Biokolonialismus, Biopiraterie und intellektuelle Eigentumsrechte


Seminararbeit, 2004

16 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Kapitalisierung der Wirtschaft

Reduktionismus in der Biologie

Die Bedeutung intellektueller Eigentumsrechte für die Wissenschaft

Patentrechte auf Lebewesen

Biokolonialismus und Bioimperialismus

Literaturverzeichnis

Einleitung

Was vor fünfhundert Jahren mit der Ankunft der Europäer in Amerika seinen Anfang genommen hat, wird heutzutage durch Bioimperialismus und Biopiraterie in Entwicklungsländern fortgeführt. Durch juristische Mittel wie Patentrechte und Copyrights treiben Industrienationen viele südliche Länder in tiefe Abhängigkeit, indem sie traditionelles geistiges Eigentum der indigenen Bevölkerung rauben und damit enorme Profite erzielen. Gegenüber mächtigen multinationalen Wissenschaftskonzernen haben verhältnismäßig kleine Forschungseinrichtungen in weniger entwickelten Staaten wenig Chance, ihre Innovationen zu vermarkten, finanzielle Nachteile, die die wissenschaftliche Arbeit erheblich einschränken. Weite Teile der bäuerlichen und indigenen Bevölkerung dieser Länder sind von globalen biotechnologischen Konzernen vollkommen abhängig, da sich diese durch gentechnische Veränderungen den jährlichen Verkauf von Saatgut und Düngemitteln an BäuerInnen der Dritten Welt sichern.

Das enorme Ungleichgewicht der Machtverhältnisse im wissenschaftlichen und ökonomischen Bereich zwischen Erster und Dritter Welt, stellt die Auswirkungen der Ausbeutung südlicher Länder während des Kolonialismus dar und wird in Form eines Biokolonialismus weitergeführt.

Die Kapitalisierung der Wissenschaft

In den letzten Jahrzehnten haben sich in der Wissenschaft neue Zweige der Technologie, wie die Mikroelektronik und die Biotechnologie, aus Industrieunternehmen entwickelt, die meistens auf universitärer Forschung beruhten und von der Regierung in Bezug auf militärische und medizinische Innovationen unterstützt wurden. Wissenschaftliche Motivationen wurden hinsichtlich einer Verschiebung von traditionellen Werten wie der Uneigennützigkeit und der wissenschaftlichen Forschung um ihrer selbst Willen, hin zu ökonomischen Werten, neu definiert.

Die Trennung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, die einst durch die Aufteilung von Honorierung wissenschaftlicher Tätigkeit in Form von Ruhm und Ansehen einerseits und finanzieller Vergütung von wirtschaftlichen Bemühungen andererseits.

Zu beachten ist allerdings, dass die wachsende Bedeutung der wissenschaftlichen Forschung für die wirtschaftliche Entwicklung auch eine Zunahme der Bedeutung der Wissenschaft für die Ökonomie bewirkt. (vgl. Etzkowitz/ Webster, in: Jasanoff 1994, S. 480 f)

Reduktionismus in der Biologie

Traditionelles naturbezogenes Wissen von indigenen Gemeinschaften entsteht aus dem täglichen Zusammenwirken von Mensch und Natur, und ist ein Teil des ganzheitlichen Weltbildes dieser Völker. Das Wissen über die Umwelt ist innerhalb der Gesellschaft in einem Netzwerk verteilt und kann nicht im Besitz einer Person sein. Es handelt sich um ein ganzheitliches Wissen, was im Gegensatz zur reduktionistischen westlichen Wissenschaft steht, die Gesamtzusammenhänge außer Acht lässt und sich stattdessen auf verwertbare Einzelteile in der Natur konzentriert. (vgl. Milborn, in: Brand/ Kalcsics 2002, S. 135)

Das Paradigma des Reduktionismus ist seit jeher vorherrschend in der Biologie, erkennbar in der Weise, wie sie zum Beispiel die Vielfalt der Arten auf jene des Menschen als einzig Wertvolle reduzierte. Alle anderen wurden nach Ihrem Nutzen für den Menschen bewertet. Dieser Reduktionismus erster Ordnung spiegelt sich im Umgang mit der Natur und ihrer Artenvielfalt wieder. Lebensformen, die dem Menschen wenig dienlich sind, werden verdrängt oder ausgerottet, was bei einer Anwendung dieser Art der Weltanschauung auf die Land- und Forstwirtschaft eine Verminderung der Artenvielfalt sowie landwirtschaftliche Bebauung in Form von Monokulturen zur Folge hat.

