Die Sprache der Pop- und Rockmusik: Eine terminologische Untersuchung im Englischen und Deutschen


Diplomarbeit, 1999

178 Seiten, Note: 1,3 (sehr gut)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Sprache der Pop- und Rockmusik
2.1. Vorbereitende Korrespondenz
2.2. Begriffsbestimmung „Pop- und Rockmusik“
2.3. Musikstile / -genre und ihre Bezeichnung
2.4. Einführung in die Sprache der Pop- und Rockmusik
2.5. Zeitschriftenanalyse
2.5.1. Einführung, Vorbereitung, Auswahl
2.5.2. Durchführung
2.5.3. Analyse und Auswertung

3. Übersetzung der Sprache der Pop- und Rockmusik
3.1. Die Sprache der Pop- und Rockmusik - eine Fachsprache?
3.2. Anglizismen
3.3. Integration englischer Wörter in die deutsche Sprache

4. Glossar
4.1. Eigenschaften und Funktionen von CATS
4.2. Anmerkungen zum CATS-Glossar „Terminologie der Pop- und Rockmusik“

5. Perspektiven

6. Credits

7. Glossar zur Sprache der Pop- und Rockmusik Deutsch - Englisch

8. Glossar zur Sprache der Pop- und Rockmusik Englisch - Deutsch

9. Anhang

A Literaturverzeichnis
Primärliteratur (kommentiert)
Sekundärliteratur (z.T. kommentiert)

B Fachlexik der Pop- und Rockmusik in der deutschen Musikzeitschrift „INTRO“

C Fachlexik der Pop- und Rockmusik in der deutschen Musikzeitschrift „SPEX“

D Fachlexik der Pop- und Rockmusik in der englischen Musikzeitschrift „NME“

E Fachlexik der Pop- und Rockmusik in der englischen Musikzeitschrift „WIRE“

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Verwendungshäufigkeit bestimmter Termini in englischen Musikzeitschriften

Tabelle 2 Verwendungshäufigkeit bestimmter Termini in deutschen Musikzeitschriften

Tabelle 3 Vergleich der am häufigsten verwendeten Begriffe der Pop- und Rockmusik bei Ortner und Siebert

Tabelle 4 Verwendungshäufigkeit moderner Musiktermini in NME und Wire

Tabelle 5 Verwendungshäufigkeit von Synonymen - Englisch

Tabelle 6 Verwendungshäufigkeit von Synonymen - Deutsch

Tabelle 6 Glossar-Deskriptoren

Tabelle 8 Fachlexik der Pop- und Rockmusik in der deutschen Musikzeitschrift „INTRO“

Tabelle 9 Fachlexik der Pop- und Rockmusik in der deutschen Musikzeitschrift „SPEX“

Tabelle 10 Fachlexik der Pop- und Rockmusik in der englischen Musikzeitschrift „NME“

Tabelle 11 Fachlexik der Pop- und Rockmusik in der englischen Musikzeitschrift „WIRE“

1. Einleitung

Pop- und Rockmusik gehört sicher nicht zu den essentiellen Dingen des Lebens und der Gesellschaft. Sie fällt, zumindest für den Hauptteil der Menschen, die damit in Berührung kommen -die Konsumenten - in den Bereich der Freizeitgestaltung und ist damit, relativ gesehen, eine „Nebensache“. Jedoch wird sie von den meisten Menschen in irgendeiner Form genutzt - zur Erholung, zur Geselligkeit bis hin zu Selbstreflexion oder Gefühlsspiegelung. Musik hat nämlich auch die Fähigkeit, und das macht sie so einmalig und bedeutend, bestimmte starke Emotionen auszudrücken und auszulösen. Dies war wahrscheinlich bereits so bei den Steinzeitmenschen, die mit primitiven Instrumenten und Schlagkörpern „Musik“ erzeugten und sich damit in Trance versetzten und ist von der Intension her bei einem heutigen Techno-Rave[1] nicht anders. So gesehen war Musik schon immer „populär“.

Heute ist Musik (v.a. Pop- und Rockmusik), zumindest in der westlichen Gesellschaft, omnipräsent: im Radio, im Fernsehen, am Arbeitsplatz, in der Freizeit, im Kaufhaus, im Cafe, Zuhause unter Kopfhörern oder gemeinsam mit Zehntausenden Zuhörern auf einem Open-Air-Festival.

Vor allem die rasante Entwicklung der Technik in den letzten etwa fünfzig Jahren hatte auch auf die Musik und deren Popularität entscheidenden Einfluß. Es gelang, Musik zu speichern, zu vervielfältigen und weltweit zu verbreiten. Ihre verschiedenen Formen konnten nicht mehr nur lokal, sondern auch global populär werden. Eine entscheidende Rolle hierbei spielten und spielen die Massenmedien. Durch technische Fortschritte bei der Musikherstellung und -wiedergabe konnte die Wirkung von Musik verstärkt werden. Es entwickelte sich ein großer Technikbereich - die Musikelektronik. Parallel dazu entstand ein weitverzweigter Wirtschaftsbereich - die Musikindustrie. Musiker entwickelten neue Spieltechniken und Stilkombinationen, die zur Herausbildung unzähliger Meta- und Subgenre der Musik führten. Entsprechend entstanden verschiedene Gruppen von Konsumenten („Fans“) und Subkulturen („Szenen“).

In all diesen Bereichen entwickelten sich auch spezifische Sprachmuster und vor allem entsprechende Fachlexik. Geprägt und benutzt wird diese Sprache sowohl von Musikausübenden, Musikproduzenten (im technischen Sinne), Musikvermarktern und -verkäufern, als auch von den Hörern populärer Musik. Stilistisch und thematisch werden sowohl technische und wirtschaftliche Fachlexik integriert, als auch Jugendsprache und Umgangssprache verwendet.

Für Leser, die nicht so in die Materie involviert sind, möchte ich zur Einleitung zwei aktuelle Beispiele für die Sprache der Pop- und Rockmusik anführen. Ich habe dabei keine besonders extremen Exemplare gewählt, sondern mehr oder minder typische Sprache für dieses Sachgebiet. Der englische Text ist ein Auszug aus einem sogenannten „Waschzettel“ (beiliegender Zettel mit Informationen zum Interpreten, der zusammen mit dem Tonträger an Musikjournalisten geschickt wird,); der deutsche Text stammt aus der Musikzeitschrift „Spex“.

Englisch

„Check Good to be alive and Everyday Girl that effortlessly combine the optimism of rave with the autobiographical, confessional style of the classic singer-songwriter. Shimmering pop songs that take in Detroit techno orchestration, house music dynamics, dreamy and sensual ambience: all driven by jum-up love breakbeats.

