Die Struktur des deutschen Pharmamarktes und ihre Auswirkungen auf CRM und Marketing von Pharmaunternehmen


Seminararbeit, 2008

36 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Gang der Untersuchung

2 Die Struktur des deutschen Pharmamarktes
2.1 Bedeutung und besondere Merkmale des Pharmamarktes
2.2 Akteure des Pharmamarktes und ihre betriebswirtschaftliche Relevanz
2.3 Bereiche des Pharmamarktes
2.3.1 Ethische Arzneimittel
2.3.2 Populäre Arzneimittel
2.4 Rechtliche Rahmenbedingungen
2.5 Entwicklungstendenzen des Pharmamarktes

3 Besonderheiten des Pharmamarketing
3.1 Allgemeine Spezifika des Marketing-Mix im Pharmamarkt
3.2 Kommunikationsmaßnahmen zur Ansprache der Kunden
3.2.1 Niedergelassene Ärzte
3.2.2 Patienten
3.2.3 Öffentliche Apotheken
3.3 Erfolgskontrolle der Kommunikationsmaßnahmen

4 CRM im deutschen Pharmamarkt
4.1 Herausforderungen beim Einsatz von CRM im Pharmamarkt
4.2 Anwendung ausgewählter CRM-Ansätze im Pharmamarkt
4.2.1 Ansätze im analytischen CRM
4.2.2 Ansätze im operativen CRM
4.3 Entwicklung der Kundenbeziehungen im Pharmamarkt

5 Fazit und Ausblick

Anhangsverzeichnis

Anhang

Literaturverzeichnis

Verzeichnis des Expertengesprächs

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Regelkreis der Marktteilnehmer

Abbildung 2: Relevanz der Marktteilnehmer

Abbildung 3: Relevanz von Informationsquellen für Ärzte

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Staatliche Steuerungsinstrumente

Tabelle 2: Analysemethoden zur Berechnung des Kundenwerts

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Dem Gesundheitssektor kommt eine große Bedeutung zu. Nicht nur weil es um die Gesund- heit der Bevölkerung geht, sondern auch im Hinblick auf die Relevanz für den Wirtschafts- standort Deutschland. So beliefen sich die Gesundheitsausgaben in Deutschland 2005 auf ca. 240 Milliarden Euro, was rund 10% des Bruttoinlandsproduktes entspricht (Statistisches Bun- desamt Deutschland 2007, S. 251). Auch der Pharmamarkt ist sowohl gesundheitspolitisch als auch bezüglich der wirtschaftlichen Leistung von großer Bedeutung. Die Arzneimittelumsätze beliefen sich 2006 allein im deutschen Apothekenmarkt auf 27 Mrd. Dollar (IMS Health 2006, S. 2). Dabei ist der Wettbewerb in diesem Markt sehr intensiv. Ein Beleg hierfür ist die Tatsache, dass Pharmaunternehmen knapp 30% ihres Umsatzes dabei in ihr Marketing inves- tieren (Langer 2005, S. 22). Diese Zahlen und die besondere Struktur des Pharmamarktes ge- ben Anlass zu verschiedenen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen zum Vertrieb von Arz- neimitteln.

Diese Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, einige dieser Fragen aufzugreifen und mögliche theo- riebezogene Antworten sowie bereits eingesetzte Lösungen aus der Praxis aufzuzeigen. Aus- gangspunkt hierfür ist eine Analyse der besonderen Struktur des Pharmamarktes, wodurch klar werden wird, welche rechtlichen und praktischen Möglichkeiten Arzneimittelhersteller zur Ansprache ihrer Kunden haben. Darauf aufbauend soll aufgezeigt werden, welche Kunden Pharmaunternehmen mit welchen Marketinginstrumenten ansprechen. Des Weiteren wird auf das Customer Relationship Managements (CRM) eingegangen. Hierbei werden erneut unter Beachtung der speziellen Merkmale des Pharmamarktes die möglichen Instrumente vorge- stellt.

