Julie ou la Nouvelle Héloïse von Jean-Jacques Rousseau und Les liaisons dangereuses von Pierre Ambroise François Choderlos de Laclos sind zwei Briefromane, beide entstanden in den Vorwehen der Französischen Revolution, in der Zeit der Aufklärung und in der Zeit der «sensibilité»; in beiden Romanen gibt es ein junges Mädchen, das sich hoffnungslos in ihren ebenfalls jungen Lehrer verliebt, in beiden gibt es diesen jungen Mann, der diese Verliebtheit oder auch Liebe mindestens genauso empfindet, aber in beiden gibt es auch den unbekannten Verlobten des Mädchens; in beiden gibt es die besorgte, aber gegenüber der Gefühle ihrer Tochter ohnmächtige Mutter; in beiden gibt es heimlich Küsse und noch heimlichere Liebesnächte; in beiden gibt es Kämpfe um und gegen Tugend und Leidenschaft; es gibt vertrauliche Briefe und verzweifelte Tränen und glückliche Seufzer; kurz: beide Werke sind Liebesromane.
Sind sie das, weil darin Figuren vorkommen, die «verliebt» sind? Inwiefern sind sie überhaupt «verliebt»? Was überhaupt heißt es, «verliebt» zu sein? Und was, vor allem, ist «Liebe»? Gerade diese letzte Frage ist schwer, wahrscheinlich unmöglich zu beantworten; so schwer, wie die Vorstellungen und das Verständnis von Liebe unterschiedlich sein können; wie unterschiedlich «Liebes»-Beziehungen sein können; wie unterschiedlich die Liebe zum Geliebten, zum Vater, zur Mutter, zur besten Freundin, zur Heimat, zum Leben und zu all dem, was man noch so lieben kann eben ist.
Vielleicht aber ist es möglich, diese Frage für jene beiden «Liebes»-Romane zu beantworten, gerade, weil die Werke im Bezug auf Liebe vielleicht ihre größten Unterschiede verbergen.
Wenn dem nun so ist, und die Liebe bei Rousseau eine ganz andere ist als die bei Laclos, wenn dem so ist, wie oft schon gesagt und die beiden Romane tatsächlich als Gegenmodelle gesehen werden können1, warum zitiert Laclos dann so oft aus der Héloïse? Warum verbindet er sein Werk auf diese Weise so stark mit dem Rousseaus?
Auf diese Fragen soll in dieser Arbeit eine Antwort gefunden werden. Um sie zu finden, werden zuerst die Zitate genauer betrachtet. Im Anschluss daran werden die Paratexte der beiden Werke untersucht, da sie Einblick geben in die Rezeptionswünsche und eventualen Wirkungsabsichten der Autoren – und vielleicht auch in die Gründe der verbindenden Zitate. Schließlich wird versucht, die Frage nach der «Liebe» und ihren beiden Schwestern «Tugend» und «Leidenschaft» für die beiden Romanen zubeantworten. Möglicherweise findet sich dann auch die Antwort auf die Frage warum Laclos Les liaisons dangereuses mit La Nouvelle Héloïse verknüpft hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Julie ou La Nouvelle Héloïse zitiert in Les liaisons dangereuses
- Un seuil qui offre la possibilité d'entrer: die Paratexte
- Titel
- Vorwort
- Anmerkungen
- «Liebe»
- in Julie ou La Nouvelle Héloïse
- in Les liaisons dangereuses
- «Liebe» im Vergleich
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Beziehung zwischen Jean-Jacques Rousseaus Julie ou La Nouvelle Héloïse und Pierre Choderlos de Laclos' Les Liaisons dangereuses. Die zentrale Frage ist, warum Laclos Rousseaus Werk mehrfach zitiert und so einen starken Bezug herstellt, obwohl beide Romane scheinbar gegensätzliche Konzepte von Liebe darstellen. Die Arbeit analysiert die Zitate, die Paratexte beider Werke und vergleicht schließlich die Konzeption von Liebe, Tugend und Leidenschaft in beiden Romanen.
- Analyse der Zitate aus Julie ou La Nouvelle Héloïse in Les Liaisons dangereuses
- Vergleich der Paratexte beider Romane (Titel, Vorwort etc.)
- Untersuchung der unterschiedlichen Konzepte von Liebe in beiden Werken
- Beziehung zwischen Liebe, Tugend und Leidenschaft in den Romanen
- Die Funktion der Intertextualität zur Charakterisierung der Figuren und der Handlung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die beiden Briefromane Julie ou La Nouvelle Héloïse und Les liaisons dangereuses vor, wobei Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Bezug auf die Darstellung der Liebe herausgestellt werden. Kapitel 2 analysiert die Zitate aus Rousseaus Werk in Laclos' Roman. Es wird gezeigt, wie Laclos durch Zitate aus dem Vorwort und dem Text Rousseaus Werk in seinen eigenen Roman integriert und diese Zitate im Kontext der Handlung interpretiert. Im Kapitel 3 werden die Paratexte der beiden Werke (Titel und Vorwort) betrachtet, um die Rezeptionsabsichten der Autoren zu beleuchten. Ein Fokus liegt dabei auf dem Spannungsfeld zwischen Fiktion und Realität in beiden Romanen.
Schlüsselwörter
Julie ou La Nouvelle Héloïse, Les Liaisons dangereuses, Briefroman, Aufklärung, Sensibilité, Liebe, Tugend, Leidenschaft, Intertextualität, Zitate, Paratexte, Fiktion, Realität, Rousseau, Laclos.
- Quote paper
- Nike-Marie Steinbach (Author), 2008, Jean-Jacques Rousseau: Julie ou La Nouvelle Héloïse - Choderlos de Laclos: Les Liaisons dangereuses, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122040