Or Bad behaviour with ist caustic dub sound-system drum patterns, ruff-neck jungle bass throb, sinister whispers and unresolved outro of dark-side menace.“ (aus dem Waschzettel zu DJ RAP „Learning Curve“)

Deutsch

„Der Kurpfälzer Bass-Athlet mit Old-School-Breakbeat-Discographie veröffentlicht nun nach seiner vielbeachteten TRACKAGAIN-EP (800 Trak) einen nicht minder kickenden 12-Zoller zwischen sperrigem Industrial Elektro, funktionalen DJ-Loops und charmant-vulgärem Rave-Appeal auf Heidelbergs Source Records (via EFA).

(entnommen der Rezension einer Veröffentlichung des Interpreten REDAGAIN P.)

Es wird sich im Laufe meiner Diplomarbeit noch zeigen, daß auf dem Gebiet der Pop- und Rockmusik die (deutsche) Sprache besonders stark von Anglizismen geflutet wird. Dies nimmt stellenweise solche Ausmaße an, daß es für Leser, die nicht des Englischen mächtig sind, nicht mehr nachvollziehbar ist; andere von „sprachlicher Perversion“ sprechen, und Dritte deshalb kühl konstatieren, daß auf diesem Gebiet offensichtlich kein Übersetzungsbedarf besteht, da die meisten Begriffe einfach nicht übersetzt werden.

Auf dem Gebiet der Pop- und Rockmusik war man auch schon vor zwanzig oder dreißig Jahren besonders empfänglich für Anglizismen. Sie vermittelten einen Hauch vom Original, das nun einmal hauptsächlich aus den USA oder England kommt. Jedoch hat diese Entwicklung in den Neunziger Jahren noch einmal mächtig angezogen. Dies hängt vor allem mit der Etablierung zweier Musikrichtungen - HipHop und Techno - zusammen, deren Ausdrucksweise stark von amerikanischem („black“) Slang bzw. technischen Termini aus dem DJ-Bereich durchsetzt ist. So kam ich bei meinem gewählten Thema nicht umhin, die Problematik der Anglizismen in der deutschen Sprache expositioniert zu behandeln.

Der Forschungsstand zur Sprache der Pop- und Rockmusik ist im Verhältnis zur Größe des Bereiches äußerst schwach. Es gibt kaum sprachliche Analysen, geschweige denn übersetzungswissenschaftliche Überlegungen. Da das Gebiet der Pop- und Rockmusik nicht nur, historisch gesehen, relativ neu ist, sondern im Detail auch stark von wechselnden Trends geprägt und somit sehr kurzlebig ist, erfassen allgemeine Wörterbücher oder Nachschlagewerke der Gegenwartssprache viele Begriffe der Pop- und Rockmusik und ihre speziellen Bedeutungen nicht. Angebliche Fachlexika, die sich „Lexikon der Pop- und Rockmusik“ oder „Encyclopedia of Popular Music“ nennen, erfassen erstaunlicherweise meist hauptsächlich Interpreten und nicht Fachlexik, wie ihre Titel implizieren. Auf die Nennung einzelner Musiker und Künstler habe ich in meiner Abhandlung bewußt weitestgehend verzichtet und mich auf die Sprache konzentriert. Kultur- oder musikwissenschaftliche Abhandlungen zur populären Musik oder zu einzelnen Musikstilen gibt es inzwischen zuhauf. Doch auch dort wird der spezielle Wortschatz meist einfach verwendet und nicht determiniert. Zur Musiktechnik gibt es sowohl im Englischen, als auch im Deutschen recht passable Fachbücher. Die Musikelektronik hat vor allem in den Neunziger Jahren enorm an Umfang zugenommen, und mit der damit verbundenen Terminologie kommt auch der Nichtfachmann immer wieder in Berührung. Mit Pop- und Rockmusik verbundene Begriffe der Jugendsprache, Umgangssprache, des Slangs sind nur vereinzelt in entsprechenden Veröffentlichungen erfaßt. Es gibt nur sehr wenige Publikationen, die sich explizit der Sprache der Pop- und Rockmusik widmen. Mir ging es gerade darum, diese Sprache grob zu erfassen und zu analysieren, was mir sicher nur in Ansätzen gelungen ist. Auf diesem Gebiet besteht noch ein großer Forschungsbedarf.

2. Die Sprache der Pop- und Rockmusik

2.1. Vorbereitende Korrespondenz

In Vorbereitung meiner Diplomarbeit (v.a. im Zeitraum August/September 1998) habe ich ein Rundschreiben (siehe Anlage) verschickt an verschiedene Verlage, die Literatur auf dem Gebiet der Pop- und Rockmusik verlegen. Vom „Popdome“ Köln, dem weltweit größten Archiv zu populärer Musik, erhielt ich eine Liste mit den Adressen von knapp 400 Verlagen im deutschsprachigen Raum, die primär oder peripher mit Pop- und Rockmusik verbundene Literatur veröffentlicht haben. An alle aufgeführten Verlage aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg sandte ich mein Rundschreiben. Leider erwies sich die Liste zum Teil als nicht mehr aktuell. Rund 80 Briefe wurden, versehen mit dem Hinweis „Empfänger unbekannt (verzogen)“, retourniert. Antwort erhielt ich von insgesamt 141 Verlagen. Von diesen konnten wiederum 80 Verlage nicht behilflich sein, da ihre Publikationen entweder nur einen äußerst geringen oder gar keinen Bezug zu Pop- und Rockmusik haben. In der Liste des „Popdome“ waren sämtliche betreffende Verlage erfaßt, auch wenn sie beispielsweise bisher nur ein relevantes Buch, und das vor 20 Jahren zum Thema „ Popgymnastik“, veröffentlicht und inzwischen ein ganz anderes Verlagsprofil entwickelt haben. Trotzdem gilt auch diesen Verlagen mein Dank für ihre freundlichen Antworten und Erfolgswünsche.

Insgesamt 61 Schreiben sind als „positiv“ zu werten, da mir die Absender in irgendeiner Form behilflich sein konnten. Diesen Verlagen sowie den Übersetzern und Fachleuten, die sich die Zeit nahmen, mir zu antworten, gilt an dieser Stelle mein besonderer Dank.

Knapp die Hälfte der angeschriebenen Verlage antwortete also nicht auf mein Schreiben. Nichtsdestotrotz werte ich diese Briefaktion als Erfolg. Ich erhielt Hinweise auf Bücher, die sich später als Primärliteratur zu meinem Thema herausstellten. Einige Verlage überließen mir kostenlos relevante Literatur aus ihrem Programm, darunter z.B. „Rock und Pop und ihre Sounds“ von Wolfgang Schiffner, ein Standardwerk zur Musiktechnik, geschenkt vom Elektor-Verlag. Der Kontakt zu (wenngleich wenigen) Übersetzern und relevanten Institutionen auf diesem Gebiet wurde hergestellt. Viele Verlage fanden das Thema meiner Diplomarbeit nicht nur interessant, sondern auch sehr aktuell und bestätigten mir, daß es, angesichts „hoher Unsicherheit bis in höchste Kreise“ hier einen Forschungsbedarf gibt. Einige Verlage meldeten Interesse an einer späteren Veröffentlichung meiner Arbeit an.