Zudem ist die Biologie durch einen kulturellen Reduktionismus charakterisiert, der vielen Wissenssystemen den Wert abspricht, zum Beispiel nicht-westlicher Medizin oder Landwirtschaftssystemen.

Heute ist die Biologie zusätzlich von einem Reduktionismus zweiter Ordnung bestimmt, dem genetischen Reduktionismus, der alle Organismen auf deren Gene reduziert. Eine Konsequenz dieser Denkweise ist die Patentierung von Organismen, die der PatentinhaberIn das ausschließliche Recht zu deren Nutzung einräumt. (vgl. Shiva 1997, S. 38)

Die Bedeutung intellektueller Eigentumsrechte für die Wissenschaft

Wissenschaft und Eigentum, früher voneinander unabhängige Konzepte, die jeweils mit vollkommen unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen verbunden waren, wurden durch den Diskurs über intellektuelle Eigentumsrechte in Beziehung miteinander gebracht. (vgl. Etzkowitz/ Webster, in: Jasanoff 1994, S. 480 f)

Die Transformierung von Wissen in ökonomische Vorteile stellt eine fundamentale gesellschaftliche Erneuerung dar, die traditionelle Modelle von Sozialismus und Kapitalismus ablöst. Der erste Schritt dieser Kapitalisierung des Wissens ist die rechtliche Sicherung von Wissen als privates Eigentum. (vgl. Etzkowitz/ Webster, in: Jasanoff 1994, S. 481)

Dieses intellektuelle Eigentum wird durch Kämpfe um die Patentrechte innerhalb der Forschungsteams und die damit verbundene Geheimhaltung von Wissen gesichert, Praktiken, die im Gegensatz zu den von Robert K. Merton genannten zentralen Normen der Institution Wissenschaft, nämlich Uneigennützigkeit (keinerlei persönliche Motive) und Kommunismus (allgemeines Eigentum an wissenschaftlichen Gütern) stehen. Indem WissenschaftlerInnen diese beiden Grundwerte, sowie die Normen Universalismus (Unabhängigkeit des

Wissens von persönlichen Kriterien) und organisierter Skeptizismus (unvoreingenommene Prüfung des Wissens anhand von empirischen und logischen Kriterien) befolgen, wird laut Merton die Produktion objektiven Wissens gesichert und den ForscherInnen Anerkennung für ihre wissenschaftliche Arbeit garantiert.

Kritiker dieser Theorie geben zu bedenken, dass das Verhalten der WissenschaftlerInnen weitaus differenzierter zu betrachten ist, als es der Mertonsche Ethos vorgibt, und diesem häufig entgegengesetzt handeln.

In jedem Fall hat die Kapitalisierung der Wissenschaft dazu geführt, diese relativ kleine Institution, die von vielen sozialen Faktoren beeinflusst wurde, zu einer mächtigen Einrichtung zu machen, die auf andere soziale Bereiche Einfluss nimmt.

Vor einigen Jahrzehnten noch, als Wissenschaftler die nukleare Magnetresonanztechnologie erfunden hatten, gaben sie sich noch mit der Anerkennung für diese Neuerung zufrieden, während die General Electric Corporation die finanziellen Erträge daraus einnahmen. Heute wäre dieses Verhalten undenkbar und wird als Negativbeispiel in Bezug auf intellektuelles Eigentum angeführt. (vgl. Etzkowitz/ Webster, in: Jasanoff 1994, S. 488 f)

