Der "Sprachinstinkt" nach Steven Pinker. Wahrheit oder Lüge?


Dossier / Travail de Séminaire, 2008

18 Pages, Note: 2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einführung in die Thematik

3. „Sprachinstinkt“ nach Steven Pinker

4. Verifikation der „Sprachinstinkt“-Theorie

5. Falsifikation der “Sprachinstinkt”-Theorie

6. Durchbruch in der Genforschung

7. Schlussbetrachtung

8. Literatur- und Quellenverzeichnis
8.1 Primärliteraturen:
8.2 Sekundärliteraturen:
8.3 Quellen

1. Einleitung

„Es ist noch keiner geboren, der nichts dazugelernt hätte.“[1]

(Russisches Sprichwort)

Das Rätsel vom Ursprung der Sprache bzw. der Sprachfähigkeit eines Menschen ist eine Fragestellung aus Psychologie und Sprachwissenschaft, welche schon seit der Antike hinterfragt und meist kontrovers diskutiert wird. Dabei haben sich im Laufe der Geschichte zwei grundverschiedene Ansichten diesbezüglich herauskristallisiert.

Bei der Untersuchung hinsichtlich dieser Divergenz befinden wir uns mitten in der u.a. von Danny Steinberg so charakterisierten nature-nurture[2] Kontroverse, welche sich mit der elementaren Frage auseinandersetzt, ob der Mensch von Geburt an ohne jegliches Vorwissen auf diese Erde kommt oder aber, ob jedem Menschen von Beginn an eine Art „biologische Grundausstattung“ mit in die Wiege gelegt wird.[3]

Urvater der nativistischen Lehre ist Noam Chomsky, dessen Forschungsergebnisse, welche zum Teil mit seinem Kollegen Steven Pinker gemeinsam erarbeitet hatten. Diese waren später die Basis für Steven Pinkers Buch „The Language Instinct“, welches als Grundlage meiner Hausarbeit zu sehen ist.[4] Steven Pinker ist ein kanadischer Linguist und Psychologe, der als Professor an der Havard Universität ebenso wie Chomsky auch am MIT, dem Massachusetts Institut of Technology, doziert.

In der nun folgenden Arbeit werde ich mich auf eine Spurensuche begeben und untersuchen, in wieweit Steven Pinker mit seinem 1994 veröffentlichte Buch eine, die ganze Menschheit betreffende, Wahrheit ausgesprochen hat, oder ob solcherlei Theorien faktisch in das Reich der Träume und Wunschvorstellungen einiger weniger zu zählen sind.

2. Einführung in die Thematik

Die in diesem Zusammenhang anzuführende Herangehensweise der Linguistik ist die der Empiristen, welche davon ausgeht, dass jegliches Wissen stets in Zusammenhang mit Erfahrungsprozessen im direkten Umfeld des Menschen gesehen werden muss. Für diese Forschergruppe weist das Gehirn eines neugeborenen Kindes absolut kein vorinstalliertes Wissen in irgendeiner Form auf. Jegliches Lernen bzw. jegliche Entwicklung sei bloß das Resultat eines individuellen Lernprozesses, welche ein jeder Mensch von Geburt an durchlaufen würde.[5]

Allerdings erscheinen den Forschern eine so abgegrenzte Pauschalisierung und Reduzierung des Betrachtungsfeldes ein wenig fehlleitend bzw. irreführend. Diese Sichtweise der Dinge resultiert natürlich nicht zuletzt aus der sich immer weiter verbessernden Raffinesse, Feinheit und Genauigkeit, die sich selbstverständlich ihrerseits auf eine sich stets verbessernde Technologie stützen kann. Jean Piaget beispielsweise vermutet, dass wir Menschen von Geburt an eine Varietät an undifferenzierten Schemata in unserem Gehirn bereits in uns trügen.[6] Darüber hinaus mutmaßt Piaget, dass die Intelligenz eines Menschen aus der ihn umgebenden Erlebniswelt resultiert bzw. hervorgeht.[7]