Außerdem erhielt ich von Einzelpersonen konkrete Meinungen zum Thema, von denen ich einige hier zitieren möchte. Einerseits stellen diese Darlegungen eine gute Einleitung in die Thematik dar, andererseits sprechen sie Fragen und Probleme an, die ich an betreffender Stelle in „Problemkatalogen“ zusammengefaßt habe und auf die ich im Laufe dieser Diplomarbeit noch näher eingehen werde.

Meinungen von Fachleuten zum Thema „Die Sprache der Pop- und Rockmusik“

Heike Brühl aus Mainz arbeitet seit einigen Jahren als freie Übersetzerin und hat sich auf die Übersetzung englischsprachiger Lehrbücher aus dem Bereich der Popmusik spezialisiert.

Sie schrieb:

„Bei der Übersetzung dieser Bücher mußte ich von Anfang an feststellen, daß Wörterbücher (auch Fachwörterbücher) keine Hilfe sind, da sie überwiegend klassikorientiert sind. Die Hauptfrage, die sich immer wieder stellt, ist, für welche Termini eine deutsche Entsprechung überhaupt angebracht ist: So findet man z.B. im „Wörterbuch Musik“ für den Begriff „snare drum“ nur die deutschen Entsprechungen „kleine Trommel“ und „Militärtrommel“, die bei einer Pop-Übersetzung natürlich völlig daneben wären. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich aus der Verwendung der ins Deutsche übernommenen englischen Begriffe im deutschen Satz: So wird z.B. das englische Wort „bending“ (als Gitarrenspieltechnik) ins Deutsche übernommen, für das dazugehörige Verb „to bend a string“ muß im Deutschen jedoch das Verb „ziehen“ verwendet werden... Richtig interessant wird eine Übersetzung bereits bei der Einführung in die Notenschrift: Im englischsprachigen Raum wird die Tonleiter oft mit dem Ausdruck „the first seven letters of the alphabet: A B C D E F G“ illustriert, was im Deutschen natürlich nicht stimmt: B ist im Deutschen H, d.h. man kann den schönen Merksatz nicht übernehmen. Außerdem muß mit dem Verlag geklärt werden, ob in der deutschen Übersetzung das englische „B“ beibehalten wird (was meistens der Fall ist). Eine Fußnote ist die Folge. Auch die Schreibweise der Akkorde ist nach wie vor ein Problem, da es immer noch keine international einheitlichen Bezeichnungen gibt.“

Problemkatalog:

- Bedarf an geeigneten Wörterbüchern auf dem Gebiet der Pop- und Rockmusik?
- Welche Termini sollten überhaupt übersetzt werden?
- Unterschiedliche Konventionen in den Kulturen der Ausgangs- und Zielsprache?
- Bedarf einer internationalen Normung gewisser Begriffe?

Peter Geier ist Literaturwissenschaftler Anglistik / Germanistik und Verlagskaufmann in Essen.

Er schrieb:

„Wie Sie feststellen werden, erachte ich die Übernahme angloamerikanischer Begriffe in die deutsche Sprache als überaus problematisch - Begriffe werden oft ohne Sinn und Verstand übernommen und oftmals auch in einer falschen Form...

Worte, wie ‘Song’, ‘Label’, ‘Single’ etc. haben bereits Eingang in die deutsche Sprache gefunden... Ich persönlich ziehe es vor, angloamerikanische Begriffe grundsätzlich in der Schreibweise der Originalsprache zu belassen und kursiv zu setzen. Dies gilt also z.B. für guest play, doch auch für Lehnübersetzungen wie Live -Aufnahme oder -Mitschnitt. Auch neugebildete Wörter wären dann kursiv zu setzen und bedürfen einer Erläuterung...“

Zum Thema ‘Eigennamen’ schrieb Peter Geier: „Hier sollte immer erst festgestellt werden, ob es keine deutschen Entsprechungen zu diesen Bezeichnungen gibt (Top of the Pops könnte etwa den „Top 10“ entsprechen, ansonsten würde ich diesen Begriff umschreiben: Spitzentitel der populären Musik o.ä.). Echte Eigennamen wie Reading Festival kann man nur annotieren mit einer Klammer: (Festival in der Stadt Reading in der Grafschaft Berkshire).“

Zum Stichwort (eingedeutschte) Anglizismen schrieb Herr Geier: „Allerdings zeigt diese Entwicklung eine weitere Abspaltung einzelner Fachbereiche an, in denen dann der interessierte Laie nur schlecht mithalten kann (es sei denn er ist der englischen Sprache mächtig).

Eingedeutschte englische Verben halte ich für sprachliche Perversion und würde von ihrer Verwendung völlig absehen...

Ich sehe dies im Rahmen der Problematik einer Orwellschen Logik des Newspeak: durch diesen Gebrauch der Sprache werden Zusammenhänge verschleiert - viele Leute wissen gar nicht, was hinter den übernommenen Begriffen steckt. Somit können immer mehr Zirkel von Eingeweihten entstehen, deren Fachvokabular längst nicht mehr für jeden zugänglich ist (Geheimsprache)

Eine weitere hiermit verbundene Problematik ist auch eine falsche Übernahme beim Eindeutschen: Babys statt Babies, Partys statt Parties, Happy End statt „Happy Ending“ etc.“

Problemkatalog:

- Ab wann ist ein Anglizismus Teil der deutschen Sprache?
- Schreibweise angloamerikanischer Begriffe (kursiv)?
- Erläuterung neugebildeter Begriffe?
- Eigennamen: deutsche Entsprechungen oder/und Explikationen?
- Abspaltung einzelner Fachbereiche, Fachvokabular, „Geheimsprache“ durch starken Anglizismen-Gebrauch?
- eingedeutschte Verben - sprachliche Perversion?
- Übersetzer als Sprachästhet oder Anpassung an die üblichen Gepflogenheiten im Fachbereich (v.a. bei Anglizismen)?

Gregor Seferens ist Übersetzer mit den Arbeitssprachen Niederländisch und Deutsch in Bonn. 1998 hat er einen Band mit Essays über Blues- und Rocksongs aus dem Niederländischen übersetzt.

Er schrieb:

„Dabei handelt es sich um englische ‘Fach’-Ausdrücke (crooner, cocktail-blues, headbanging usw.), die ich bei der Übersetzung unterschiedlich behandelt habe. ‘Crooner’ und ‘cocktail-blues’ habe ich z.B. unverändert gelassen, während ich andererseits ‘to headbang’ einfach wie ein deutsches Verb behandelt habe (ich headbange, du headbangst usw.). Andere Begriffe wurden regelrecht übersetzt. Der Titel des Buches lautet ‘De luchtgitaar’, was schlicht die niederländische Übersetzung des Begriffs ‘air-guitar’ ist. Daraus habe ich ‘Luftgitarre’ gemacht, und diesen Begriff gibt es ja bereits als Bezeichnung für das imaginäre Instrument, das vielen Zuhörern bei Hard-Rock-Konzerten vor dem Bauch hängt.“

Problemkatalog:

- Wann wird ein englischer Fachbegriff übersetzt und wann nicht?
- Wie behandelt man Verben?

