Pädagogischer Schlüssel Jugendkultur. HipHop als Brücke zur Gesellschaft

Rapmusik als Hilfsmittel zur Sozialisation


Diploma Thesis, 2009

75 Pages, Grade: sehr gut


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Inhalt der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Einleitung
2.2 Begriffsdefinition
2.2.1 Einleitung
2.2.2 Aggressives Verhalten
2.2.3 Sozialisation im Jugendalter
2.2.4 Hip Hop Kultur
2.2.5 Zusammenfassung
2.3 Problemstellung
2.3.1 Einleitung
2.3.2 Situation der Schüler
2.3.3 Aggressives Verhalten der Schüler
2.3.4 Konzept der Janusz- Korczak- Schule
2.3.5 Zusammenfassung
2.4 Bestehende Erklärungsansätze von Aggression
2.4.1 Einleitung
2.4.2 Aggressionstheorien
2.4.3 Sozialisation im Jugendalter
2.4.4 Zusammenfassung
2.5 Zusammenfassung

3 „Rapscool“ Workshop
3.1 Einleitung
3.2 Das Konzept
3.2.1 Einleitung
3.2.2 Organisatorischer Rahmen
3.2.3 Ablauf und Inhalt
3.2.4 Zielsetzung
3.2.5 Zusammenfassung
3.3 Umsetzung
3.3.1 Einleitung
3.3.2 Pädagogische Grundhaltung des Leiters
3.3.3 Rap als Selbstreflektion
3.3.4 Methodische Interventionen
3.3.5 Erfolge und Komplikationen
3.3.6 Zusammenfassung
3.4 Zusammenfassung

4 Qualitative Evaluation am „Rapscool“ Workshop
4.1 Einleitung
4.2 Forschungsmethode
4.2.1 Einleitung
4.2.2 Forschungsdesign
4.2.3 Fragebogen
4.2.4 Thesenaufstellung
4.2.5 Validität und Reliabilität
4.2.6 Zusammenfassung
4.3 Forschungsergebnisse
4.3.1 Einleitung
4.3.2 Selbstwertgefühl
4.3.3 Konzentration und Motivation
4.3.4 Provokationstoleranz
4.3.5 Gruppenfähigkeit
4.3.6 Aggressives Verhalten
4.3.7 Zusammenfassung
4.4 Zusammenfassung

5 Anwendung der Ergebnisse
5.1 Einleitung
5.2 Evaluation
5.2.1 Einleitung
5.2.2 Was macht den Rapworkshop besonders?
5.2.3 Ist der Fragebogen als Messinstrument für Qualität einsetzbar?
5.2.4 Zusammenfassung
5.3 Perspektive
5.3.1 Eileitung
5.3.2 Innovative Projekte in der Schulsozialarbeit
5.3.3 Weitere HipHop Workshopkonzepte
5.3.4 Zusammenfassung
5.4 Resümee

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Anhang 1: Songtexte

Anhang 2: Presseartikel zum Projekt „Rapscool“

Anhang 3: Fragebogen

Vorwort

Es gibt sehr viele Wege erwachsen zu werden und mindestens genauso viele Gründe, es nicht werden zu können oder sich dagegen zu wehren.

Erwachsen: normenbewusst, eigenständig, mündig, gesellschaftsfähig, unabhängig, verantwortungsbewusst, vernünftig, ….

Das sind alles Bezeichnungen für Eigenschaften, die man im Zustand einer gelungenen Sozialisation erlangen kann.

Befindet man sich in der Lebensphase, in der es gerade darum geht, sich innerhalb einer Gesellschaft zu sozialisieren, scheinen diese Eigenschaften keine erstrebenswerten Tugenden zu sein, sondern sinnentleerte Adjektive, die aus dem Kopf eines Pädagogen stammen und sich Tag täglich ihren Weg aus seinem Mund in die eigene Richtung bahnen.

Es handelt sich um die Jugendjahre. Eine Phase der zwiespältigen Wahrnehmung der Gesellschaft. In dieser Phase habe auch ich oft Sätze wie, „Später im Berufsleben kannst du nicht einfach so zu spät kommen“ oder „Du musst lernen Verantwortung zu übernehmen“ gehört. Was sie bedeuten und warum sie damals nichts als Schall in meinem Gedächtnis hinterließen, wurde mir erst später bewusst.

Meine Sozialisation ist erfolgreich verlaufen, was ich einer Jugendkultur zu verdanken habe. Als aktive Musikerin habe ich bereits mit 15 Jahren begonnen mich mit HipHop zu beschäftigen und fand meine kleine aber sehr bedeutende Bestimmung darin.

Nach meiner Emigration aus Russland, mit 10 Jahren, in das mir fremde Land, fiel es mir sehr schwer meine Identität zu finden. Falscher Umgang, sowie Drogen, Diebstähle und Vandalismus, waren nicht gerade behilflich um einer Identitätskrise zu entkommen.

Mit dem Wegweiser einer Jugendkultur namens HipHop, deren Werte und Intentionen, habe ich eine neue Weltanschauung vermittelt bekommen, die mir half ein starker, individueller, ehrenvoller und ehrgeiziger Mensch zu werden. Nichts war mir je wichtiger in meiner pädagogischen Arbeit , als diese Grundsätze weiter zu geben. Ich bin überzeugt davon, dass man mit Hilfe von pädagogisch orientierten Workshop- Programmen im Rahmen der HipHop Kultur, sozial und gesellschaftlich desorientierten Jugendlichen, Werte vermitteln kann, die ihr

soziales Verhalten stärken und ihnen helfen mit ihrer Wut und Unzufriedenheit durch Eigenreflektion gewaltfrei umzugehen.

In dieser Arbeit geht es um die Frage der Effektivität dieser Workshop- Programme. Gleichermaßen bedeutend ist die Entwicklung eines Instruments zur Qualitätssicherung und Messung der pädagogischen Wirksamkeit innerhalb der Workshop- Durchführung.

