Laienkompetenz und -hilfe - Am Beispiel einer Analyse von Online-Drogen-Foren

Sucht-Selbsthilfe in Internetforen


Thèse de Bachelor, 2008

182 Pages, Note: 1,5


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Literathurrecherche

3. Konzeptionelles Vorgehen in empirischer Untersuchung
3.1 Strukturelle-Inhaltsanalyse bzw. Inhaltliche-Strukturanalyse
3.2 Strukturierung des Forschungsmaterials

4. Kommunikationsmöglichkeiten in Internetforen
4.1 Technische Vorraussetzungen
4.2 Kommunikationsmöglichkeiten

5. Beratung in Online-Drogen-Foren
5.1 „Alltägliche“ Beratung
5.2 Professionelle Beratung

6. Laienhilfe in Online-Drogen-Foren

7. Selbsthilfe

8. Vor- und Nachteile der Hilfe in Online-Drogen-Foren

9. E-Partizipation

10. Soziale Arbeit und Online-Drogen-Foren
10.1 Forschung
10.2 Handlungsempfehlungen
10.2.1 Information
10.2.2 Eingriffe in Online-Drogen-Foren

11. Fazit

II. Literaturverzeichnis

III. Anhang

1.Vorwort

Die Verbreitung des Internets ist in den letzten Jahren exorbitant angestiegen. 1997 nutzten es gerade einmal 6,5% der über 14-Jährigen, 2007 waren es bereits 62,7%1. Die Angebote und Möglichkeiten sind unüberschaubar. Auch für mich ist das Internet zu einem Alltagsinstrument mit verschiedensten Anwendungsbereichen geworden. Die Faszination besteht jedoch nicht darin, Informationen oder Dienste abrufen zu können, sondern vielmehr in der globalen Interaktion. Wenn z.B. die Möglichkeit Telefonnummern oder Busverbindungen online abzufragen nicht mehr bestehen würde, könnte man diesen Service ohne größere Umstände durch klassische Methoden ausfüllen. Für den Fall, dass die Kommunikation zwischen Nutzern nicht mehr möglich wäre, gäbe es keinen vergleichbaren Ersatz. Dies würde für viele Leute, wie auch für mich, bedeuten, dass es schwierig wäre, zu manchen Menschen überhaupt den Kontakt aufrecht zu erhalten. Zudem würde das enorme kollektive Wissen, das von Privatpersonen unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, verloren gehen.

Die Internetforen, Blogs, Chats und alle anderen Formen internetbasierender, kommunikativer Zusammenschlüsse von Menschen sind erst in den letzten zehn Jahren zu den Massenkommunikationsmitteln geworden, die sie heute sind. Die Profession der Sozialen Arbeit muss auf dieses Phänomen eingehen, sie muss Gefahren erkennen (z.B. Onlinesucht) und dagegenwirken, aber auch die sich ergebenen Möglichkeiten erfassen, um sie für ihre Zwecke nutzen zu können.

In dieser Arbeit möchte ich auf Online-Drogen-Foren, die Nutzer und ihr Verhalten eingehen. Es handelt sich um eine Beobachtung der Menschen im Medium Internet.

2. Literaturrecherche

Für die Bachelorarbeit fand eine Vertiefung, der bereits im Rahmen des WPP durchgeführten Literaturrecherche (siehe WPP Kap. 3) statt. Zu diesem Zweck besuchte ich die Bibliotheken der Universität und der Fachhochschule Osnabrück. Des Weiteren recherchierte ich mithilfe der Suchmaschine Google (www.Google.de) im Internet. Als Suchbegriffe verwendete ich „Internetforen“, „Onlineforen“, „Drogenforen“, „Foren“, „Laien“, „Laienkompetenz“, „Laienhilfe“, „Selbsthilfe“, „Selbsthilfegruppen“, „Beratung“, „.pdf“ (Portable Dokument Format) in verschiedenen Kombinationen.

Aus der Literaturrecherche ergibt sich für mich folgender Erkenntnisstand.

Es sind umfangreiche Quellen zu den Themengebieten „Internetforen“, „Laienkompetenz“, „Selbsthilfe“ und „Beratung“ vorhanden.

Literatur mit dem Schwerpunkt „Internetforen“ ist eher technisch ausgeführt, die soziale Komponente der Kommunikation und damit verbundene Möglichkeiten für die Soziale Arbeit werden nicht erfasst. Publikationen mit sozialem Kontext behandeln in erster Linie sozialprofessionelle Online-Angebote, Konzepte, Qualitätsstandards usw., Laienkompetenzen stehen hierbei nicht im unmittelbaren Interesse.

Für meine Forschungsfragen ist relevant, inwiefern wissenschaftliche Texte ähnliche oder gleiche Themengebiete abdecken.2 Ich habe festgestellt, dass es zwar ähnliche Arbeiten wie z.B. die Diplomarbeiten „Sozialraum Internet“ von Hendrik Fellinger sowie „Internet und psychische Probleme – Möglichkeiten zum Austausch für Betroffene“ von Nadine Peetz veröffentlicht wurden, es aber keine Publikationen mit dem Schwerpunkt „Laienkompetenz in Verbindung mit Onlineforen“ gibt. Die oben genannten Arbeiten befassen sich vielmehr im Allgemeinen mit Kommunikation, Interaktion und Sozialer Arbeit im Internet.

Hieraus lässt sich ableiten dass ein Interesse der Sozialen Arbeit zu meinem Thema gegeben ist.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine Wissenslücke im Bereich der Laienkompetenz im Internet vorhanden ist und ein Interesse der Sozialen Arbeit in diesem Gebiet zu forschen besteht. Mit meiner Analyse der Online-Drogen- Foren im Hinblick auf Laienkompetenz und –hilfe möchte ich einen Teil dazu beitragen, diese Lücke weiter zu schließen.

Um dieser Aufgabe bestmöglich gerecht zu werden, habe ich folgende Fragestellungen angewandt:

- Wie wird in Internetforen kommuniziert?
- Handelt es sich bei den Online-Drogen-Foren um eine Plattform, in der Laienhilfe/Selbsthilfe praktiziert wird?
- Gibt es Überschneidungen mit der professionellen Beratung?
- Welche Vor- und Nachteile bietet die Hilfe in Internetforen?
- Wie kann die Soziale Arbeit Internetforen (z.B. zu Forschungszwecken) nutzen?

