Schamanismus kennzeichnet einen weiten Begriffskomplex, der sich hauptsächlich auf religiöse und medizinische Praktiken bezieht. Darunter fallen auch all diejenigen Rituale, welche zur Krankenheilung und zur allgemeinen Problemlösung innerhalb eines Volkes angewandt werden. In diesen Ritualen werden durch die Kraft der Geister und die Kräfte der Natur, der Pflanzen, der Tiere und der Elemente Lösungsstrategien für diese Probleme entwickelt. Der Schamane dient hierbei als Vermittler zwischen der spirituellen und der menschlichen Welt, da es ihm in den Ritualen gelingt, mit den Geistern Kontakt aufzunehmen.
„ Der Schamane wirkt für seine Gemeinschaft als Heiler, Hüter und Vermittler der Kosmologie, Mythologie, Geschichte. Er ist Weiser, Ratgeber, Seelsorger, Geschichtenerzähler, Sänger, Künstler, Dichter, Schauspieler. Er unterhält den Kontakt zu den Geistern, bringt die Heilkraft aus der nichtalltäglichen Wirklichkeit zu Mensch, Tier, Pflanze und an „kranke“ Orte. Er sichert der Gemeinschaft die Hilfe und Unterstützung der Geister beim Zusammenleben, bei Zeugung und Fortpflanzung, bei Ernte und Jagd, beim Schutz vor Wetter und Feinden. ... “ Somit erfüllt der Schamane eine Vielzahl von sozialen und religiösen Rollen. Bei einigen Gruppen fungiert der Schamane auch zugleich als Priester. Dies ist zum Beispiel bei den südamerikanischen Kogi der Fall, an deren Beispiel ich die Priesterinitiation darstellen werde. Diese Initiation ist durch ein langes Training durch den alten Schamanen geprägt. Kennzeichnend dafür sind etliche Entbehrungen der jungen Novizen sowie das Sammeln vieler individueller Erfahrungen. Die Novizen werden vom Schamanen in die „Geheimnisse der universellen Kraft“ eingeführt und erhalten „Zugang zu der Nichtalltäglichen Wirklichkeit“. Das Amt des Schamanen ist teilweise vererbbar, speziell bei den Kogi werden die Novizen jedoch vom Schamanen anhand verschiedener Verhaltensauffälligkeiten ausgewählt. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Priesterinitiation am Beispiel der südamerikanischen Kogi Priester
2.1 Allgemeine Informationen zum Leben der Kogi Indianer
2.1.1 Lebensraum und Lebensweise der Kogi
2.1.2 Ökonomische und materielle Grundlagen der Kogi
2.1.3 Die Religion der Kogi
2.2 Die Initiation in das Amt des Kogi Priesters
2.2.1 Ausbildungsorte
2.2.2 Die Erziehung der Novizen
2.2.3 Ziele der priesterlichen Erziehung
3. Schlussbemerkungen
Literaturliste
1. Einleitung
Schamanismus kennzeichnet einen weiten Begriffskomplex, der sich hauptsächlich auf religiöse und medizinische Praktiken bezieht. Darunter fallen auch all diejenigen Rituale, welche zur Krankenheilung und zur allgemeinen Problemlösung innerhalb eines Volkes angewandt werden. In diesen Ritualen werden durch die Kraft der Geister und die Kräfte der Natur, der Pflanzen , der Tiere und der Elemente Lösungsstrategien für diese Probleme entwickelt[1]. Der Schamane dient hierbei als Vermittler zwischen der spirituellen und der menschlichen Welt, da es ihm in den Ritualen gelingt, mit den Geistern Kontakt aufzunehmen.
