Das Fernsehen und Kriminalitätsfurcht unter Heranwachsenden

Einflüsse verschiedener Nutzungsgewohnheiten


Seminararbeit, 2006

25 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG
1.1 Problemstellung und Erkenntnisinteresse
1.2 Fragestellung
1.3 Vorgehen
1.4 Schwierigkeiten

2. DAS ANGEBOT AN GEWALTDARSTELLUNGEN IM FERNSEHEN

3. DER TV-KONSUM HERANWACHSENDER

4. DIE WIRKUNG VON KRIMINALITÄT IM FERNSEHEN AUF HERANWACHSENDE

5. KULTIVIERUNGSTHESE

6. KRIMINALITÄTSFURCHT
6.1 Erwartungen aufgrund der Theorie
6.2 Allgemeine Thesen
6.2.1 Drittvariable Alter
6.2.2 Wirkungsrichtung
6.2.3 Kultivierungsthesenkritische Studien
6.3 Fernsehnutzungsgewohnheiten

7. FAZIT

8. LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

Kriminalitätsfurcht bezeichnet die Angst von Personen davor, Opfer eines Verbrechens zu werden. Vor allem die Kriminologie, eine Disziplin zweiter Ordnung,1 beschäftigt sich mit ihr und ihrer Entstehung (vgl. Kania 1998: 18), die mit Medienkonsum in Verbindung gebracht wird. Die Entwicklung von Kriminalitätsfurcht ist nur geringfügig mit der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung verbunden (vgl. Kury/Obergfell-Fuchs 2003: 13).

Mit dem Aufkommen der kommerziell-privaten Sender hat der Gewaltgehalt der Fernsehprogramme respektive -inhalte eine neue Dimension erreicht (vgl. Kury/Obergfell-Fuchs 2003: 13). Die Medien treffen anhand von Nachrichtenwerten eine Auswahl darüber, über welche Taten sie berichten. Angewandt auf die Kriminalitätsberichterstattung kann gesagt werden, dass die Wahrscheinlichkeit der Berichterstattung mit der Aussergewöhnlichkeit, Skrupellosigkeit und/oder Gewalttätigkeit einer Straftat steigt (vgl. Sheley 1995: 24).

Dies erklärt, weshalb wir ständig Dokumentationen, Nachrichten und „pseudo- dokumentatorische“ Programminhalte im Fernsehen mit Thema Mord und Entführung vorgesetzt bekommen. Nur wenige Mediennutzer bleiben von der Fülle der Kriminalitätsberichterstattung des Fernsehens unberührt; einige erfahren ihre Umwelt weit gewalttätiger als sie in Wirklichkeit ist (vgl. Reuband 2001: 179).

1.1 Problemstellung und Erkenntnisinteresse

Die Beziehung zwischen Mediennutzung und Kriminalitätsfurcht ist sehr komplex. Folgende Aspekte führen vor Augen, dass nicht von einem einfachen Ursache- Wirkungs-Zusammenhang ausgegangen werden kann: Die Auswirkungen des Medienkonsums hängen von der Art des Gewalt-Programm-Gefässes ab (Drama, Krimi,Nachrichten, Boulevard etc.), von der Leichtgläubigkeit des Nutzers, sowie etwa vom Umstand, ob ein Täter seiner „gerechten Strafe“ zugeführt wird (vgl. Heath/Gilbert 1996: 381). Ausserdem haben auch Geschlecht, das Alter der Rezipienten, in der Vergangenheit erfahrene Kriminalität, Herkunft, Bildung, ethnische Zugehörigkeit, Kultur und andere Gründe einen Einfluss darauf wie Medienkonsum auf Heranwachsende einwirken kann.

Das primäre Interesse der Arbeit gilt den (langfristigen) Auswirkungen von Fernsehkonsum auf die Kriminalitätsfurcht Heranwachsender, Personen welche das 18. Lebensjahr beendet aber das 21. noch nicht erreicht haben, und insbesondere den Unterschieden bezüglich der Einflüsse verschiedener Nutzungsgewohnheiten. Jugendliche sind, je nach Definition, zwischen 15 und 25 Jahre alt. Das dtv Lexikon (1999) versteht unter der Jugend den Zeitraum der Adoleszenz, den Zeitraum also, zwischen Pubertät und Erwachsensein. Auch diesbezüglich gibt es wiederum verschiedene Ansichten; in dieser Arbeit sollen, falls von Jugendlichen gesprochen wird, Personen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren gemeint sein. Heranwachsende wären dieser Definition zu Folge eine Teilmenge der Jugendlichen.

