Zur Entstehung des industrialisierten Menschen


Seminararbeit, 2003

17 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.) Einleitung

2.) Die Begriffe Industrialisierung und Arbeitsteilung
a. Industrialisierung
b. Arbeitsteilung
c. Konsequenzen der Arbeitsteilung

3.) Die Industrialisierung in den drei volkskundlichen Dimensionen
a. Zeit
b. Raum
c. Soziale Gruppe

4.) Zusammenfassung und Ausblick

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

1.) Einleitung

Die Frage nach der Entstehung des industrialisierten Menschen und nach gesellschaftlichen Wandlungsprozessen im Zuge der Industrialisierung ist im Rahmen des Grundkurses 2 thematisch in die Untersuchung des sozialen und kulturellen Wandels im 19. und 20. Jahrhundert (besonders in Deutschland) eingebettet.

In dieser Hausarbeit sollen die Auswirkungen des Phänomens „Industrialisierung“ auf die Lebensweise besonders in den mittleren und unteren Bevölkerungsschichten im 19. und 20. Jahrhundert dargestellt werden.

Zur genaueren Untersuchung des Phänomens sind zunächst grundlegende Begriffe zu definieren. Darauf aufbauend sollen die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels in den volkskundlichen Dimensionen genauer analysiert werden.

Auf dieser Basis ist zu untersuchen, ob der Begriff Industrialisierung eine abgeschlossene Epoche bezeichnet oder ob er Ausdruck für gesellschaftliche Veränderungen ist, die Einfluss auch auf das Denken und Handeln in der heutigen Zeit haben. Bezogen auf die den Aufgabenbereich der volkskundlichen Forschung definierende Falkensteiner Formel bedeutet dies zu untersuchen,

- ob die Epoche der Industrialisierung ursächlich ist für die die heutige Zeit prägenden Normen und Attitüden (erfahrungsbedingte, situationsbezogene kennzeichnende Verhaltensweisen) und
- ob das Verständnis dieser Ursachen zur Lösung soziokultureller Konflikte in der heutigen Zeit beitragen kann.

Die für diese Arbeit verwendeten Quellen sind in erster Linie Sekundärliteratur. Eine Primärquelle ist bei Wolfgang Ruppert in Form einer Arbeitsordnung aus dem 19. Jahrhundert vorhanden. Ein Großteil der für diesen Forschungsbereich relevanten Literatur stammt aus der Zeit bis 1983. Offensichtlich ist die Forschung in diesem Teilbereich der Volkskunde in den letzten 20 Jahren zugunsten anderer Gebiete in den Hintergrund getreten.

2.) Die Begriffe Industrialisierung und Arbeitsteilung

a. Industrialisierung0

Um die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse zu untersuchen, die durch die Industrialisierung ausgelöst wurden, ist es zunächst notwendig zu klären, was genau sie kennzeichnete, wo sie ihren Ursprung hatte und wann sie in Deutschland einsetzte.

Das Einsetzen der Industrialisierung war zunächst dadurch gekennzeichnet, dass der Wunsch nach höherer Rationalität und größerer Produktivität sowohl zu der Einrichtung von zentralisierten Produktionsstätten, die unter Einsatz von Maschinen gewerbliche Be- oder Verarbeitung von Stoffen betrieben als auch zur Verbesserung der Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren führte. Durch höhere Produktivität wurde die Erzeugung größerer Stückzahlen möglich, die zu einer bewussten Produktion über den Eigenbedarf hinaus führte: der Marktproduktion.

Die Herstellung von größeren Stückzahlen machte eine tief greifende organisatorische Umstrukturierung des Herstellungsprozesses erforderlich. Die am Herstellungsprozess beteiligten waren zum einen diejenigen, die Eigentum an den Produktionsmitteln hatten und zum anderen diejenigen, die die erforderlichen Arbeitsschritte ausführten. Um die Arbeit vieler aufeinander abzustimmen, wurde die Einführung einer allgemein-verbindlichen und exakten Zeitstruktur erforderlich1.

Ein erster Befund besagt also, dass die Produktion von größeren Mengen in größeren Dimensionen eine neue Art der Koordination erforderte, bei der individuelle Bedürfnisse nachgeordnete Priorität haben mussten.

Seinen Ursprung hatte der Industrialisierungsprozess zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Großbritannien. In der Eisen- und Textilwarenherstellung war der Anreiz zur Verbesserung der Herstellungsverfahren besonders groß. Dass gleichzeitig im Bereich des Kraftmaschinenbaus große Fortschritte erzielt werden konnten, führte in diesen Branchen zu einer zusätzlichen Produktivitätssteigerung2.