Patentrechte auf Lebewesen

Nach langen Diskussionen darüber, ob frau/mann Leben patentieren kann, wurde 1991 das WTO-Abkommen TRIPS beschlossen, welches die Patentierung von Lebewesen, Genen und Zellen erlaubt. (vgl. Brühl/ Debiel/ Hamm/ Hummel/ Martens 2001, S. 308)

Da Wissen immer nur temporär sein und rasch durch neues Wissen ersetzt werden kann, wird der ökonomische Wert von wissenschaftlichen Innovationen so schnell wie möglich durch Patente gesichert, was die Investition und den Austausch mit anderen Gütern, Leistungen oder Geld dieses intellektuellen Eigentums ermöglicht. (vgl. Etzkowitz/ Webster, in: Jasanoff 1994, S. 482 f)

Von diesen rechtlichen Änderungen profitieren in erster Linie multinationale Konzerne, da sie Organismen patentieren und dadurch das Monopol auf deren „Verwertung“ besitzen, wobei sie von den Regierungen der meisten Industrieländer unterstützt werden. Viele Entwicklungsländer und NGOs kämpfen gegen diese Regelung an, da sie darauf bestehen, dass Lebendiges nicht jemandes intellektuelles Eigentum sein kann. (vgl. Brühl/ Debiel/ Hamm/ Hummel/ Martens 2001, S. 302)

Vor allem die Pharma- und die kosmetische Industrie sowie die Pflanzenzucht verwenden genetische Ressourcen für biotechnologische Verfahren. Die Entdeckung von Wirkstoffen wird für die Konzerne erheblich erleichtert, indem sie auf traditionelles Wissen der einheimischen Bevölkerungen zurückgreifen. Multinationale Konzerne eignen sich deren Wissen über wirksame Pflanzen in der Medizin an, und übernehmen die geistigen Eigentumsrechte an biologischen Substanzen und Kenntnissen über die Nutzung von natürlichen Ressourcen, meist in Form von Patenten. Diese Vorgehensweise wird als „Biopiraterie“ bezeichnet. Die Aneignung dieser Eigentumsrechte muss als unrechtmäßig bezeichnet werden, da die wichtigste Voraussetzung für die Anmeldung eines Patentes die Erfindung im Gegensatz zur bloßen Entdeckung ist, und die Firmen bei einer solchen Vorgehensweise keine innovative Tätigkeit zeigen. ( vgl. Gettkant, in: Entwicklung und ländlicher Raum, 1 (2003), S. 12 f)

Ein Beispiel für eine derartige widerrechtliche Aneignung ist die Patentierung von „Basmati“-Reis durch den US- Konzern RiceTec von Fürst Hans-Adam dem II. von und zu Liechtenstein. Dieser patentierte Reis ist identisch mit der in Indien und Pakistan seit jahrhunderten angepflanzten Reissorte. Das Basmati-Patent hat den indischen Export von Basmati-Reis, der einen jährlichen Erlös von 277 Mio. US-$ bringt, massiv gefährdet. (vgl. Brühl/ Debiel/ Hamm/ Hummel/ Martens 2001, S. 300)

Nachdem die indische Regierung und zahlreiche NGOs dieses Patent bekämpft hatten, hat das US- Patentamt USPTO 2001 dreizehn der insgesamt sechzehn Patentansprüche der Firma ReisTec als ungültig erklärt. Die behauptete Erfindung des Konzerns wurde nun offiziell als geistiger Diebstahl erkannt, allerdings gibt es viele ähnliche Patente, die mit der Nutzung von genetischen Ressourcen in Zusammenhang stehen und bereits rechtkräftig sind. (vgl. Meienberg, http://www.evb.ch/index.cfm?page_id=504&yy=2001, 15.09.2004)