Die heranwachsenden Nutzer können in Gruppen unterteilt werden: Viel- respektive Wenigseher von öffentlich-rechtlichem und kommerziell-privatwirtschaftlichem Fernsehen. Die anfangs geplante Thematisierung der Wirkungen von Zeitungen auf Heranwachsende wurde verworfen, da das Lesen von Zeitungen unter Jugendlichen – insbesondere im Vergleich mit anderen Medien – nicht sehr verbreitet ist und deshalb eine kleinere Wirkung als durch das Fernsehen erwartet werden kann: Van Eimeren und Krist (2004) schreiben von einem täglichen Fernsehkonsum der unter 12- bis 17- Jährigen Deutschen, der mehr als 11 Mal grösser ist als die Zeit, welche für das Lesen von Zeitungen aufgewendet wird (114 zu 10 Minuten täglich). Obwohl der Anteil der Zeitungslesenden mit steigendem Alter zunimmt, bleibt die Dominanz des Fernsehens – auch bezüglich der Wirkung - dennoch bestehen.

1.2 Fragestellung

Bestätigen sich die Vermutungen der Kultivierungsthese (siehe Kapitel 5) – Vielseher erleben eine in Richtung TV-Wirklichkeit verzerrte Realität und sind deshalb ängstlicher - in den in grosser Zahl durchgeführten Studien bezüglich der Wirkungen von gewalthaltigen Fernsehinhalten auf die Kriminalitätsfurcht? Die Frage, welche in dieser Arbeit geklärt werden soll, lautet: Welchen Einfluss haben Fernsehnutzungsgewohnheiten auf die Kriminalitätsfurcht unter Heranwachsenden?

1.3 Vorgehen

Nach einer theoretischen Abhandlung der Medieninhalte und der Mediennutzungsgewohnheiten zur Festlegung des Rahmens, in welchem Heranwachsende das Fernsehen nutzen, und der Schilderung von Mediengewaltwirkungen, sollen einerseits relevante theoretische Ansätze vorgestellt werden und andererseits die Entstehung von Kriminalitätsfurcht beschrieben werden. In der Folge sollen zuerst Forschungsbefunde und Thesen zur Entstehung von Kriminalitätsfurcht dargelegt, und anschliessend verschiedene Nutzungsgewohnheiten bezüglich ihrer vermuteten Wirkung auf die Ausbildung von Kriminalitätsfurcht aufgezeigt werden. Die gefundenen Thesen sollen kritisch auf ihre Plausibilität überprüft werden.

1.4 Schwierigkeiten

Im Laufe der Arbeit zeigten sich Probleme bezüglich der brauchbaren Ergebnisse aus Studien. Es gibt einerseits sehr wenige Studien, die den medialen Einfluss auf die Gruppe der Heranwachsenden untersucht. Andererseits machen die meisten Studien auf verzerrende Drittvariablen aufmerksam, was die Ergebnisse bezüglich des medialen Einflusses schmälert und ausserdem zu nicht immer konsistenten Resultaten führte.

Als Erstes wollen wir nun einen Blick darauf werfen, welche Inhalte mit gewalthaltiger Kriminalität das Fernsehen zeigt und wie gross der Anteil an Kriminalität im (deutschsprachigen) Fernsehen ist.

2. Das Angebot an Gewaltdarstellungen im Fernsehen

Groebel und Gleich analysierten 1991 das deutsche Fernsehangebot und stellten eine Thematisierung von Aggression und Bedrohung in fast der Hälfte aller deutschen Fernsehsendungen fest. Die Gewaltdarstellungen enthielten in über 50% physische Gewalt; 20% der Darstellungen endeten mit Mord oder Totschlag. Zumeist handelte es sich dabei um Beiträge von Spielfilmen oder Serien. Bei privat-kommerziellen Anbietern lagen die Aggressionsanteile deutlich höher als bei den öffentlich-rechtlichen. Pro 7, beispielsweise, zeigte drei Mal mehr Mordszenen als ARD (vgl. Groebel/Gleich 1993: 123ff). Der Wettbewerb im Fernsehmarkt sorgt dafür, dass der Gewaltgehalt insbesondere im privat-kommerziellen Fernsehen immer mehr zunimmt oder auf einem hohen Niveau konstant bleibt (vgl. Groebel/Klingler 1994: 39). Eine festgestellte Tendenz ist ausserdem, dass privat-kommerzielle Sender Berichte über kriminelle Handlungen in dramatischer Weise in Szene setzen (vgl. Kleinmann/Pfeiffer/Windzio 2004: 424).

