Altern in Bocholt - Analyse der bestehenden Versorgungsstrukturen für ältere Menschen und Handlungsempfehlungen

Zur zukünftigen Weiterentwicklung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung


Diploma Thesis, 2008

149 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Hintergrund und Problemstellung
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Die Dimensionen des demografischen Wandels
2.1 Deutschland – Der demografische Wandel im nationalen Kontext
2.1.1 Geburtendefizit und Zuwanderung
2.1.2 Alterung der Bevölkerung
2.1.3 Regionale Dynamik des demografischen Wandels
2.2 Der Kreis Borken – Der demografische Wandel im regionalen Kontext
2.2.1 Der Kreis Borken – geographische Einordnung
2.2.2 Bevölkerungsentwicklung seit der kommunalen Neugliederung
2.2.3 Prognose zur zukünftigen Bevölkerungsentwicklung
2.2.3.1 Schnellere Alterung der Bevölkerung im Kreis Borken
2.2.3.2 Altersstrukturverschiebungen

3 Bocholt
3.1 Einführung in den Untersuchungsraum
3.2 Bevölkerungsentwicklung in Bocholt seit
3.3 Bevölkerungsprognose Bocholts 2005 bis

4 Auswirkungen einer alternden Gesellschaft
4.1 Anforderungen an den zukünftigen Pflegebedarf
4.2 Anforderungen an den Wohnungsmarkt
4.3 Das Alter als heterogene Lebensphase

5 Problemstellung in Bocholt und Ableitung von Forschungsfragen
5.1 Ausgangssituation und Informationsdefizit
5.2 Forschungsfragen

6 Methodik
6.1 Schriftliche Befragung der Nachfrageseite
6.2 Schriftliche Befragung der Angebotsseite

7 Auswertung der Untersuchungsergebnisse
7.1 Vorbemerkungen zur Durchführung der Untersuchung
7.1.1 Befragung der Bocholter zwischen 50 und 80 Jahren
7.1.2 Befragung der Versorgungsstrukturen
7.2 Aktuelle Wohnund Lebenssituation der Bocholter Senioren
7.3 Analyse und Evaluierung der Angebotsseite
7.3.1 Stationäre Altenund Pflegeeinrichtungen
7.3.2 Altenwohnungen
7.3.3 Betreutes Wohnen/Service-Wohnen
7.3.4 Ambulante Hilfsund Pflegedienste
7.3.5 Beratungsstellen
7.4 Weitere Ergebnisse der Bewohnerbefragung

8 Handlungsempfehlungen

9 Fazit

10 Literaturverzeichnis

11 Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Entwicklung der Bevölkerungszahl in Deutschland, ab 2006 Ergebnisse der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung

Abb. 2: Geburten und Sterbefälle, Geburtensaldo Deutschland 1970-2006

Abb. 3: Zuund Fortzüge, Wanderungssaldo Deutschland 1991-2004

Abb. 4: Altersaufbau Deutschlands 1910 und 1950

Abb. 5: Altersaufbau Deutschlands 2000 und 2025

Abb. 6: Relative Bevölkerungsentwicklung in Deutschland auf Kreisebene (1990-2004; 2004- 2020)

Abb. 7: Kreis Borken – Übersichtskarte

Abb. 8: Bevölkerungsentwicklung im Kreis Borken seit 1975

Abb. 9: Bevölkerungspyramiden Kreis Borken und Land NRW Ende 2001

Abb. 10: Entwicklung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Kreis Borken 2005-2025

Abb. 11: Entwicklung der Bevölkerung im Rentenalter im Kreis Borken 2005-2025

Abb. 12: Lage der Stadt Bocholt

Abb. 13: Stadtbusliniennetz und Taxibusliniennetz der Stadt Bocholt

Abb. 14: Beschäftigtenanteile in den einzelnen Wirtschaftssektoren 1990 und 2006

Abb. 15: Bebaute Ortslage der Stadt Bocholt

Abb. 16: Kommunale Verwaltungsgliederung vor und nach 1975

Abb. 17: Bevölkerungsentwicklung Bocholts 1975-2006

Abb. 18: Geburten, Sterbefälle und Geburtensaldo Bocholts 1975-2006

Abb. 19: Zu-, Fortzüge und Wanderungssaldo Bocholts 1975-2006

Abb. 20: Altersstrukturverschiebungen in Bocholt 1975-2005 – 3 Altersklassen

Abb. 21: Altersstrukturverschiebungen in Bocholt 1975-2005 – 5 Altersklassen

Abb. 22: Relative Zunahme der verschieden Altersklassen 1975-2006

Abb. 23: Übersicht zu den Varianten der Bevölkerungsprognose für Bocholt

Abb. 24: Geburten, Sterbefälle und Geburtensaldo Bocholts 2005-2019

Abb. 25: Jährliches Bevölkerungswachstum Bocholts 2005-2019

Abb. 26: Bevölkerungspyramiden Bocholts für die Jahre 2005 und 2020

Abb. 27: Altersstrukturverschiebungen in Bocholt 2005-2020 – 5 Altersklassen

Abb. 28: Relative Zunahme der verschieden Altersklassen 2005-2020

Abb. 29: Monatliche verfügbares Haushaltseinkommen der AK 1 und AK 2

Abb. 30: Wohnformen und Eigentumsverhältnisse der Gesamtstichprobe

Abb. 31: Wohnungsgrößen der AK 1 und AK 2

Abb. 32: Haushaltsgrößen der AK 1 und AK 2

Abb. 33: Wohnzufriedenheit der älteren Bevölkerung – Wie zufrieden sind Sie mit ihrer Wohnung in Bezug auf die…?

Abb. 34: Bekanntheitsgrad der Wohnform „Alten-Pflegeheim“ sowie einzelner Einrichtungen

Abb. 35: Angebot an Altenwohnungen und aktuelle Nachfrage

Abb. 36: An wen würden sich Hilfsbedürftige im Bedarfsfall wenden? (Gesamtstichprobe)

Abb. 37: Zahlungsbereitschaft für ambulante Dienstleistungen der über 50-Jährigen

Abb. 38: Kenntnisstand der über 50-Jährigen zu Beratungsstellen in Bocholt

Abb. 39: Gewünschte Wohnformen fürs Alter der AK 1 und AK 2

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Annahmen zu verschiedenen Varianten der Bevölkerungsentwicklung

Tab. 2: Altersaufbau der Bevölkerung Deutschlands. 12

Tab. 3: Absolute Veränderung der Personen in verschiedenen Altersklassen 1975-2006

Tab. 4: Quotenanweisung für die schriftliche Befragung der Nachfrageseite in Bocholt

Tab. 5: Übersicht zu den stationären Einrichtungen in Bocholt, die sich an der Untersuchung beteiligten

Tab. 6: Übersicht zu den Anbietern von Altenwohnungen in Bocholt, die sich an der Untersuchung beteiligten

Tab. 7: Übersicht zu den betreuten Wohneinrichtungen in Bocholt, die sich an der Untersuchung beteiligten

Tab. 8: Übersicht zu den ambulanten Hilfsund Pflegediensten in Bocholt, die sich an der Untersuchung beteiligten

Tab. 9: Übersicht zu den Beratungsstellen in Bocholt, die sich an der Untersuchung beteiligten

Tab. 10: Übersicht zur Angebotsstruktur der Stationären Altenund Pflegeeinrichtungen

Tab. 11: Übersicht zur Bewohnerstruktur der Stationären Altenund Pflegeeinrichtungen

