Mit der Goldenen Bulle von 1356 wurde das Verfahren der Wahl des deutschen Königs erstmals eindeutig in urkundlicher Form festgelegt. Die Königswahl hatte durch die sieben Kurfürsten zu erfolgen, dies waren die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier als geistliche, der Pfalzgraf bei Rhein, die Herzöge von Sachsen und von Brandenburg sowie der König von Böhmen als weltliche Wähler. Die Goldene Bulle schuf kein neues Recht, sondern schrieb den Stand der Entwicklung fest, wonach sich im Laufe des 13. Jahrhunderts der Kreis der Königswähler auf die in der Goldenen Bulle genannten sieben Kurfürsten reduziert hatte.
Auf welcher Grundlage dies geschah und warum gerade diese sieben als allein Wahlberechtigte übrig blieben, gilt als das „Fundamentalrätsel der deutschen Verfassungsgeschichte“ Hierzu stellen sich zwei Fragen: zum einen, nach welchem Auswahlkriterium und mit welchen Mechanismen der Kreis der Königswähler allmählich auf genau die sieben Genannten reduziert wurde, zum anderen, zu welchem Zeitpunkt die Kurfürsten eine abgeschlossene Einheit, ein Kollegium, gebildet haben. Für diesen Zeitpunkt werden Datierungen zwischen 1198 und 1298 vorgeschlagen, besondere Bedeutung für diesen Prozess scheinen die Königswahlen von 1198, 1257 und 1298 zu haben.
Eine Reihe von Theorien sind zur Erklärung der Auswahl insbesondere der weltlichen Kurfürsten entwickelt worden , darunter die sogenannte Erzämtertheorie wonach das Wahlrecht der Kurfürsten auf bestimmte Hofämter zurückzuführen sei, die Reduktionstheorie, wonach mangels Interesse der Fürsten sich die Wahlbeteiligung immer mehr verringerte oder die Wolfsche Erbrechtstheorie, der zufolge die Wahlberechtigten die Repräsentanten ottonischer Tochterstämme waren. Für jede dieser Theorien kann eine Reihe von Argumenten angeführt werden, gegen jede sind aber auch erhebliche Einwände erhoben worden. Speziell an der Erbrechtstheorie scheiden sich denn auch die Geister.
Zunächst werden die wesentlichen Theorien mit ihren Hauptthesen referiert, anschließend soll der Diskussionsprozess der neueren Forschung nachvollzogen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theorien zur Entstehung des Kurfürstenkollegs
- Die ältere Forschung (Mitteis)
- Erzämtertheorie
- Theorie der Interesselosigkeit (Lintzel)
- Erbrechtstheorie (Wolf)
- Theorie des politischen Prozesses (Erkens)
- Sonstige Theorien
- Zentrale Quellen
- Wahlanzeigen
- Sachsenspiegel, Deutschenspiegel und Schwabenspiegel
- Päpstliche Urkunden
- Deliberatio de tribus electis Papst Innozenz III.
- Bulle Venerabilem
- Bulle Qui celum
- Glosse des Hostiensis zur Bulle Venerabilem
- Erzählende Quellen
- Chronik des Albert von Stade
- Papstchronik des Martin von Troppau
- Österreichische Reimchronik
- Der Diskussionsprozess in der Forschung seit 1996
- Hohlweck (2001)
- Datierung des Sachsenspiegel
- Auseinandersetzung mit Wolf
- Entstehung des Kurkollegs
- Wolf (2002)
- Erkens (2002)
- Datierung des Sachsenspiegel
- Inhaltliche Analyse des Sachsenspiegel
- Auseinandersetzung mit Wolf, Castorph und Thomas
- Entwicklung einer Theorie des politischen Prozesses
- Zur Erzämtertheorie
- Hohlweck (2001)
- Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Entstehung des Alleinstimmrechts der sieben Kurfürsten bei der deutschen Königswahl und die Ausbildung des Kurfürstenkollegs. Sie analysiert verschiedene Theorien zur Erklärung dieses Prozesses und stellt diese systematisch gegenüber. Ein Schwerpunkt liegt auf der Quellenkritik und der Gegenüberstellung der Argumente der jeweiligen Theorien, insbesondere im Hinblick auf die Datierung des Kurfürstenparagraphen im Sachsenspiegel.
- Die verschiedenen Theorien zur Entstehung des Kurfürstenkollegs (Erzämtertheorie, Interesselosigkeitstheorie, Erbrechtstheorie, Theorie des politischen Prozesses).
- Die kritische Analyse der zentralen Quellen (Wahlanzeigen, Sachsenspiegel, päpstliche Urkunden, erzählende Quellen).
- Der Diskussionsprozess in der Forschung seit 1996, insbesondere die Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Autoren.
- Die Bedeutung der Datierung des Kurfürstenparagraphen im Sachsenspiegel.
- Methodische Probleme bei der Untersuchung der Quellenlage.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Entstehung des Kurfürstenkollegs und dem Alleinstimmrecht der sieben Kurfürsten. Das Kapitel zu den Theorien zur Entstehung des Kurfürstenkollegs präsentiert verschiedene Erklärungsansätze aus der Forschung, von der älteren Forschung Mitteis' bis hin zu neueren Theorien wie der Erbrechtstheorie Wolfs und der Theorie des politischen Prozesses Erkens'. Das Kapitel zu den zentralen Quellen beschreibt und analysiert verschiedene Quellenarten, die für die Untersuchung relevant sind, wie Wahlanzeigen, den Sachsenspiegel und päpstliche Urkunden. Der Abschnitt zum Diskussionsprozess in der Forschung seit 1996 beleuchtet die Debatte um die verschiedenen Theorien und die Rolle der Quelleninterpretation, insbesondere die Auseinandersetzung um die Datierung des Sachsenspiegels.
Schlüsselwörter
Kurfürstenkolleg, Königswahl, Deutsches Königtum, Sachsenspiegel, Päpstliche Urkunden, Wahlrecht, Erbrechtstheorie, Erzämtertheorie, Theorie des politischen Prozesses, Quellenkritik, Mitteis, Wolf, Erkens, Hohlweck.
- Quote paper
- Dr. Harald Freter (Author), 2004, Zum Stand der Diskussion über die Entstehung des Alleinstimmrechts der sieben Kurfürsten bei der deutschen Königswahl und die Ausbildung des Kurfürstenkollegs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121839