Dr. Vincent J. Docherty, Leiter der Redaktion Wörterbücher der LANGENSCHEIDT KG; schrieb:

„Die Sprache der Pop- und Rockmusik ist von einer ausgesprochenen Kurzlebigkeit geprägt, die sie sozusagen per definitionem als Gegenstand unserer allgemeinen Wörterbücher ausschließt.“

Problemkatalog:

- Welche Begriffe sind „kurzlebig“, welche eventuell „langlebig“ innerhalb der Sprache der Pop- und Rockmusik?
- Ist die Sprache der Pop- und Rockmusik ausgeschlossen aus allgemeinen Wörterbüchern, also reine Fachsprache?

Martin Reichold vom New Media Verlag, Redaktion Oldie-Markt, in Winsen/Luhe ist Übersetzer (aus dem Englischen ins Deutsche) von Fachliteratur und Interviews auf dem Gebiet der Pop- und Rockmusik.

Er schrieb:

„Tatsächlich ist es so..., daß die entscheidenden Wörter und Begriffe schlicht nicht übersetzt werden. Tatsache ist doch, daß die überwiegende Zahl der Gattungsbegriffe aus dem Englischen kommt. Kein Mensch übersetzt Wörter wie Rock, Rock ‘n’ Roll oder ähnliches. Bei der Musikersprache ist das ähnlich: Ein Riff ist ein Riff, Fills, Licks, Solo: alles Wörter, die deutsche Leser genauso verstehen, wie englische. Probleme tun sich nur da auf, wo englische oder amerikanische Szene-Begriffe auftauchen: Chicks kann man schlecht mit Hühnchen übersetzen, da muß ein deutsches Synonym her. Das aber ist nicht unbedingt musikalisch, sondern betrifft vielmehr die Tatsache, daß die meisten Musiker aus einer gewissen Szene kommen, die nicht notwendigerweise ursächlich mit Musik zu tun hat, sondern mit Jugendkultur. Ob sie einen Musiker interviewen oder einen Jugendlichen: der Wortschatz wird sich nicht signifikant unterscheiden. Die Fachliteratur ist ein ganz anderes Thema. Denn wer ein Buch über eine Gruppe, eine Stilart oder ein bestimmtes Gebiet der Rock- und Popmusik schreibt, besitzt in der Regel eine gewisse Artikulationsbreite und ist deswegen nicht mit dem Klientel zu vergleichen, aus dem die Musiker selbst kommen.“

Problemkatalog:

- überwiegende Zahl der Begriffe (z.B. Musikstile, Spieltechniken) werden nicht übersetzt und stellen auch keinen Übersetzungsbedarf dar, da der deutsche Leser sie versteht?
- „Szene-Begriffe“ = Übersetzungsproblem? Was ist eine Szene? Welche Szenen gibt es? Haben sie eine „eigene Sprache“? Inwiefern sind diese Sprachen Teil der Fachlexik der Pop- und Rockmusik?
- Jugendkultur?
- Unterschiede im Vokabular von Jugendlichen (Musikliebhaber), Musikern und Fachleuten (z.B. Musikjournalisten, Musikwissenschaftler)?

Peter Wulff vom Verlag Grafik & Typographie in Frontenhausen schrieb:

„In der Pop- und Rockmusik herrschen die Anglizismen derart, daß meines Erachtens kaum ein „Übersetzungsproblem“ auftritt...Ich fürchte, daß es kein Problem gibt - es wird einfach nicht übersetzt...

Ein Exemplar Ihrer Arbeit würde mich sehr interessieren, da auch wir fehlenden Definitionen zu Leibe rücken wollten und hohe Unsicherheit bis in ‘höchste Kreise’ konstatieren mußten.“

Einen ähnlichen Tenor hat der Brief von Ulrich Bäumer vom CLV-Verlag Bielefeld. Der Autor mehrerer Bücher zum Thema Pop- und Rockmusik (aus christlicher Sicht) schrieb:

„Was mir auffällt ist hier eine deutliche Anglisierung der deutschen Sprache. Für eine ganze Reihe von Fachtermini gibt es keine befriedigende und gängige Übersetzung. Wie übersetzt man in der Filmbranche den Begriff „Director’s Cut“? Am besten überhaupt nicht, und eine Umschreibung des Terminus in deutschen Worten wirkt auch sehr unnatürlich. Wenn ich an den Bereich der Populärmusik denke, so finde ich z.B. die folgenden englischen Begriffe, die meist unübersetzt bleiben: Label - Gimmick - Liner notes - Artwork - Fanzine - Hype - Keyboards - Teenybopper - etc., etc., etc.“

Klaus D. Müller; Besitzer und Leiter des P.O.E.M. Musikverlages schrieb:

„Die spezielle Fachsprache bei uns in der Musikbranche ist ja sowieso Englisch, ich brauche also nicht zu übersetzen resp. nicht groß nachzudenken bei „unseren“ vielen Fachbegriffen wie single, label, recording date, contract, LP, CD, DAT, tape, tape machine, nonrecoupable advance (da fiel mir letztlich am Telefon nicht mal mehr die deutsche Entsprechung ein), territory, percentage, accounts, session, keyboard, studio, band, sample, synthesizer...“

Problemkatalog:

- Gibt es eine spezielle Fachsprache der Musikindustrie?
- Inwieweit ist diese Sprache mit Wirtschaftstermini vermischt?
- Ist diese Fachlexik auch im deutschsprachigem Raum rein englisch?
- Inwiefern fließen diese Branchenausdrücke in die allgemeine Sprache der Pop- und Rockmusik ein?

Ludwig Schieffer ist u.a. Autor des pophistorischen Buches „Superhitstatistik“ und ist Chefredakteur/Medienreferent beim „Techno-Radiosender“ evosonic radio.

Er schrieb:

„Die Sprache der Popmusik ist nun mal Englisch. Und weil wir als Besatzungskinder mit bestimmten Anglizismen im täglichen Sprachgebrauch schon in den Sechzigern aufgewachsen sind, war es einfach ganz normal, diese zu benutzen... Für einen Terminus wie z.B. Hitparade gab es nie ein deutsches Wort - obwohl das auch im Amerikanischen nie eine Genrebezeichnung war, sondern der Name einer TV-Sendung („Your Hitparade“). Genrename war und ist Charts. Erst durch Camillos Hitparade bei Radio Luxemburg wurde in Deutschland der Name zur Gattungsbezeichnung... Die Elektronische Musik (Dachbegriff für Techno, House, Drum ‘n’ Bass etc.) und der Lifestyle der Szene-Kids (da ist schon wieder so ein Wort) hantiert mit Vokabeln, die gar nicht übersetzbar sind. Location, Sampling, Dubbing, Ambient, Chillout, After Hour - wie übersetzt man das? Allenfalls mit 25 Nebensätzen oder Begriffen, die nur lächerlich wirken...