Tab. 12: Übersicht zur Angebotsstruktur der Altenwohnungen

Tab. 13: Übersicht zur Angebotsstruktur im Betreuten Wohnen/Service-Wohnen

Tab. 14: Übersicht zur Bewohnerstruktur im Betreuten Wohnen/Service-Wohnen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der demografische Wandel, mit seinen Trends der Schrumpfung, Heterogenisierung und v.a. der Alterung, ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus von Planung, Politik und Öffentlichkeit getreten. Die aktuellen Diskussionen über das Rentenund Gesundheitssystem, und auch das Aufgreifen des Themas demografischer Wandel in der ARD Themenwoche Mehr Zeit zu Leben (vom 20. bis 26. April 2008) bestätigen das gesteigerte Interesse. Die Auswirkungen z.B. auf das Rentenund Gesundheitssystem sind auf der Bundesund Landesebene gut prognostizierbar. Diese Makroansicht vernachlässigt aber die Tatsache, dass sich die Gesamtentwicklung aus vielen verschiedenen Trends auf kleinräumigeren Ebenen zusammensetzt (vgl. INSTITUT FÜR LANDES- UND STADTENTWICKLUNGSFORSCHUNG UND BAUEN DES LANDES NRW

2006: S. 8). Gerade dieser regionalspezifische Aspekt macht es notwendig, sich auf lokaler Ebene mit dem demografischen Wandel auseinander zu setzen, weil dort die Auswirkungen deutlich extremer sein können und nicht statistisch aufgehoben werden (vgl. SCHÖNIG 2003: S. 7). Auf kommunaler Ebene treten die Auswirkungen des demografischen Wandels in Erscheinung und werden konkret. Das Nebeneinander von Wachstum und Schrumpfung ist heute Realität der Raumund Strukturentwicklung in Deutschland und führt zu einer Vielzahl von räumlichen Problemkonstellationen. Die Alterung hingegen wird ausnahmslos alle Regionen in Deutschland treffen. Aber ebenso beim Alterungsprozess werden sich regionale und lokale Disparitä- ten in Dynamik und Intensität ergeben. Je nach spezifischer Situation vor Ort müssen regional oder lokal angepasste Handlungsund Entwicklungsstrategien entwickelt werden.

1.1 Hintergrund und Problemstellung

Um die Herausforderungen des demografischen Wandels anzunehmen und ihn aktiv gestalten zu können, benötigen die Kommunen Informationen über ihre spezifische demografische Situation und Perspektive. Der von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichte Wegweiser Demographischer Wandel stellt eine Vielzahl an Informationen für Kommunen in Deutschland bereit. Dennoch müssen die Konzepte und Strategien immer auf die spezifische örtliche Situation zugeschnitten werden (vgl. FLÖTHMANN

ET AL. 2006: S. 20). Jede Kommune wird ihren eigenen Weg finden müssen. Wichtig ist, dass die Situation vor Ort bekannt ist. Laut einer bundesweiten Umfrage des Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) stehen in nicht einmal jeder fünften Kommune Deutschlands Orientierungslinien zur Verfügung, in welche Richtung das Wohnangebot für ältere Menschen umstrukturiert werden soll (vgl. BMFSFJ, KDA 2006: S. 75). Dabei werden sich die Altersstrukturverschiebungen insbesondere auf die Wohnungsmärkte auswirken. In den letzten Jahren hat sich zwar die Fachdiskussion zum Thema demografischer Wandel auch auf der kommunalen Ebene intensiviert, dennoch hat dieser Aspekt in der kommunalen Praxis bisher noch zu wenig Beachtung gefunden. Eine kommunale Bestandsund Bedarfsanalyse speziell zur Lebensund Wohnsituation der älteren Bürger scheint eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Den Verantwortlichen in Politik, Verwaltung, Planung und Ausführung fehlt es an validen Kenntnissen zur Lebenslage, Gesundheit, Interessen und Wünschen älterer Menschen (vgl. BMFSFJ 2002: S. 19). Gleichzeitig fehlen den älteren Menschen Informationen zu Beratungsangeboten, Hilfsmöglichkeiten und alternativen Wohnformen vor Ort.

Die demografische Entwicklung vor Ort ist in der Regel langfristig prognostizierbar. Dadurch haben die die Kommunen die Möglichkeit sich frühzeitig auf die Entwicklung einzustellen und entsprechend zu agieren. Voraussetzung zur Schaffung eines altersgerechten Wohnungsangebots vor Ort ist eine gezielte kommunale Fachplanung auf Grundlage eines entwickelten Leitbildes. Die Kommunen müssen einen Überblick über ihre bestehenden altersgerechten Wohnund Versorgungsangebote für ältere Menschen bekommen. In Verbindung mit Kenntnissen zur Wohnund Lebenssituation sowie den Wohnwünschen der älteren Bevölkerung lassen sich so, das vorhandene Angebot und die Nachfrage gegenüberstellen und Angebotslücken aufdecken. Dadurch können sich Kommunen eine planerische Grundlage verschaffen, um das Wohnungsangebot den Bedürfnissen entsprechend weiter zu entwickeln und Fehlplanungen zu verhindern (vgl. BMFSFJ, KDA 2006: S. 48). Handlungspotenziale ergeben sich aus dem Agieren-Können statt aus einem Reagieren-Müssen. Wenn die Auswirkungen der demografischen Entwicklung rechtzeitig erkannt werden, kann der demografische Wandel frühzeitig aktiv gestaltet werden und es ergeben sich grö-

ßere Handlungsspielräume, da verschiedene Optionen noch systematisch identifiziert, diskutiert und abgewogen werden können (vgl. BUNDESAMT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG 2006: S. 14). Angesichts der finanzund sozialpolitischen Tragweite der Entwicklung sind Kommunen aufgefordert, zeitnah Projektionen für ihre demografische Entwicklung zu erstellen, um dann strategische Optionen zu beraten (vgl. SCHÖNIG 2003: S. 7).

Auch die Bocholter Politik hat die Notwendigkeit zum frühzeitigen Handeln erkannt. In der Bürgermeisterbefragung Kommunale Herausforderung Demographie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahre 2005 wurde das Thema demografischer Wandel in Bocholt als sehr wichtig eingestuft. Zusätzlich wurden die Seniorenpolitik und Altenplanung als zunehmend wichtigere Aufgabenbereiche bewertet (vgl. BERTELS- MANN STIFTUNG 2005a). Anfang des Jahres 2007 wurde der Ruf nach einer Gesamtstrategie zur Thematik des demografischen Wandels laut. Es wurde sogar der Vorschlag eingereicht, eine fachbereichsübergreifende, unabhängige Stelle im Rathaus einzurichten, die sich mit der Bevölkerungsentwicklung befasst. Bisher hat man in der Verwaltung diesen Vorschlag aber nicht weiter verfolgt. Die zukünftigen Auswirkungen des demografischen Wandels in Bocholt wurden schon mehrmals in Studien thematisiert, aber den Verantwortlichen in der Kommune fehlt es trotzdem noch an entsprechenden Informationen, um darauf aufbauend eine kommunale zukunftsorientierte Planung zu begründen. Mit dem Herantreten an den Fachbereich Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung der Stadt Bocholt stellte sich heraus, dass der Bedarf einer Diplomarbeit zum Thema demografischer Wandel vorhanden war und dass die Arbeit durch den Fachbereich unterstützt werden würde. Da der demografische Wandel aber nahezu auf alle Lebensbereiche Auswirkungen haben wird, diese aber nicht alle in einer Diplomarbeit behandelt werden können, musste eine Konkretisierung des Forschungsgegenstandes erfolgen. Nach umfangreichem Literaturstudium erwiesen sich die zunehmende Alterung der Bevölkerung und deren Auswirkungen auf die Versorgungsstrukturen für ältere Menschen als interessante Aspekte, die es im kommunalen Kontext zu untersuchen gilt. Unter Versorgungsstrukturen werden in dieser Untersuchung stationäre Altenund Pflegeheime, Anbieter von altersgerechtem Wohnraum, betreute Wohneinrichtungen, ambulante Hilfsund Pflegedienste sowie Beratungsstellen verstanden.