„ Der Schamane wirkt für seine Gemeinschaft als Heiler, Hüter und Vermittler der Kosmologie, Mythologie, Geschichte. Er ist Weiser, Ratgeber, Seelsorger, Geschichtenerzähler, Sänger, Künstler, Dichter, Schauspieler. Er unterhält den Kontakt zu den Geistern, bringt die Heilkraft aus der nichtalltäglichen Wirklichkeit zu Mensch, Tier, Pflanze und an „kranke“ Orte. Er sichert der Gemeinschaft die Hilfe und Unterstützung der Geister beim Zusammenleben, bei Zeugung und Fortpflanzung, bei Ernte und Jagd, beim Schutz vor Wetter und Feinden. ...[2] “
Somit erfüllt der Schamane eine Vielzahl von sozialen und religiösen Rollen. Bei einigen Gruppen fungiert der Schamane auch zugleich als Priester. Dies ist zum Beispiel bei den südamerikanischen Kogi der Fall, an deren Beispiel ich die Priesterinitiation darstellen werde. Diese Initiation ist durch ein langes Training durch den alten Schamanen geprägt. Kennzeichnend dafür sind etliche Entbehrungen der jungen Novizen sowie das Sammeln vieler individueller Erfahrungen. Die Novizen werden vom Schamanen in die „Geheimnisse der universellen Kraft“[3] eingeführt und erhalten „Zugang zu der Nichtalltäglichen Wirklichkeit“[4]. Das Amt des Schamanen ist teilweise vererbbar, speziell bei den Kogi werden die Novizen jedoch vom Schamanen anhand verschiedener Verhaltensauffälligkeiten ausgewählt. Die jungen Kogi Priester werden im Laufe ihrer gesamten Ausbildung im allen Bereichen der Kosmologie, Kosmogonie, Mythologie, Naturgeschichte, Linguistik, Enthaltsamkeit, Rituale, im Heilen, der Zeicheninterpretation, der Traumdeutung und der Sensitivität gegenüber Halluzinationen geschult[5].
Diese Arbeit wird sich ausführlich mit diesem Teilaspekt des Schamanismus, der Priesterinitiation bei den Kogi beschäftigen, wobei ich mich hierbei auf die Aussagen von Gerardo Reichel-Dolmatoff[6] stütze.
2. Die Priesterinitiation am Beispiel der südamerikanischen Kogi-Priester
2.1 Allgemeine Informationen zum Leben der Kogi Indianer
2.1.1 Lebensraum und Lebensweise der Kogi
Die Kogi Indianer, die heute noch etwa 11 000 Stammesmitglieder zählen, leben in der Sierra Nevada de Santa Marta in Kolumbien, welches einem Mythos der Kogi zufolge „das Gebirge [ist], wo die Welt begann“[7]. Sie bevölkern hauptsächlich die Nordhänge der Sierra, vereinzelte Gruppen sind auch im Westen und im Südosten anzutreffen. Durch ihren stark isolierten Lebensraum in 1500 bis 2000 Metern Höhe konnten die Kogi ihre traditionelle Lebensform weitgehend ungeachtet westlicher Einflüssen aufrecht erhalten. Sie gelten als geistige und physische Nachkommen der Tairona Kultur, jener Hochkultur, welche aber schon im 16. Jahrhundert von den spanischen Kolonialherren zerstört wurde.
Heute leben die Kogi in mehreren Dörfern mit zehn bis mehreren Dutzend Häusern, welche sich alle um das Zeremonialhaus, zu welchem nur die Kogi Männer Zutritt haben, gruppieren. Die Dörfer sind nicht durchgehend bewohnt, sondern dienen hauptsächlich als Versammlungszentren zum Austausch von Neuigkeiten, der Erörterung öffentlicher Angelegenheiten und als Treffpunkte, um mit den Mestizen zu handeln. Wenn sich die Kogi im Dorf aufhalten, verbringen die Männer ihre Zeit im Zeremonialhaus, um sich miteinander zu unterhalten, zu singen oder den Gesprächen der Ältesten zuzuhören.
Die Kogi stehen unter der Führung einer strengen Priesterschaft, den Mámas, deren Aufgabengebiete alle sozialen und individuellen Lebensbereiche der Gesellschaftsmitglieder erfassen. Die Mámas haben somit eine zentrale Stellung in der Gesellschaft der Kogi inne, welche später noch ausführlich verdeutlicht wird.
2.1.2 Ökonomische und materielle Grundlagen der Kogi
Die Kogi Indianer besitzen jeweils mehrere Gärten auf unterschiedlichen Höhen, in denen sie hauptsächlich Maniok, Mais, Bananen, Kürbisse, Bohnen und Obst anbauen. Weiterhin besitzen sie größtenteils Hühner, Schweine und vereinzelt auch Rinder, welche aber nur als Tauschgüter zum Handel mit den Mestizen fungieren.