Jede Zeit, jede Branche hat ihre Sprache, die sie meist aus ihrem Ursprungsland mitbringt... Ist man Cosmopolit und ein für die Trends der Szene offener Musikjournalist, ist eigentlich das Übersetzen kein Thema. Mut zum Risiko, Mut zur Sprachinnovation! Der Journalist hat da eine Vorreiter-Rolle, aber auch eine gewisse Verantwortung.“

Problemkatalog:

- Englisch - die (internationale) Sprache der Popmusik?
- Einfluß der englischen Sprache in der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg?
- Gibt es „unübersetzbare“ Vokabeln (Eigennamen ausgeschlossen)?
- Nicht Übersetzen, sondern Einführen neuer Begriffe aus dem Englischen = Zeichen von Weltoffenheit und Sprachinnovation?
- Verantwortung der begriffsprägenden Fachleute?

Ulrich Magin von der Verlagsunion Pabel Moewig KG in Rastatt schrieb:

„Sicherlich aber liegen die meisten Schwierigkeiten in der Idiomatik. Es gibt praktisch keine Wörterbücher, die den aktuellen Slang erfassen; ganz besonders dann, wenn es sich um In-Sprachen wie etwa die Codes der Rapper handelt. Denn solche Ausdrücke ändern sich ja recht schnell und werden zudem erfunden, um außerhalb der Gruppe nicht verstanden zu werden. In diesen Fällen kommt es auf die Sachkenntnis und das Einfühlungsvermögen des jeweiligen Übersetzers an.

Vielleicht wenden Sie sich an Magazine wie ‘Spex’, die eigentlich in Deutschland am ehesten das Ohr an neuen Trends haben und auch voraussetzen, daß die Leser die jeweilige In-Sprache verstehen.“

Problemkatalog:

- Slang, „In-Sprachen“, „Codes“ - Teil der Sprache der Pop- und Rockmusik?
- Sachkenntnis und Einfühlungsvermögen des Übersetzers?

2.2. Begriffsbestimmung „Pop- und Rockmusik“

Wenngleich dies kein primäres Übersetzungsproblem darstellt, scheint es mir angebracht, zu Beginn die Begriffe Pop und Rock grob zu erläutern, da hier bereits die Komplexität des untersuchten Gebietes zum Ausdruck kommt.

Die Begriffe „Pop“ und „Rock“ und erst recht der Begriff „Pop- und Rockmusik“ sind sehr unscharf. Während z.B. Jazz, Blues und Country zwar recht komplexe Musikgenre darstellen, sind sie in ihrer Bedeutung doch relativ stabil.

Der Begriff Pop wird als Bezeichnung für ein Musikgenre seit ungefähr Anfang der Sechziger Jahre verwendet. Sein Ursprung ist nicht eindeutig geklärt.

Er könnte auf das englische Wort "to pop" (dt. "knallen, überraschen") zurückgehen oder auch auf den in den Fünfzigern aufgekommenen Begriff "pop art" als Bezeichnung für eine bestimmte Art von Kunst. Zu jener Zeit entwickelte das Wort Pop seine eigene Konnotation, die etwas Leichtes, Frisches assozierte. Man benutzte den Begriff zu Beginn der Sechziger erstmals in vielen Bereichen: so sprach und spricht man zum Teil noch heute von Pop-Mode, Pop-Dekoration, Pop-Farben, Pop-Literatur oder allgemein Pop-Kultur.

Am wahrscheinlichsten ist aber, daß Pop ürsprünglich als Kurzform von "popular" (engl.; dt.: "volkstümlich", "populär") entstand und wenig später sich generell als stellvertretender Begriff für "popular music" etablierte. Populär meint, daß die Musik beim Hörer, "im Volk" beliebt ist, also in irgendeiner Weise eine positive Rolle spielt, eine Funktion erfüllt. Dementsprechend ist, was den Klang betrifft (soweit sich dieser überhaupt eingrenzen läßt), meist Musik ohne große Extreme, die auf eine möglichst große Hörerzahl abzielt, gemeint. Dies impliziert bereits, daß Popmusik meist von Massenproduktion und -distribution gekennzeichnet ist. Der Begriff ist also, v.a. wirtschaftlich gesehen, eng gekoppelt an die Massenkultur in den westlichen Industrieländern. Das Hauptkriterium ist die Popularität, während sich der Klang und die Genrezusammensetzung ständig ändern und nicht genau definiert werden können.

Andere Kritiker wiederum betonen eher die „Pop-Attitüde“, in erster Linie Leute unterhalten und „Freude spenden“ zu wollen, egal ob dies Erfolg hat oder nicht. So kann sich eine unbedeutende lokale Gruppe auch als Popband verstehen.

Musikwissenschaftler verwenden den Begriff Popmusik meist als Oberbegriff für alle Formen populärer Musik seit dem Entstehen des Rock ‘n’ Rolls in den fünfziger Jahren. So kann Pop theoretisch sowohl Rock als auch Disco und Technomusik umfassen, solange diese nur populär sind. .„Populäre Musik“ wird oft mit Popmusik synonym verwendet, schließt aber in der Musikwissenschaft auch jene Musikstile ein, die vor dem Rock ‘n’ Roll populär waren (dies kann sich somit z.B. auch auf Volkslieder beziehen). Außerdem gibt es den akademischen Sammelbegriff „Popularmusik“ für alle Formen populärer Musik. Dies ist aber kein Begriff der Sprache der Musiker, Musikjournalisten und Fans.

Oft wird der Begriff Popmusik auch als Pendant zu Klassischer Musik verwendet (auch als E- und U-Musik unterschieden). Begründet auf der, dem Pop zugeschriebenen Eigenschaft, in erster Linie gefallen, leicht unterhalten und möglichst erfolgreich sein zu wollen, wurde der Begriff auch als Gegenstück zu Rock ins Spiel gebracht. Damit verband sich wiederum eine Polarität zwischen England und den USA. So entstand auch eine Bedeutungsverschiebung des Begriffs z.B. in den USA, Großbritannien und Deutschland. In England assoziiert man mit dem Begriff Pop meist eher spielerische, angenehme Unterhaltung, während in Deutschland damit oft mehr ein eher kommerzieller Anspruch, bzw. die angestrebte Massenwirkung verbunden wird. England ist (angeblich) das Mutterland des POPs (dies wird v.a. mit den Beatles in Verbindung gebracht) und deshalb schwingt bei diesem Wort Tradition, Stolz, Begeisterung mit. In den USA, als dem Vaterland des "ehrlichen" Rocks (bzw. ursprünglich Rock ‘n’ Roll), assoziiert man mit Pop eher "billige", leichte Unterhaltung. Ähnlich war/ist die Wertung in Deutschland. Obwohl sich dies je nach Zeit und Entwicklung wandelt. Es scheint, daß, während Pop in den Achtzigern in Deutschland noch fast ein Schimpfwort war, inzwischen die englische Konnotation auch bei uns Fuß gefaßt und, zumindest in Fachkreisen, einen positiven Klang bekommen hat; man spricht von „Pop-Appeal“.