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Obwohl die demografische Ausgangslage und die zukünftige Bevölkerungsprognose für Bocholt in vielen Veröffentlichungen als eher günstig beschrieben wird, dürfen die Kommunalpolitik und die anderen Akteure vor Ort nicht die Augen davor verschließen, dass die demografische Entwicklung dennoch auch in Bocholt gravierende Auswirkungen haben wird. Die Veränderungen in der Altersstruktur – dabei v.a. der stark ansteigende Anteil der Hochaltrigen – wird die kommunalen Akteure zukünftig vor enorme Herausforderungen stellen.

Hochaltrigkeit ist ein unscharfer Begriff, auch wenn in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion häufig die Unterscheidung zwischen dem „dritten und vierten Lebensalter“ gemacht wird (eine ähnliche Unterscheidung ist die zwischen den so genannten „jungen Alten“ und „alten Alten“). […]Betrachtet man Publikationen innerhalb des deutschen Sprachraums, so zeigt sich, dass in der Mehrzahl der Arbeiten eine Altersgrenze von 80 Jahren angegeben wird, um Hochaltrigkeit zu definieren. […]Allerdings muss konstatiert werden, dass zurzeit die Wahrscheinlichkeit für Multimorbidität, Pflegebedürftigkeit und Demenz jenseits des 80. bis 85. Lebensjahrs deutlich ansteigt. Daher erscheint es sinnvoll, diese Altersgrenze in sozialpolitischer Perspektive in den Blick zu nehmen“ (BMFSFJ 2002, S. 53f.).

Es stellen sich Fragen nach der Bedarfszunahme von Altenund Pflegeeinrichtungen, dem Angebot an altersgerechten Wohnraum, der Organisation von ambulanten Hilfsund Pflegediensten, der Akzeptanz von alternativen Wohnformen sowie der Bereitstellung von Beratungsdiensten, um nur einige zu nennen.

Die Diplomarbeit hat die Zielsetzung, Handlungsempfehlungen zu formulieren, wie die Versorgungsstrukturen in Bocholt zukünftig, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung, angepasst werden können. Auf der Grundlage von empirischen Erhebungen soll das Angebot der bestehenden Versorgungsstrukturen mit der Nachfrage der älteren Bevölkerung evaluiert werden, um somit Angebotsdefizite oder vielversprechende, gelungene Ansätze zu identifizieren. Mit dem Ergebnis der Arbeit kann allen kommunalen Akteuren, die bei der Gestaltung der Versorgungsstrukturen für ältere Menschen Einfluss nehmen, eine wissenschaftlich erarbeite Studie an die Hand gegeben werden, die zur Unterstützung bei der zukünftigen Planung dienen kann. Des Weiteren kann sie für die Fachbereiche in der Verwaltung, die sich mit der Bevölkerungsentwicklung, Seniorenpolitik oder Altenplanung beschäftigen als Argumentationshilfe bei kommunalpolitischen Entscheidungen dienen.

1.3 Aufbau der Arbeit

Im folgenden Kapitel soll der demografische Wandel auf verschiedenen Maßstabsebenen dargestellt werden. Die Aspekte der Schrumpfung, Alterung und die regionale Dynamik werden auf der nationalen Ebene thematisiert. Zur räumlichen Annäherung an den Untersuchungsraum wird auf der regionalen Ebene der Kreis Borken zunächst geographisch eingeordnet, bevor auf die Bevölkerungsentwicklung eingegangen und ihre spezifische Ausprägung charakterisiert wird. Im dritten Kapitel steht anschließend die lokale Ebene des Untersuchungsraums Bocholt im Fokus. Die Stadt Bocholt wird nach der geographischen Einordnung unter themenrelevanten Aspekten vorgestellt. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2020 und ihren Auswirkungen auf die Altersstruktur. Im vierten Kapitel werden die Probleme einer alternden Bevölkerung aufgeführt. Dabei werden v.a. die Aspekte des steigenden Pflegebedarfs, die zukünftigen Anforderungen an den Wohnungsmarkt sowie die veränderte Lebenssituation älterer Menschen schwerpunktmäßig behandelt. Im fünften Kapitel soll die Problemstellung in Bocholt dargestellt und die sich daraus ergebenden zentralen Fragestellungen für die Untersuchung erörtert werden. Im sechsten Kapitel beginnt der empirische Teil mit der Beschreibung der – innerhalb der Untersuchung – verwendeten Methoden. Im siebten Kapitel werden die Ergebnisse beider Primärerhebungen ausgewertet. Die direkte Verknüpfung der Angebotsund Nachfrageseite macht es möglich, sich von einer rein deskriptiven Perspektive abzulösen. So ist es möglich, die Angebotsseite auf Grundlage der Daten der Bewohnerbefragung direkt zu evaluieren. Im achten Kapitel folgt der konstruktive Teil der Untersuchung. Auf der Basis der zuvor gewonnenen Erkenntnisse sollen Handlungsempfehlungen formuliert werden, die darauf abzielen, den kommunalen Akteuren eine Orientierung zu geben, wie die Versorgungsstrukturen zukünftig an die Bedürfnisse der älteren Bevölkerung angepasst werden können. Zum Abschluss soll das Fazit noch einmal die wichtigsten Aspekte der gesamten Arbeit resümieren.

2 Die Dimensionen des demografischen Wandels

2.1 Deutschland – Der demografische Wandel im nationalen Kontext

In der Öffentlichkeit wird der demografische Wandel vor allem auf der nationalen Ebene wahrgenommen. Auch die meisten Veröffentlichungen zum Thema demografischer Wandel beziehen sich auf Entwicklungen und Auswirkungen auf der nationalen Ebene. Aus diesem Grund soll auch in dieser Arbeit zunächst der demografische Wandel auf der nationalen Ebene analysiert werden, um dem Leser einen einfachen Zugang zur Thematik zu ermöglichen. Dabei werden zunächst die Ursachen für den demografischen Wandel in Deutschland erläutert bevor der Aspekt der Alterung genauer behandelt wird. Auf den Aspekt der Heterogenisierung wird nicht detailliert eingegangen, da vor dem Hintergrund der thematischen Ausrichtung der Arbeit v.a. die Schrumpfung und die Alterung der Bevölkerung ausschlaggebend sind. Neben diesen beiden Aspekten wird zudem auf die regionale Dynamik des demografischen Wandels eingegangen, um zu verdeutlichen wie differenziert sich die Entwicklung in Deutschland darstellt und dass es notwendig ist, sich auf geringerer Maßstabsebene mit dem Thema auseinanderzusetzen.

2.1.1 Geburtendefizit und Zuwanderung

Deutschland ist mit rund 82,5 Mio. Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Europäischen Union. Laut den Ergebnissen der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes wird die Bevölkerung Deutschlands bis zum Jahr 2050 stetig abnehmen. Die Vorausberechnungen beruhen auf Annahmen zur Geburtenhäufigkeit, zur Lebenserwartung und zum Saldo der Außenwanderungen. Insgesamt gibt es zwölf verschiedene Varianten zur zukünftigen Bevölkerungsentwicklung. Unter Annahme einer nahezu konstanten Geburtenhäufigkeit, eines Anstiegs der Lebenserwartung von etwa sieben Jahren und einem Wanderungssaldo von 100.000 bzw. 200.000 Personen pro Jahr erscheinen die Varianten Untergrenze der mittleren Bevölkerung (Variante 1) und O bergrenze der mittleren Bevölkerung (Variante 2) als wahrscheinlichste Grenzen eines Korridors der zukünftigen Entwicklung (s. Tab. 1) (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT 2006: S. 13).

