Psychologische Tests sind wesentliche Bestandteile des Berufsalltags vieler PsychologInnen. Zunehmend gewinnt jedoch die „sequentielle Diagnostik“ an Bedeutung. Zur Entwicklung tutorieller Systeme ist es notwendig zu wissen, über welche Fertigkeiten eine Person verfügt und welche sie benötigt, um sich weiter entwickeln zu können. Adaptive Tests ermöglichen einen maximalen diagnostischen Informationsgewinn bei minimaler Beanspruchung einer Testperson. Lange war adaptives Testen mit der Forderung nach Raschhomogenität der Items verbunden. Die Wissensraumtheorie ist ein neuer, auf der Mengelehre basierender testtheoretischer Ansatz, in deren Rahmen sowohl die Bestimmung der individuellen Fertigkeiten als auch adaptives Testen möglich ist. Im Zentrum stehen Relationen zwischen Items, welche es ermöglichen, von der Lösung einer Teilmenge von Items auf die Lösung einer weiteren Teilmenge von Items zu schließen. Das primäre Problem der Wissensraumtheorie stellt der deterministische Ansatz dar, da es für die praktische Anwendung unrealistische Anforderungen stellt. Daher war es unerlässlich probabilistische Varianten der Wissensraumtheorie zu entwickeln. Diese führen zu einer Charakterisierung von Personengruppen anhand latenter Antwortmuster. Diese Art der Charakterisierung findet sich auch in der von Lazarsfeld und Henry (1968) dargestellten Latent Class Analyse. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden die beiden Zugänge einander gegenüber gestellt. Daraus ergeben sich neue Lösungsansätze für zentrale Probleme der Wissensraumtheorie, wie z.B.
• die Entwicklung von Kennwerten die abschätzen ob ein Modell die empirische Wirklichkeit hinreichend beschreibt,
• die Prüfung, ob ein für einen Datensatz formuliertes Modell als gültig angenommen werden kann oder
• die Ermittlung den Items zu Grunde liegender Relationen.
Weiters werden Beziehungen der Wissensraumtheorie zur modernen Testtheorie hergestellt und diese formal untermauert. Um die praktische Relevanz zu gewährleisten, werden neben simulierten auch real erhobene Datensätze analysiert.
Die Ergebnisse eröffnen neue Methoden zur Konstruktion von Wissensstrukturen aus Daten. Diese Methoden werden den bisher im Rahmen der Wissensraumtheorie verwendeten Methoden gegenübergestellt.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Wissensraumtheorie
- 2.1 Einführung
- 2.2 Begriffserklärungen
- 2.2.1 Wissenszustand (Knowledge State)
- 2.2.2 Wissensstruktur (Knowledge Structure)
- 2.2.3 Wissensraum (Knowledge Space)
- 2.2.4 Vermutungsrelation (Surmise-Relation)
- 2.2.5 Basis eines Wissensraums
- 2.2.6 Äquivalente Items
- 2.2.7 Vermutungssysteme (Surmise Systems)
- 2.3 Erweiterungen der Wissensraumtheorie
- 2.3.1 Probabilistische Wissensstrukturen
- 2.3.2 Fertigkeiten (Skills)
- 2.4 Ziele und Probleme der Wissensraumtheorie
- 2.4.1 Ziele
- 2.4.2 Probleme
- 2.5 Konstruktion von Wissensstrukturen
- 2.5.1 Expertenbefragungen
- 2.5.2 Annahme von den Aufgaben zu Grunde liegenden Fertigkeiten
- 2.5.2.1 Das disjunktive Modell
- 2.5.2.2 Das konjunktive Modell
- 2.5.2.3 Das Kompetenz-Modell
- 2.5.2.4 Die Komponentenanalyse
- 2.5.3 Generierung der Wissensstruktur mittels Datenanalyse
- 2.5.3.1 Item Tree Analysis (ITA)
- 2.5.3.2 Kritische Antwortmusterhäufigkeiten (Knowledge State Frequency Analysis)
- 2.6 Statistische Maße für die Anpassungsgüte von Wissensräumen auf Daten
- 2.6.1 Symmetrische Distanzen
- 2.6.2 Distance Agreement Coefficient (DA)
- 2.6.3 Correlational Agreement Coefficient (CA)
- 2.6.4 Violational Coefficient (VC)
- 2.6.5 APP
- 3 Wissensraumtheorie und Latent Class Analyse
- 3.1 Die Latent Class Analyse für dichotome Daten
- 3.2 Gegenüberstellung
- 3.3 Allgemeine Probleme bei der Konstruktion von Wissensstrukturen aus Daten
- 3.4 Die Anwendbarkeit der LCA im Rahmen der ITA
- 3.4.1 Modelauswahl und -evaluierung
- 3.4.2 Die Item Tree Latent Class Analyse (ITLCA)
- 3.4.3 Vergleich der Verfahren zur Konstruktion von Wissensstrukturen aus Daten
- 3.4.4 Ergebnisse
- 3.4.5 Vergleich der ITLCA und der KSFA
- 3.5 Konstruktion von Wissensstrukturen aus Daten mittels restringierter LCA
- 3.6 Einfluss der Stichprobengröße auf die Resultate der Latent Class Analyse
- 3.7 Diskussion der Ergebnisse
- 4 Wissensraumtheorie und Rasch Modell
- 4.1 Das ISOP-Modell von Scheiblechner
- 4.1.1 Modelltests