Für die Unterstützung vor, während und nach Erstellung dieser Arbeit möchte ich mich bei allen Mitwirkenden bedanken. Besonderer Dank richtet sich an,

meine Praxisbegleiter Winfried Voget- Wiesen und Rob Mulder für die professionelle Vermittlung von pädagogischem Wissen und die Ermöglichung meiner Interessen- und Ideenverwirklichung innerhalb der Einrichtung, meinen Studiendiplombegleiter Lutz Siemer, das gesamte Kollegium der Janusz Korczak Schule für die herzliche Aufnahme in der Schule und die Unterstützung bei der Forschungsdurchführung, sowie Philip Bischoff für die photographische Mitwirkung am Layout.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Inhalt der Arbeit

Ausgangspunkt dieses Produkts ist die bestehende Problematik aggressiven Verhaltens, jugendlicher Schüler der Janusz- Korczak- Schule, einer Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung . Gegenstand dieser Arbeit ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einem pädagogischen Konzept, welches sich jugendkultureller Interessen bedient, um sich so einen Zugang zur Zielgruppe zu verschaffen. In Form eines 7- monatigen Rap- Workshops an der Janusz- Korczak- Schule , habe ich mit 5 Jugendlichen ein Musikprojekt durchgeführt, welches in dieser Arbeit evaluiert wird.

Die Zielsetzung dieser Arbeit gestaltet sich zweisträngig.

Der erste Schwerpunkt liegt in der Entwicklung eines Instruments für die Qualitätssicherung des Workshop- Programms.

Der zweite Schwerpunkt ist die Evaluation, die sich dieses Instruments bedient, um mit seiner Hilfe die Wirksamkeit der Maßnahme und somit die positive/negative Auswirkung der Workshop- Teilnahme auf aggressives Verhalten der Schüler an der Janusz- Korczak- Schule zu erforschen.

Die Ergebnisse sollen wiederum zur Entwicklung neuer pädagogischer Handlungskonzepte beitragen und im Fall einer erwiesenen Effektivität im Kontext der bestehenden Problematik an weiteren Schulen angewandt werden.

1.2 Aufbau der Arbeit

Die Arbeit ist in fünf grobe Teile gegliedert. An dieser Stelle befindet man sich im ersten Kapitel. Hier werden die Inhalte der Arbeit, sowie der Aufbau dieser präsentiert, um die Orientierung zu erleichtern.

Um eine wissenschaftliche Grundlage zu schaffen werden im zweiten Kapitel unter (2.2) die Begriffe „aggressives Verhalten“, „Sozialisation im Jugendalter“ und „Rap in der Hip Hop Kultur“ definiert und differenziert.

Im weiteren Verlauf des zweiten Abschnitts (2.3) werden die Problematik der Schüler, ihre komplexe Situation, sowie das Konzept der Schule im Hinblick auf die vorhandenen Entwicklungsschwierigkeiten der Schüler vorgestellt.

Daran schließen in (2.4) bereits bestehende Erklärungen für die Entstehung aggressiven Verhaltens, worin auch verdeutlicht wird welche Rolle die Sozialisation innerhalb dieser Prozesse einnimmt.

Im dritten Kapitel folgen theoretische wie auch methodische Ausführungen über den Verlauf des Rap- Workshops. Während in (3.2) das Konzept und seine Zielsetzung erläutert werden, widmet sich der Abschnitt (3.3) der methodischen Umsetzung und der Reflektion des Projekts aus der Beobachtersicht.

Im vierten Kapitel wird die Qualitative Evaluationsforschung am „Rapscool“-Projekt zusammengefasst. Dabei beschäftigt sich der Abschnitt (4.2) mit der Forschungsmethode, dem Forschungsdesign und seiner Durchführung. Die Forschungsergebnisse sind nach der Auswertung der Fragebögen in (4.3) nachzulesen. Hier findet auch eine Analyse statt, die deutlich macht, in wie weit sich das Projekt auf einzelne Faktoren der vorhandene Problematik ausgewirkt hat.

Im fünften Kapitel werden die festgestellten Ergebnisse auf die Gesamtsituation der ergänzenden Projektarbeit an Schulen angewandt.

In (5.2) wird die Eignung des Rap Workshops im Sinne pädagogischer Interventionen argumentiert. Zusätzlich findet hier die Klärung der Frage nach der Zweckmäßigkeit des Fragebogens als Instrument für die Qualitätssicherung des Workshops statt. Die Tragweite der Ergebnisse für die zukünftige Schulsozialarbeit, wird in (5.3) zum Fokus der Stellungnahmen. Hier werden die Ergebnisse in pädagogische Perspektiven gelenkt und weitere Projektkonzepte dargeboten. Eine große Rolle spielen in diesem Abschnitt die gesellschaftlichen Aspekte und deren Bezug zu den gewonnen Innovationen.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Einleitung

Nach ausführlicher Beschreibung der enthaltenen Themenschwerpunkte im ersten Abschnitt des vorliegenden Produkts, wird in diesem Kapitel der theoretische Unterbau konstruiert. Den ersten Grundbaustein stellt die Begriffsdefinition dar. Ziel ist es, die zentralen Begrifflichkeiten vor ihrer Verwendung, so prägnant zu definieren, dass sie im Kontextgebrauch ausschließlich in ihrer vordefinierten Eindeutigkeit verstanden werden.

Der zweite Grundbaustein legt sein Hauptaugenmerk auf die Problementstehung und Darstellung. Die schwierigen Situationen und daraus folgende Entwicklungsschwierigkeiten der Workshopteilnehmer werden in Form von Einzelportraits dargestellt, wobei bereits deutlich wird, dass viele Ursachen des bestehenden aggressiven Verhaltens ihren Ursprung in Lebensschicksalen der Schüler finden. Im Anschluss daran wird das Konzept der Janusz- Korczak- Schule und ihr pädagogischer Beitrag zur Reduktion aggressiven Verhaltens der Schüler erläutert.

Der dritte Grundbaustein fokussiert bereits bestehende wissenschaftliche Erklärungen für die starke Ausprägung aggressiven Verhaltens. Hier werden Erklärungsansätze aus verschiedenen Aggressionstheorien und deren Anwendbarkeit auf die gegenwärtige Problematik ins Blickfeld des Lesers gerückt.

2.2 Begriffsdefinition

2.2.1 Einleitung

Die vorliegende Studie möchte analysieren, in wie weit sich soziale und persönlichkeitsspezifische Kompetenzen der Workshopteilnehmer, deren Mangel aggressives Verhalten verstärken kann, während des Workshops stärken lassen. Um die Auswirkungen des Workshops im Bezug auf die Reduktion aggressiver Verhaltensweisen zu ermitteln, soll ein Instrument entwickelt werden.

„Aggressives Verhalten“ ist somit Dreh- und Angelpunkt der Forschung und eins der drei wesentlichen Begriffe der fachlichen Auseinandersetzung.