Tab. 1: Annahmen zu verschiedenen Varianten der Bevölkerungsentwicklung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an STATISTISCHES BUNDESAMT 2006: S. 13

Abbildung 1 zeigt die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis 2050 für die Varianten 1 und 2. Demnach wird die Bevölkerungszahl im Jahr 2050 zwischen 69 Mio. (Variante 1) und 74 Mio. (Variante 2) liegen. Das bedeutet einen Bevölkerungsrückgang um zehn Prozent bzw. 17 Prozent. Bereits seit dem Jahr 2003 nimmt die

Bevölkerungszahl in Deutschland mit steigender Tendenz ab, weil die seit dem Jahr 2001 sinkenden Wanderungssalden das Geburtendefizit nicht mehr ausgleichen können (s. Abb. 2 und 3). Seit dem Jahr 1973 übersteigt die Anzahl der

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Entwicklung der Bevölkerungszahl in Deutschland, ab 2006 Ergebnisse der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung

(Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT 2006: S.13)

Sterbefälle die der Geburten in Deutschland (s. Abb. 2).

Grund dafür ist das Absinken der Geburtenrate unter das Reproduktionsniveau von 2,1 Kindern pro Frau, welches nötig ist, damit sich eine Gesellschaft langfristig stabil entwickelt. Zwischen den Jahren 1956 und 1965 lag die Geburtenrate in Deutschland bei 2,5 Kindern pro Frau und übertraf damit sogar das Reproduktionsniveau. Diese Zeit wird häufig als Babyboom-Phase bezeichnet. In der Folgezeit kam es zu einem Rückgang der Geburtenrate, und im Jahr 1970 wurde erstmals die kritische Grenze von 2,1 Kindern pro Frau unterschritten. Seit Mitte der 1980er Jahre unterlag die Geburtenrate nur noch geringen Schwankungen und liegt seitdem auf einem Niveau von etwa 1,4 Kindern pro Frau.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Geburten und Sterbefälle, Geburtensaldo Deutschland 1970-2006 (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an STATISTISCHES BUNDESAMT, GENESIS-online)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Zuund Fortzüge, Wanderungssaldo Deutschland 1991-2004 (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an STATISTISCHES BUNDESAMT, GENESIS-online)

Somit werden nun schon seit etwa dreißig Jahren deutlich weniger Kinder geboren als zur zahlenmäßigen Nachfolge ihrer Elterngeneration erforderlich wären. Damit zählt Deutschland zu den Ländern mit der geringsten Geburtenhäufigkeit und wird in Europa nur noch durch Italien, Spanien und Griechenland unterboten, in denen die Geburtenhäufigkeiten zwischen 1,2 und 1,3 Geburten pro Frau liegen (vgl. SCHMIDT 2003: S. 6f.). Der Rückgang der Fertilität ist ein Kennzeichen im Entwicklungsprozess moderner Gesellschaften. Es ist ersichtlich, dass die Fertilität im Prozess der gesellschaftlichen Modernisierung, d.h. parallel zu steigenden Einkommen, Industrialisierung, Verstädterung und Säkularisierung langfristig zurückgeht (vgl. SCHÖNIG 2003: S. 11). Die Gründe für die sinkende Fertilität sind vielfältig und sollen hier an dieser Stelle nur genannt, aber nicht genauer erläutert werden: sinkende Heiratsneigung, vermehrte Scheidungen, Eheschließungen in einer späteren Lebensphase, der Anstieg des mittleren Alters von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes, Geburtenplanung, Kinderlosigkeit und die Zunahme von nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften (vgl. KILPER, MÜLLER 2005: S. 36). Die Auswirkungen der geringen Geburtenrate lassen sich wie folgt darstellen: Bei einer gleich bleibend niedrigen Geburtenrate bilden die Kinder eine zukünftig schwächer besetzte Elterngeneration und bringen folglich auch weniger Kinder zur Welt. Dadurch wird sich die Alterspyramide Deutschlands nach unten immer weiter verengen (vgl. SCHMIDT 2003: S. 10). Aufgrund der sog. demografischen Trägheit würde selbst eine drastische Erhöhung der Geburten pro Frau den Schrumpfungsprozess nicht einfach ten, weil die Geborenen erst in zwanzig bis dreißig Jahren als potenzielle Eltern in Erscheinung treten würden (vgl. SCHÖNIG 2003: S. 12). Angesichts einer Haushaltsuntersuchung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2001 ist nicht mit einem weiteren Anstieg der Geburtenrate zu rechnen. Demnach leben nur in rund einem Drittel (12,7 Mio.) der deutschen Haushalte Kinder. Bei der Anzahl der Kinder überwiegen Haushalte mit nur einem Kind (50%), gefolgt von Haushalten mit zwei Kindern (37,3%). Haushalte mit drei oder mehr Kindern bilden mit einem Anteil von 12,7 Prozent eher eine Minderheit (vgl. SCHMIDT 2003: S. 14). Wie bereits erwähnt, werden seit den 1970er Jahren zu wenige Kinder in Deutschland geboren, um eine ausgeglichene natürliche Bevölkerungsentwicklung zu erreichen. Bis zum Jahr 2002 wurde dieses Defizit durch Zuwanderungsgewinne kompensiert und somit stieg die Bevölkerungszahl Deutschlands trotz des hohen Sterbefallüberschusses. Seit dem Jahr 2002 sinkt der Wanderungssaldo (s. Abb. 3: S. 8) und die Zahl der Sterbefälle wird – trotz der steigenden Lebenserwartung – zunehmen, weil die stark besetzten Geburtenjahrgänge in das hohe Alter hineinwachsen werden. Diese Entwicklung führt dazu, dass die natürliche Bevölkerungsschrumpfung durch den Wanderungssaldo nicht mehr ausgeglichen werden kann. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass in einzelnen Jahren ein Bevölkerungswachstum erzielt wird, doch langfristig ist ein so hoher Sterbefallüberschuss durch keinen heute vorstellbaren, sozial ver- träglichen Wanderungssaldo zu kompensieren (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT 2006: S. 15).

2.1.2 Alterung der Bevölkerung

Die Alterung der Bevölkerung ist gesamtgesellschaftlich und gesamtwirtschaftlich gesehen der bedeutsamste Prozess der demografischen Entwicklung in Deutschland.

Bei der Alterung der Bevölkerung handelt es sich um ein weltweites Phänomen. Dabei weist Deutschland neben Japan und Italien die stärkste demografische Alterung auf (vgl. FLÖTHMANN ET AL. 2006: S. 17). Die Veränderungen in der Altersstruktur werden anhand der Betrachtung von Alterspyramiden besonders deutlich (s.Abb. 4 und 5). Die Bezeichnung Alterspyramide trifft eigentlich nur noch auf den Altersaufbau Deutschlands im Jahr 1910 zu. Bereits 1950 waren als Folge der beiden Weltkriege und der Weltwirtschaftskrise deutliche Einkerbungen zu erkennen (s. Abb. 4). Der heutige Altersaufbau (Stand 2000) erinnert nur noch wenig an eine Pyramide.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Altersaufbau Deutschlands 1910 und 1950

(Quelle: BIB 2004: S. 60)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Altersaufbau Deutschlands 2000 und 2025

(Quelle: BIB 2004: S. 60)

Die Problematik der zukünftigen Alterung der Bevölkerung wird deutlich, wenn der Altersaufbau aus dem Jahr 2000 mit dem Altersaufbau 2025 verglichen wird (s. Abb. 5). Die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre bilden die stärksten Jahrgänge und gruppieren sich um das 35ste Altersjahr. Bis zum Jahr 2025 verschiebt sich diese Gruppe in die höheren Jahrgänge und wird durch immer geburtenschwächere Jahrgänge ersetzt. Das ist die Hauptursache dafür, dass sich in den kommenden Jahren die Alterung der Gesellschaft immer schneller vollziehen wird. Dieser Prozess beginnt etwa ab dem Jahr 2015 und erreicht seinen Höhepunkt in dem Zeitraum zwischen 2030 und 2035, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in das Rentenalter eintreten (vgl. BUNDESINSTITUT FÜR BEVÖLKERUNGSFORSCHUNG 2004: S. 59).