Ähnlich komplex ist die Etymologie und der Bedeutungsumfang des Begriffs „Rock“. Abgeleitet ist es eindeutig von „Rock ‘n’ Roll“ (wörtlich ‘wiegen und rollen’), welches ursprünglich ein Slangbegriff der Afroamerikaner war und als Metapher für den ‘Koitus’ verwendet wurde.

Der Begriff „Rock ‘n’ Roll“ wurde wahrscheinlich als offizielle Musikbezeichnung Anfang der fünfziger Jahre von dem amerikanischen Radio-DJ Alan Freed populär gemacht und hatte sich etwa ab 1954 etabliert. Auf die Musik des Rock ‘n’ Roll möchte ich in diesem Rahmen nicht weiter eingehen.

Zu Rockmusik schreibt L. Ortner in seiner Analyse deutscher Musikzeitschriften:

„Während das Wort Rock ‘n’ Roll einem bestimmten Relatum ziemlich eindeutig zugeordnet ist, zeichnet sich das Lexem Rock (-musik) durch extreme Bedeutungsschwankungen aus. Einige verstehen darunter alle populären Musizierstile, die nach dem Rock’n’Roll entstanden sind; das Wort wäre dann gleichbedeutend mit dem umfassenden Begriff der Popmusik. Manchmal wird die Bez. aber auch speziell auf die in den 60er Jahren aufkommende Musikrichtung angewandt, die sich durch große Lautstärke, vermehrte Ausnützung von technischen „Tricks“ und durch kreative und progressive Musikformen auszeichnet... Das Kriterium der Lautstärke scheint wesentlich den Begriff zu bestimmen...“(Ortner: 61)

Der Begriff Rock ist somit auch sehr vage und eher soziologisch und ästhetisch, als musikalisch zu betrachten. Wie bereits angedeutet, wird Rock oft mit Authentizität, Ehrlichkeit und Tiefe im Gegensatz zu Pop assoziiert.

Da es sich also bei Pop und Rock um die beiden üblichsten Oberbegriffe für populäre Musik handelt, habe ich mich vorerst entschieden, das Gebiet, dessen Sprache ich untersuche, als Pop- und Rockmusik zu bezeichnen. Angesichts der Tatsache, daß diese Begriffe jedoch bei verschiedenen Menschen, die sich nicht (populär)wissenschaftlich mit dem Thema befassen, unterschiedliche Assoziationen hervorruft, würde ich mich bei einer Fortführung oder gar Publikation dieser Untersuchung für den neutraleren Begriff „populäre Musik“ entscheiden. Womöglich können sogar jüngere Generationen bald mit den Begriffen „Pop“ und „Rock“ nur noch wenig anfangen, weil sie (in ihrem Verständnis der Begriffszuordnungen) von sich behaupten, beispielsweise nur Dance und Techno zu hören.

2.3. Musikstile / -genre und ihre Bezeichnung

Neben Pop- und Rockmusik gibt es sehr viele unterschiedliche Bezeichnungen für Formen von Musik - man spricht von „Musikstilen“ oder bei umfassenderen Begriffen von „Musikgenres“. Musikgenres und -stile bilden eine Gruppe, die eigentlich kein Übersetzungsproblem darstellt, aber nichtsdestotrotz als Kontextwissen für den Übersetzer von entscheidender Bedeutung ist.

Bezeichnungen für Musikstile werden als sogenannte Internationalismen behandelt, also fast ausschließlich unverändert aus der Sprache des Ursprungslandes übernommen und weltweit verwendet. Bei der Pop- und Rockmusik ist die Ursprungssprache meist das Englische.

Auf den Umfang der Begriffe Pop und Rock wurde bereits eingegangen. Nur sehr knapp möchte ich auf die vielschichtigen etymologischen Zusammenhänge bei einigen weiteren der wichtigsten Musikgenre eingehen. Die Herkunft des Begriffs Jazz ist ungeklärt. Im angloamerikanischen Slang kann es z.B. soviel wie ‘beunruhigendes, lärmendes Durcheinander’ (Buchner 1972: 33) bedeuten. 1913 wurde das Wort erstmals musikalisch verwendet.

Blues ist möglicherweise eine Zusammenziehung aus blue devils, eine Metapher, die im amerikanischen Englisch seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Sinne von ‘Niedergeschlagenheit’ und ‘Melancholie’ verwendet wird. I’ve got the blues bedeutet also in etwa ‘ich bin traurig’ (vgl. Rottman, G. (1964): 101-107). In einem musikalischen Kontext, als „weltliche Musikfolklore der amerikanischen Schwarzen“ (Schmidt-Joos/Graves 1998: Sachstichwortverzeichnis) ist der Begriff erstmals 1917 belegt. Man verwendet die Pluralform, behandelt den Begriff aber sowohl im Englischen, als auch im Deutschen als Singular.

Soul bedeutet wörtlich ‘Seele’ und assoziiert so vom Wort her, abgesehen von der spezifischen Charakteristik des Genres, daß die Musik ‘mit Seele’ im Sinne von ‘mit Emotion, leidenschaftlich’ gespielt wird.

Bei dem Begriff Folk gibt es zwei Varianten der Entstehung: 1. abgeleitet von Folklore oder 2. von folk music, wobei hier Etymologen es wiederum für möglich halten, daß es sich um eine Lehnübersetzung des deutschen Wortes Volksmusik ins Englische handelt (und entsprechend Folksong eigentlich auf das deutsche Volkslied zurückgeht). Jedoch kann man Folk(musik) nicht (oder nur selten) im Rahmen der Pop- und Rockmusik mit Volksmusik übersetzen. Während das Wort Volksmusik, abgesehen von seinem konkreten musikalischen Kontext, bei Jugendlichen eine eher negative Konnotation hat, ist Folkmusik meist neutral.

Der Begriff Techno wurde von der Plattenfirma Virgin Records geprägt, die 1988 in Großbritannien eine Compilation mit House-Musik aus Detroit unter der Bezeichnung "Techno - The New Dance Sound of Detroit" herausbrachte.

Bemerkenswert ist, daß bei Musikstilen grundsätzlich ein maskuliner Artikel verwendet wird. Oft, v.a. bei neuen Musikrichtungen, wird die Artikelbenutzung auch „vermieden“. Auch gibt es Unsicherheiten beim Genitiv: „des Rock ‘n’ Roll s“ oder des „Rock ‘n’ Roll“ ?

Eher selten wird ein Musikstil erläutert (Explikation), sondern meist als „Insiderwissen“ vorausgesetzt.