Auf der Suche nach Faktoren, die aggressives Verhalten bedingen, begibt sich die Recherche auch auf Wege der Sozialisation im Jugendalter. Auch dieser Begriff wird in seinem Verständnis präzisiert. Abschließend wenden sich die Ausführungen der Rapmusik, sowie der Hip Hop Kultur, in die sie eingebettet ist zu. Auch hier ist es wichtig einen Kontext zur Herkunft der kulturellen Jugendbewegung und zum Gebrauch der Begrifflichkeiten innerhalb der Arbeit herzustellen.

Dabei verschaffen bereits bestehende Definitionen einen Überblick über die Spannbreite der Wortbedeutungen. Die eigene Interpretation stellt den Bezug zur spezifischen Verwendung und Tragweite der Begriffe innerhalb der Thematik her.

2.2.2 Aggressives Verhalten

Wenn man über aggressives Verhalten spricht, bewertet man das Verhalten der Personen, die in einer Situation agieren. Man empfindet das Verhalten als unangemessen, als Verstoß gegen eine gesellschaftliche Norm, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich aufgefasst wird. Es gibt also keine einheitliche Definition des aggressiven Verhaltens.

…Der Aggressionsbegriff selbst leitet sich von dem lateinischen Verb „adgredi“ ab, was die Bedeutung „herangehen“ und „zuwenden“ hat. Der ursprüngliche Begriff bezeichnet somit ein prosoziales Verhalten, während der Begriff heute eine negative Konnotation beinhaltet….

In den folgenden Ausarbeitungen kommt der Gebrauch des Begriffs „aggressives Verhalten“ der Definition des Brockhaus Multimedial 2003, dem Verständnis nach Merz(1965) und der Auffassung nach Fürntratt (1974) sehr nah. Diese lauten:

- “Unter Aggression versteht man ein Angriffsverhalten (körperlich oder sprachlich) gegenüber Sachen oder Lebewesen“
- ,,Aggression umfasst jene Verhaltensweisen, mit denen die direkte oder indirekte Schädigung eines Individuums, meist eines Artgenossen, intendiert wird". (Merz, 1965)
- ,,Unter aggressiven Verhaltensweisen werden hier solche verstanden, die Individuen oder Sachen aktiv und zielgerichtet schädigen, sie schwächen oder in Angst versetzen". (Fürntratt, 1974)

Zusammengefasst heißt es für den hiesigen Gebrauch des Begriffs, dass als aggressives Verhalten, Verhaltensweisen der Jugendlichen bezeichnet werden, die eine direkte oder indirekte Schädigung des anderen Schülers nach sich ziehen oder ihn zielgerichtet schwächen, bzw. in Angst versetzen. Dies kann sowohl in verbaler, wie auch in körperlicher Form geschehen.

Aggressives Verhalten wird als eine Störung in der Entwicklung sozialer Kompetenzen verstanden und dementsprechend nicht nur als Leid des Opfers, sondern insbesondere als Last des aggressiven Täters gesehen.

Laut Schmidt wird aggressives Handeln als Mittel benutzt, um das negative Selbstwertgefühl wieder aufzubessern und die eigene geschädigte Identität zu „flicken“. „Aggressive Kinder erlebten sich in der Schule regelmäßig als leistungsschwach oder gar versagend“ (Schmidt, 1997, S. 32).

Da sich diese Ausarbeitung mit dem aggressiven Verhalten in der Schule beschäftigt, wird aggressives Verhalten an schulspezifischen Indikatoren gemessen. Folglich kann aggressives Verhalten zwar nur in aggressiven Handlungen und Äußerungen beobachtet werden. Die Zu- oder Abnahme des Verhaltens kann jedoch auch durch seine Auswirkungen auf die Konzentration, Motivation, Gruppenfähigkeit und Rückschlüsse auf das Selbstwertgefühl des aggressiven Schülers eingeschätzt werden.

2.2.3 Sozialisation im Jugendalter

Sozialisation (aus dem Lateinischen, sociare = verbinden) bezeichnet den Prozess, in dem ein Individuum sich mit gesellschaftlichen Normen auseinander setzt. Der Brockhaus Multimedial 2007 beschreibt die Sozialisation als einen …Prozess des Hineinwachsens des Menschen in die ihn umgebende Kultur und Gesellschaft sowie die (weitgehende) Übernahme der geltenden Normen und Regeln; auch dessen Ergebnis. …Das Jugendalter fasst die Entwicklungsstufen der Pubertät und Adoleszenz in der Zeit zwischen Kindheit und Erwachsenenalter zusammen.

Nach Hurrelmann erhält das Individuum während der Jugendjahre (ungefähr zwischen 12 und 20 Jahren) zum ersten Mal die Möglichkeit, eine eigene Ich-Identität zu entwickeln.

Die Schüler der Studie befinden sich gerade im besagten Jugendalter und sind der mehrfachen Belastung, der an sie gestellten Entwicklungsanforderungen ausgesetzt. Ihr Entwicklungsstadium birgt eine hohe Diskrepanz zwischen der Erfüllung gesellschaftlicher Erwartungen und der Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit. Somit äußert sich die Herausforderung der Sozialisation in der Schwierigkeit, die eigene Persönlichkeitsentwicklung mit der Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Wertemuster zu kombinieren. Die Ausbildung eines gesunden Selbstwertgefühls spielt hierbei eine große Rolle.

Um Kollisionen und Entgleisungen zu vermeiden sind nach Hurrelmann sowohl die Erziehungsberichtigten, wie auch Bildungsstätten gefragt.

…“Die Sozialisationstheorie ist intensiv mit dem Problem beschäftigt, welche sozialen Bedingungen gegeben sein müssen, damit Menschen ihre Persönlichkeit frei entfalten und ihre Identität sichern können. Dazu gehören auch Bildung und Erziehung eines Menschen, um ihn in seiner persönlichen,

biografischen Entwicklung zu stärken“ (Hurrelmann, 2006, S. 7)…. Unter anderen stellt sich diese Ausarbeitung die Frage, in wieweit Auswirkungen unzureichender Bedingungen für eine gelungene Sozialisation, für die Entstehung aggressiven Verhaltens verantwortlich gemacht werden können.

2.2.4 Hip Hop Kultur

Die Erklärungsversuche der Öffentlichkeit für das Phänomen der Hip Hop Kultur schwanken zwischen der Wertung, Rap- Musik erzeuge einen negativen Einfluss auf die Jugend und der Begeisterung aus Perspektive der Befürworter einer Jugendbewegung, die nicht zuletzt politische Ziele und pädagogische Inhalte transportiert.