Mit einigen Jahrzehnten Verzögerung setzte dieser Wandlungsprozess auch in den Gebieten des heutigen Deutschland ein. Die allmähliche „Auflösung der traditional-ständischen Gesellschaft“3 ging mit der Herausbildung einer bürgerlichen Kultur einher, in der der „Fortschrittsbegriff der Aufklärung“4 eine entscheidende Rolle spielte. Im Unterschied zur feudalen Gesellschaft besagte die auf dieser gedanklichen Basis entwickelte Leitidee, dass das individuelle Handeln der Mitglieder der Gesellschaft zur Verbesserung der Lebensbedingungen beitragen könne5.

Der Austausch von Informationen erhielt einen größeren Stellenwert. Dieser verstärkte Informationsaustausch machte eine beschleunigte Verbreitung innovativer Ideen zur Verbesserung der Lebensbedingungen, und infolge dessen auch zur Verbesserung von Herstellungsverfahren möglich. Nutzensteigerung durch vernünftiges Handeln wurde zum Leitprinzip im alltäglichen Handeln und bei der Überprüfung von Herstellungsverfahren. Als Voraussetzung für das von Vernunft geleitete, eigenverantwortliche Handeln des Menschen wurde die Förderung der individuellen Entwicklung und Bildung angesehen. Um jedem Individuum die Ausbildung seiner individuellen Fähigkeiten zuzugestehen war eine weitere Grundannahme erforderlich: die Überzeugung, dass jeder Mensch mit unveräußerlichen Naturrechten ausgestattet sei und aufgrund dessen auch ein unantastbares Recht auf Entfaltung der eigenen Persönlichkeit habe6.

Auf dieser gedanklichen Basis wurden in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts wiederum in der Textilherstellung innovative Herstellungsweisen aus Großbritannien übernommen. Die Wechselwirkung zwischen kapitalistischer Wirtschaftsform, gekennzeichnet durch freies Unternehmertum und Gewinnstreben, und industrieller Herstellungsweise führte zur Herausbildung der Lohnarbeit.

Das Verhältnis der industrialisierten Städte zu ihrer ländlichen Umgebung war durch eine Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeiten geprägt. Die ländlichen Gebiete waren von den Industrialisierungstendenzen in den Ballungsgebieten nur sehr indirekt betroffen. Der Wandel in ländlichen Gebieten vollzog sich wesentlich langsamer, wobei Entwicklungsunterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten natürlich bis heute vorhanden sind.

b. Arbeitsteilung

Zu unterscheiden sind zunächst zwei unterschiedliche Ausprägungen des Begriffs: die gesellschaftliche und die innerbetriebliche Arbeitsteilung. In den Handwerksbetrieben der mittelalterlichen Städte zeichnete sich im Gegensatz zu dörflichen Handwerksbetrieben eine Tendenz zu stärkrer Spezialisierung innerhalb einzelne Handwerke ab. Beispielsweise war der Beruf des Schmiedes weiter zu differenzieren nach der Art der von ihm hergestellten Waren (etwa Kessel, Klingen, Hauben etc.)7. Die Warenherstellung fand allerdings nach wie vor nach dem handwerklichen Herstellungserfahren statt. Der gesamte Produktionsprozess wurde von einer Person ausgeführt; waren mehrere Personen beschäftigt, war jeder mit der Herstellung eines individuellen Stückes betraut.

Insofern war das im 18. Jahrhundert - auf der Basis der im vorherigen Abschnitt dargestellten Überlegungen - entstandene Prinzip der arbeitsteiligen Herstellung in Manufakturen revolutionär. Der Herstellungsprozess wurde in mehrere Teilschritte, von der Planung über die einzelnen Arbeitsschritte und die Qualitätskontrolle bis zum Vertrieb und zur buchhalterischen Vor- und Nachbereitung (hier zeichnet sich der Beginn des Managementwesens ab) zerlegt. Mit dieser Methode konnte eine verhältnismäßige Vermehrung der Produktivkräfte erreicht werden8.

Die Manufaktur stellte einen Prototypen der Fabrik dar. Sie nahm schon die in der Fabrik praktizierte arbeitsteilige Herstellungsweise vorweg, war durch die in Handarbeit ausgeführten Einzelschritte jedoch noch in der handwerklichen Tradition verhaftet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Zur Entstehung des industrialisierten Menschen
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Seminar für Europäische Ethnologie/ Volkskunde)
Veranstaltung
Seminar: Grundkurs 2: Sozialer und kultureller Wandel im 19. und 20. Jahrhundert
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V12249
ISBN (eBook)
9783638181792
ISBN (Buch)
9783638787499
Dateigröße
386 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das Thema dieser Arbeit liegt im Grenzbereich zwischen Europäischer Ethnologie und Sozialwissenschaften. 156 KB
Schlagworte
Wandel, Industrialisierung, Proletariat, gesellschaftlicher Wandel, sozialer Wandel, kultureller Wandel
Arbeit zitieren
Matthias Bunzel (Autor:in), 2003, Zur Entstehung des industrialisierten Menschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12249

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