3. Konzeptionelles Vorgehen in der empirischen Untersuchung

Um Forschung in Internetforen durchzuführen, muss der Forschende sich über die Besonderheit dieses Mediums und der eigenen Rolle bewusst werden.

Anders als bei aktiven Methoden (z.B. qualitative Inhaltsanalysen von Experteninterviews), in denen der Forschende an der Entstehung des Forschungsmaterials mitwirkt (z.B. durch Vorgabe eines Themenschwerpunktes in Interviews) besteht für meine Forschung kein Bedarf die Onlineforen zu beeinflussen. Eine Themeneingrenzung findet lediglich durch die Auswahl des bereits vorhandenen Materials anhand festgelegter Kriterien statt (siehe WPP Kap. 8). Der Forschende hat die Aufgabe einzelne Threats (Diskussionsfäden; siehe WPP. Kap. 6.2) allumfassend zu beobachten, zu verstehen und zu analysieren, ohne Einfluss auf diese zu nehmen. Aus diesem Grund weise ich ihm die Rolle des passiven Beobachters zu.

Für die Forschung in Online-Drogen-Foren muss der Forschende über Kenntnisse bezüglich dieser neuen Kommunikationsform und ihrer Besonderheiten verfügen. Da keine grundlegenden Ähnlichkeiten zu klassischer Kommunikation bestehen, sind vorgefertigte Forschungsmethoden nicht auf dieses Medium anwendbar.

Die Struktur von Onlineforen ist für das Verständnis und somit für die Forschung ebenso wichtig wie der Inhalt, also das geschriebene Wort. Um als Nutzer an einer Diskussion teilnehmen zu können, muss dieser den Verlauf eines Threats erfassen, damit er den Inhalt verstehen kann. Diese Grundvoraussetzung ermöglicht es ihm, einen adäquaten Beitrag verfassen zu können.

„Eine Kommunikation kommt nur zustande wenn jemand sieht, hört, liest und soweit versteht, daß eine Kommunikation anschließen könnte.“3

Für einen Beobachter gilt dasselbe. Er muss den Threat als zusammenhängendes Kommunikationsgebilde (Struktur) wahrnehmen, um den Sinnzusammenhang zu verstehen. Erst im Anschluss daran, hat er die Möglichkeit inhaltliche Aussagen zu bewerten.

Um diese Gegebenheit zu verdeutlichen, möchte ich sie anhand eines Beispiels in die reale Welt übertragen.

In einem Raum befinden sich acht Personen, die ein Thema diskutieren, wenn nun ein Beobachter hinzukommt, und nur den letzten Satz (den Inhalt) wahrnimmt, kann er die Diskussion nicht verstehen und somit nicht als Forschungsgrundlage nutzen. Ihm fehlen die nötigen Hintergrundinformationen (Struktur u. Inhalt). Wer hat was zu wem in welchem Zusammenhang gesagt, welche Punkte sind schon besprochen worden usw..

3.1 Strukturelle-Inhaltsanalyse bzw. Inhaltliche-Strukturanalyse

Das Begreifen der Äquivalenz von Struktur und Inhalt ist die erste Voraussetzung für die Analyse eines Threats. Eine grobe Struktur wird durch die chronologisch angeordneten Beiträge vorgegeben. Struktur und Inhalt der einzelnen Beiträge sind jedoch erst einmal ungewiss.

Um ihre Struktur herauszuarbeiten ist eine Analyse des Inhalts erforderlich.

Inhalt -> Struktur

Bsp. Threat D/VII 32. u. 33.

Der Inhalt des Teilbeitrags, eingebettet in den Inhalt des gesamten Threats, ermöglicht die Aussage über die Struktur.

Die Struktur wiederum ist das Instrument, welches die Bewertung und Bearbeitung des Inhalts überhaupt erst ermöglicht, ohne den Gesamtzusammenhang, also den Threat, im Ganzen zu sehen.

Struktur -> Inhalt

„Eine qualitative Inhaltsanalyse darf ihr Material nicht isolieren, sondern als Teil einer Kommunikationskette verstehen.“4

Aus dem oben aufgeführten Beispiel ist zu erkennen, dass erstens eine Adressatenbestimmung und zweitens eine Bestätigung einer vorherigen Aussage dieses Nutzers stattgefunden hat.

3.2 Strukturierung des Forschungsmaterials

Für die Ausarbeitung der Strukturen im gesammelten Forschungsmaterial (siehe WPP Kap. 8) habe ich Teile der von Philipp Mayring beschriebenen „Induktiven Kategorienbildung“ modifiziert.

Die Strukturen werden ganzheitlich ohne bestimmten Hintergrund oder Fragestellung erarbeitet. Aus diesem Grund wird keine Selektion der Texte vorgenommen. Einzelne Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Materialstücke werden lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit zusammengefasst und einem Strukturpunkt zugeordnet. Diese Vorgehensweise Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ermöglicht den Zugriff auf einzelne Teilstücke des ausgewerteten Materials, ohne den Gesamtzusammenhang zu verändern. In der Phase der Strukturierung findet also keine Bewertung oder Interpretation des Materials statt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3

Dieses Vorgehen ermöglicht eine Nachvollziehbarkeit des Forschungsmaterials im Hinblick auf das Verständnis einzelner Beiträge oder Textstücke. Die Übersichtlichkeit vereinfacht folglich auch die Analyse des Materials.

Im weiteren Verlauf werde ich anhand von Beispielen aus dem Forschungsmaterial Sachverhalte erläutern. Um Unklarheiten vorzubeugen, werden bei Bedarf Erklärungen hinzufügt und durch eckige Klammern erkenntlich gemacht.

4. Kommunikationsmöglichkeiten in Internetforen

Wissen über den Aufbau von Online-Drogen-Foren und Kenntnisse in Bezug auf Kommunikationsmöglichkeiten sind Voraussetzungen für Forschungen in diesem Gebiet. Aus diesem Grund möchte ich die technischen Anforderungen erläutern, sowie das mögliche Vorgehen eines Nutzers, mit der Absicht in einem Forum zu agieren, anhand eines Beispiels (www.drogen-forum.forum.frei.com) näher beschreiben.