- 4.1.2 Index der Isotonie
- 4.2 Vermutungsrelation, Items Schwierigkeiten und stochastische Dominanz
- 4.2.1 Stochastische Dominanz
- 4.2.1.1 Stochastische Dominanz und Rasch Modell
- 4.2.1.2 Stochastische Dominanz und ISOP Modell
- 4.2.1.3 Stochastische Dominanz und Wissensraumtheorie
- 4.2.2 Herleitungen und Beweise
- 4.2.2.1 Nomenklatur und allgemeine Annahmen
- 4.2.2.2 Dominanz zweier Items, die von einem dritten Item gleich dominiert werden
- 4.2.2.3 Dominanz zweier Items, die von einem dritten Item unterschiedlich stark dominiert werden
- 4.2.3 Gegenüberstellung der drei Modelle unter Verwendung der stochastischen Dominanzen
- 4.3 Die Bedeutung der Verteilung der Wissenszustände für die Annahme der Eindimensionalität der Items
- 4.4 Re-Analyse publizierter Datensätze
- 4.4.1 Darstellung der reanalysierten Datensätze
- 4.4.2 Ergebnisse der ISOP Modellkontrollen
- 4.5 Eignung der mittels Rasch Modell geschätzten Items Schwierigkeiten zur Erstellung von Wissensstrukturen
- 4.5.1 Wahrscheinlichkeitsaufgaben (Held, 1993)
- 4.5.1.1 Ergebnis der Rasch Analyse
- 4.5.1.1.1 Rasch Analyse des ursprünglichen Datensatzes (WK1) (Held, 1993)
- 4.5.1.1.2 Raschanalyse des neuen Datensatzes (WK2)
- 4.5.1.2 Ergebnisse der ISOP Analyse
- 4.5.1.3 Gegenüberstellung der aus Datensatz WK1 resultierenden Strukturen
- 4.5.1.4 Gegenüberstellung der aus Datensatz WK2 resultierenden Strukturen
- 4.5.2 Zahlenreihen ergänzen
- 4.5.2.1 Ergebnis der Modellkontrollen zum ISOP Modell
- 4.5.2.2 Ergebnis der Rasch Analyse
- 4.5.2.3 Ergebnis der ITA, der ITA* und der KSFA
- 4.5.2.4 Gegenüberstellung der resultierenden Strukturen
- 4.5.3 Re-Analyse des Datensatzes von Bahrick and Hall
- 4.5.3.1 Ergebnis der unrestringierten LCA
- 4.5.3.2 Ergebnis der restringierten LCA und ITLCA
- 4.5.3.3 Ergebnis der Raschanalyse
- 4.5.3.4 Ergebnis der Modellkontrollen zum ISOP Modell
- 4.5.3.5 Ergebnis der ITA, der ITA* und der KSFA
- 4.5.3.6 Gegenüberstellung der resultierenden Strukturen
- 4.6 Simulationen zur Stabilität des DA und APP Koeffizienten
- 4.7 Diskussion der Ergebnisse der Re-Analysen
- 5 Gegenüberstellung von Skill - Ansatz und LLTM
- 5.1 Das Linear Logistische Test Modell
- 5.2 Beschreibung des WMT
- 5.3 Beschreibung der Stichprobe
- 5.4 Erstellung von Wissensstrukturen
- 5.4.1 Modell 1
- 5.4.2 Modell 2
- 5.4.3 Modell 3
- 5.4.4 Modell 4
- 5.5 Ergebnisse für 24 Items
- 5.5.1 Wissensstrukturen und Ergebnisse für alle Items des WMT
- 5.5.2 Modell 5
- 5.6 Ergebnisse für die 15 LLTM konformen Items des WMT
- 5.7 Diskussion der Ergebnisse
- 6 Diskussion
- 7 Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Dissertation untersucht die Anwendbarkeit probabilistischer Modelle im Rahmen der Wissensraumtheorie. Ziel ist es, die Konstruktion und Evaluation von Wissensstrukturen mithilfe verschiedener statistischer Methoden zu analysieren und zu vergleichen.
- Konstruktion von Wissensstrukturen mittels verschiedener Methoden (Expertenbefragungen, Datenanalyse)
- Vergleich verschiedener statistischer Maße zur Bewertung der Güte von Wissensräumen
- Anwendung und Vergleich der Latent Class Analyse (LCA) im Kontext der Item Tree Analysis (ITA)
- Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Wissensraumtheorie und dem Rasch Modell
- Gegenüberstellung des Skill-Ansatzes mit dem Linear Logistischen Test Modell (LLTM)
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 führt in die Wissensraumtheorie ein, definiert zentrale Begriffe und beschreibt verschiedene Methoden zur Konstruktion von Wissensstrukturen. Kapitel 3 vergleicht die Wissensraumtheorie mit der Latent Class Analyse und untersucht deren Anwendbarkeit für die Konstruktion von Wissensstrukturen. Kapitel 4 untersucht den Zusammenhang zwischen Wissensraumtheorie und dem Rasch Modell, analysiert verschiedene Modelle und deren Eignung zur Wissensstrukturkonstruktion. Kapitel 5 vergleicht den Skill-Ansatz mit dem LLTM anhand empirischer Daten.
Schlüsselwörter
Wissensraumtheorie, probabilistische Modelle, Wissensstrukturen, Latent Class Analyse, Item Tree Analysis, Rasch Modell, Skill-Ansatz, Linear Logistisches Test Modell, Datenanalyse, Modellvergleich.
- Citation du texte
- Dr Michael Weber (Auteur), 2004, Die Anwendbarkeit probabilistischer Modelle im Rahmen der Wissensraumtheorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122377