1.2 Gang der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit besteht aus fünf Teilen. Zunächst wird im 2. Kapitel ein Überblick ü- ber die Struktur der Pharmabranche zu geben. Dabei wird auf die besonderen Merkmale des Marktes (2.1) ebenso eingegangen wie auf die verschiedenen Akteure, die insbesondere unter absatz- und vertriebspolitischen Gesichtspunkten eine Rolle spielen (2.2). Anhand ihrer be- triebswirtschaftliche Bedeutung für die Pharmaunternehmen (2.2) und anhand der Einteilung des Arzneimittelmarkts in den ethischen (2.3.1) und populären (2.3.2) Bereich werden die Kunden von Pharmaunternehmen identifiziert. Diese primären Zielgruppen stehen im weite- ren Verlauf dieser Arbeit im Mittelpunkt. Da die Produkte im Markt besondere Eigenschaften besitzen, deren Entwicklung und Einsatz gesetzlich reguliert werden müssen, wird in 2.4 auf die staatlichen Regulierungen ausführlicher eingegangen. Einen Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen der Kundenbeziehungen im Markt gibt 2.5.

Aufgrund der besonderen Struktur der Branche ergeben sich auch spezielle Anforderungen an das Marketing und CRM von Pharmaunternehmen. Das 3. Kapitel geht zunächst näher auf die Spezifika des Marketing-Mix ein (3.1). Ein besonderer Schwerpunkt im Marketing liegt dabei auf der Kommunikation mit den Hauptzielgruppen. Abschließend wird ein kurzer Überblick darüber gegeben, wie diese Maßnahmen gemessen bzw. kontrolliert werden können (3.3). Als zusätzliche Informationsquelle hierfür und für das nächste Kapitel dient ein Expertengespräch mit Herrn Peter Koch, der als ehemaliger Fachaußendienstmitarbeiter der Firma Boehringer Ingelheim als Interviewpartner zur Verfügung stand.

Das CRM wird im 4. Kapitel beleuchtet. Welche Besonderheiten und Herausforderungen sich für die Pharmabranche in diesem Bereich ergeben, wird in 4.1 erklärt. Anhand der Einteilung in analytisches (4.2.1) und operatives (4.2.2) CRM werden bereits eingesetzte Instrumente der Pharmabranche vorgestellt. Dabei wird vorrangig auf den Arzt eingegangen, der die wichtigs- te Zielgruppe der Pharmafirmen darstellt. Mögliche zukünftige Ansätze werden in 4.3 veran- schaulicht. Das 5. Kapitel bietet eine übergreifende Schlussbetrachtung, die außerdem einen Ausblick geben wird.

2 Die Struktur des deutschen Pharmamarktes

2.1 Bedeutung und besondere Merkmale des Pharmamarktes

Wie aus der Einleitung hervorgegangen, spielt der Pharmamarkt eine zentrale Rolle. Dies gilt nicht nur in Bezug auf seine momentane und zukünftige volkwirtschaftliche Bedeutung, son- dern auch in Bezug auf Produkte, Preissetzungsmechanismen, Distribution, Werbung, gesetz- liche Regulierung und Lebenszyklus stechen die besonderen Merkmale des Pharmamarktes hervor.

Die Austauschprozesse im Pharmamarkt verlaufen trilateral zwischen Patient, Pharmaunter- nehmen und der Sozialversicherung (Langer 2005, S. 24). Dadurch ist er „in erhöhtem Maße von der Entwicklung ordnungspolitischer Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel der Struk- turreform des Gesundheitswesens, abhängig“ (Kiesel 1995, S. 158). Zudem wird die Nachfra- ge weniger vom Konjunkturzyklus beeinflusst als andere Branchen (Fischer/Breitenbach 2007, S. 7). Plakativ formuliert ist es so, dass der Arzt entscheidet, der Patient konsumiert und die Krankenkasse bezahlt (Kiesel 1995, S. 158). Dadurch entsteht eine Dreiteilung der Nach- frage (Hautzinger 2003, S. 120).