4.1 Technische Voraussetzungen

Technische Voraussetzung für die Nutzung von Online-Drogen-Foren ist lediglich ein PC mit Internetzugang. Der Nutzer muss sich einer Anmeldung unterziehen, um Beiträge verfassen zu dürfen. Das Lesen der vorhandenen Threats ist in allen von mir erfassten Foren jedoch auch ohne diese möglich. Die Anmeldung erfolgt anonym, der Nutzer muss eine gültige E-Mailadresse, einen Benutzernamen und ein selbst gewähltes Passwort eingeben, sowie den Konditionen (Nutzungsbedingungen) zustimmen. Daraufhin wird ihm ein Aktivierungslink auf die angegebene E-Mailadresse geschickt. Nachdem er diesen durch Anklicken bestätigt hat, kann er das Forum uneingeschränkt und unentgeltlich nutzen.

Im weiteren Verlauf möchte ich das Vorgehen eines Users im Drogen-Forum erläutern und anhand von Abbildungen (Screenshots) verdeutlichen.

4.2 Kommunikationsmöglichkeiten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.4

Im ersten Schritt muss der Nutzer auf die Seite des Onlineforums gelangen, dies geschieht entweder über die direkte Eingabe der Internetadresse (Abb. 4) oder Betätigung eines Links.

Dieser kann sich auf einer anderen Webseite oder dem Ergebnis einer Suchmaschine (Abb.5) befinden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.5

Auf der sich nun geöffneten Hauptseite (Abb.6) hat der Nutzer verschiedene Optionen. Entweder gibt er einen Suchbegriff zu einem speziellen Schwerpunkt ein (1) oder wählt mittels der vorgegebenen Menüpunkte ein Themenfeld aus (2). Für dieses Beispiel entscheide ich mich für „aufhörecke - du bist clean oder willst es werden?“ (3), da dieser Menüpunkt der Bachelorarbeit thematisch entspricht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.6

Eine neue Benutzeroberfläche öffnet sich (Abb.7). Der User hat nun entweder die Möglichkeit, den auf der vorherigen Seite ausgewählten Menüpunkt in Hinblick auf ein spezielles Thema zu durchsuchen (1), einen neuen Threat zu erstellen (2) oder einen bereits vorhandenen Threat zu öffnen, um diesen zu lesen und/oder sich daran zu beteiligen (3). Informationen wie die Zahl der Antworten und der Aufrufe sowie die Aktualität der Beiträge, können dabei als Orientierung dienen (4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.7

Im nächsten Schritt öffnet sich der gewählte Threat, also die Oberfläche, in der die Möglichkeit zur Kommunikation (siehe WPP. Kap. 6.2) besteht und die als Grundlage für meine Materialsammlung diente.

5. Beratung in Online-Drogen-Foren

Die Thematik in allen von mir ausgewählten Threats ist ähnlich. Es handelt sich immer um ein mit dem Drogenkonsum und dessen Auswirkungen verbundenen Problem. Beratung wird als Interaktion, die der Problemlösung und -bewältigung dient verstanden.5 Daraus schließe ich, dass (vielleicht auch unbewusst) Beratung in Online-Drogen-Foren stattfinden könnte. Im Folgenden möchte ich die Threats in Hinblick auf Beratung analysieren. Ich werde überprüfen ob beraten wird und um welche Formen es sich handelt. Dazu werden Kriterien der „alltäglichen“ sowie der „professionellen“ Beratung (siehe WPP. Kap. 7.1 u. 7.2) auf das Forschungsmaterial angewendet.

5.1 „Alltägliche“ Beratung

Die Kriterien einer Beratung lassen sich aus ihrer Definition (siehe WPP. Kap. 7.1) ableiten.

Demnach ist sie:

- Orientierungshilfe
- soziale Unterstützung
- Problembearbeitung
- im Alltag anzutreffen

„Beratung wird von Personen in Anspruch genommen, deren Erfahrungen, Kenntnisse und Kompetenzen nicht ausreichen urteilen, entscheiden oder handeln zu können und deshalb die Hilfe anderer suchen.“6

Diese Kriterien werden im nächsten Schritt auf das Forschungsmaterial angewandt. Ziel ist hierbei die Frage zu beantworten, ob in Online-Drogen-Foren Beratung stattfindet.

Jeder Threat wird mit einem Beitrag eröffnet, in dem die nachfolgenden Nutzer aufgefordert werden, sich zu einem bestimmten, drogenbezogenen Sachverhalt (Problembeschreibung) zu äußern bzw. Hilfestellung zu leisten (Handlungsaufforderung; Fragestellung).

Der Verfasser des ersten Beitrages, also der zu Beratene, möchte Hilfe von anderen Nutzern erhalten. Daraus lässt sich ableiten, dass er nicht in der Lage ist, dieses Problem ohne fremde Hilfe zu lösen. Es ist also davon auszugehen, dass seine Erfahrungen, Kenntnisse und Kompetenzen für die Bearbeitung dieses Problems, nicht ausreichen, um urteilen, entscheiden oder handeln zu können. Der Nutzer erwartet eine Orientierungshilfe („Doch wie soll ich da rangehen? Was kann ich machen“) sowie eine Problembearbeitung („Welche Tipps habt ihr, das Alles durchzusetzten?“). Die anderen Teilnehmer gehen auf diese Handlungsaufforderungen (Fragestellungen) ein und versuchen die an sie gestellten Erwartungen zu erfüllen.

Bsp. Threat B/II 13.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Beiträge der Angesprochenen enthalten, auch wenn die Akteure räumlich getrennt sind, eine soziale Unterstützung. Diese kann sich z.B. in Form von Zuspruch und Verständnis ausdrücken.

Bsp. Threat B/IV 20.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bsp. Threat B/VI 34.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Kriterien für eine Beratung sind somit fasst erfüllt. Der letzte Punkt, dass Beratung im Alltag anzutreffen ist, kann nur theoretisch überprüft werden. Laut einer ARD/ZDF – Onlinestudie nutzen 62,7% der Deutschen das Internet.7 Aus diesem Grund lässt sich das Internet und damit die Internetforen dem Alltag zuordnen.