Nelson George vermerkt dazu: „Um HipHop völlig verstehen zu können, braucht man vermutlich einen Abschluß in Soziologie, mehrere Knastaufenthalte und ein Gefühl für afrikanische Rhythmen“ (George 2002, S. 10)….

…“Hip Hop entwickelte sich in den siebziger Jahren in den verfallenden Innenstadtgebieten New Yorks. Dort entstanden die Grundtechniken des

Rappens, und DJs begannen, den Plattenspieler als Musikinstrument einzusetzen. Mit Filzstiften malten junge Künstler die ersten Graffitis an die

Wände und der Breakdance feierte seine erste Blüte. Stets zwischen kommerziell erfolgreicher Unterhaltung und politischer Aufklärung changierend,

hat sich in den letzten 35 Jahren aus der New Yorker Subkultur eine weltumspannende Kultur gebildet“ (Franke, 2006, S. 9)….

…“Die Subkultur HipHop, die sich aus den Grundelementen Musik (Rap), Tanz

(Breakdance) und Bildender Kunst (Graffiti) zusammensetzt, entstand vor ca. 30 Jahren in der Bronx, New York. Aus der Grundidee, einen sozialen positiven

Gegenpol zu Ganggewalt, Kriminalität und Drogensucht zu gestalten, entwickelte sich eine eigene Kulturform, in der sich ganz nach dem Fair Play Gedanken, in Wettkämpfen (Battles) die Besten ihres Fachs (DJs, Rapper, Tänzer, Writer) gegenüberstehen, um schließlich den Gewinner in einvernehmlichem Respekt zu akzeptieren“ ….

Die Hip Hop Kultur versteht sich als Jugendkultur, die sich auf vier Säulen errichtet. Rapmusik, DJ- ing, Graffiti und Breakdance, sind 4 Elemente die das Grundgerüst der Kultur bilden und als Ausdrucksformen dieser dienen. Jeder Aktivist der Kultur prägt seinen Lebensstil durch Hip Hop und bedient sich mindestens einer seiner Elemente um einen Beitrag zur Kultur zu leisten und sich künstlerisch vor der Hip Hop Gemeinschaft zu behaupten.

Somit gibt’s es nicht nur Aktivisten sondern auch Konsumenten, die sich mit der Kultur mindestens genauso stark identifizieren und sie vertreten. Hierbei geht es nicht um kommerzielle Erfolge und finanzielle Gewinne, sondern um den Transport der Message, die sich in Grundsätzen der Kultur definiert.

Grundsätze der Kultur sind z.B. die Gewaltfreiheit, Akzeptanz und Solidarität, politische Unabhängigkeit, Kampf gegen Diskriminierung, Meinungsfreiheit,

Entwicklung des Selbstwertes, um nur einige zu nennen.

Somit ist die Hip Hop Kultur als gemeinschaftliche, friedliche, kritische und inspirierende soziale Bewegung zu verstehen.

In der folgenden Ausarbeitung wird die Hip Hop Facette Rapmusik von großer Bedeutung sein. In der Rapmusik geht es darum die eigene Weltanschauung und Lebenseinstellung als Künstler in Form von selbstgedichteten Texten nach außen zu tragen. Die Songinhalte der verschiedenen deutschen Rap- Künstler reichen von politischen Statements bis hin zur Reflektion eigener Biografien und daraus gewonnenen Lebenserfahrungen.

„Tatwaffe“ einer der MCs der Rapcrew „Die Firma“ erwiderte die Frage nach der Philosophie seines Rapper- Daseins folgendermaßen:

„Meine private Philosophie hinter der Firma ist, dass man als MC so viel wie möglich über seine Wünsche, seine Ängste, seine Träume und über die Sachen, die einem tatsächlich passieren, rappt und versucht das ganze Leben, alles was man ist darzustellen, damit die Fans die Möglichkeit haben, über das Hören der Texte zu wissen, wer dahinter steht, wie er als Mensch ist im Herzen.“

Grundlegend offeriert sich Rapmusik auch innerhalb der Studie als Hilfsmittel zur Selbstreflektion. Im weiteren Verlauf der Ausführungen wird zusätzlich deutlich, wie das Instrument „Rap“ im Rahmen des „Rapscool“ Workshops Kompetenzen fördert, die zur Minderung aggressiven Verhaltens entscheidend sind.

2.2.5 Zusammenfassung

Die Begrifflichkeiten, aggressives Verhalten, Sozialisation im Jugendalter und Hip Hop Kultur stehen in einer Beziehung zu einander. Ihre Funktion innerhalb dieser Arbeit, lässt sich in einem Satz zusammenfassen.

„In dieser Studie soll das aggressive Verhalten der Schüler einer Schule für soziale und emotionale Entwicklung unter Berücksichtigung ihrer besonderen biographischen und entwicklungstechnischen Situation mit Hilfe der Rapmusik positiv beeinflusst werden.“

Zwar wird durch diesen Satz der Zusammenhang der Begrifflichkeiten deutlich, zusätzlich wirft dieses wissenschaftliche Vorhaben aber auch viele ungeklärte Fragen auf.

Wie sich das aggressive Verhalten der Schüler äußert, wodurch es entstanden sein könnte und welche Faktoren es bedingen, wird in den folgenden Unterpunkten, „Problemstellung“ und „bestehende Erklärungsansätze von Aggression“ beantwortet.

2.3 Problemstellung

2.3.1 Einleitung

Ziel der Problemstellung ist es, die komplexe soziale und familiäre Situation der Schüler darzustellen, um diese als Grundlage für mögliche Erklärungen des aggressiven Verhaltens nutzen zu können. Kleine Einblicke in die Lebensumstände jedes einzelnen Schülers sollen ein Gesamtbild des vorhandenen Problems ergeben.

Die Teilnehmer des Rap- Projekts sind vier Schüler und eine Schülerin im Alter von 13 bis 16 Jahren. Wie die meisten Schüler der Janusz- Korczak- Schule, sind auch diese Jugendlichen durch besondere soziale Umstände gekennzeichnet. In wie weit diese Umstände für ihr aggressives Verhalten verantwortlich sind, wird im nächsten Unterpunkt der Arbeit „Bestehende Erklärungsansätze von Aggression“ diskutiert. In diesem Abschnitt gilt es die komplexen Situationen der Schüler darzustellen, um sie greifbar zu machen. Zusätzlich wird die Form ihres aggressiven Verhaltens in ihrer Äußerung konkretisiert und das Konzept der Schule prägnant erläutert.