„Der Wunschtraum der Menschheit, möglichst alt zu werden, scheint zunehmend erfüllbar“ (DEUTSCHER BUNDESTAG 2002: S. 13).

Allein im letzten Jahrhundert ist die Lebenserwartung in Deutschland um 31 Jahre gestiegen, und auch bis zum Jahr 2050 wird von einer weiteren Steigerung ausgegangen. Die rein statistische Lebenserwartung von Frauen wird im Jahr 2050 durchschnittlich 88 Jahre und die der Männer 83,5 Jahre betragen. Das ist im Vergleich zu 2002/2004 eine Erhöhung um 7,6 bzw. 6,5 Jahren (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT 2006: S. 7). Die steigende Lebenserwartung ist jedoch nicht die einzige Ursache für die Alterung der deutschen Bevölkerung. Vielmehr resultiert die Alterung aus zwei gegensätzlichen Entwicklungen: In den Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung wird davon ausgegangen, dass die ältere Bevölkerung (über 65 Jahre) bis zum Jahr 2050 um 6,4 Mio. Personen zunehmen und im Gegensatz dazu die jüngere Bevölkerung (unter 65 Jahre) um 18,7 Mio. Personen abnehmen wird. Der größer werdende Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung resultiert demzufolge zum größten Teil auf dem zahlenmäßigen Rückgang der jüngeren Bevölkerungsgruppen (vgl. KRE- MER-PREIß, STOLARZ 2003: S. 202). Tabelle 2 eignet sich dazu, den Alterungsprozess in Deutschland zu verdeutlichen (s. Tab. 2: S. 12). Waren die Anteile der Altersklassen unter 20 (21,7%) und 60 und älter (20,45) im Jahr 1990 noch nahezu gleich groß, entwickelt sich bis zum Jahr 2050 ein deutliches Übergewicht zugunsten der Altersklasse 60 und älter. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist bis dahin mit 36,7 Prozent mehr als doppelt so hoch wie der Anteil der Altersklasse unter 20 (16,1%).

Rund ein Drittel der Altersklasse 60 und älter sind Hochaltrige (über 80 Jahre), deren Anteil an der Gesamtbevölkerung sich im selben Zeitraum auf 12,1 Prozent verdreifacht. Wenn die Prognosen zutreffen, wird es im Jahr 2050 nahezu 28 Mio. Rentner geben, – darunter 9,1 Mio. Hochaltrige – denen dann nur noch 35 Mio. Menschen im Erwerbsalter gegenüberstehen. Der Bevölkerungsanteil der unter 20- Jährigen wird um ca. 25 Prozent auf ca. 12 Mio. Personen zurückgehen. Durch diese Entwicklung steigt das mittlere Alter, welches die Bevölkerung in zwei gleich große Teile aufgliedert, nach oben.

Tab. 2: Altersaufbau der Bevölkerung Deutschlands

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an STATISTISCHES BUNDESAMT 2003: S. 31

Lag dieser Median im Jahr 2001 noch bei 40,6 Jahren, wird er sich im Jahr 2050 bis zum 48. Lebensjahr verschoben haben (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT 2003: S. 31). Der Altenquotient, welcher die Relation der Bevölkerung im Rentenalter (über 65 Jahre) zur Bevölkerung im Erwerbsalter (20 bis 65 Jahre) misst, wird häufig als Indikator für die Alterung herangezogen. Heute liegt der Altenquotient – bei der Altersgrenze von 65 Jahren – bei einem Wert von 32, d.h. es kommen 32 Personen im Rentenalter auf 100 Personen im Erwerbsalter. Er wird schon in den nächsten Jahren deutlicher ansteigen als bisher und mit dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand in den 2020er Jahren nach oben schnellen. Unter Annahme der Variante 1 (s. Tab. 1: S.7) wird der Altenquotient bis zum Jahr 2030 auf einen Wert von 52 und danach bis zum Jahr 2050 auf 64 ansteigen. Würde sich die Annahme der Variante 2 (s. Tab. 1) einstellen, wäre der Anstieg des Altenquotienten auf einen

Wert von 60 zwar nicht ganz so dramatisch wie bei Variante 1, aber dennoch würde er fast doppelt so hoch sein wie heute (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT 2006: S. 23).

2.1.3 Regionale Dynamik des demografischen Wandels

Trotz dieser gesamtgesellschaftlichen Entwicklung der Schrumpfung und Alterung wird sich die demografische Entwicklung je nach Region und Kommune höchst unterschiedlich darstellen. Neben Stagnationsund Schrumpfungsregionen wird es weiterhin ebenfalls Wachstumsregionen geben (vgl. SCHMIDT 2006: S. 4). Doch die Anzahl der Wachstumsregionen steht einer immer größer werdenden Gruppe von Kreisen mit Schrumpfungstendenzen gegenüber. Laut den Berechnungen des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung wird sich bis zum Jahr 2020 die Zahl der Schwundkreise nahezu verdoppeln (vgl. KRÖHNERT ET AL. 2005a: S. 5). Von Sachsen über Thüringen bis ins Ruhrgebiet erstreckt sich eine „Schneise der Entvölkerung quer durch die Republik“ (ebd.: S. 17).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Relative Bevölkerungsentwicklung in Deutschland auf Kreisebene (1990-2004; 2004-2020)

(Quelle: KRÖHNERT ET AL. 2005b: S. 8f. – abgeändert durch den Autor)

Vor nicht allzu langer Zeit lagen in diesen Regionen die wichtigsten Industriegebiete der beiden deutschen Staaten. Insgesamt lässt sich ein deutliches West-Ost-Gefälle bei der Bevölkerungsentwicklung feststellen. Alle neuen Bundesländer haben zwi- schen 1990 und 2004 Bevölkerung verloren. Nur die Umlandkreise größerer Städte wie Berlin, Rostock oder Halle konnten Bewohner hinzugewinnen (vgl. ebd.: S. 16f.). Aber auch im Westen sind Regionen, wie das Ruhrgebiet und das Saarland, mit ähnlichen Schwierigkeiten konfrontiert wie die notorischen Schwundregionen des Ostens. Die Deutschen verlassen die entlegenen ländlichen Gebiete und ziehen stattdessen in das Umland der Ballungsräume, wie es am Beispiel von München, Berlin, Hamburg und Bremen deutlich wird. Diese Wachstumstendenzen in den Umlandkreisen wirtschaftlich prosperierender Städte sind zum einen durch arbeitsmarktbedingte interregionale Wanderungen sowie durch wohnstandortbedingte intraregionale Wanderungen bedingt. Diese Wanderungen führen dazu, dass in den verschiedenen Regionen die Folgen des demografischen Wandels zeitversetzt und in unterschiedlichem Ausmaß auftreten. Werden in einigen Regionen die negativen Geburtensalden noch durch Wanderungsüberschüsse kompensiert, werden in anderen Regionen hingegen die Folgen durch den Wanderungsverlust verschärft (vgl. FLÖTHMANN ET AL. 2006: S. 14). Angesichts der relativen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland auf Kreisebene von 1990 bis 2004 und von 2004 bis 2020, werden folgende Entwicklungen deutlich (s. Abb. 6: S. 13): Die neuen Bundesländer verlieren in Zukunft weiterhin Bevölkerung und die Verluste verschärfen sich zum größten Teil. Die Schrumpfungstendenzen erfassen auch immer weitere Teile der westdeutschen Bundesländer und breiten sich über Thüringen und Hessen auf die angrenzenden Bundesländer aus. Die starken Wachstumsgewinne von über zehn Prozent, welche bis zum Jahr 2004 großflächig vorzufinden waren, beschränken sich in Zukunft auf die Umlandkreise der wirtschaftsstarken Städte. Insgesamt kann eine deutliche Abschwächung des Bevölkerungswachstums in den westdeutschen Bundesländern konstatiert werden. Die Entwicklung, die die ostdeutschen Bundesländer bis heute im Zeitraffer durchlebt haben, wird in Zukunft gleichermaßen auf die westdeutschen Bundesländer zukommen (vgl. SCHMIDT 2006: S. 7).