Die Produkte im Pharmamarkt sind Arzneimittel, die zu einem Großteil nicht frei verkäuflich, aber verschreibungspflichtig und in hohem Maß erklärungsbedürftig sind (Kiesel 1995, S. 158). Sie werden definiert nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) als „Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen.“ Die Entwicklungskosten eines Wirkstoffs betragen im Schnitt 450 bis 800 Mio. €, die Entwicklungszeit 15 Jahre für ethische Arzneimit tel (Fischer/Breitenbach 2007, S. 29). Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften müssen sie zudem zugelassen werden, bevor sie auf dem Markt vertrieben werden dürfen. Ethische Arz- neimittel sind für Endverbraucher nur über Apotheken verfügbar (Schröder et al. 2006, S. 36 f.), wobei der Großhandel die Distribution vom Pharmaunternehmen zu den öffentlichen Apo- theken übernimmt (Aurenz/Krcmar 1991, S. 12). Die Spannen des Groß- und Einzelhandels werden durch die Arzneimittelpreisverordnung (§ 78 AMG) reguliert. Pharmaunternehmen können allerdings ihre Preise frei festsetzen ohne direkte staatliche Regulierungen. Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel an Endverbraucher ist nicht erlaubt (§ 10 Abs. 1 Heilmittel- werbegesetz HWG). Auch für einige rezeptfreie Arzneimittel ist nach § 12 Abs. 1 HWG die Öffentlichkeitswerbung untersagt.

Der Pharmamarkt steht ähnlichen Herausforderungen wie andere Branchen gegenüber: Der demographische Wandel beeinflusst den Absatz der Präparate (Breyer et al. 2004, S. 518 ff.), der Markt wandelt sich vom Verkäufer- zum Käufermarkt und Imitate sowie die steigenden Forschungs- und Entwicklungsausgaben reduzieren Margenpotentiale der Anbieter (Kiesel 1995, S. 158). Es kann somit festgestellt werden, dass der Pharmamarkt durch seine außeror- dentliche Struktur Besonderheiten aufweist, die spezielle rechtliche Rahmenbedingungen er- fordern. Dies beeinflusst die Kommunikation und erfordert ausgewählte CRM-Ansätze, auf die in den Kapiteln 3 und 4 näher eingegangen wird.

2.2 Akteure des Pharmamarktes und ihre betriebswirtschaftliche Rele- vanz

Folgende Marktteilnehmer existieren im Pharmamarkt: Pharmaunternehmen, Großhändler, Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigung (KV), Apotheken, Krankenhäuser, Patienten, Ärzte. Im Folgenden werden die für diese Arbeit relevanten Kundengruppen von Pharmaun- ternehmen auf der Nachfragerseite näher vorgestellt – Ärzte, Patienten und öffentliche Apo- theken. Eine ausführliche Erläuterung zu den Krankenkassen, Großhändlern, Krankenhäusern und ihren eigenen Apotheken findet sich im Anhang A.

Pharmaunternehmen

Aufgrund des hohen Konzentrationsgrades der Anbieter kann der Pharmamarkt als ein Ange- botsoligopol aufgefasst werden (Langer 2005, S. 23, zit. nach Glaeske et al. 2003, S. 19). Die größten deutschen Pharmaunternehmen 2006 nach Umsatz waren Boehringer Ingelheim, Bayer, Schering und die Merck KGaA (Pharmaceutical Executive 2007). Knapp 60% des Umsatzes im GKV-Arzneimittelmarkt entfallen auf die Hersteller (VFA 2007). Die Kunden dieser Konzerne sind nicht ausschließlich die Endverbraucher (Laitin 2003, S. 59). Tatsäch- lich stehen Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser als Kunden im Mittelpunkt. Nur 17% der Pharmaunternehmen sehen den Patienten überhaupt als Kunden (Kienbaum 2003, S. 349), was sich jedoch seit einigen Jahren ändert (Ryf 2001, S. 32). Kunden nehmen dabei vielfälti- ge Rollen ein – als Abnehmer, Verwender und Nutzer, Informationsquelle, Prosumer (Bereit- stellung von Ressourcen durch den Kunden) und als Partner (Meyer et al. 2006, S. 70 ff.).