Groebel und Gleich (1993: 128f.) stellten fest, dass in Nachrichten Aggression in politischen und militärischen Themen die Kriminalität überwiegen; in fiktiven Programmen wie Serien und Spielfilmen dominiert die Kriminalität dagegen die Inhalte. In Nachrichten kommen vor allem die schweren Gewaltformen, insbesondere Mord, vor. Mord ist mit 50% die in den Nachrichten am häufigsten vertretene Schadensform; fiktive Programme (27%) und Trickfilme (7%) haben dagegen relativ kleine Anteile an Morddarstellungen.

Es kann gesagt werden, dass privat-kommerzielles Fernsehen einen grösseren Gewaltgehalt aufweist als öffentlich-rechtliches: viele Spielfilme und im Speziellen Serien haben einen von krimineller Gewalt dominierten Inhalt. Wenn man die Präferenzen der Heranwachsenden berücksichtigt, stellt man fest, dass die (zumeist) auf Unterhaltung fokussierten Heranwachsenden jene Sender schauen, die Inhalte zeigen, in welchen Kriminalität eine bedeutende Rolle spielt. Sofern die Programmwahl nicht willentlich erfolgt, kann man davon ausgehen, dass Heranwachsende durch „zapping“ zwangsläufig auf Mord und Totschlag stossen.

Nach erfolgter Darstellung des gewalthaltigen Inhalts von Darstellungen im Fernsehen, wollen wir im Weiteren betrachten, welche Bedeutung das Fernsehen für Heranwachsende hat und ausserdem einen Blick auf deren Sender- und Sendungspräferenzen werfen.

3. Der TV-Konsum Heranwachsender

Heutige Jugendliche werden gerne als erste „Multimedia-Generation“ bezeichnet; van Eimeren und Krist (2004) sprechen von einer „Mediatisierung der Jugend“. Medien und insbesondere das Fernsehen haben in der Freizeitgestaltung Jugendlicher einen hohen Stellenwert und scheinen diese zu dominieren. Das Fernsehen wird von Jugendlichen primär als Unterhaltungsmedium eingesetzt (vgl. Bonfadelli/Süss 2001: 327) und im Speziellen bei Langeweile genutzt (vgl. van Eimeren/Krist 2004: 14).

Der Prozentsatz der Fernsehen schauenden Jugendlichen liegt bei knapp 90% (vgl. Feierabend/Klingler 2002: 137). Der tägliche Fernsehkonsum der 12- bis 17-Jährigen beläuft sich gemäss einer deutschen Studie auf 114 Minuten (vgl. van Eimeren/Krist 2004: 9); eine Schweizer Studie hat eine durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer heranwachsender 9- bis 16-Jähriger von 103 Minuten erhoben (vgl. Süss et al. 2003: 52). Deutsche Jugendliche sollen 20 % ihrer Freizeit vor dem Fernseher sitzen (vgl. van Eimeren/Krist 2004: 16).

Die genannten Zahlen demonstrieren die enorme Bedeutung des Fernsehens in den Tagesstrukturen Jugendlicher. Das Fernsehen nimmt nicht nur viel Zeit in Anspruch, es ist auch eine entscheidende Erziehungs- und Sozialisationsquelle. Es prägt das Bild, welches Jugendliche von der Realität haben (siehe Kapitel 4).

[...]


1 Eine Disziplin zweiter Ordnung deshalb, da in ihr Methoden und auch Befunde verschiedener Einzeldisziplinen vereint und in einen neuen thematischen Rahmen gestellt werden. Disziplinen wie die Psychologie, die Soziologie und die Medienwissenschaften, bilden die Kriminologie mit. Sie gehört jedoch faktisch der Strafrechtswissenschaft an (vgl. Kania 1998: 18).

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das Fernsehen und Kriminalitätsfurcht unter Heranwachsenden
Untertitel
Einflüsse verschiedener Nutzungsgewohnheiten
Hochschule
Universität Zürich  (Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich)
Veranstaltung
Seminar
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V121761
ISBN (eBook)
9783640264520
ISBN (Buch)
9783640264797
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kriminalitätsfurcht, Gewalt in den Medien, Gewalt, Medien, Fernsehen
Arbeit zitieren
Master of Arts UZH Stefan Heini (Autor:in), 2006, Das Fernsehen und Kriminalitätsfurcht unter Heranwachsenden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121761

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