Grundlagen und Typologien des Musikhörens in der Grundschule

Eine ausgearbeitete Stunde zum Lied "Der Seeschlangensong"


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2003

19 Pages, Note: 2


Extrait


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Musikhören im Grundschulalter
2.1 Typologien des Musikhörens
2.1.1 Das unspezifische Hören
2.1.2 Das emotionale Hören
2.1.3 Das kompensatorische Hören
2.1.4 Das sensomotorische Hören
2.1.5 Das assoziative Hören
2.1.6 Das bewusste Hören
2.1.7 Das integrierte Hören
2.2 Funktionen des Musikhörens

3. Ausarbeitung der Stunde zu dem Lied „Die Seeleute singen den Seeschlangensong“
3.1 Sachanalyse
3.2 Didaktisch-methodische Analyse
3.3 Grob- und Feinziele
3.4 Verlaufsplanung
3.5 Reflexion

4. Schluss

5. Literaturverzeichnis

6. Anhang

1. Einleitung

Lernen ist im Allgemeinen ein Vorgang, der auf neuronale Netze beruht. In unserem Gehirn befinden sich zahlreiche Nervenzellen, die Ganglien aussenden. Verknüpfen sich diese durch Lernen, entsteht ein vielverzweigtes Netzwerk.[1] In diesem Netz ist unser ganzes Wissen gespeichert. Dieses Wissen kann dabei auf sensomotorische Art wiedergegeben werden, indem man praktisch handelt, oder auf formale Art.

Man hat herausgefunden, dass vermehrt Grundschulkinder unter Lern- und Verhaltensstörungen leiden. Grund dafür ist der fehlende bewusste Umgang mit den Dingen. So mangelt es oft an taktilen Erfahrungen, da durch vermehrten Medieneinsatz, v.a. das Fernsehen, nur noch ein Leben aus zweiter Hand erlebt wird, Berührungen mit der Materie, ein Be-Greifen wird nicht mehr erlebt. Aber auch kinästhetische Erfahrungen werden immer seltener. Rannten früher Kinder die meiste Zeit gemeinsam durch die Gegend und erlebten so ihren Körper und bekamen ein Gespür für ihre Bewegungen, dominiert heute eher das „Stubenhockerdasein“. Befahrene Strassen, kleine Gärten, aber auch Medienüberfluss spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Als Konsequenz für die Schule bedeutet dies ein Heranziehen beider Repräsentationsformen, also der sensomotorischen und der formalen, da beide miteinander verknüpft sind. Anzumerken ist, dass nach heutigem Wissensstand die sensomotorische Repräsentation vor der formalen erfolgen muss, da eine formale Repräsentation nur auf einer schon durchgeführten sensomotorischen Repräsentation erfolgen kann. Es sollte demnach immer erst eine sensomotorische Repräsentation aufgebaut werden, damit sich aus dieser eine formale entwickeln kann.

Weiter konkretisiert bedeutet das für den Musikunterricht ein Vorziehen der musikalischen Repräsentation vor der sprachlichen. Dementsprechend wird es Kindern merklich leichter fallen sich die Halbtonstufen einer Molltonleiter zu merken, wenn sie vorher das Klangbild einer Molltonleiter gehört haben und somit eine klare Vorstellung von Mollklängen haben.

Es wäre also weitaus sinnvoller, wenn der Musikunterricht mit weniger Erklärungen und Theoretisierungen auskäme, anstelle dafür vermehrt Vorstellungsbildung in Form von Klangbeispielen betrieben wird. Denn Musik muss Musik bleiben und soll kein abstraktes, hochkompliziertes Schema werden.[2]

2. Musikhören im Grundschulalter

2.1 Typologien des Musikhörens

Zum Thema „Musikhören im Grundschulalter“ stellen sich dem Lehrer einige Fragen, wie z.B. werden wir Musiklehrer dem kindlichen Hören mit unseren Intentionen gerecht? Wie hören Kinder in der Primarstufe? Leben Grundschulkinder nicht noch in einer völlig anderen Welt? Welche Musik begeistert Kinder? Was, wenn Kinder untypische Stücke faszinieren? Im Allgemeinen bezieht sich die Beantwortung der Fragen, ebenso wie der ganze Bereich des Musikhörens, auf entwicklungspsychologische, musikpädagogische, methodische, soziale und zeitgeschichtliche Sachverhalte.