Eine andere Sichtweise der Dinge vertreten die Anhänger und Verfechter des so genannten Nativismus. Dieser Begriff und die Thematik des Nativismus ist heutzutage eng verknüpft mit dem Namen des amerikanischen Linguisten Noam Chomsky, der in den 50iger Jahren des 20. Jahrhunderts für eine erneute Reflexion der schon etwas antiquiert erscheinenden Denkweise des Behaviorismus verantwortlich war.[8] Für ihn schien es geradezu absurd Lernprozesse ohne jeglichen Bezug zur mentalen Ebene eines Menschen zu untersuchen. Der Behaviorismus ist eine vom amerikanischen Psychologen J.B. Watson begründete Theorie, nach der zu Folge nur jene Erkenntnisse hinsichtlich psychologischer Prozesse von Aussagekraft sind, welche auf der Basis von objektiven Experimenten zustande gekommen sind. Bei dieser Betrachtungsweise wird der Vorgang des Lernens bei einem Menschen und die dazugehörigen mentalen Aspekte gänzlich außer Acht gelassen, da jedes Verhalten eines Lebewesens stets die Folge des Stimulus bzw. der Stimuli sei, welchen dieser ausgesetzt wurde. In anderen Worten sehen die Forscher des Behaviorismus jetwilliges Lernen, vereinfacht gesagt, als Anhäufung von Stimuli in Form von Input aus der Umwelt. Dies nennt man in der Linguistik auch das Stimulus-Reaktion Prinzip.[9]

Noam Chomsky hat im Verlauf seiner forschenden Tätigkeit eine Vielzahl interessanter und für die Linguistik außerordentlich wichtiger Theorien vorgestellt:

So lässt sich beispielsweise die Theorien der generativen Grammatik oder auch der Universalgrammatik seinen Forschungsergebnissen erstmals zuordnen. Erstere bezeichnet ein Grammatikmodell, welches auf der Grundlage eines „Alphabetes“ (S-Satz, NP-Nominalphrase, N-Nomen, etc.) und bestimmter Strukturregeln Sätze einer Sprache umwandelt und damit für den Linguisten vergleichbar macht. (vgl. Transformationsgrammik)[10]

Der zweite Aspekt beschäftigt sich mit der Annahme, dass gewisse Grundstrukturen von Sprache ein jeder Mensch von Geburt an in sich trägt und dass die Sprachfähigkeit an sich genommen ein biologisches Erbgut sei, welche sich von Geburt an uns befände. Mit diesen „vorinstallierten“, sprachlichen Grundstrukturen sei es uns möglich, gelernte Worte zu rekombinieren und somit eine Vielzahl von Sätzen hervorzubringen. (vgl. Aspekte der Universalgrammatik) Wichtig ist in diesem Zusammenhang Chomskys Haltung zu erwähnen, der, verleicht man die radikal nativistische Orientierung eines Steven Pinker, niemals öffentlich negierte, dass der Input von außen und die Erfahrung, die ein Mensch von Beginn an sammelt, keinen Einfluss auf den Spracherwerb haben würde.[11]

3. „Sprachinstinkt“ nach Steven Pinker

Wenden wir nun unser Augenmerk im Folgenden auf Steven Pinker und den von ihm erstmals wissenschaftlich eingeführten Begriffs des „Sprachinstinkts“.

Als früherer Kollege von Noam Chomsky ist es nicht verwunderlich, dass Pinker in seiner Monographie „The Language Instinct“ von 1994 einige Ideen und Konzepte Chomskys aufgreift, um diese dann mit seinen eigenen Vorstellungen zu ergänzen und die Forschung auf dem Gebiet der Kognitionslinguistik voranzubringen.[12] Diese Weiterentwicklung äußert sich besonders deutlich in der etwas radikal-nativistischen Theorie, dass die Fähigkeit eines Menschen zu sprechen lokalisierbar innerhalb miteinander verbundener Strukturen des Gehirn von uns allen vorhanden sei, und diese somit als biologische „Grundausstattung“ einem jeden Menschen in die Wiege gelegt sei. Dabei konzentriert sich Pinkers keineswegs auf eine bestimmte Sprache und dessen Strukturen, sondern stellt fest, dass mit allem Lernen, Anwenden und Verstehen von sprachlichen Zeichen ein von Geburt an vorhandener Instinkt einhergehen muss, welcher auf biologisch-neuronaler Ebene bei jedem menschlichen Lebewesen vorhanden ist.[13]

Dabei geht Pinker davon aus, dass dieses Sprachorgan Resultat eines evolutionären Prozesses sei, welcher sich seinen Vorstellungen nach aus den darwinistischen Grundprinzipien herausgebildet und weiterentwickelt habe. Nach Darwin würden sich bei einer evolutionären Entwicklung stets nur diejenigen Gene durchsetzen, die sich am Besten an die Umgebung und die damit verbundenen, oftmals ambivalenten Anforderungen anzupassen verstehen. Darüber hinaus hatte Darwin schon 1871 vermutet, dass der Sprachfähigkeit eines Menschen möglicherweise tatsächlich ein Instinkt zu Grunde liegen könnte. Damit wäre Sprache nicht einfach nur die Erfindung von Menschen innerhalb eines Kulturkreises, sondern vielmehr das Produkt eines Instinktes, welcher in jedem Menschen vorhanden ist und nur darauf wartet, entfesselt zu werden.[14] Pinker übernimmt in seinen Ausführungen die Grundidee der von Chomsky eingeführten generativen Grammatik und erweitert diese mit den Aspekten eines biologischen, von Geburt an festgelegten Sprachorgans, welches biologisch und neurophysiologisch nachweisbar sei. Seiner Meinung nach stellt die Grundidee der generativen Grammatik einen Meilenstein in der Kognitionslinguistik dar.[15]