Die materielle Kultur der Kogi ist relativ einfach: ihr materieller Besitz beschränkt sich meist auf einige Hozbänke, Hängematten, Kochtöpfe, Körbe und Taschen. In der Regel besitzen die Kogi keinen Schmuck.
2.1.3 Die Religion der Kogi
Im Vergleich zu ihrer doch relativ einfachen materiellen Kultur führen die Kogi ein sehr spirituelles Leben, in dem lebendige alte Traditionen der Vermittlung von Werten dienen. Ihre Religion ist eng mit bestimmten Gedanken über die Funktion und die Struktur des Universums verbunden. Diese makrokosmische Struktur wird im alltäglichen Leben in verschiedensten Dingen sichtbar. So stellen zum Beispiel die einzelnen Bergkuppen nicht nur diese als solche dar, sondern bilden in der Weltsicht der Kogi jeweils ein Universum, eine Welt, einen Wohnort, welcher als Sitz von Geistwesen gesehen wird. Auch die jeweiligen Zeremonialhäuser spiegeln in ihrem Inneren die verschiedenen kosmischen Schichten wieder, welche eine genaue Nachbildung des Universums darstellen. Die Kogi stellen sich den Kosmos als göttlichen Uterus vor, als die Gebärmutter der Muttergöttin. Aus dieser Vorstellung heraus denken sich die Kogi auch die Erde, die Berge, die Häuser und Höhlen als ein Abbild eben dieses Uterus auf Erden. Das Land wird als weiblicher Körper gesehen, der die Gesellschaft ernährt und beschützt. Im Weltbild der Kogi lassen sich so etliche Analogien zu verschiedensten Erscheinungen in der Natur bilden. Die wichtigsten göttlichen Personifikationen der Kogi stellen die Muttergöttin mit ihren vier Söhnen und eine große Anzahl von Geistwesen, wozu unter anderem die Herren der Natur und der Rituale zählen, dar. In diesem Zusammenhang ist auch das von den Kogi so genannte Prinzip vom „Gesetz der Mutter“[8] zu erwähnen, welches das gesamte esoterische Wissen dieser Gruppe beinhaltet. Es besagt, dass jede Handlung und Absicht sowie jedes Objekt Geistwesen besitzen, welche nur durch Opfergaben ihr jeweiliges Eigentum hergeben. Hierbei besteht auch eine enge Verknüpfung zu den Praktiken des Wahrsagens, wobei der Máma versucht, eine geistige Verbindung zu der Welt der Geister herzustellen. Dabei muss er herausfinden, welche Opfergaben von dem jeweiligen Geist am meisten begehrt werden, damit dieser sein Eigentum mit den Menschen teilt.
Ziele dieses gesamten Wissens der Kogi sind zum einen die Suche nach und die Herstellung eines Gleichgewichtes zwischen Gut und Böse, sowie das Erreichen von Weisheit und Toleranz.
[...]
[1] Nach: Zumstein, Carlo: Schamanismus. Begegnungen mit der Kraft. München: Hugendubel 2001. S.122.
[2] Ebd. S. 119.
[3] Ebd. S. 120.
[4] Ebd. S. 120.
[5] Nach: Reichel-Dolmatoff, Gerardo: Das schamanische Universum.Schamanismus, Bewußtsein und Ökologie in Südamerika. München: Diederichs 1996. S. 153.
[6] Reichel-Dolmatoff, Gerardo: Das schamanische Universum.Schamanismus, Bewußtsein und Ökologie in Südamerika. München: Diederichs 1996.
[7] Reichel-Dolmatoff, Gerardo: Das schamanische Universum.Schamanismus, Bewußtsein und Ökologie in Südamerika. München: Diederichs 1996. S. 27.
[8] Reichel-Dolmatoff, Gerardo: Das schamanische Universum.Schamanismus, Bewußtsein und Ökologie in Südamerika. München: Diederichs 1996. S. 135.
- Citation du texte
- Alexandra Mörz (Auteur), 2001, Schamanismus. Die Priesterinitiation bei den südamerikanischen Kogi, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122429