Musikhören ist ein sich ständig wandelnder Vorgang. Ein Lied kann nicht zweimal gleich erlebt werden, da situative, atmosphärische, gruppenspezifische, aber auch subjektive Faktoren wie Geschmack, Fantasie, Assoziation, Aufmerksamkeit und Interesse eine tragende Rolle spielen.

Durch diese Bandbreite können Typologien des Hörverhaltens nie vollständig sein.

Anzumerken ist, dass die im folgenden beschriebenen Hörweisen oft miteinander verbunden sind, wie beispielsweise das emotionale und das kompensatorische Hören.[3]

2.1.1 Das unspezifische Hören

Bereits in jungen Jahren haben die meisten Kinder ihre Lieblingslieder auf Kassette oder CD. Diese läuft dann beliebig oft hintereinander, ohne noch bewusst zuzuhören. Dieses unspezifische Hören wird auch durch Dauerberieselung in Wohnräumen, im Auto oder in Supermärkten verstärkt. Das ungerichtete Hören scheint in letzter Zeit vermehrt zuzunehmen. Fragt man Kinder, welches Lied sie soeben gehört haben, steigt die Zahl derer, die sich bereits nach kurzen Augenblicken nicht mehr daran erinnern können. Die Schulen sind damit vor ein großes Problem gestellt. Denn das Musikhören, das einen beachtlichen Teil des Musikunterrichts einnimmt, kann von den Kindern nicht mehr bewältigt werden, da sie nach Martin Schlu zu „Weghörern“ geworden sind. Das Fatale: „Ihre Nächsten haben es ihnen nicht beigebracht, weil sie es selbst nicht mehr können.“[4] Musik wird vermehrt zur Höhle, in die sich Kinder zurückziehen, um allein zu sein.

2.1.2 Das emotionale Hören

Kinder besitzen schon relativ früh die Fähigkeit, den Ausdruck von Musik bestimmen zu können. Wie schon erwähnt, haben sie bereits ihre Lieblingslieder. Auf diese Stücke reagieren sie dann subjektiv sehr emotional, sei es durch heftiges Mittanzen, lautes Mitsingen oder Stillwerden und sich an bestimmte Situationen erinnern. Heiner Gembris führt Personen an, in deren Leben ein bestimmtes Musikstück eine Schlüsselrolle spielt.[5] Gerade in der Schule sollte deshalb emotionales Hören beachtet werden. Denn der Grad der Motivation und die Ausdauer, die man einem Musikstück entgegenbringt, hängen davon sehr stark ab.[6]

2.1.3 Das kompensatorische Hören

Wie oben bereits erwähnt, ist das kompensatorische Hören stark mit dem emotionalen verbunden. Beim kompensatorischen Hören wird Musik als Ausgleich gehört. Situationen, in denen Defizite beseitigt werden müssen, oder emotionale Bedürfnisse Befriedigung verlangen, werden oft mit Musik verarbeitet. Welche Musik in welchen Situationen bevorzugt wird, ist dabei von Mensch zu Mensch verschieden. So hören verärgerte Jugendliche einerseits Heavy Metal Musik um ihren Ärger auszuleben, während andere sich mit Kuschelrock-Musik beruhigen. Hier liegen vor allem geschlechtsspezifische Merkmale eine Rolle.[7]

2.1.4 Das sensomotorische Hören

Das sensomotorisches Lernen stellt nach Jean Ayres die Grundlage für die Aneignung komplexer Lerninhalte dar. Wird es versäumt die Bewegung zu trainieren und dem Kind ein Gefühl für seinen Körper und seine Bewegungen zu erlangen, kann dies bleibende geistige Beeinträchtigungen zur Folge haben. Das bereits angesprochene „Stubenhockerdasein“ nimmt immer mehr überhand, da in der Gesellschaft Leistungen wie gute Sprache oder gutes Lernvermögen gefragt sind, weniger aber eine ausgereifte Sensomotorik.

Sensomotorisches Hören bedeutet Bewegung zur Musik. Dies beginnen Kinder relativ früh und erscheint bei jedem anders. Generell kann gesagt werden, dass Kinder bis zu sechs Jahren den ganzen Körper einsetzen um sich zur Musik zu bewegen, anschließend beginnt die Rücknahme einiger Körperregionen aus dem Tanz und anstelle dessen treten teil- und feinmotorische Bewegungen. Nach einigen Forschern ist der kindliche Bewegungsdrang angeboren, damit ein „Körper-Ich“[8] aufgebaut werden kann. Einen Mangel im Lehrplan stellt daher die einseitige Wertschätzung geistiger Inhalte dar. Ein stetig steigender Medienkonsum führt zusätzlich zu Haltungsschäden, unzureichender Körperbeherrschung und mit falscher Ernährung gepaart zu Fettleibigkeit.