2.3.2 Situation der Schüler

Kai, Sophie, Alex, Kemal und Adrian haben am halbjährigem Rap- Workshop „Rapscool“ teilgenommen. In einem Art Steckbrief werden die Lebensumstände jedes Einzelnen kurz erläutert. Anschließend werden die Auswirkungen dieser Lebensschicksale auf ihre Funktion als Urquellen aggressiven Verhaltens hin untersucht.

Das Mädchen Sophie ist 16 Jahre alt und lebt seit Sommer 2007 in einer Wohngruppe. Ihre Mutter ist tablettenabhängig, ihr Vater schwerer Alkoholiker.

Bei Kai (15 J.) wurde ADHS diagnostiziert. Seine leiblichen Eltern sind völlig überfordert mit seiner Erziehung und üben laut Aussagen des Schülers Gewalt untereinander und ihm gegenüber aus.

Der 13- jährige Kemal ist aus seiner albanischen Familie in eine Wohngruppe gezogen. Er hat 4 weitere Geschwister, die alle wesentlich älter sind als er. Seine Eltern sind streng religiös und sichtlich überfordert mit Kemals Entwicklung. Kemal hält sich an keinerlei Verbote oder Abmachungen. Erwachsene und somit seine Eltern stellen für Kemal keine Autoritätspersonen dar.

Alex ist 15 Jahre alt und wohnt mit seiner alleinerziehenden Mutter, dem Stiefvater, sowie zwei Halbgeschwistern auf engen Raum zusammen. Wie die Familien der anderen Schüler, gehört auch Alex Familie der sozialschwachen Gesellschaftsschicht an. Der finanzielle Notstand verführt Alex immer wieder zu kriminellen Taten. Sein 2- wöchiger Aufenthalt in der Jugendschutzstelle, lässt sich auf brüchige Familienverhältnisse zurückführen.

Adrian (14 J.) wurde auf Grund seines kriminellen Verhaltens und der Überforderung der alleinerziehenden, sozialminderbemittelten Mutter vom Jugendamt in einer Gastfamilie untergebracht.

Laut Aussagen der Lehrer, stammen alle Schüler aus bildungsfernen, sozial schwachen Familienverhältnissen. Oft sind solche Familien sozial isoliert, haben wirtschaftliche Notlagen, Alkoholprobleme, sind arbeitslos, leben in beengten Wohnverhältnissen oder es treten gewalttätige Auseinandersetzungen in der Ehe bzw. durch Ehescheidung auf.

Die hinreichende Erziehung und emotionale Versorgung eines Kindes stellt für die Eltern dieser Kinder eine kaum zu bewältigende Herausforderung dar. Die Kinder werden Opfer emotionaler Vernachlässigung, welche gravierende Störungen der physischen, emotionalen und kognitiven Entwicklung zur Folge haben kann.

…“Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass Kinder aus sozial schwachen Familien, d.h. mit niedrigem sozioökonomischen Status, häufiger Sprach- und Sprechstörungen, körperliche und intellektuelle Entwicklungsrückstände sowie psychische Auffälligkeiten zeigen“ (Schnabel, 2001)….

Die Folgen dieser, oft gesellschaftlich und auch ökonomisch bedingten, Zustände, denen die Schüler ausgesetzt sind, äußern sich meist in schwerwiegenden Defiziten auf motorischer, psychischer, sozialer und emotionaler Ebene.

- Mangelnde Fähigkeit zur Selbststeuerung
- Teilleistungsstörungen in den Bereichen Motorik, Konzentration, Wahrnehmung
- Verfestigte bzw. schwerwiegende Erziehungsdefizite
- Schwere emotionale Störungen
- Erfahrungen mit Drogen und Kriminalität
- Erhebliche Perspektivlosigkeit
- Aggressives Verhalten
- Selbstzweifel
- Resignation auf dem Bildungsweg
- asoziales Verhalten untereinander
- hohe Gewaltbereitschaft

zählen zu den häufigsten Formen der Entwicklungsschwierigkeiten der Schüler der Janusz- Korczak- Schule.

Jeder Schüler hat ein individuelles Profil, in dem das eine Defizit stärker zum Vorschein kommt und das andere kaum oder weniger vertreten ist.

Die 5 Teilnehmer/Innen des Workshops, hatten jedoch eine Gemeinsamkeit. Alle fünf Teilnehmer/Innen haben ein unterschiedlich stark ausgeprägtes aggressives Verhalten im Umgang miteinander. Die Form dieses Verhaltens variierte von verbalen Aggressionen bis hin zu schweren Wutanfällen.

2.3.3 Aggressives Verhalten der Schüler

Das aggressive Verhalten der 5 Schüler/Innen äußert sich in verschiedenen Formen. Verbale Aggressionen finden oft in Provokationen untereinander statt und entstehen aus harmlosen Dialogen. So kann aus der Beschimpfung „Blödmann“ schnell im wechselnden Wortgefecht eine Androhung körperlicher Gewalt, wie „Ich schlage dir gleich in der Pause die Fresse ein“ werden. Jeder der Schüler lässt sich sehr schnell provozieren und sieht sich im Recht, mit der Begründung sich in einer selbstverteidigenden Position zu befinden.

…“Eine Untersuchung von Dodge & Frame (1982) zeigt, dass aggressive Kinder über eine verzerrte Informationsverarbeitung verfügen und Handlungen anderer viel schneller als feindselig und provozierend wahrnehmen als nicht aggressive Kinder, was zur Folge hat, dass sie beispielsweise einen unabsichtlichen Schubser bereits als Angriff interpretieren und entsprechend

aggressiv darauf reagieren“ (Weber, 2001)….

Das aggressive Verhalten wirkt sich auf das soziale Verhalten der Jugendlichen aus. Die Teilnehmer des Workshops sind auf Grund ihres aggressiven Verhaltens nur bedingt gruppenfähig, die ständige gegenseitige Provokation lässt kein Gruppengefühl zu. Gruppendynamische Prozesse scheinen auf dieser Grundlage unrealisierbar. Die Ablenkung, die durch aggressive, verbale Attacken zustande kommt, hindert die Teilnehmer sich zu konzentrieren.