Für Vertreter indigener Gruppen bezieht sich der Begriff Biopiraterie nicht allein auf die Aneignung unrechtmäßiger Eigentumsrechte, sondern auch auf das gezielte Sammeln und Suchen nach pflanzlichen oder tierischen Ressourcen, wenn dies ohne die ausdrückliche Zustimmung der lokalen Bevölkerung geschieht. Diese unterschiedlich genützten Ebenen der Begriffsdefinition bereiten bei der Bekämpfung der Biopiraterie Schwierigkeiten. Internationale Abkommen wie die Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD), die 1992 beim Erdgipfel in Rio de Janeiro geschlossen wurde, stellen einen Versuch dar, die Rechte der indigenen EinwohnerInnen in Bezug auf genetische Ressourcen und Kenntnisse darüber zu schützen. ( vgl. Gettkant, in: Entwicklung und ländlicher Raum, 1 (2003), S. 12 f)

Die CBD „fordert beispielsweise in Artikel 8j die Vertragsparteien dazu auf, durch ihr nationales Recht solche Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche lokaler Gemeinschaften mit traditionellen Lebensformen zu schützen und die aus der Nutzung dieses Wissens erwachsenden Vorteile gerecht zu verteilen.“ (Gettkant, in: Entwicklung und ländlicher Raum, 1 (2003), S. 12 )

Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Biodiversitätskonvention gibt es zum Beispiel bei der Verwendung von Pflanzen, die seit Jahrhunderten in botanischen Gärten in der ganzen Welt gehalten werden, und deren Herkunftsort unbekannt ist. Um die erschwerten gesetzlichen Rahmenbedingungen zu umgehen, greifen viele biotechnologischen Betriebe auf genetische Ressourcen dieser botanischen Gärten zurück. Der US-amerikanische biotechnologische Konzern Phytera zum Beispiel hat 1996 Abmachungen mit sieben europäischen botanischen Gärten getroffen, die es ihm ermöglichen, Samen von tropischen Pflanzen dieser Sammlungen zu beziehen, und den Gärten im Gegenzug dazu 2,5 Prozent der Gewinne der daraus entwickelten Produkte abzugeben. (vgl. Merson, in: Osiris 15 (2000), S. 293)

Dabei wird übersehen, dass lokale Gemeinschaften durch ihr Wissen über die Natur und den Umgang damit zur Erhaltung der Biodiversität beitragen und beigetragen haben, wodurch ihnen gemäß der CBD in jedem Fall ein Vorteilsausgleich zustehen würde.

Der Umstand, dass indigene Gemeinschaften mit traditionellen Lebensformen in den meisten Ländern nicht als Rechtspersönlichkeiten gelten, erleichtert es Pharma- und Saatgutkonzernen ebenfalls, die Verpflichtung der Biodiversitätskonvention nicht eingehen zu müssen.

Zudem bedeutet das gerichtliche Anfechten der Praktiken der transnationalen Konzerne für lokale Gemeinschaften einen erheblichen finanziellen Aufwand, bei gleichzeitiger Ungewissheit, wie der Prozess ausgehen wird, den zu leisten nur die wenigsten imstande sind.

Was die einen als Biopiraterie ansehen, bezeichnen andere als Bioprospektion, also lediglich die gezielte Suche nach aktiven Wirkstoffen in Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, die für ein weiteres Anliegen der Biodiversitätskonvention, der nachhaltigen Nutzung genetischer Ressourcen, erforderlich ist. ( vgl. Gettkant, in: Entwicklung und ländlicher Raum, 1 (2003), S. 12 f)

Dabei sollte allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Vorteile dieser Bioprospektion direkt den multinationalen Chemie- und Pharmaunternehmen zukommen. (vgl. Merson, in: Osiris 15 (2000), S. 296)

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Biokolonialismus, Biopiraterie und intellektuelle Eigentumsrechte
Hochschule
Universität Wien  (Wissenschaftsforschung)
Veranstaltung
Seminar Westliche Wissenschaft und Postkolonialismus
Note
1,00
Autor
Jahr
2004
Seiten
16
Katalognummer
V122390
ISBN (eBook)
9783640275960
ISBN (Buch)
9783640282388
Dateigröße
416 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Biopiraterie, Biokolonialismus, Kolonialismus, Patente, Patentrechte, Eigentumsrechte, Indigene
Arbeit zitieren
Britta Vogl (Autor:in), 2004, Biokolonialismus, Biopiraterie und intellektuelle Eigentumsrechte , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122390

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