Online-Drogen-Foren sind damit ein Medium in dem „alltägliche“ Beratung stattfindet.

5.2 Professionelle Beratung

Professionelle Beratungsgespräche sind im Gegensatz zu einer „alltäglichen“ Beratung vergleichsweise Komplex. Mein Ziel ist, einen Vergleich der Struktur eines professionellen Beratungsgesprächs mit dem Forschungsmaterial herzustellen.

Die Besonderheiten bei diesem Vorhaben liegen zum einen darin, dass einzelne Strukturpunkte zu Teilen außerhalb meines Informationsradius liegen (z.B. die Kompetenzeinschätzung des Beraters) und zum anderen wird in der Theorie von einer beratenden Person ausgegangen. Ich werde die Auswertung daher aus der Sicht des Ratsuchenden vornehmen. Die anderen beteiligten Nutzer haben folglich die Rolle eines beratenden Teams.

Die Threats werden nun mit den Strukturpunkten des von Hermann Boland entwickelten Ablaufschemas (siehe WPP. Kap. 7.2) verglichen. Aus den Threats wird jeweils ein Beispiel zur Verdeutlichung aufgeführt.

1. Kontaktaufnahme und Beziehungsaufbau Bsp. Threat A/I 1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Situationsklärung/-analyse Bsp. Threat F/I 3.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Zielbestimmung Bsp. Threat A/II 12.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4. Verhaltensanalyse Bsp. Threat E/XXVII 116.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

5.Problemlösung Bsp. Threat B/IV 25.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

6. Entscheidung Bsp. Threat A/V 25.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7. Handlungsplanung Bsp. Threat D/III 17.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

8. Abschluss des Gesprächs

9. Gesprächsevaluierung

Es ist festzustellen, dass fast alle Punkte des Ablaufschemas auch in den Threats vorhanden sind. Ausnahmen bilden lediglich der Abschluss des Gesprächs sowie die Gesprächsevaluierung. Ein professionelles regelgeleitetes Vorgehen ist nicht zu erkennen, die Strukturpunkte sind ungeordnet und teilweise aus dem Zusammenhang gerissen. Lediglich die Kontaktaufnahme findet immer im ersten Beitrag jedes Threats statt.

Es wird also keine professionelle Beratung in Online-Drogen-Foren praktiziert. Die Gründe hierfür liegen mit Wahrscheinlichkeit darin, dass die Nutzer zum einen nicht das Ziel haben, professionell zu beraten und es sich zum anderen um Individuen mit verschiedenen Hintergründen, Sichtweisen sowie Erfahrungs- und Wissenshorizonten handelt.

6. Laienhilfe in Online-Drogen-Foren

Eine Aussage über die berufliche Qualifizierung von Onlineforennutzern zu treffen ist nicht möglich. Ich gehe jedoch davon aus, dass es sich um Menschen handelt, die nicht im Bereich der professionellen Drogenarbeit ausgebildet sind. Anhaltspunkte, die den Verdacht eines professionellen Hintergrundes bestätigen könnten, sind nicht erkenntlich. Bei den Nutzern von Online-Drogen-Foren handelt es sich folglich ausschließlich um Laien. Die praktizierte Hilfe ist somit eine Laienhilfe (siehe WPP. Kap. 4).

Das Themenfeld Drogen wird problemzentriert behandelt. Der Kreis der Nutzer ist also begrenzt. Zum einen verfügen sie über Erfahrung zum Thema Drogen, zum anderen teilen sie eine kritische Einstellung. Die Laiengruppe, der an einem Threat Beteiligten, grenzt sich somit vom Durchschnitt ab.

Selbsthilfegruppen (siehe WPP. Kap. 5.1 u. 5.2) haben ähnliche Strukturen, ihre Mitglieder praktizieren Laienhilfe und sind auf eine bestimmte Problemlage und deren Bewältigung spezialisiert. Die Voraussetzung für die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe ist die eigene Betroffenheit. Diese resultiert wie bei den Forenteilnehmern aus persönlichen Erfahrungen.

Überschneidungen zwischen der Laienhilfe in Selbsthilfegruppen und Online- Drogen-Foren sind vorhanden. Ich werde im Folgenden das Forschungsmaterial mit den Kriterien von Selbsthilfegruppen, als besonderen Teil der Laienhilfe, vergleichen. Dies soll die Frage beantworten, inwiefern es sich bei Online- Drogen-Forum um ein Medium handelt, in dem Selbsthilfe praktiziert wird.

7. Selbsthilfe

Die Kriterien für das Bestehen einer Selbsthilfegruppe beziehen sich zum einen auf ihre Mitglieder und zum anderen auf die Gruppe. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden beide Teile getrennt bearbeitet, obwohl sie gleichermaßen relevant sind.

Kriterien, die durch das Forschungsmaterial nicht erfasst werden können (z.B. Freiwilligkeit), werden anhand anderer Quellen oder begründbarer Annahmen entwickelt.

Kriterien für das Bestehen einer Selbsthilfegruppe (Mitglieder)

1. Freiwilligkeit

Weder in den Beschreibungen der Forenbetreiber noch in den Threats lassen sich Anzeichen für Freiwilligkeit oder Zwang erkennen. Es ist davon auszugehen, dass die Selbstverständlichkeit der freiwilligen Teilnahme an Online-Drogen- Foren so groß ist, dass sie keiner Erwähnung bedarf. Daraus schlussfolgere ich, dass die Freiwilligkeit gegeben ist.

2. Die Mitglieder sind selbst oder als Angehörige betroffen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Angestrebte Veränderung ihrer persönlichen Lebensumstände

Bsp. Threat B/I 2.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Online-Drogen-Forennutzer erfüllen somit die Kriterien, die auch für Selbsthilfegruppenmitglieder zutreffen. Die Voraussetzungen für die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe sind bei ihnen also vorhanden. Die Anzahl der Personen, die mit diesen beiden Formen der Laienhilfe Kontakt hatten/haben ist unbekannt. Die Themenvorgaben bzw. Problemstellungen in den Threats lassen keine ausreichend begründbaren Aussagen zu. Das Einbringen von Erfahrungen in und mit Selbsthilfegruppen wäre durchaus möglich, jedoch nicht zwingend nötig. Die Nutzer könnten also in Selbsthilfegruppen tätig sein, ohne diese Information preiszugeben. Lediglich in zwei Threats (C u. D) wird direkter Bezug auf Selbsthilfegruppen genommen.