Ärzte

Ärzte lassen sich im Allgemeinen unterscheiden in Kassen- und Privatärzte. Da eine Analyse der Privatärzte im Rahmen dieser Arbeit zu weit führen würde, wird ausschließlich die Grup- pe der niedergelassenen Kassenärzte betrachtet. Sie verschreiben den Patienten die Präparate und dominieren damit die Nachfrage. Abbildung 2 zeigt diesen führenden Einfluss bei der Arzneimittelauswahl. Ärzte galten früher als „influencer + gatekeeper + decision maker“ (Wadman/Hütt 2004, S. 155). Sie verlieren allerdings immer mehr an Einfluss und Relevanz für die Pharmaunternehmen aufgrund der Aut-Idem-Regelung und des Patient Empowerment (Wadman/Hütt 2004, S. 155), auf welche im Folgenden eingegangen wird.

Patienten

Der Patient empfängt die Leistungen des Arztes in Form einer Behandlung und bezahlt im Gegenzug Beiträge an die Krankenkasse. Aus Sicht der Pharmaunternehmen bekommen sie eine immer stärkere Gewichtung als Kunden aufgrund der Entwicklung zum Käufermarkt (Kiesel 1995, S. 158). Sie dominieren also immer mehr die Nachfrage. „Affluent and increas- ingly well-informed patients are turning to the internet and other sources of information to in- fluence doctors” (Wadman/Hütt 2004, S. 160). Dieses neu erwachte Selbstbewusstsein wird auch „Consumer Empowerment“ genannt (July-Grolman 2002, S. 157). Die Zunahme der Re- levanz als Marketing-Zielgruppe für die Pharmafirmen wird in 3.2.2 näher erläutert.

Öffentliche Apotheken

Die ca. 21.000 öffentlichen Apotheken (ABDA 2007) zählen wie die Ärzte zu der vorrangi- gen Zielgruppe von Pharmaunternehmen, da sie den Großteil (rund 86%) der Arzneimittel vertreiben (Langer 2005, S. 23). Dadurch nehmen sie eine monopolartige Stellung ein – trotz der hohen Dichte an Apotheken aufgrund der Niederlassungsfreiheit (Langer 2005, S. 23). Sie haben in den letzten Jahren eine bedeutsamere Relevanz für Pharmaunternehmen bekommen, zum einen da „pharmacists [...] are allowed now to switch a branded prescription to a generic version“ (Wadman/Hütt 2004, S. 160). Zum anderen schätzen 35% der Verbraucher die Apo- theke als Beratungsort (Walluf-Blume 2000, S. 47). Die Beratungskompetenz von Apothe- kern wird also immer wichtiger.

Abbildung 1 zeigt, auf diesen Erläuterungen aufbauend, eine zusammenfassende Übersicht über die verschiedenen Marktteilnehmer und ihre Geld-, Leistungs- und Informationsströme und regulatorischen Zusammenhänge. Es ist deutlich zu erkennen, dass der Pharmamarkt ein kompliziertes Geflecht ist, bei dem die Akteure in unterschiedlichem Ausmaß verwoben sind. Die meisten dieser Ströme können im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt werden. Es wird deswegen vorrangig auf den Informationsstrom von der pharmazeutischen Industrie zu den Patienten, Ärzten und Apotheken in Form von Marketing- und CRM-Maßnahmen eingegan- gen. Da der Staat mit seinen Regularien sämtliche Verbindungen beeinflusst, wird auch das ein zu betrachtender Aspekt sein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Regelkreis der Marktteilnehmer (Quelle: eigene Darstellung)