2.2 Der Kreis Borken – Der demografische Wandel im regionalen Kontext

Aufgrund der regionalen Dynamik des demografischen Wandels stellt sich auf der Landesebene NRW ein sehr differenziertes Bild, im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung, dar. Um sich dem Untersuchungsraum Bocholt auf räumlicher Ebene anzunähern, erscheint es daher sinnvoller, die Kreisebene unter demografischen Aspekten genauer zu untersuchen. Nach der geographischen Einordnung des Kreises Borken wird die demografische Entwicklung seit der kommunalen Neugliederung im Jahr 1975 genauer erläutert. Dabei wird die Landesebene NRW immer wieder mit einbezogen, um die spezifische Situation im Kreis Borken zu verdeutlichen. Ebenso bei der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung nimmt der Kreis Borken eine Sonderstellung ein. Bis zum Jahr 2020 wird dem Kreis Borken das höchste Bevölkerungswachstum in NRW prognostiziert (s. Abb. 6: S. 13). Trotz dieser günstigen Prognose ergibt sich im Kreis Borken das Problem eines dynamischeren Alterungsprozesses, aufgrund von Altersstrukturverschiebungen in einer vergleichsweise jungen Bevölkerung.

2.2.1 Der Kreis Borken – geographische Einordnung

Der Kreis Borken liegt im Nordwesten von Nordrhein-Westfalen und ist der westlichste Kreis des Regierungsbezirks Münster. Er grenzt im Westen an das Staatsgebiet der Niederlande, im Norden an das Bundesland Niedersachsen, im Osten an die Kreise Steinfurt, Coesfeld und Recklinghausen sowie im Süden an die Kreise Wesel und Kleve. Mit seinen 17 Gemeinden umfasst der Kreis Borken eine Gesamtfläche von ca. 1.420 km² und ist flächenmäßig der drittgrößte Kreis in Nordrhein- Westfalen. Die Gebietsausdehnung beträgt in nord-südlicher Richtung 57 km und in ostwestlicher Richtung 61 km. Anfang des Jahres 2007 betrug die Einwohnerdichte 260 Einwohner pro km². Verglichen mit dem Land NRW (529 Einwohner pro km²) und dem Durchschnitt der anderen Kreise in NRW (352 Einwohner pro km²) ergibt sich eine sehr viel dünnere Besiedlungsdichte im Kreis Borken (vgl. KREIS BORKEN 2008: S. 6). Die landwirtschaftliche Nutzfläche liegt mit 67,9 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt (NRW: 50%), denn insbesondere der westliche Teil des Münsterlandes gilt als herausragende Landwirtschaftsregion in NRW. Hingegen liegt der Anteil der Waldflächen mit 13,9 Prozent deutlich unter dem Landesdurchschnitt (NRW: 25%). Diese Waldarmut ist aber nicht so deutlich wahrnehmbar, weil die sog. Münsterländische Parklandschaft neben den landwirtschaftlichen Grünund Ackerflächen aus sehr vielen kleinen und im schnellen Wechsel folgenden Waldstücken und Wallhecken besteht (vgl. AHRENS 2004: S. 47). Die Siedlungsflä- che, welche bereits durch Wohnen, Gewerbe oder Verkehr verbraucht wurde, bleibt mit 15,8 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt des Landes NRW, dessen Anteil bei 20,6 Prozent liegt. Zwischen den Jahren 1996 und 2006 wuchs der Verbrauch an Siedlungsfläche mit einem Plus von 15,9 Prozent etwa drei Mal so stark wie landesweit (+5,8%) an (vgl. KREIS BORKEN 2008: S. 6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Kreis Borken – Übersichtskarte (Quelle: GEOGRAPHISCHE KOMMISSION FÜR WESTFALEN 2004 – abgeändert durch den Auto)

2.2.2 Bevölkerungsentwicklung seit der kommunalen Neugliederung

Im Rahmen der kommunalen Neugliederung 1975 wurde der heutige Kreis Borken aus den ehemaligen Kreisen Ahaus und Borken, der kreisfreien Stadt Bocholt sowie aus den Gemeinden Isselburg, Erle und Gescher gebildet (vgl. OTTO 2004: S. 1). Seitdem ist die Anzahl der Kreisbewohner um knapp 80.000 Personen gestiegen. Durchschnittlich wuchs der Kreis Borken jährlich um ca. 2.500 Einwohner und erreichte somit in den vergangenen 32 Jahren ein fünf Mal stärkeres Bevölkerungswachstum als das Land NRW und ein drei Mal stärkeres Wachstum als der Regierungsbezirk Münster (vgl. KREIS BORKEN 2008: S. 6). Während das Bevölkerungswachstum in NRW auf einen positiven Wanderungssaldo zurückzuführen ist, gehört der Kreis Borken zu einem der wenigen Kreise in Deutschland, dessen Bevölkerungswachstum zu einem bedeutenden Teil aus einem Geburtenüberschuss resultiert. In der Dekade bis 2001 konnte der Kreis Borken ein natürliches Bevölkerungswachstum von rund 15.000 Personen erreichen und lag damit in einzelnen Jahren landesweit an der Spitze.

Bei einem gleichzeitig positiven Wanderungssaldo, wuchs die Bevölkerung im genannten Zeitraum um ca. 35.000 Einwohner (vgl. AHRENS 2004: S. 58). Seit dem Jahr 2004 nahm die Bevölkerungszahl in NRW nicht weiter zu, sondern es setzte ein

Bevölkerungsrückgang ein. Seit 2005 sinken auch in den NRW-Kreisen die Bevölkerungszahlen. Demgegenüber nimmt im Kreis Borken die Bevölkerung aber weiterhin noch zu. Der Einwohnerzuwachs hat sich im Jahr 2006 (+388 Personen) im Vergleich zum Vorjahr (2005:

+1.655 Personen) aber deutlich abgeschwächt. Anfang des Jahres 2007 lebten in den neun Städten und acht Gemeinden des Kreises Borken 367.500 Einwohner. Mit einer Mehrzahl von 202 Frauen überwiegt der weibliche Bevölkerungsteil geringfügig. Der Kreis Borken ist heute ein sehr junger Kreis, da in der Vergangenheit regelmäßig hohe Geburtenraten erreicht wurden (vgl. KREIS BORKEN 2008: S. 7). Der Anteil der unter 18-Jährigen liegt mit 22,7 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt von 18,6 Prozent. Mit einem Anteil von 7,5 Prozent unter 6-Jähriger weist der Kreis Borken die höchste Kinderdichte in ganz NRW auf (vgl. KRÖHNERT ET AL. 2005a: S. 60). Im Altersaufbau der Bevölkerung weicht der Kreis Borken in vielen Merkmalen deutlich vom Bundesland NRW ab. Bei einer Altersgliederung in Fünf-Jahres- Gruppen werden die Unterschiede deutlich (s. Abb. 9: S. 18). Im Durchschnitt ist die Kreisbevölkerung mit 37,4 Jahren drei Lebensjahre jünger als die Bevölkerung in NRW (Durchschnitt in NRW: 40,8 Jahre).