So sollte auch der Musikunterricht einen Beitrag zur Sensomotorik leisten, indem wieder verstärkt Melodie und Bewegung kombiniert wird. Denn es ist gerade in jungen Jahren von großer Wichtigkeit, dass Kinder durch Musik wieder automatisch Bewegungsimpulse bekommen und diese auch ausleben. Zudem können sinnvoll ausgeführte körperliche Aktivitäten zu Musik die musikalische Wahrnehmung entscheidend verbessern.[9]

2.1.5 Das assoziative Hören

Kern dieses Hörens ist das Verbinden von Musik mit eigenen Gedanken und Vorstellungen. Eine häufige Lehrerfrage lautet deshalb nach einem Musikstück „Was hast du dir zu der Musik vorgestellt?“ Eine umfassende Reihe an Assoziationen ist die Antwort. Dabei kann natürlich keine der Antworten falsch sein. Ebenso kann Musikhören kreative Prozesse auslösen, besonders sei hier das Malen nach Musik angesprochen. Minkenberg, der das Musikerleben von Kindern zwischen fünf und zehn Jahren untersuchte, stellte fest, dass bereits ab fünfeinhalb Jahren erste Assoziationen auftreten, Kinder mit ca. sieben Jahren erstmals „träumen“ verwenden (Hinweis für höheres Niveau der Selbstreflexion) und im Alter von acht bis zehn Jahren ein ausgeprägter emotionaler Gehalt vorhanden ist.

Beim assoziativen Hören von Musik werden eigene Gedanken und Vorstellungen mobilisiert, die zwar von der Musik ausgelöst werden, sich aber auch ganz weit von der Musik wegbewegen können. Dabei können auch kreative Prozesse ausgelöst werden.[10]

[...]


[1] Aus: Pschyrembel, Willibald (Hg.), Klinisches Wörterbuch, Berlin 41998.

[2] Nach: Gruhn, Wilfried, Wie Kinder Musik lernen, in: Musik und Unterricht Nr. 31 (März) 1995, S. 4 – 15.

[3] Nach: Ditzig-Engelhardt, Ursula, Musik hören, in: Helms, Siegmund u.a., Handbuch des Musikunterrichts, Band 1, Kassel 1997, S 157 f.

[4] Nach: Ditzig-Engelhardt, Ursula, Musik hören, in: Helms, Siegmund u.a., Handbuch des Musikunterrichts, Band 1, Kassel 1997, S 158.

[5] Aus: Gembris, Heiner, Musikalische Fähigkeiten und ihre Entwicklung, in: de la Motte- Haber, Helga (Hg.), Psychologische Grundlagen des Musiklernens, Handbuch der Musikpädagogik Band 4, Kassel 1987, 122f.

[6] Nach: Ditzig-Engelhardt, Ursula, Musik hören, in: Helms, Siegmund u.a., Handbuch des Musikunterrichts, Band 1, Kassel 1997, S 158f.

[7] Ebd., S 159.

[8] Ditzig-Engelhardt, Ursula, Musik hören, in: Helms, Siegmund u.a., Handbuch des Musikunterrichts, Band 1, Kassel 1997, S. 159.

[9] Ebd.

[10] Ebd., S. 160.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Grundlagen und Typologien des Musikhörens in der Grundschule
Sous-titre
Eine ausgearbeitete Stunde zum Lied "Der Seeschlangensong"
Université
University of Regensburg  (Philosophische Fakultät - Musikpädagogik)
Cours
Seminar: Didaktik und Methodik des MU in der Primarstufe
Note
2
Auteur
Année
2003
Pages
19
N° de catalogue
V12274
ISBN (ebook)
9783638182010
ISBN (Livre)
9783656520030
Taille d'un fichier
539 KB
Langue
allemand
Mots clés
Musik, Grundlagen, Typologien, Musikhörens, Grundschule, Stunde, Lied, Seeschlangensong-, Seminar, Didaktik, Methodik, Primarstufe
Citation du texte
Matthias Altmannsberger (Auteur), 2003, Grundlagen und Typologien des Musikhörens in der Grundschule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12274

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