Werden die genannten Marktteilnehmer aus Sicht der Pharmaunternehmen betrachtet, lassen sie sich in die Gruppen „prescriber“ und „non-prescriber“ einteilen (Meyer/Pesse 2005, S. 309). Die erste Gruppe verschreibt die Rezepte (Ärzte), die letztere beeinflusst den Verschrei- bungsprozess. Ihnen kommt jedoch eine unterschiedliche Relevanz zu. Abbildung 2 zeigt auf, wer in welchem Maß als Hauptzielgruppe des Marketing von Pharmaunternehmen gilt und dadurch über die Arzneimittelauswahl entscheidet. Dies verstärkt die bisher getroffenen Aus- sagen über die vorrangigen Zielgruppen der Pharmaunternehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Relevanz der Marktteilnehmer

(Quelle: Ryf 2001, S. 32)

2.3 Bereiche des Pharmamarktes

Die Relevanz der Marktteilnehmer unterscheidet sich zusätzlich je nach Bereich des Pharma- marktes. Die Bereiche sind aufgeteilt nach ethischen und populären Arzneimitteln in der Hu- manmedizin (Becker 1992, S. 6), sowie Arzneimittel der stationären Versorgung. Letzterer Bereich umfasst einige Besonderheiten, da Krankenhäuser über eigene Krankenhausapothe- ken verfügen und ihre Arzneimittel, die nur der Verwendung im Krankenhaus dienen, direkt vom Hersteller bekommen (Pirk 2002, S. 196). Sie verhandeln daher direkt mit Pharmafirmen über die Preise. Da allerdings nur 14% des Gesamtumsatzes in diesem Bereich erzielt werden, wird in den folgenden Ausführungen nicht weiter darauf eingegangen (Dambacher/Schöffski 2002, S. 253).

2.3.1 Ethische Arzneimittel

Ethische Arzneimittel sind nicht frei verkäuflich, d. h. sie müssen vom Arzt verschrieben wer- den und ein Warenzeichen tragen (Welzel 1989, S. 297, zit. nach Friesewinkel/Schneider 1982). Sie können in die Gruppen Generika und Marken aufgeteilt werden (Becker 1992, S. 6). Generika sind „Produkte, deren Substanzen keinen Patentschutz genießen und die nicht unter einem Warenzeichen mit der sog. generischen Bezeichnung der Substanz gekennzeich- net vertrieben werden“ (Welzel 1989, S. 298, zit. nach Hitschmann 1986, S. 12). Durch Patente werden die Wirkstoffe oder Darreichungsformen des Arzneimittels vor der Nachah- mung geschützt (Hautzinger 2003, S. 120). Dies soll ermöglichen, dass ein ausreichend hoher Gewinn erwirtschaftet wird, „um künftige Forschungen zu finanzieren und einen ausreichenden Innovationsschub zu gewährleisten“ (Fischer/Breitenbach 2007, S. 18). Erst nach Ablauf des Patentschutzes wird der Verkauf von Generika möglich gemacht.

Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit sind die Unterschiede zwischen Generika und Origi- nalpräparaten nicht relevant. Die ethischen Arzneimittel werden daher nicht weiter unter- schieden. Kunden der Pharmaunternehmen sind in diesem Bereich vorrangig Ärzte, Apothe- ken und Krankenhäuser. Da diese Präparate zwar verschreibungspflichtig sind, aber der End- verbraucher immer selbstbewusster und informierter wird, rücken auch Patienten verstärkt ins Visier der Pharmafirmen. Eine direkte Bewerbung des Endverbrauchers ist in diesem Bereich des Marktes jedoch nicht erlaubt (Schüpbach 2001, S. 130).