Ein Nutzer beschreibt die Selbsthilfegruppe als Ressource für seine abstinente Lebensweise (Threat D), ohne weiter darauf einzugehen. Die Intention für diesen Beitrag könnte das Aufzeigen der Möglichkeiten von Selbsthilfe für die anderen Teilnehmer sein.

Threat D/VII 34.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im anderen Beitrag (Threat C) wird die Selbsthilfegruppe als Instrument der Problemlösung empfohlen. Hintergrund ist die Verweigerung des Betroffenen, professionelle Hilfeleistungen (Arzt, Therapie oder Beratung) in Anspruch zu nehmen.

Threat C/VI 44.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Gruppentreffen sind auf örtlicher oder regionaler Ebene angesiedelt

Das Kriterium örtliche oder regionale Ebene können Online-Drogen-Foren nicht erfüllen. Der Grundgedanke ist eine Raum und Zeit unabhängige, frei zugängliche Kommunikationsplattform zu bieten, um so z.B. auch sehr spezielle Anliegen thematisieren zu können. Ein regional begrenztes Internetforum (z.B. auf die Stadt Osnabrück) würde, so meine Annahme, nicht den Standart der räumlich unbegrenzten Angebote erreichen.

2. Es soll kein materieller Gewinn erwirtschaftet werden

Beiträge für die Nutzung, der von mir ausgewählten Online-Drogen-Foren müssen nicht entrichtet werden. Auf den Seiten www.land-der-traeume.de und www.drogen-forum.forumfrei.com sind kleine Werbeflächen vorhanden. Es ist davon auszugehen, dass die erzielten Einkünfte zur Kostendeckung dienen und somit nicht als materieller Gewinn bezeichnet werden können. Informationen über die Höhe der Einkünfte und der anfallenden Kosten konnte ich über den Anbieter www.suchtmittel.de in Erfahrung bringen. Nach eigener Aussage belaufen sich die Kosten für das Angebot auf 150 € jährlich wovon 100 € für die Servernutzung veranschlagt werden. Auf dieser Seite besteht die Möglichkeit, zweckgebundene Geldspenden (zur Kostendeckung) zu erbringen.

3. Die Aktivitäten dienen der gemeinsamen Bewältigung von Krankheiten und/oder psychischen Problemen

Die Aktivität in Online-Drogen-Foren ist die Interaktion der beteiligten Nutzer. Der Themenbereich „Drogen“ beinhaltet sowohl Krankheiten als auch psychische Probleme. Die Teilnehmer unterstützen und helfen sich somit bei der Bewältigung ihrer themenbereichsspezifischen Probleme.

4. Regelmäßige Gruppenarbeit

Gruppen sind eine kleine Anzahl von zusammengehörigen Menschen.8 Demnach wäre aufgrund der Nutzermenge eine Gruppenarbeit in frei zugänglichen Internetforen nicht möglich. In dem Forschungsmaterial sind jedoch nur zwischen 6 und 16 Beteiligte pro Threat aktiv. Die Nutzeranzahl in Online- Drogen-Foren z.B. für einen bestimmten Threat unterliegt also einer Selbstregulation. Beiträge werden nur von einem kleinen Kreis aller möglichen Teilnehmer verfasst. Ich gehe davon aus, dass verschiedene, individuelle Beweggründe (z.B. Interesse an dem Thema, Anteilnahme,…) ausschlaggebend für die Beteiligung der Einzelnen sind. Daraus ergeben sich zeitlich begrenzte Gruppen, die zu bestimmten Threats gebildet werden. Eine feste Struktur ist jedoch nicht erkenntlich.

Regelmäßigkeit, im Sinne von festen Zeiten und Zeitabständen, ist nicht gegeben. Die Online-Drogen-Foren ermöglichen den Nutzern zu jeder Zeit einen Beitrag zu verfassen. Die Teilnehmer verhalten sich in diesem Punkt bedarfsgerecht. So antwortet z.B. der Verfasser eines Threats zeitnah auf an ihn gestellte Anfragen.

Somit ist das Kriterium der „Regelmäßigen Gruppenarbeit“ nicht in Reinform erfüllt, dennoch sind prozessbezogene Strukturen erkennbar, die Ähnlichkeiten aufweisen.

5. Angestrebt wird Gleichstellung, das gemeinsame Gespräch und gegenseitige Hilfe

Gleichstellung ist in Online-Drogen-Foren gegeben. Es gibt keine hierarchischen Strukturen, alle Nutzer haben die gleiche Stellung.

Aus Gründen der Kommunikationsmöglichkeiten in Internetforen findet ein gemeinsames Gespräch nicht statt. Threats werden jedoch immer im Kollektiv bearbeitet.

Die gegenseitige Hilfe ist geboten, obwohl immer nur ein Nutzer sein Anliegen schildert, können andere Teilnehmer von den Beiträgen profitieren.

Bsp. Threat A/III 17.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[In diesem Beitrag bedankt sich der Nutzer für eine Hilfestellung, obwohl sie in Bezug auf einen anderen Teilnehmer entstanden ist.]

Jeder Nutzer hat außerdem die Möglichkeit sein Anliegen zu formulieren, um so Hilfe zu erbitten.

6. Die Ziele richten sich nach den Mitgliedern

Online-Drogen-Foren unterliegen nur geringen Vorgaben in Bezug auf ihre Ziele. Durch die Menüführung (siehe Abb.3) wird eine grobe Richtung aufgezeigt. In den Threats formulieren die Nutzer individuelle Ziele.

Bsp. Threat D/I 6.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bsp. Threat C/V 40.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7. Keine „Professionellen Leistungen“

In Online-Drogen-Foren wird Laienhilfe praktiziert (siehe 6.). Somit werden keine “Professionellen Leistungen“ erbracht.