„...die komplizierte Auffächerung in verschiedenste Stilrichtungen, gegen die die Entwicklung der Kunstgattung Oper geradezu ein Kinderspiel ist, erfordert immer neue Varianten in der Bennenungspraxis. Um zu einer differenzierten Beschreibung von Musikstilen zu gelangen, werden den betreffenden Bezugslexemen vielfältige Bestimmungen hinzugefügt. In formaler Hinsicht handelt es sich hierbei um Beiwörter, Erstglieder von Komposita und um präpositional angeschlossene Nennwörter.“
(Ortner: 73) So gibt es ständig neue Stilmischungen und -kombinationen, wie Ambient-Klassik, Ragga-Jungle oder Soul-Techno und um Originalität bemühte Spontan-Bezeichnungen für schwer einordbare Musik, z.B. Seltsam-Beat, sleazy listening oder gar Psychoacidfuzzadelicstonerrock.

Ortner versuchte 1982 in seiner Untersuchung deutscher Musikzeitschriften (auf die ich noch genauer eingehen werde) gewisse verbreitete Bildungsmechanismen für Bezeichnungen von Musikstilen zu bestimmen. Nicht alle dieser Kategorien sind bis heute präsent und zum Teil ergeben sich neue. Ausgehend von Ortners Ansätzen, (siehe auch Ortner: 75-78) hier einige bei meiner Analyse erkannte attributive Bereiche im Englischen und Deutschen (siehe auch die Listen der Fachlexik in Musikzeitschriften im Anhang dieser Arbeit):

- Habitus: Glam-Rock, Diskurs-Pop, Emorock (von ‘emotion’), Gangsta Rap

- Nationalität: Britpop, Deutsch-Rock; Irish Folk
- temporal: Sixties-Beat, Mittelalter-Rock
- klassisch oder modern: Classic Rock, Neo-Folk, Old School Hardcore, Progrock
- geographische Größen: Goa-Trance, Köln-Electronica, Manchester Rave, Hamburger Schule, Chicago-House
- Institutionen, ökonomischer Bezug: Hitparaden-Pop, Indie-Pop, Major-Punk
- Weltraum: Space-Sound, Raketenjazz
- Instrumentierung: Synthie-Pop
- Sinnesqualitäten: Hard-Rock, Hardhop, Hardtrance, Softcore, Sleazy Listening, mellow R’n’B.

Bei diesen mehr oder weniger eindeutigen Bezeichnungen merkt man bereits, daß es kaum eine Normung im Bereich der Musikstile gibt. Die Begriffe werden zum Teil von den Musikern selbst geprägt, entstehen innerhalb der Subkulturen, werden von Musikjournalisten erfunden oder auch von Plattenfirmen eingeführt, um ihre Produkte von anderen abzugrenzen, hervorzuheben und somit besser zu vermarkten. Ortner schreibt hierzu:

„Die Etikettierungsvielfalt im Bereich der Stilbezeichnungen hat einerseits sachliche Gründe - der Drang nach immer neuen, bisher unbekannten, unüblichen Musizierweisen und die daraus resultierende Tendenz zur Stilmischung ist ein wesentliches Kennzeichen der Popmusik - andrerseits geht sie zu einem nicht geringen Teil auf das Bestreben der Schallplattenfirmen zurück, ihre Produkte mit neuen werbewirksamen Schlagwörtern zu verkaufen.“ (Ortner: 67)

2.4. Einführung in die Sprache der Pop- und Rockmusik

Etwa in den letzten 40 Jahren hat sich (im Englischen und Deutschen) eine eigene Fachlexik der Pop- und Rockmusik herausgebildet, die unter Umständen für Außenstehende völlig unverständlich ist. Es ist sogar zum Teil bezweckt, daß die Sprache (v.a. in mit Substilen der populären Musik verbundenen Subkulturen) außerhalb der Kommunikationsgruppe nicht verstanden wird.

Großbritannien und die USA gelten als die Ursprungsländer der Pop- und Rockmusik. Sie sind auf diesem Gebiet quantitativ und, am weltweiten Erfolg und Einfluß gemessen, auch qualitativ dominant. Wenn eine Band aus einem anderen Land international erfolgreich sein will, muß sie gewöhnlich englisch singen.

Der weltweite Einfluß v.a. der amerikanischen Kultur macht sich nicht nur auf dem Gebiet der Pop- und Rockmusik, sondern in fast allen Bereichen des Lebens (exemplarisch erwähnt sei hier nur die Computerbranche) bemerkbar. Es gibt sogenannte „mass civilisation phenomena“, wie z.B. Coca-Cola, die global präsent sind. Pop- und Rockmusik ist grob betrachtet auch solch ein Massenzivilisationsphänomen. Musik spielte, in welcher Form auch immer, wahrscheinlich seit jeher eine Rolle im Leben des Menschen. Durch die v.a. in den letzten fünfzig Jahren entstandene „Vernetzung“ verschiedener Länder und Kulturen, vollzogen sich gewisse globale Entwicklungen. Neben dem menschlichen Bedürfnis nach dem Produzieren und Konsumieren von Musik, ist dies bei der Pop- und Rockmusik v.a. mit der sogenannten „Jugendkultur“ und der Rolle der Medien verbunden.

„Popmusik stellt eine eigenständige Musikkultur dar, die in erster Linie durch industrielle Produktion und Distribution gekennzeichnet ist. Die sozialen und psychologischen Funktionen der Popmusik richten sich nach den emotionalen und körperlichen Bedürfnissen eines Teils der Gesellschaft, deren Ästhetik durch die Massenkultur bestimmt wird.“ (Fender, Reinhard/Rauhe, Hermann 1989: 9)

Allgemein ist die Sprache der Pop- und Rockmusik nicht in erster Linie länder- oder landeskulturspezifisch, sondern eher fachspezifisch und gekoppelt an die (v.a. westliche) Jugendkultur. Die Interaktion zwischen Musikproduzent und -rezipient ist dabei äußerst komplex. In Verbindung mit Musikstilen und deren Subkulturen hat sich beispielsweise auch spezielle Subfachlexik herausgebildet. Musikgenre können sich auch in einzelne Substile mit wiederum eigener Kultur und Sprache unterteilen.

Davon abgesehen gibt es aber, aufgrund zum Teil großer Unterschiede in Bezug auf den Stand der Technik (z.B. Verbreitung des Internets als Transportmedium für Musik), der Medienpräsenz oder auch der Akzeptanzausprägung gegenüber verschiedenen kulturellen Erscheinungen in verschiedenen Ländern, unterschiedliche „cultural settings“, die auch vom Übersetzer beim kulturellen Transfer beachtet werden sollten.