2.3.2 Populäre Arzneimittel

Over-the-counter (OTC) Medikamente sind nicht verschreibungspflichtig. Sie sind jedoch „nicht notwendigerweise der Selbstmedikation zuzuordnen“ (Wasem/May 2000, S. 5), da sie zumindest verordnungsfähig und in einigen Ausnahmefällen erstattungsfähig sind (Abschnitt F der Arzneimittel-Richtlinie regelt diese Ausnahmefälle). Der Umsatz der nicht verschrei- bungspflichtigen Medikamente stieg im GKV-Markt im letzten Jahr um 0,1% auf 1,6 Mrd. € (VFA o.J.). Die umsatzstärksten Indikationsbereiche der Selbstmedikation waren 1998 Husten und Erkältung, Magen und Verdauung und Schmerzmittel (Walluf-Blume 2000, S. 39).

Nach dem HWG ist im Gegensatz zu den ethischen Präparaten Publikumswerbung erlaubt (Wasem/May 2000, S. 6). Das mit mehr als 50% hierbei vorrangige Medium ist das Fernse- hen (Merl 2000, S. 164). Wick Medinait (Erkältung), Aspirin (Schmerzmittel) oder Rennie (Magen) sind bekannte Beispiele aus der Endverbraucherwerbung. Die Seite des Bundesver- bands Deutscher Arzneimittelhersteller http://www.arzneimittelscout.de bietet Informationen über Selbstmedikationsmöglichkeiten. Bei verbreiteten und als relativ ungefährlichen Krank- heitsbildern benötigen Patienten seltener den Rat eines Arztes, sondern informieren sich selbst (Ries/May 2003). Der Marketing-Mix ändert sich folglich in diesem Bereich. Ärzte sind zwar weiterhin als Zielgruppe für OTC-Produkte relevant, da sie durch Empfehlungen Werbung machen (Golücke 2001, S. 103). Die Tendenz zu Selbstinformation rückt jedoch Patienten stärker in den Vordergrund der Bewerbung.

2.4 Rechtliche Rahmenbedingungen

Der Pharmamarkt ist stark mengen- und preisreguliert (Langer 2005, S. 24). Es geht um die Sicherheit und Gesundheit der Patienten – also einem „besonderen Gut“ (Schüpbach 2001, S. 132). Daher greift der Staat regulierend und kontrollierend durch das AMG, Sozialgesetzbuch (SGB) und HWG in das Marktgeschehen ein (Tabelle 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Staatliche Steuerungsinstrumente

(Quelle: eigene Darstellung)

Das Zulassungsverfahren und der Patentschutz stellen besonders relevante Merkmale des Arzneimittelmarktes dar. Arzneimittel müssen drei Hürden bestehen, um zugelassen zu wer- den – Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit. In den letzten Jahren wird außerdem die Einführung einer weiteren Hürde diskutiert, der Wirtschaftlichkeit (Schröder et al. 2006, S. 37). Die Zulassung neuer Wirkstoffe wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin- produkte unter Berücksichtigung europäischer Vorgaben überwacht (Fischer/Breitenbach 2007, S. 37). Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, wird das Medikament für den deut- schen Markt zugelassen. Der Zeitraum für ein Patent beträgt 20 Jahre. Da sie schon in der präklinischen Phase (Guminski/Rauland 2002, S. 231) beim Deutschen Patent- und Marke- namt (Langer 2005, S. 177) angemeldet werden müssen, beträgt die Zeit von der Vermark- tung bis zum Ablauf des Patents meist nur noch 8-10 Jahre. Die Arzneimittelhersteller müssen in diesem Zeitraum ihre eigenen Entwicklungskosten und auch die Entwicklungskosten der Produkte einspielen, „die in den verschiedenen klinischen Testphasen aufgrund negativer Er- gebnisse gestoppt werden mussten“ (Puschmann et al. 2002, S. 141). Angriffe auf ein Patent sind durch eine Nichtigkeitsklage möglich (Langer 2005, S. 184), was Generikahersteller in letzter Zeit verstärkt versuchen (Hofmann 2008, S. 16).