Abschließend ist festzustellen, dass die Schnittmenge von Selbsthilfegruppen und Online-Drogen-Foren groß ist. Unterschiede sind in erster Linie auf die verschiedenen Kommunikationsmittel zurückzuführen. So ist z.B. das 4. Kriterium (Regelmäßige Gruppenarbeit) für die in der realen Welt praktizierte Selbsthilfe unabdingbar. Regelmäßige Treffen aller Gruppenmitglieder sollen dazu dienen, ein Gruppengefühl zu entwickeln. Die einzelnen Mitglieder haben die Möglichkeit sich kennen zu lernen, um Vertrauen und Verständnis aufzubauen.9

Darüber hinaus ist, im Gegensatz zu Online-Drogen-Foren, eine Organisation der Treffen notwendig, damit die Mitglieder für ihre Tätigkeit einen zeitlich sinnvollen Rahmen haben. Diese Grundlage ermöglicht erst das erfolgreiche Bestehen einer Selbsthilfegruppe.

Online-Drogen-Foren sind somit keine Selbsthilfegruppen. Aufgrund der großen Ähnlichkeiten beider Formen von Laienhilfe eröffnen sie jedoch neue Fragestellungen.

- Lösen Online-Drogen-Foren die klassische Selbsthilfegruppe ab oder haben sie eine Zubringerfunktion?
- Können Selbsthilfegruppen im Internet auf Basis von Onlineforen agieren (z.B. im Falle besonders seltener Krankheiten)?

8. Vor- und Nachteile der Hilfe in Online-Drogen-Foren

Kommunikation und Strukturen in Online-Drogen-Foren unterliegen besonderen Gegebenheiten. Klassische Kommunikationsformen und Settings können nicht auf Internetforen angewandt und mit ihnen verglichen werden.

Vor- und Nachteile der Hilfe in Online-Drogen-Foren werden im Folgenden theoretisch sowie mit Hilfe des Forschungsmaterials herausgearbeitet und mit Beispielen belegt. Es ist zu beachten, dass nicht jeder Punkt einer Rubrik zugeordnet werden kann, da sich Vorteile sowie Nachteile ergeben können.

1. Anonymität und Selbstpräsentation

In Online-Drogen-Foren haben Nutzer die Möglichkeit, statt mit ihrem wahren Namen, Beiträge unter einem Pseudonym, dem Nickname, zu verfassen. Personenbezogene Daten werden in der Regel nicht preisgegeben. Falls sich ein Nutzer dazu entscheidet z.B. seinen Wohnort oder seine E-Mailadresse zugänglich zu machen, geschieht dies auf freiwilliger Basis.

Neben dem Nickname haben die Teilnehmer die Gelegenheit mithilfe eines Avatars aufzutreten. Dieser Stellvertreter eines Benutzers kann jede beliebige Gestalt haben. Er repräsentiert die reale Person in virtuellen Räumen.10

Die Nutzer können ihren Nickname sowie den Avatar frei wählen, auch so, dass Rückschlüsse auf die Person gemacht werden könnten.

Als Beispiel führe ich meinen persönlichen Nickname sowie Avatar in der Online-Community Studyvz (www.studivz.net) an. Aufgrund der Ähnlichkeit kann der Betrachter eine Verbindung zwischen meiner virtuellen und realen Person ziehen und weiß somit, wer sich hinter Nickname und Avatar verbirgt. Voraussetzung hierfür ist natürlich ein ausreichender Kenntnisstand in Bezug auf die reale Person.

Bsp.: Studyvz

Nickname -> Jonas T.

Avatar ->

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In den ausgewerteten Threats hat kein Nutzer einen Nickname oder Avatar der Rückschlüsse auf persönliche Daten zulassen würde.

Bsp.: Threat F

Nickname -> Hilope

Avatar ->

Ich stelle die Vermutung an, dass es sich bei Online-Drogen-Foren um Kommunikationsmedien handelt, in denen tabubehaftete Inhalte thematisiert werden. Fraglich ist, ob ohne die anonyme Teilnahme, Online-Drogen-Foren noch funktional wären. Durch Anonymität werden Ängste gemindert und viele Diskussionsbeiträge und Fragen erst ermöglicht.11

In der Kommunikation, also dem Threat, stellen sich die Nutzer selbst dar. Sie können Informationen über sich und ihr Problem auf das ihrer Meinung nach ausreichende Minimum reduzieren. Dies ermöglicht ihnen, anhand ihres geschriebenen Wortes, beurteilt zu werden. Hemmschwellen die für reale Hilfeangebote bestehen könnten, werden bewusst ausgeklammert.12 Ob Nutzer, bei dem Verfassen eines Beitrags z.B. unter Drogeneinfluss stehen, ein ungepflegtes Äußeres haben oder sehr jung sind, bleibt verborgen.

2. Niedrigschwelligkeit

Die Voraussetzungen für die Nutzung von Online-Drogen-Foren ist sehr gering. Lediglich ein internetfähiger PC ist notwendig. Es muss also kein großer Aufwand betrieben werden, um an Internetforen teilzunehmen. Eine räumliche Trennung existiert nicht.13 Die Nutzer können sich überall in das Netzwerk einwählen. Ich nehme jedoch an, dass die Teilnehmer in der Regel von zu Hause aus agieren. Unter Umständen werden lange Anreisewege, im Gegensatz zu Hilfsangeboten in der realen Welt, vermieden.

Öffnungszeiten müssen nicht beachtet werden. Die Nutzer können 24 Stunden am Tag auf Online-Drogen-Foren zugreifen. In den von mir ausgewählten Threats haben sie dieses auch getan und zu allen Tages- und Nachtzeiten Beiträge verfasst (siehe Tab.1).

Bsp.Threat F

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.1

Interessenten können die Threats vor einer Anmeldung oder dem Verfassen eines Beitrages lesen und sich so einen Überblick verschaffen. Bevor sie sich entschließen selbst aktiv mitzuwirken, ist es ihnen möglich, Umgangsformen sowie Lösungsstrategien und Meinungen zu bestimmten Themen zu erfassen.

