliefert sind und in Gattungen wie Hymnen und Klage- und Danklieder unterteilt werden können. Sie enden letztendlich immer im Lob Gottes.
Inwiefern ähnelt Celans Gedicht einem Psalm?
Celans Gedicht ähnelt einem biblischen Psalm in Aufbau und Wortwahl, insbesondere durch Formulierungen, die aus der religiösen und psalmischen Sprache bekannt sind (z.B. "Gelobt seist du"), sowie durch die Verwendung von Parallelismen.
Wo bricht die Ähnlichkeit zu einem Psalm ab?
Die Ähnlichkeit endet im 14. Vers des Gedichts, wo die Sprache nicht mehr "psalmisch" ist und der Aufbau sich von einem Psalm entfernt. Lediglich das eingeklammerte "o" im vorletzten Vers erinnert noch an die Psalmensprache.
Welche Bedeutung hat der Titel "Psalm"?
Der Titel legt die Erwartung nahe, dass es sich bei dem Gedicht um einen Psalm handelt. Er verweist auf einen religiösen Kontext und deutet an, dass das Gedicht eine bestimmte Gebetsform aus dem Alten Testament reflektiert. Der Titel kann als eine Art Programm für das Gedicht verstanden werden.
Welche Rolle spielt der Ausdruck "N/niemand" in Celans Gedicht?
Die Arbeit untersucht, ob der Ausdruck "N/niemand" blasphemisch ist oder ob er eine andere Bedeutung im Kontext der jüdischen Mystik und des Gedichts hat. Es wird argumentiert, dass das Gedicht für die jüdischen Toten spricht, die trotz ihres Leids ein Loblied singen.
Welche Aspekte werden in der Arbeit nicht behandelt?
Die Hermetik der Celanschen Lyrik im Gedicht Psalm wird im Hauptteil der Arbeit nicht behandelt. Der Schlussteil wird lediglich darauf zurückkommen, wenn erläutert wird, was in der Arbeit nicht untersucht wurde.
- Citation du texte
- Judith Schnettler (Auteur), 2007, Celans "Psalm", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121673