Auf Grund der Frustration, die die Schüler in ihrem Alltag erleben, entstehen Selbstzweifel und ein Gefühl von Ohnmacht der eigenen Situation gegenüber. Schulische Resignation ist somit oft die Folge ihrer schwindenden Motivation der eigenen Leistung gegenüber. Utopische Berufswünsche, wie Polizist, Pilot oder Bankangestellter zeigen den fehlenden Realitätsbezug und deuten auf vorhandene Perspektivlosigkeit hin. Die Lehrer beschreiben das aggressive Verhalten der Schüler als aggressives Verhalten verbaler und körperlicher Natur, welches sich in verbalen Angriffen, impulsiven Ausrasten, Schubsen, Treten, Schlagen, Gewalt androhenden Äußerungen und massiven Gewaltausbrüchen, äußert.

2.3.4 Konzept der Janusz- Korczak- Schule

„Das Kind wird nicht erst zum Menschen, es ist schon einer“ (J. Korczak).

Mit diesem Grundsatz arbeitet die Lehrerschaft der Janusz- Korczak- Schule in Uffeln (NRW). Das Kollegium besteht aus einem erfahrenen Team von Lehrern der Sonderpädagogik, sowie spezialisierten Dipl. Sozialpädagogen.

Die Förderschule des Kreises Steinfurt setzt den Schwerpunkt auf emotionale und soziale Entwicklung ihrer Schüler, in dem es das Kind als Mensch mit seinen eigenen Bedürfnissen ernst nimmt. Unverständliche Verhaltensweisen der Kinder und Jugendlichen der Sekundarstufe I (Klassen 5- 10) werden durch einfühlsame Annährung verstanden, wodurch ein Zugang zu den Schülern gewonnen wird.

…“Der alltäglichen pädagogischen Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass die Verhaltensauffälligkeiten der Kinder nichts Anderes als verzweifelte Hilferufe an die Erwachsenen sind, mit denen die Kinder ihren elementaren Bedürfnisse einklagen und auf ihre Vernachlässigung aufmerksam machen. Daher sind aus Kindersicht die in der Familie, Schule und anderswo auftretenden Störungen ein notwendiges und sehr sinnvolles Verhalten“ (Schulprogramm der JKS, S. 24)….

Das auf die verhaltensauffälligen Schüler abgestimmte und pädagogisch sehr wertvolle Konzept der Schule, bietet einen Betreuungsschlüssel von ca. 3 zu 10, wobei ca. 10 Schüler (eine Klasse) von 3 Lehrer unterrichtet/betreut werden. Einzelbetreuung der Schüler durch die Förderplanung in Entwicklungsgesprächen, sowie die Elternarbeit und die Kooperation mit der Jugendhilfe sind nur einige Qualitätsmerkmale der Janusz- Korczak- Schule.

Da Schulkonzept setzt auf abwechslungsreiches Schulprogramm und hohe Interessenverwirklichung zur Motivationsstärkung.

Dies geschieht in Form von intensiver Projektarbeit im Bereich der bildenden Kunst, Musik und Theater. Durch pädagogisch- kulturelle Arbeit im Rahmen von Projekttagen oder längerfristigen Workshops wird das Talent jedes einzelnen gefördert und die Motivation am Unterricht gestärkt. Grundsätzlich bietet die Janusz- Korczak- Schule den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 an. Ziel ist es jedoch die Schüler individuell so zu fördern, dass eine Rückführung auf eine Regelschule ermöglicht wird und der Abschluss dort erworben werden kann.

2.3.5 Zusammenfassung

Es ist wichtig festzuhalten, dass alle am Rap Workshop teilgenommenen SchülerInnen aus schwierigen, familiären Verhältnissen stammen. Die Herkunft ihres aggressiven Verhaltens hat tiefe Wurzeln und liegt möglicherweise in der Sozialisation jedes Einzelnen begraben.

Aber auch politische, gesellschaftliche und kulturelle Faktoren spielen in den Problemursachen eine Rolle. Das aggressive Verhalten ist ein Hilferuf und darf nicht als persönlicher Angriff missverstanden werden. In der Arbeit mit den Schülern ist es wichtig, den einzelnen Schüler als Individuum zu verstehen und ihn so zu akzeptieren wie er ist.

Die Schule ist sich der Problematik des aggressiven Verhaltens bewusst und bietet ein professionelles Konzept, welches auch Anti- Aggressionstraining und Projektarbeit auf dem Gebiet beinhaltet. Klare Regeln und Grenzen, die die Janusz- Korczak- Schule fest in ihren Schulalltag integriert hat, geben den Schülern Sicherheit.

Anstatt den Schwerpunkt auf Leistung zu legen, sind Lehrer der Janusz- Korczak- Schule bemüht die Schüler zu begleiten und sie zu unterstützen. Im Vordergrund steht die individuelle Betreuung und gesonderte Stärkenförderung jeden Schülers. Eine Grundhaltung, die in allen Schulkonzepten zur Basis gemacht werden sollte. „Denn je mehr Schule das Individuum Schüler/in in die Mitte stellt und Kreativität als schöpferische Möglichkeit zulässt, um so eher wächst die Chance, das Starre und Destruktive der Institution Schule zu durchbrechen“ (Hurrelmann, Rixius & Schirp, 1996, S. 135).

Nur so kann an der Janusz- Korczak- Schule vermieden werden, dass die bereits sehr schwere Last auf den geschwächten Schultern der Schüler nicht untragbar wird. Da die heutigen Leistungsanforderungen, bereits die Schüler einer Regelschule überfordern , bleibt das Ziel, die hohen Ansprüche unserer Bildungsgesellschaft zu erfüllen, für die Schüler der Janusz- Koczak- Schule leider ein unerreichbares.

2.4 Bestehende Erklärungsansätze von Aggression

2.4.1 Einleitung

In diesem Abschnitt sollen Erklärungen für das vorhandene Problem gesucht werden. Theoretische Grundlagen sind dabei behilflich die Situation der Schüler auf bestehende Aggressionstheorien und Sozialisationserkenntnisse zu untersuchen. Da aus den vorangegangenen Kapiteln erschließbar ist, dass aggressives Verhalten gestörtem Sozialverhalten entspringt und sich wiederum negativ auf dieses auswirkt, werden Erklärungen sowohl in verschiedenen Aggressionstheorien, wie auch in der Sozialisation gesucht.