Die Anmeldung (siehe 4.1) ist unbefristet. Der Nutzer kann jeder Zeit kündigen oder einfach nicht mehr aktiv teilnehmen. Es entstehen ihm weder Kosten noch Unannehmlichkeiten.

3. Kanalreduktion

Die ausschließlich textbasierende Kommunikation in Onlineforen führt zu einer Kanalreduktion. Nutzer können im Gegensatz zu einer Face to Face Kommunikation keine nonverbalen Botschaften wie z.B. Stimmlage, Gestik oder Mimik empfangen. Die Interpretation z.B. von Ironie oder Emotionen wird erschwert.14 Um dem entgegenzuwirken, werden im Internet Akronyme sowie Emoticons verwendet. Akronyme sind aus den Anfangsbuchstaben gebildete Kurzworte wie z.B. LOL (laughing out loud = lautes Lachen), die in Texte eingefügt werden. Sie ermöglichen Nutzern Gefühlsausdrücke zu verschriftlichen. LOL kann je nach Sinnzusammenhang Amüsiertheit, Freude oder Glück aber auch Schadenfreude ausdrücken. Emoticons (emotional icons) sind zusammengesetzte Textzeichen, die zum Ausdruck von Gefühlen oder Stimmungen eingesetzt werden z.B. :-) (Smiley; glücklich, fröhlich).15

Bsp. Threat B/XIII 62.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[Mit dem Emoticon ^^ möchte der Ersteller des Textes Zufriedenheit ausdrücken. Das Symbol ist den zufrieden gestellten Augen japanischer Comicfiguren (Animes) nachempfunden.16]

Weder Emoticons noch Akronyme können die Kanalreduktion ausgleichen, sie ermöglichen dem Leser nicht die Gefühlslage des Verfassers ausreichend erkenntlich zu machen. In dem Forschungsmaterial finden sich Emoticons sowie Akronyme wieder, die Benutzung geschieht allerdings eher vereinzelt.

Ich gehe davon aus, dass Online-Drogen-Foren aufgrund ihres Themenschwerpunktes besonders durch die Kanalreduktion betroffen sind. Durch die physische Abwesenheit des Gesprächspartners ist es z.B. nicht möglich seine körperliche Verfassung bei einer Antwort mit einzubeziehen.

Bsp. Threat F/XI 46.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[In diesem Beitrag wird einer Methadon-Substituierten mit Entzugsabsichten geraten, statt einer Entziehungskur erst eine Kur zur medizinischen Rehabilitation zu machen]

Die physische Anwesenheit der Ratsuchenden hätte in diesem Beispiel evtl. zu einer anderen Antwort geführt. Denkbar wäre eine schlechte körperliche und geistige Verfassung. Vielleicht ist sie nicht in der Lage sich zu artikulieren, verwahrlost und/oder stark unterernährt.

Hypothesen in diese Richtung lassen sich durch die Beiträge im Threat weder bestätigen noch verwerfen. In diesem Beitrag könnte die Situation der Ratsuchenden unterschätzt worden sein. In diesem Fall wäre der Rat, erst eine Kur zu machen, kontraproduktiv.

Die Kanalreduktion ermöglicht allerdings auch erst die ausgeprägte Anonymität, sowie die Vorteile der Selbstpräsentation.

4. Asynchrone Kommunikation

In Internetforen kann im Gegensatz zu einer Face to Face Situation keine synchrone Kommunikation stattfinden. Die Beiträge werden für die Leser erst in ihrer endgültigen Fassung sichtbar, d.h. der Verfasser hat die Möglichkeit sie nachträglich zu bearbeiten bzw. Änderungen vorzunehmen (z.B. zu korrigieren oder umzuformulieren). Die Spontanität eines echten Gespräches kann nicht erreicht werden. Es ist den Teilnehmern z.B. nicht möglich zu reagieren, während der Verfasser schreibt, und ihn z.B. zu unterbrechen.17 Dies erschwert, wie auch die Kanalreduktion, eine Einschätzung des geschriebenen Beitrags. Wie lange ein Nutzer braucht, um einen Text zu formulieren kann z.B. Aussagen über seine Überzeugung in Bezug auf eine Antwort zulassen.

Die asynchrone Kommunikation bietet aber auch Vorteile. So kann der Verfasser sich die nötige Zeit nehmen einen adäquaten Beitrag zu schreiben. Sprachstörungen bleiben z.B. unerkannt.

Aus dem Forschungsmaterial geht hervor, dass verschiedene Nutzer Probleme mit Kommunikation im Allgemeinen haben.

Bsp. Threat E /X 35.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bsp. Threat E /XV 51.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aufgrund der asynchronen Kommunikation in Online-Drogen-Foren ist es den Teilnehmern möglich Defizite wie z.B. Wortfindungsstörungen auszugleichen. Die Entstehungsdauer eines Textes kann den eigenen Voraussetzungen angepasst werden. Theoretisch könnten Hilfsmittel, wie z.B. ein Wörterbuch unbemerkt verwendet werden. Die Teilnehmer wählen den Zeitpunkt für das Verfassen eines Beitrags selbstbestimmt und sind somit nicht gezwungen in einem für sie ungünstigen Augenblick zu kommunizieren.

9. E-Partizipation

Die Einmaligkeit des Internets im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten sowie seine Verbreitung macht es nicht nur zu einem Massemedium, sondern zum einzigen Massenkommunikationsmedium. Klassische Massenmedien wie z.B. Fernseher oder Zeitungen geben ihre Inhalte gezielt an den Empfänger weiter. Im Internet sucht der Nutzer die Angebote und Inhalte selbstständig. Er trifft eine Auswahl, die seinen Erwartungen entspricht.

Im Gegensatz zur passiven Nutzung klassischer Massenmedien steht die Interaktivität des Internets. Der Nutzer hat die Möglichkeit individuell Angebote zu wählen, sowie interaktiv zu sein. Er kann Informationen verfassen und diese einer Person zugänglich machen oder eine massenhafte Verbreitung umsetzen.18 Onlineorientierte demokratische Partizipation wird durch Kommunikationsformen wie z.B. Internetforen realisiert. Offene Diskursräume für Bürger sind entstanden. Diese bieten die Gelegenheit der Kommunikation, Artikulation, Gemeinschaftsbildung und somit zur Partizipation.