Die Preisspannenverordnung (§ 78 AMG) legt bundesweit einheitliche Apothekenpreise fest. Festbeträge regeln die Erstattungshöchstgrenzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel nach § 35 SGB V. Die Zuzahlungsregelung nach §§ 31 Abs. 3, 61 SGB V reguliert, dass Kassenpatienten eine Eigenbeteiligung von 10% des Preises für Arz- neimittel oder Verbandsmaterial, jedoch mindestens 5 € und maximal 10 € leisten müssen. Ein weiteres Preisinstrument nach §§ 130, 130a SGB V sind die Rabatte oder Abschläge. Krankenkassen erhalten einen Abschlag von 2 € für verschreibungspflichtige Arzneimittel bzw. 5% des Apothekenabgabepreises bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Die Negativliste soll die Qualität der Arzneimitteltherapie gewährleisten. Unwirtschaftliche Arz- neimittel sind von der Erstattung der GKV ausgeschlossen (Fricke 2002, S. 98). Mit der Regelung des Arzneimittelbudgets der Ärzte auf KV-Ebene wird u. a. das Ausgabevolumen für insgesamt ärztlich veranlasste Leistungen festgelegt (Langer 2005, S. 27 ff.). Sie beeinflusst das Verschreibungsverhalten der Ärzte, da sie eine therapiegerechte, aber eben auch wirtschaftliche Verordnung erfordert (Schröder et al. 2006, S. 67). Die Aut-Idem- Regelung nach § 129 SGB V verpflichtet „Apotheken, ein Medikament aus dem unteren Preisdrittel abzugeben, sofern der Arzt eine Substitution nicht aktiv durch entsprechende Kennzeichnung auf dem Rezept ausgeschlossen hat“ (Schröder et al. 2006, S. 48). Sofern also Generika vorhanden sind, wird der Apotheker zu dieser meist billigeren Variante greifen (Wadman/Hütt 2004, S. 156).

Besondere Auswirkungen auf die Marketing und CRM-Möglichkeiten hat das HWG. Es um- fasst die Regelungen zur „Absatzwerbung“ für verschreibungspflichtige und OTC-Präparate.

„Darunter fallen alle Maßnahmen zur Information oder zur Schaffung von Anreizen, die dar- auf abzielen, die Aufgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern“ (Dieners 2001, S. 121). Sogenannte Imagewerbung, also reine Vertrauenswerbung, ohne Be- zug zu einem bestimmten Produkt ist davon allerdings ausgeschlossen (Dieners 2001, S. 121).

2.5 Entwicklungstendenzen des Pharmamarktes

Die Gesundheitsreform und ihre Regelungen zur elektronischen Gesundheitskarte, zum Ge- sundheitsfonds oder zum Risikostrukturausgleich sind für den weiteren Verlauf dieser Arbeit nicht entscheidend. Da diese jedoch gravierende Auswirkungen auf den Pharmamarkt haben, findet sich eine Erläuterung hierzu im Anhang B. Konkrete Auswirkungen auf das CRM und Marketing von Pharmaunternehmen hat das Patient-Relationship-Management (PRM). Dies ist ein „innovatives Geschäftskonzept für den Aufbau und Erhalt langfristiger, profitabler Ge- schäftsbeziehungen zum Patienten als Endverbraucher von medizinischen Produkten“ (Ba- denhoop 2001, S. 15). Es ist das Resultat der Veränderung des Patienten hin zu einem indivi dualistischen, souveränen, informierten, unberechenbaren und mobilen Kunden (Harms 2006, S. 2).

[...]

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Die Struktur des deutschen Pharmamarktes und ihre Auswirkungen auf CRM und Marketing von Pharmaunternehmen
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
36
Katalognummer
V122619
ISBN (eBook)
9783640275663
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Struktur, Auswirkungen, Marketing, Pharmaunternehmen, CRM, Customer Relationship Management, Patient Relationship Management, Pharmamarkt
Arbeit zitieren
Sabine Vavra (Autor:in), 2008, Die Struktur des deutschen Pharmamarktes und ihre Auswirkungen auf CRM und Marketing von Pharmaunternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122619

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