Zahlreiche Sozialforscher, Kinder/Jugendpsychologen und bedeutende Wissenschaftler der Pädagogik beschäftigen sich seit etlichen Jahren mit der Herkunft und Entstehung des aggressiven Verhaltens bei Jugendlichen. Die verschiedenen Erklärungsansätze werden hier auf die vorhandene Problemsituation angewandt. Einzelne Biographie- Ausschnitte der Schüler werden im Kontext der Erklärungsansätze behandelt. In Folge dessen soll deutlich werden, wie die Summe einzelner Faktoren in ihrer Funktion als Verursacher aggressiven Verhaltens, auf die Workshopteilnehmer einwirkt.

2.4.2 Aggressionstheorien

In der Wissenschaft unterscheidet man drei Haupttheorien.

- Aggressions-Trieb-Theorie (Freud)
- Frustrations-Aggressions-Theorie (Dollard)
- Lerntheorie (Bandura)

Die Gemeinsamkeit aller drei Ansätze liegt in der Annahme, dass aggressives Verhalten durch aggressive Impulse ausgelöst wird: Impulse als Folge eines Triebes, Impulse als Folge einer Frustration, Impulse als Folge eines individuellen Lernprozesses.

Da wir, Aufgrund negativer Erfahrungen und zerrütteter Familienverhältnisse, eine gesteigerte Aggression bei betroffenen Jugendlichen beobachten können, verliert die Aggressions-Trieb-Theorie nach Freud ihre wissenschaftliche Relevanz. Der angeborene Aggressionstrieb des Menschen, als Ursache aggressiven Verhaltens, gilt auch in der modernen Wissenschaft als wiederlegt.

Die Grundidee der Aggressions- Frustrationstheorie ist sehr einfach: Frustration führt zu Aggression und umgekehrt Aggression zu Frustration.

…“Frustration wird definiert als eine Triebblockierung, die Verhinderung einer zielgerichteten Aktivität. Als Frustrationen gelten z.B. auch eigenes Versagen, aversive Reize (Gefahr, Belästigung, Bedrohung), physische und psychische Entbehrungen. Das Frustrationserlebnis führe mit oder ohne Zorn, Wut und Ärger zu einem Angriff auf die Frustrationsquelle mit dem Ziel, sie zu beseitigen“….

Bezogen auf das Individuum bedeutet die Annahme, dass ein unangenehmes Erlebnis den Menschen aggressiv macht und ihn zum aggressiven Verhalten nötigt. Jedoch folgt nicht nach jeder Frustration eine Aggression. Entscheidend hierbei sind die Frustrationstoleranz und der Fundus an alternativen Konfliktlösungsstrategien des Individuums.

Albert Bandura ist der Begründer des Lerntheoretischen Ansatzes der Aggressionsentstehung.

…“Die lerntheoretischen Aggressionsmodelle gehen davon aus, dass aggressives Verhalten wie jedes soziale Verhalten durch Lernen erworben wird: 1) durch die Beobachtung aggressiven Verhaltens (Modelllernen); 2) durch wahrgenommenen Erfolg aggressiven Verhaltens (Verstärkungslernen) oder durch dessen Nichtbestrafung (Indemnität)“….

Ausgehend von dieser Annahme sind vor allen gesellschaftliche Faktoren für die Ausprägung aggressiven Verhaltens bei Jugendlichen von hoher Relevanz.

Somit stellt die Umgebung in der sie leben und vor allem die Vorbildfunktion ihrer Eltern, eine enorm wichtige Rolle für das Erlenen alternativer Konfliktlösungsstrategien dar.

Um die Entstehung aggressiven Verhaltens zu erklären ist es wichtig nicht nur einen der Ansätze, sondern alle Theorien anteilig mit einzubeziehen. Beide Haupttheorien haben ihre Schwachstellen und werden in der heutigen Pädagogik kritisiert, jedoch bleiben die Grundannahmen der Theorien als Basis für die Erforschung des aggressiven Verhaltens beständig.

Im Bezug auf die Problemsituationen der Workshopteilnehmer lassen sich sowohl die Aggressions- Frustrationstheorie, wie auch die Lerntheorie anwenden. Die Auswirkungen von Heim- Wohngruppenunterbringung, Gewalterlebnissen und emotionaler Vernachlässigung, werden auf dem Hintergrund der Aggressionstheorien zu eindeutigen Brutstellen aggressiven Verhaltens.

Heim,- Wohngruppenunterbringung

Drei der fünf Schüler leben nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern.

Eine Gemeinschaft, wie die herkömmliche Familie es eine ist, ist ihnen fremd. Gruppengefühl, Teamgeist und Vertrauen sind getrübt durch Enttäuschung und das Gefühl des ewigen Verlassen worden seins. Ein Vertrauen in die Gesellschaft ist schwer herstellbar.

Somit verliert auch die Schule, als gesellschaftliche Institution, an Wert und Bedeutung.

„Verhaltensprobleme von Kindern behindern ihren Schulerfolg, was wiederum zu einer negativen und feindseligen Haltung gegenüber der Schule und schulbezogenen Aufgaben führt. Gleichzeitig können Schulprobleme aggressives Verhalten verstärken. Obwohl die Richtung dieser Zusammenhänge unklar ist, scheinen sich Störungen des Sozialverhaltens und aggressives Verhalten im schulischen Kontext zu verstärken“ (Essau/Conradt 2004, S. 98)….

Die Erläuterungen von Essau und Conradt gehen konform mit der Frustrations- Aggressions- Theorie und stellen einen schwer zu durchbrechenden „Teufelskreis“ dar. Verhaltensprobleme, die durch schwierige Familienverhältnisse, ziellose Erziehung und negativen Kindheitserfahrungen zu Stande kommen können, bedingen den schulischen Misserfolg. Der schulische Misserfolg stellt die Frustration dar, die die Verhaltensprobleme und somit das aggressive Verhalten wiederum verstärkt.

Für die Jugendlichen ist es sehr schwierig neues Vertrauen zu Erziehern oder Lehrern aufzubauen, zu tief sitzt die Enttäuschung, die sie von ihren Eltern erfahren haben.

Das Mädchen Sophie (16 Jahre) hat z.B. große Schwierigkeiten die Autorität Erwachsener zu akzeptieren. Sie braucht sehr lange, um sich an einen neuen Lehrer zu gewöhnen, vertraut nur wenigen Lehrern und äußert sich abwertend über den Rest des Kollegiums. Um sich vor erneuter Verletzung zu schützen, ist sie fremden Menschen gegenüber generell abweisend und aggressiv eingestellt.