Themenorientierte Online-Netzwerke übernehmen in Selbstverwaltung öffentliche Aufgaben in eigener Verantwortung. In diesem Zusammenhang spricht man von E-Partizipation als Bestandteil von E-Demokratie.19

Online-Drogen-Foren als kleiner Teil der internetbasierenden Kommunikationsformen ermöglichen die E-Partizipation im Bereich der Drogenhilfe. Bei ihnen handelt es sich also um eine Form des onlinebasierenden Bürgerengagements. Ihre Struktur sowie die Ähnlichkeit zu Selbsthilfegruppen untermauern diese Feststellung nochmals. Aus diesem Grund müssen sie und andere Formen der E-Partizipation politisch gesehen dem Feld des „Dritten Sektors“ zugeordnet und diskutiert werden.

[...]


1 Vgl. ARD/ZDF-Online-Studien 2006-2007 In: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de (Stand 10.05.2008)

2 Vgl. Gläser, J. u. Laudel, G. (2006): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. 2. Auflage. Wiesbaden. VS Verlag für Sozialwissenschaften. S.60 ff.

3 Luhman, N. (2004): Die Realität von Massenmedien. 3.Auflage. Wiesbaden. VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlag GmbH. S.14

4 Mayring, P. (2007): Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Techniken. 9. Auflage. Weinheim und Basel. Beltz Verlag. S.29

5 Vgl. Galuske, M. (2007): Methoden der Sozialen Arbeit – Eine Einführung. 7. Auflage. Weinheim und München. Juventa Verlag. S.168 f.

6 Grubitzsch, S. u. Weber, K. [Hrsg] (1998): Psychologische Grundbegriffe. Reinbeck. Rowohlt Verlag. S.70

7 Vgl. ARD/ZDF-Online-Studien 2006-2007 In: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de (Stand 10.05.2008)

8 Vgl. Wahrig, G. [Hrsg.] (1994): Deutsches Wörterbuch. 6. Auflage. Gütersloh. Bertelsmann Lexikon Verlag. S.585

9Vgl. Moos-Hofius, B. u. Rapp, I. (2005): Selbsthilfegruppen- ein Leitfaden für die Praxis. Stuttgart. S.12 f. In: http://www.baden-wuerttemberg.de/sixcms/media.php/597/Leitfaden-Selbsthilfe-Internet.pdf (Stand 20.05.2008)

10 Vgl. Mertens, P. [Hrsg.] (2001): Lexikon der Wirtschaftsinformatik. 4. Auflage. Nürnberg. Springer Verlag. S.60

11Vgl. Janssen, L. [Hrsg.] (1998): Auf der virtuellen Couch – Selbsthilfe, Beratung und Therapie im Internet. Bonn. Psychiatrie-Verlag. S. 139

12 Vgl. Winkler, K. u. Mandl, H. (2005): Virtuelle Communities – Kennzeichen, Gestaltungsprinzipien und Wissensmanagement-Prozesse. S.4ff. In: http://www.medienpaed.com/05-2/winkler_mandl1.pdf (Stand 14.05.2008)

13Vgl. Feike, K. (2003): Eigenschaften und Qualitätsmerkmale medizinischer Websites unter besonderer Berücksichtigung psychiatrischer Seiten. Technische Universität. Fakultät für Medizin. München. (Diss.). S.12 In: http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn= 973065249&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename= 9730 65249.pdf (Stand 23.05.2008)

14 Vgl. Erker, T. (2002): Psychosoziale Beratung im Internet – Eine Bestandsaufnahme mit kritischer Bewertung und Ausblick auf die Entwicklungsmöglichkeiten. Fachhochschule Dortmund. Fachbereich Sozialpädagogik. (Diplomarbeit). S.39ff. In: http://www.sozpaed.fh-dortmund.de/diederichs/pdfs/erker.pdf (Stand 25.05.2008)

15 Vgl. Liste gebräuchlicher Abkürzungen, Akronyme und Emoticons In: http://www.web-akronym.de/ u. http://de.wiktionary.org/wiki/Wiktionary:Emoticons (Stand 18.05.2008)

16 Vgl. Liste gebräuchlicher Emoticons In: http://de.wiktionary.org/wiki/Wiktionary:Emoticons (Stand 18.05.2008)

17 Vgl. Dürscheid, C. (2003): Netzsprache – ein neuer Mythos. S. 9ff. In: ds.unizh.ch/lehrstuhlduerscheid/docs/netzsprache.pdf (Stand 16.05.2008)

18 Vgl. Hamm, I. u. Hart, T. [Hrsg.] (2001): Kommunikationsordnung 2010 – Märkte und Regulierung im interaktiven Zeitalter. Gütersloh. Verlag Bertelsmann Stiftung. S.141 ff.

19 Vgl. Habbel, F (2002). E-Democracy und Bürgerschaftliches Engagement. In: Friedrichs, S. u.a. [Hrsg.]: E-Government – Effizient verwalten – demokratisch regieren. Gütersloh. Verlag Bertelsmann Stiftung. S.63ff.

Fin de l'extrait de 182 pages

Résumé des informations

Titre
Laienkompetenz und -hilfe - Am Beispiel einer Analyse von Online-Drogen-Foren
Sous-titre
Sucht-Selbsthilfe in Internetforen
Université
University of Applied Sciences Osnabrück
Note
1,5
Auteur
Année
2008
Pages
182
N° de catalogue
V122787
ISBN (ebook)
9783640279388
ISBN (Livre)
9783640305803
Taille d'un fichier
1462 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Abschlussarbeit besteht aus der Bachelorarbeit sowie dem unbenoteten WPP-Bericht. Dieser stellt zum einen die Voraussetzung zum Antritt der Bachelorarbeit da, zum anderen wird immer wieder Bezug auf ihn genommen.
Mots clés
Laienkompetenz, Beispiel, Analyse, Online-Drogen-Foren, Onlineforen, Internetforen, Drogen, Drogenhilfe, Selbsthilfe, Foren, Internet, Hilfe
Citation du texte
Jonas Templin (Auteur), 2008, Laienkompetenz und -hilfe - Am Beispiel einer Analyse von Online-Drogen-Foren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122787

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