Die Sprache der Pop- und Rockmusik wird dabei von verschiedenen Sprachbereichen des Lebens gespeist. Eine Rolle spielen dabei nicht nur Begriffe, die unmittelbar mit der Erzeugung (Instrumente, Spieltechniken etc.) oder der Produktion, d.h. der technischen Bearbeitung und klanglichen Speicherung (Studiotechnik, Musikelektronik) von Musik zu tun haben. Pop- und Rockmusik bzw. deren Vermarktung und Verbreitung stellen ebenso einen bedeutenden Wirtschaftszweig (Plattenfirmen, Musikverlage) dar. So geht es bei der Sprache der Pop- und Rockmusik vor allem um „die Produkte, Produzenten, Produktionsformen und -verhältnisse der Pop- bzw. Rockmusikszene“ (Ortner: 32). Gleichzeitig bestimmt populäre Musik vielschichtige Bereiche des kulturellen Lebens im Spektrum zwischen Massen- und Subkultur.

Insgesamt beschreibt das Vokabular also v.a. Musikinstrumente, Musikstile, Tonwerke, Musikinterpreten, Musikhörer, Management und das sogenannte „Showbusiness“. (siehe auch Ortner: 37)

Populäre Musik ist dabei als eine Soziokultur zu betrachten, deren Sprache sich aus Jugendsprache, Umgangssprache, literarischer Sprache, Sprache der Musiker, Sprache der Musikjournalisten und akademischer Musik-Fachsprache zusammensetzt.

Außerdem könnte man zum Teil auch sogenannte Trendwörter zur Sprache der Pop- und Rockmusik zählen. Obwohl es inzwischen auch entsprechende „Trendwörterbücher“ (siehe Literaturverzeichnis) gibt, ist mir dieser Begriff zu vage und nicht genau genug definiert - grundsätzlich handelt es sich dabei um neue Wörter, die noch „im Werden“ begriffen sind und bei denen man nicht sicher ist, ob sie in die Gemeinsprache einfließen werden.

Bei der Ausprägung des Vokabulars der Pop- und Rockmusik ist auch ein ständiger Austausch zwischen den einzelnen Bereichen zu beobachten. Fachbegriffe der Musiklehre sowie auch Fachjargon der Musiker (die wiederum meist in [Jugend]Szenen integriert sind) werden ebenso Teil dieses Vokabulars, wie eher wirtschaftlich motivierte Fachausdrücke der Musikindustrie. Die „produzierende“ und vermarktende Seite greift wiederum Ausdrucksformen der Jugendkultur wie saloppe Anglizismen, Slang oder hyperbolische Lexik auf. Die Schnittstelle, an der der Entwicklungsstand der Sprache der Pop- und Rockmusik am umfassendsten nachvollzogen werden kann, ist der Bereich der Musikjournalistik. Die Massenmedien stellen das wichtigste Transportmittel für diese Sprache dar, denn dort sind populäre Musik und Jugendkultur omnipräsent. Zwischen Popjournalist (der wiederum mit der Musikindustrie und den Musikern selbst interagiert) und popinteressiertem Leser (als Teil der Jugendkultur) gibt es eine Gruppensprache, die die meisten der erwähnten Teilbereiche abdeckt und in Form von Sprache reflektiert.

„Neben Tonträgern und Live-Konzerten bilden Fernsehen (Videoclips), Hörfunk, Printmedien und neue Medien die zentralen Schnittstellen für die Rezeption und Meinungsbildung der Individuen.“ (Fender, Reinhard/Rauhe, Hermann 1989: 9)

Die Sprache in deutschen Musikzeitschriften wird im folgenden Kapitel untersucht werden.

2.5. Zeitschriftenanalyse

2.5.1. Einführung, Vorbereitung, Auswahl

Am aktuellsten und repräsentativsten kommt die Sprache der Pop- und Rockmusik in Musikzeitschriften zum Ausdruck. Während ein Buch durch den zeitlichen Abstand zwischen Intention und Drucklegung immer nur bedingt aktuell sein kann, reagieren wöchentlich oder monatlich erscheinende Zeitschriften sofort auf neue Entwicklungen und die damit verbundenen Fachbegriffe. Deshalb entschloß ich mich, eine Auswahl englischer und deutscher Musikzeitschriften zu analysieren. Ich versprach mir davon, allgemeine Erkenntnisse über Qualität und Quantität der dort verwendeten Sprache zu gewinnen sowie das nötige Grundmaterial, das „Futter“, für meine Terminologie-Datenbank zu sammeln.

Ich entschied mich für jeweils zwei englische und zwei deutsche Musikzeitschriften. Im Einzelnen handelt es sich um „Intro“ und „Spex“ aus dem deutschsprachigen Raum und die beiden britischen Zeitschriften „New Musical Express“ und „Wire“. Diese Auswahl wurde von mir bewußt getroffen, ist aber natürlich angreifbar, da keine Zeitschrift den gesamten Wortschatz der Pop- und Rockmusik abdeckt. Es ging mir darum, repräsentative Zeitschriften auszuwählen. Grob kann bei den Publikationen, die am ehesten als Musikzeitschriften zu bezeichnen sind, zwischen allgemeinen und speziellen Blättern unterschieden werden. Zu den allgemeinen zähle ich solche, die:

1. sich speziell an Teenager richten (z.B. „Bravo“; „Smash Hits“), sich nur bedingt musikanalytisch orientieren, auch jede Menge Tratsch und Klatsch aus dem Umfeld der Stars und Sternchen berichten und sich darüber hinaus auch anderen Problemen Jugendlicher widmen.
2. über das Thema „populäre Musik“ hinaus auch primär sogenannte „Lifestyle“-Themen behandeln, als da wären Mode; Kultur; Trends u.a. (z.B. „MAX“, „Select“; „The Face“), und damit, streng genommen, keine reinen Musikzeitschriften sind.
3. Bei den „seriösen“ Musikzeitschriften kann man ebenfalls zwischen generellen und spezialisierten unterscheiden, nämlich solche, die
4. sich auf ein bestimmtes Genre spezialisieren (z.B. elektronische Musik: „De-Bug“ oder „Mix-Mag“; HeavyMetal: „Metal Hammer“ und „Kerrang“).
5. sich speziell an Musiker richten (z.B. „Giuitar Player“, „Das Musikinstrument“).
6. sich an Mitarbeiter der Musikindustrie richten (z.B. „Billboard“, „Der Musikmarkt“ oder „Die Musikwoche“). und
7. sich genreübergreifend mit populärer Musik befassen.

[...]


[1] Ein Großteil der verwendeten Fachlexik ist im Glossar der Diplomarbeit erläutert.

Ende der Leseprobe aus 178 Seiten

Details

Titel
Die Sprache der Pop- und Rockmusik: Eine terminologische Untersuchung im Englischen und Deutschen
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,3 (sehr gut)
Autor
Jahr
1999
Seiten
178
Katalognummer
V122073
ISBN (eBook)
9783640278275
ISBN (Buch)
9783640282333
Dateigröße
1841 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprache, Pop-, Rockmusik, Eine, Untersuchung, Englischen, Deutschen
Arbeit zitieren
Armin Siebert (Autor:in), 1999, Die Sprache der Pop- und Rockmusik: Eine terminologische Untersuchung im Englischen und Deutschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122073

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