Allerdings lässt sich im Verlauf des Buches in sofern ein Widerspruch bzw. eine Relativierung der anfänglich doch sehr radikal anmutenden Theorie verzeichnen, da Pinker zu Beginn behauptet, dass zu einem Erstsprachenerewerb keinerlei Stimuli aus der direkten Umgebung des Kindes nötig seien. Bei wissenschaftlichen Beobachtungen hatte sich nämlich gezeigt, dass Babys ohne menschlichen Sprachkontakt ihr Leben lang stumm bleiben. Bedeutet dies nun einen elementaren Widerspruch?

[...]


[1] Albrecht (2001), S.181.

[2] Steinberg (2001), S.279.

[3] Sampson (1997), S.1.

[4] Beispielsweise: Chomsky (1986) und Chomsky (2002);

[5] Sampson (1997), S.1.

[6] Steinberg (1993), S.135.

[7] Ebd., S.288.

[8] Sampson (1997), S.7.

[9] Brockhaus multimedial 2006 Premium, Stichwort: Behaviorismus.

[10] Brockhaus multimedial 2006 Premium, Stichwort: generative Grammatik; vgl. Chomsky (1957).

[11] Chomsky (1989), S.146ff.

[12] Pinker (1994), S.24.

[13] Ebd., S.17.

[14] Ebd., S.26.

[15] Schaden (2003), S.38.

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Der "Sprachinstinkt" nach Steven Pinker. Wahrheit oder Lüge?
Université
University of Heidelberg  (Romanisches Seminar)
Cours
Einführung in die Kognitionslinguistik
Note
2
Auteur
Année
2008
Pages
18
N° de catalogue
V122572
ISBN (ebook)
9783640279104
ISBN (Livre)
9783640282982
Taille d'un fichier
424 KB
Langue
allemand
Mots clés
Sprachinstinkt, Steven, Pinker, Wahrheit, Lüge, Einführung, Kognitionslinguistik
Citation du texte
Florian Fromm (Auteur), 2008, Der "Sprachinstinkt" nach Steven Pinker. Wahrheit oder Lüge?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122572

Commentaires

  • invité le 9/1/2020

    Der Einblick in die sprachliche Elementarstruktur vervollständigt sich, sobald man die Sprache, entschiedener als bisher, in ihrer Funktion als menschliche Selbstdarstellung in Betracht zieht.
    Als fundamentaler Antrieb zum Sprechen umfaßt er zwei Teilformen, die sich als Sprachwillen und Sprachinstinkt differenzieren lassen. Dabei ist mit »Wille« eine reflektierte oder doch von reflexen Sinnmomenten geleitete Absicht gemeint, während »Instinkt« eine spontane Reaktion bezeichnet, die aus keinem andern Grund als dem des menschlichen Daseinsvollzugs erfolgt. (E. Biser)

    (Vgl. Hans-Georg Gadamer, ›Wahrheit und Methode, Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik‹, 1960‹; Eugen Biser, ›Theol. Sprachtheorie und Hermeneutik‹, (1970) oder Günter Abel, ›Interpretationsphilosophie und Sprachphilosophie‹, 1995; zum hermeneutischen Aspekt ist Wilhelm Dilthey zu empfehlen, bspw. ›Gesammelte Schriften‹ (1914-36), Dilthey machte in der Sprache, den sich mitteilenden Menschen aus und akzentuiert oberhalb der sprachlich medialen Signatur, das existentielle Eingefordertsein des Sprechenden.)

    Eine genetisch evolutionäre Sprachgenesis verdrängt mehr Fragen und Phänomene, als sie zu erklären vorgibt. Sprache ist auf jeden Fall sehr viel besser als ein ästhetisches, ontisches, neoetisches! und somit geistesgeschichtliches Phänomen zu erwägen, als eine informationstransformative Kontingenz.

    mfg.

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Titre: Der "Sprachinstinkt" nach Steven Pinker. Wahrheit oder Lüge?



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