Die Ursache liegt darin, dass lediglich die mittleren Altersgruppen von 25 bis 44 Jahren dem Landesdurchschnitt entsprechen. Die jüngeren Altersklassen sind im Kreis Borken überproportional häufig und die älteren Altersklassen seltener vertreten. Diese Unterschiede werden insbesondere bei der Altersklasse unter 10-Jährige und den Hochaltrigen (über 80 Jahre) deutlich. Beim Vergleich der Altersgliederungen aller 31 NRW-Kreise mit dem Landesdurchschnitt, lassen sich keine ähnlich extremen Disproportionalitäten zwischen den untersten (unter 10 Jahre) und obersten Altersjahrgängen (ab 80 Jahre) finden. Somit ist dieses Merkmal eher ein Spezifikum des Kreises Borken, und nicht anderer eher ländlich geprägter Kreise in der Nähe von Verdichtungsräumen oder Großstädten. Die Begründung liegt zum einen in der räumlichen Bevölkerungsbewegung, zum anderen in dem hohen natürlichen Bevölkerungswachstum, welches die jungen Altersjahrgänge fortlaufend speist (vgl. AHRENS 2004: S. 60).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Bevölkerungsentwicklung im Kreis Borken seit 1975

(Quelle: KREIS BORKEN 2008: S. 5)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Bevölkerungspyramiden Kreis Borken und Land NRW Ende 2001

(Quelle: AHRENS 2004: S. 59)

2.2.3 Prognose zur zukünftigen Bevölkerungsentwicklung

Zukünftig ist lediglich in den Regionen, mit einer stabilen Bevölkerungsentwicklung zu rechnen, die entweder genug Nachwuchs haben, um sich ein eigenes demografisches Fundament zu bauen – wovon es in Deutschland nur sehr wenige gibt – oder die ökonomisch attraktiv genug sind, Bevölkerung aus anderen Regionen anzuwerben. Ländliche Kreise, wie der Kreis Borken, können selbst bei einer vergleichsweise schwächeren Wirtschaftskraft durch günstige Demografiewerte und eine bessere soziale und natürliche Umwelt mit wirtschaftsstärkeren Kreisen mithalten (vgl. KRÖH-

NERT ET AL. 2005b: S. 4). Die Familienfreundlichkeit des Kreises Borken, welche durch ein sehr gutes Ergebnis im PROGNOS-Familienatlas 2005 gestützt wird, hat dazu geführt, dass eine regelrechte Familienzone entstanden ist. Diese hohe Attraktivität führt dazu, dass viele Familien, die zuvor in den Städten des Ruhrgebiets gewohnt haben, sich im Kreis niederlassen. Rund 25 Prozent der Zugezogenen im Kreis Borken sind „Ruhrgebietsflüchtlinge“ (KRÖHNERT ET AL. 2005a: S. 60). Bisher konnte der Kreis Borken seine Bevölkerung sowohl durch Geburtenüberschüsse, als auch durch einen positiven Wanderungssaldo stetig steigern. Bis zum Jahr 2001 kam es nur äußerst selten vor, dass eine Gemeinde durch einen Sterbefallüberschuss gekennzeichnet war. Doch im Jahr 2006 gab es erstmals in sechs der 17 kreisangehörigen Städte/Gemeinden einen Sterbefallüberschuss (Bocholt, Gronau, Isselburg, Raesfeld, Reken und Südlohn). Durch die sinkenden Geburtenzahlen und die deutlich höhere Anzahl an Sterbefällen in den einzelnen Städten/Gemeinden wird auf Kreisebene mit einer negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung ab dem Jahre 2011 gerechnet (vgl. GAUSLING, WIGGER 2007: S. 3).

Die neuesten Prognosen des Landesamts für Datenverarbeitung und Statistik des Landes NRW (LDS NRW) lassen für den Kreis Borken bis zum Jahr 2025, ausgehend vom Basisjahr 2005, ein Bevölkerungswachstum von 3,5 Prozent erwarten. Damit liegt die Bevölkerungsentwicklung im Kreis Borken bis zum 01. Januar 2020 um etwa 4,4 Prozent hinter den bisherigen Erwartungen der LDS Prognose 2000 bis 2020 (vgl. GAUSLING, WIGGER 2007: S. 14; KREIS BORKEN 2008: S. 10). Doch dem zu erwartenden Wachstum von 3,5 Prozent steht im Regierungsbezirk Münster lediglich ein Wachstum um 0,9 Prozent und im Land NRW sogar ein Bevölkerungsrückgang um 2,6 Prozent bis zum Jahr 2025 gegenüber (vgl. ebd.: S. 14). Dieses Wachstum basiert ab dem Jahr 2011 aber nicht mehr, wie es in der Vergangenheit der Fall war, zum größten Teil auf Geburtenüberschüssen, sondern ausschließlich auf Wanderungsgewinnen. Insgesamt stehen sich in dem Prognosezeitraum ein Sterbefallüberschuss von 1.820 Personen und ein Wanderungsgewinn von 14.600 Personen gegen- über. Das bedeutet, die Kreisbevölkerung wird bis 2025 um etwa 12.800 Personen auf bis zu 380.000 Einwohner anwachsen. Die Tatsache, dass die neueren Prognosedaten des LDS NRW deutlich unter den bisherigen Erwartungen (395.000 Einwohner) liegen, zeigt, dass der Kreis Borken einem stärkeren demografischen Wandel ausgesetzt ist als bisher angenommen (vgl. KREIS BORKEN 2008: S. 10f.)

2.2.3.1 Schnellere Alterung der Bevölkerung im Kreis Borken

In Regionen, in denen die bisherige Altersstruktur noch relativ ausgeglichen ist, wird sich der Alterungsprozess deutlich dynamischer vollziehen als in Gebieten, in denen bereits eine verhältnismäßig alte Bevölkerung lebt (vgl. MINISTERIUM FÜR BAUEN UND VERKEHR DES LANDES NRW 2006: S. 52). Laut der LDS-Prognose wird der Kreis Borken in Zukunft nicht mehr das niedrigste Durchschnittsalter aller kreisfreien Städte und Kreise in NRW haben. Der Alterungsprozess wird im Kreisgebiet ausgeprägter verlaufen als landesweit. Bis zum Jahr 2025 wird für den Kreis Borken mit einem Anstieg des Durchschnittsalters (2005: 38,8 Jahre) um 5,4 Jahre auf dann 44,2 Jahre gerechnet. In NRW wird das durchschnittliche Alter im Gegensatz dazu nur um 3,8 Jahre von 41,1 Jahre auf 44,9 Jahre ansteigen (vgl. GAUSLING, WIGGER 2007: S. 14). Damit liegt der Kreis Borken zwar noch 0,7 Jahre unter dem Landesdurchschnitt, aber die Differenz von 1,3 Jahren hat sich nahezu halbiert. Dies zeigt deutlich, dass die Alterungsdynamik im Kreisgebiet ausgeprägter ist und bestätigt die Aussage des Ministeriums für Bauen und Verkehr NRW (MBV NRW), dass jüngere Regionen in stärkerem Maße von der Alterung betroffen sein werden. Die Ursache der Alterung liegt in zwei gegensätzlichen Entwicklungen: Die Schrumpfung der jüngeren Jahrgänge und das Wachstum der älteren und sehr alten Jahrgänge. Im Gegensatz zur Bundesund Landesebene, wo die Alterung im stärkeren Maße durch die immer schwächer werdenden Geburtenjahrgänge vorangetrieben wird, beeinflusst im Kreis Borken der überproportionale Anstieg der älteren und sehr alten Jahrgänge den Alterungsprozess stärker. Dazu bedarf es neben der vorangegangenen Gesamtbetrachtung einer spezifischen Betrachtung der verschiedenen Altersgruppen (vgl. ebd.: S. 17).

