Theodor W. Adorno unterscheidet in seinen Schriften zur Musik zwischen Musik und Sprache. In seiner ontologischen Auffassung von Musik ist diese zwar „sprachähnlich“, Adorno weist jedoch auf einen wesentlichen Unterschied hin, wenn er behauptet: „Sprache interpretieren heißt: Sprache verstehen; Musik interpretieren: Musik machen.“ Hieraus folgt jene Aporie, dass sich Musik mittels wissenschaftlich-analytischer Sprache nicht erschließen lässt: „Nur in der mimetischen Praxis erschließt sich Musik; niemals aber in einer Betrachtung, die sie unabhängig von ihrem Vollzug deutet.“ Im Gegensatz zur Sprache, bildet die Musik kein „System aus Zeichen“. Daraus resultiert, dass jedes musikalische Phänomen zunächst nicht auf ein System, eine Realität außerhalb seiner selbst verweist, sondern immer schon über sich hinaus. Nicht erst dann, wenn Einzelmomente wie das schwermütige Solo eines Bluesmusikers oder das wahnsinnige Tremolo des Free Jazz-Trompeters, symbolisch etwas ausdrücken, sondern vor allem, wenn sich über partikulare Intentionen des Musikers und sinnliche Reize beim Hörer hinaus der Zusammenhang eines Ganzen ergibt.
Vor diesem Hintergrund, der die ontologische Aufgliederung zweier verschiedener Künste festlegt, und speziell im Kontext von Jazzmusik, will die vorliegende Arbeit in der Literatur nach Momenten des Jazz suchen, die zum poetologischen Prinzip für einen Text werden können, auch unmittelbar im Sprachmaterial; nach einer literarischen Richtschnur, die formal so verfährt, als versuche sie sich mit Motiven, Narrationsträngen, rhetorischen Hilfsmitteln und mit der Sprache selbst musikalischen Ideen und Schemata des Jazz anzunähern; diese also mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu adaptieren, den Text klingen zu lassen, als wäre er Jazzmusik.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ralph Ellison, „Invisible Man“ und Jazz
- Wenn die Sprache swingt. Jazzmusik als Form- und Strukturelement im Text
- Jazz als literarisches Motiv
- „(What Did I Do to Be So) Black and Blue?“. Jazz und Identität
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, wie Jazzmusik als poetologisches Prinzip im Roman „Invisible Man“ von Ralph Ellison funktioniert. Sie analysiert, wie formale und inhaltliche Elemente des Jazz in den Text eingebunden sind und welche Rolle Jazz als kulturelles und identitätsstiftendes Phänomen für den Roman spielt. Der Fokus liegt auf der literaturwissenschaftlichen Perspektive und der Interaktion von Musik und Literatur.
- Jazz als Form- und Strukturelement in Ellisons Roman
- Jazz als literarisches Motiv und seine symbolische Bedeutung
- Die Rolle des Jazz in der Darstellung von Identität und Rassenerfahrung
- Der Vergleich von Jazz und Literatur als Kunstformen
- Die poetologische Funktion von Jazz in der Erzählstruktur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung legt die theoretischen Grundlagen der Arbeit dar und stellt die Forschungsfrage nach der poetologischen Funktion von Jazz in Ellisons Roman. Das Kapitel „Ralph Ellison, „Invisible Man“ und Jazz“ führt in das Werk ein und beschreibt den Kontext von Ellisons Leben und Werk im Bezug auf Jazz. Der Prolog wird als Beispiel für jazzästhetische Prinzipien in der Sprache analysiert. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird die Bedeutung von Jazz als literarisches Motiv und seine Verbindung zur afroamerikanischen Identität behandelt.
„Wenn die Sprache swingt. Jazzmusik als Form- und Strukturelement im Text“ analysiert die sprachlichen und strukturellen Parallelen zwischen Jazzmusik und dem Roman. Es wird gezeigt, wie orale Elemente, Improvisation und die Struktur des Blues in die Sprache und Erzählweise des Romans einfließen. Der Abschnitt „Jazz als literarisches Motiv“ beleuchtet die Verwendung von Jazzmusikern wie Louis Armstrong als symbolische Figuren und die Rolle von Jazz als nostalgischer Bezugspunkt und gegenwärtiges Lebenskonzept. Der Abschnitt „(What Did I Do to Be So) Black and Blue?“. Jazz und Identität“ untersucht die Beziehung zwischen Jazz und der Identitätsfindung des Protagonisten. Die Analyse von Musikstücken wie Armstrongs Interpretation von "(What Did I Do to Be So) Black and Blue" wird als Schlüssel zur Interpretation des Romans herangezogen.
Das Resümee fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und diskutiert die Bedeutung von Jazz als poetologisches Prinzip im Roman.
Schlüsselwörter
Ralph Ellison, Invisible Man, Jazz, Poetologie, Afroamerikanische Identität, Literatur und Musik, Blues, Improvisation, Oralität, Louis Armstrong, Symbolismus, Interästhetizität, Rassismus, Identitätssuche.
- Citation du texte
- Sebastian Polmans (Auteur), 2008, Jazz als poetologisches Prinzip im Roman, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121980