Gewalterlebnisse und emotionale Vernachlässigung

Alle fünf Jugendlichen sind/waren Opfer körperliche und/oder emotionale Vernachlässigung . Der Entzug der Erfüllung primärer Bedürfnisse, unter dem die Kinder von klein auf leiden, kann schwere psychische Folgen in der Entwicklung der Kinder hinterlassen und somit auch in Erklärungen für aggressives Verhalten im Rahmen des lerntheoretischen Ansatzes von großer Bedeutung sein. Cantwell erklärt es folgendermaßen:

„Empathie, normalerweise eine Facette der emotionalen Entwicklung des Kindes, wird in der emotional kargen Landschaft der vernachlässigenden Familie nicht vermittelt. Kinder entwickeln Empathie, indem sie dem Beispiel ihrer Eltern folgen. Sie werden Mitgefühl und Verständnis ausbilden, wenn ihre eigenen Bedürfnisse nach Mitgefühl und Verständnis befriedigt worden sind. Ohne Empathie können Kinder keinerlei dauerhafte Bindungen eingehen, und als Eltern tragen sie ein hohes Risiko, die eigenen Kinder zu vernachlässigen oder zu misshandeln“ (Cantwell, 2002, S. 542).

Wenn die Jugendlichen also nie gelernt haben sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen, können sie auch kein Verständnis für das eigene unangebrachte, aggressive Verhalten und seine Folgen aufbringen. Sie kennen keine alternativen Umgangsformen ihre Unzufriedenheit zu äußern.

Die Vorbildfunktion der Eltern bekommt somit einen negativen Charakter und stellt ein Modell für falschen Umgang mit Konflikten und schwierigen Situationen für die Kinder dar.

Ähnlich wie Kai, wurden einige der Schüler Zeugen häuslicher Gewalt und ihrer Auswirkungen. Gebrochene familiäre Verhältnisse, kein Halt, kein Vertrauen und das Gefühl der Machtlosigkeit sind emotionale Einstellungen, die für die Jugendlichen, ihren Eltern gegenüber, als „normal“ gelten.

Aus diesem Grund hat das Erleben von Gewaltsituationen im Kindes,- und Jugendalter aus lerntheoretischer Sicht entscheidende Auswirkungen auf die Wahrnehmung und den Umgang mit Konfliktsituationen.

…Es ist davon auszugehen, dass Kinder aus Familien, in denen sie mit Gewalt konfrontiert bzw. selbst Gewaltopfer waren, eine stärkere Neigung zu aggressivem Verhalten besitzen, eine geringer Kompetenz, eigene Affekte zu kontrollieren und Konflikte zu deeskalieren sowie eine stärkere Tendenz, ihre soziale Umwelt als ihnen feindselig gesonnen wahrzunehmen (vgl. Lösel, Bliesener & Averbeck 1997)….

2.4.3 Sozialisation im Jugendalter

Im Bezug auf das aggressive Verhalten der Jugendlichen aus dem Workshop, spielt die Entwicklungsphase, in der sie sich befinden eine große Rolle. Auf dem Weg erwachsen zu werden, müssen sie sich Erwartungen der Gesellschaft stellen und wichtige Entwicklungsaufgaben der eigenen Psyche, sowie die des Körpers bewältigen.

Sozialisationsprozesse im Jugendalter ziehen tiefgreifende Veränderungen nach sich, die den Körper und das Denken betreffen, sowie soziale Beziehungen und emotionales Erleben entscheidend prägen. Zahlreiche Entwicklungsaufgaben, wie

- Loslösung vom Elternhaus
- Weiterentwicklung des sozialen Bindungsverhaltens
- Entwicklung eines persönlichen Werte- und Moralsystems
- Orientierung auf die Arbeitswelt hin
- Identitätsfindung
- Verarbeitung körperlicher Veränderungen und Hineinwachsen in eine

Geschlechtsrolle

- Erweiterung intellektueller, sozialer und emotionaler Kompetenzen
- Umgang mit Gesellschaft/Kultur, evtl. mit verschiedenen Kulturen.

erschweren den Jugendlichen ihre ohnehin schwierige Situation und stellen für die Minderung aggressiven Verhaltens eine zusätzliche Hürde dar.

Als Schutzreaktion vor Unsicherheit, äußert sich aggressives Verhalten sowohl gegen Erwachsene, wie auch Gleichaltrige. Probleme und Hindernisse ihrer sozialen Entwicklung, treten auf Grund fehlender Vorbilder verstärkt auf.

„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel“ (Johann Wolfgang von Goethe)

Die Eltern der Workshopteilnehmer haben den erzieherischen Auftrag, ihre Kinder auf gesellschaftliches Leben vorzubereiten nicht erfüllt. In der Pubertät sich die Jugendlichen somit verstärkt unsicher, da ihnen Vorbilder für die Entwicklung sozialer Kompetenzen fehlen, und das eigene Normen- und Wertesystem noch nicht entwickelt ist.

Der immer stärker werdende Drang nach Beziehungen zu Gleichaltrigen, führt zur Entstehung „sozialen Trainigs“ innerhalb der Peer- Groups. Da diese Gruppierungen oft aus Jugendlichen mit ähnlichem „Backround“ bestehen, bleiben auch hier positive Vorbilder sozialen Verhaltens aus.

…“Jugendliche, die (vermeintlich) widerständig auf eine sie belastende familiäre Situation reagieren, zeigen in ihrem Zusammenschluß mit Gleichaltrigen ein Verhalten, das letztlich den Normen ihrer Eltern entspricht und diese reproduziert „ (Pfeiffer, Wetzels, Enzmann 1999, S. 39)….

[...]

Excerpt out of 75 pages

Details

Title
Pädagogischer Schlüssel Jugendkultur. HipHop als Brücke zur Gesellschaft
Subtitle
Rapmusik als Hilfsmittel zur Sozialisation
College
University of Twente
Grade
sehr gut
Author
Year
2009
Pages
75
Catalog Number
V122286
ISBN (eBook)
9783640292035
ISBN (Book)
9783640305780
File size
1129 KB
Language
German
Keywords
Jugendkultur, HipHop, Gesellschaft, Rapmusik, Workshop, Kriminalisierung, Sozialisation, Identität, Programm, Moral, Lebensführung, Lebenswelt, Zeitgeist, Therapie, innovativ, Forschung, Entwicklung, Zeitgeist Pädagogik
Quote paper
Alwina Koop (Author), 2009, Pädagogischer Schlüssel Jugendkultur. HipHop als Brücke zur Gesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122286

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