2.2.3.2 Altersstrukturverschiebungen

Im Prognosezeitraum bis zum Jahr 2025 wird die Gesamtzahl der Kinder und Jugendlichen im Alter von 0 bis unter 19 Jahren – ausgehend vom Basisjahr 2005 – von 89.800 um 18.400 Personen schrumpfen. Dieser Rückgang von 20,4 Prozent liegt sogar knapp über dem Landeswert für NRW, wo ein Rückgang von 19,4 Prozent erwartet wird. Mit dann rund 71.400 Kindern und Jugendlichen hat diese Altersklasse, im Vergleich zum Jahr 2005, in dem der Anteil bei 24,4 Prozent lag, dann nur noch einen Anteil von 18,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung (vgl. GAUSLING, WIGGER 2007: S. 20). Bei der Altersklasse Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (19 bis unter 65 Jahre) entwickelt sich der Kreis Borken entgegen des Landestrends, bei dem mit einer Schrumpfung um 5,0 Prozent gerechnet wird. Im Kreis Borken hingegen wird es bis zum Jahr 2025 zu keinem altersmäßig bedingten Rückgang dieser Altersklasse kommen (s. Abb. 10). Zwischen den Jahren 2008 und 2019 wird die Gruppe der erwerbsfähigen Kreisbewohner kontinuierlich zunehmen und sich erst danach vermindern. Ausgehend vom Jahr 2005 kann somit immer noch ein Wachstum von 7.700 Personen oder 3,2 Prozent erreicht werden (s. Abb. 10). Der Anteil von rund 60 Prozent an der Gesamtbevölkerung kann nahezu gehalten werden (vgl. ebd.: S. 23). Diese pauschale Betrachtung überdeckt aber eine Altersstrukturverschiebung innerhalb dieser Altersklasse (s. Abb. 10). Der Anteil der jüngeren Erwerbstätigen (19 bis unter 40 Jahre) entwickelt sich im Gegensatz zu den älteren Erwerbstätigen (40 bis unter 65 Jahre) rückläufig. Konnten die jüngeren Erwerbstätigen im Jahr 2005 noch knapp 47 Prozent der Erwerbstätigen stellen, schrumpft ihr Anteil bis 2025 auf ca. 41 Prozent zusammen. Angesichts des gleich bleibenden Anteils aller Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung, lassen sich hier deutliche Indizien für den Alterungsprozess erkennen. Die Tatsache, dass in den meisten wachsenden Regionen weniger die Abnahme der jüngeren Altersgruppen, als vielmehr die Zunahme der Zahl der alten Menschen von Bedeutung ist, lässt sich auch im Falle des Kreises Borken nachweisen. Dazu bedarf es einer genaueren Analyse der Bevölkerung im Rentenalter (über 65 Jahre). Bei einem Ausgangsniveau von rund 58.000 Personen, wird sich ihre Zahl bis 2025 um 24.000 Personen erhöhen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Entwicklung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Kreis Borken 2005-2025

(Quelle: KREIS BORKEN 2008: S. 31)

Das bedeutet einen Zuwachs von 41,6 Prozent bei den Kreisbewohnern über 65 Jahren (s. Abb. 11). Der dazu vergleichsweise geringe landesweit angenommene Zuwachs von 23,1 Prozent in dieser Altersklasse verdeutlicht die Überproportionalität im Kreis Borken (vgl. GAUSLING, WIGGER 2007: S. 23). Mit einer Anzahl von 82.000 Personen hat diese Altersklasse dann einen Anteil von rund 21,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Dies entspricht einer Steigerung von 5,8 Prozentpunkten (2005: 15,7%). Teilt man diese Altersklasse in zwei weitere Klassen, die Alten (65 bis unter 80 Jahren) und die Hochaltrigen (älter als 80 Jahre), wird derselbe Trend wie bei der Altersklasse der Erwerbstätigen sichtbar. Der Anteil der Hochaltrigen an der Bevölkerung im Rentenalter entwickelt sich sehr stark und nimmt von 20,4 Prozent auf 30,2 Prozent zu. So nimmt nicht nur alleine die gesamte ältere Bevölkerung zu, sondern dieses Wachstum wird zum größten Teil durch die Hochaltrigen vorangetrieben. Bis zum Jahr 2025 wird die Zahl der hochaltrigen Personen im Kreis Borken um 110 Prozent von 11.800 auf 24.800 anwachsen (s. Abb. 11: S. 22). Dabei sind es v.a. die hochaltrigen Männer, deren Anzahl sich im Prognosezeitraum auf etwa 9.700 Personen nahezu verdreifachen wird (+189 %). Auch in NRW wird bei den Männern über 80 Jahre eine Zunahme von 150 Prozent erwartet. Bei den hochaltrigen Frauen wird landesweit lediglich mit einer Zunahme von 49 Prozent gerechnet, während im Kreis Borken von einer Steigerung um 6.700 Frauen oder 80 Prozent in dieser Altersklasse ausgegangen wird (vgl. GAUSLING, WIGGER 2007: S. 24). Angesichts dieser Entwicklungen wird es v.a. die quantitative Zunahme der alten und ganz besonders der hochaltrigen Bevölkerung sein, die den demografischen Wandel im Kreis Borken charakterisieren wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Entwicklung der Bevölkerung im Rentenalter im Kreis Borken 2005-2025

(Quelle: GAUSLING, WIGGER 2007: S. 24)

Aus dem Rückgang der jungen Bevölkerung werden auch Probleme resultieren: Rückbau oder die Neuausrichtung von Infrastrukturen, Schulzusammenlegungen, Schulschließungen, Auslastungsprobleme im ÖPNV, Abbau von Kindertagessplätzen, Arbeitsplatzverluste im Erziehungsund Bildungssektor und die Alterung der Belegschaften. Doch die zahlenmäßige Verdopplung der Hochaltrigen im Kreisgebiet wird die Region vor noch größere Herausforderungen stellen. Relativ gesehen lebten bisher im Kreis Borken die wenigsten Hochaltrigen in NRW. Dies wird sich in Zukunft durch die dynamischere Entwicklung jedoch verändern und zu einem enormen Anstieg des Durchschnittsalters führen. Regionen mit einem relativ hohen Altersdurchschnitt haben andere infrastrukturelle Bedürfnisse, als Regionen mit einem relativ jungen Altersdurchschnitt, der bisher im Kreis Borken vorherrschte. Daher muss im Kreis Borken in Zukunft mit stark veränderten Anforderungen an eine altengerechte Infrastruktur, z.B. im Gesundheitsund Wohnungswesen sowie bei Versorgungssystemen für alte Menschen, gerechnet werden. Die Anpassung der entsprechenden Strukturen an die Bedürfnisse und Wünsche der älteren Bevölkerung macht den Handlungsbedarf offensichtlich (vgl. KREIS BORKEN 2005: S. 15).

[...]

Excerpt out of 149 pages

Details

Title
Altern in Bocholt - Analyse der bestehenden Versorgungsstrukturen für ältere Menschen und Handlungsempfehlungen
Subtitle
Zur zukünftigen Weiterentwicklung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung
College
University of Münster  (IFG - Institut für Geographie)
Grade
1,7
Author
Year
2008
Pages
149
Catalog Number
V121819
ISBN (eBook)
9783640267996
ISBN (Book)
9783640843497
File size
9307 KB
Language
German
Notes
In Zusammenarbeit mit dem Seniorenbüro sowie dem Fachbereich für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung der Stadt Bocholt.
Keywords
Demografischer Wandel, Bocholt, Altern, Kommunalentwicklung, Stadtentwicklung, Alterung, Handlungsempfehlungen, Bevölkerungsentwicklung, kommunale Entwicklung, Pflege
Quote paper
Joerg Geuting (Author), 2008, Altern in Bocholt - Analyse der bestehenden Versorgungsstrukturen für ältere Menschen und Handlungsempfehlungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121819

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