Traumtheorie in E.T.A. Hoffmanns "Bergwerken zu Falun"


Hausarbeit, 2008

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Traumtheorie
2.1. Traumtheorie in der Aufklärung und Romantik
2.2. Traum und Traumtheorie in den Bergwerken zu Falun
2.2.1. Elis’ erster Traum
2.2.2. Elis’ zweiter Traum

3. Auf ein Wort zum Schluss

4. Literatur
4.1. Primärliteratur
4.2. Sekundärliteratur
4.3. Online-Recherche

1. Einleitung

„Wer wagt, durch das Reich der Träume zu schreiten, gelangt zur Wahrheit.“[1]

Der Traum genoss besonders in der Romantik eine große Wertschätzung. Ernst Theodor Amadeus Hoffmann war einer der großen Traumverehrer der Romantik. Dementsprechend empfand er auch den Traum als einen Weg zu ewigen Wahrheiten. Infolgedessen bemerkt Hoffmann im Roman „Die Elixiere des Teufels“, dass das, „was wir insgeheim Traum und Einbildung nennen, wohl die symbolische Erkenntnis des geheimen Fadens sein“ könne, „der sich durch unser Leben zieht“.[2] Ebenso lenkt in Hoffmanns 1819 erschienenen Werk „Die Bergwerke zu Falun“ ein Traum den entscheidenden Umbruch im Leben des Helden Elis Fröbom ein, denn der Begriff „Traum“ bezeichnet nach Alt die ins Extrem gesteigerte Entfremdung von der Wirklichkeit, in der eigentlich Freundschaftlichkeit erwartet wird, einen aber doch die Lemuren[3] der Nacht sehen lässt.[4] Ebenfalls die Namensgebung des Hauptprotagonisten ist präfigurierend für dessen Schicksal und wegweisend für die folgende Interpretation, da „vronberg“ im Mittelhochdeutschen „herrschaftliches Bergwerk“ bedeutet und aus Elis könnte sich aus dem Lateinischen „elisio“ ableiten, was soviel wie das Herausstoßen bzw. Auspressen ausdrückt.[5] Dieses Spätwerk Hoffmanns ist geprägt von einer biedermeierlichen Philisterstimmung und von Träumen, welche die Triebmächte der Hauptfigur auf starke Art und Weise beherrschen. Träume sind, wie Engel schreibt, faszinierend, irritierend zugleich und die vielleicht anthropologisch elementarste aller Dualismus-Erfahrungen, wobei eine Dualismus-Erfahrung erst durch das Zurückblicken im Wachen auf die Träume stattfindet.[6] Es wurde und wird versucht den Traum zu deuten, doch unmöglich ist dies Unterfangen, anders als bei literarischen Verarbeitungen von Träumen.

Ziel dieser Arbeit ist die Vorstellung der Konzeption der Traumtheorie von der Aufklärung bis zur Romantik, die Verarbeitung Hoffmanns der Traumtheorie und die Interpretation der Träume nach sexuellen Gesichtspunkten in den Bergwerken zu Falun.

2. Die Traumtheorie

2.1. Traumtheorie in der Aufklärung und Romantik

Das Verständnis des folgenden Zitats bildet die Grundlage, um die Entwicklung der Ansichten über Träume von der Aufklärung bis zur Romantik zu erfassen.

„Wer die Welt zu romantisieren versucht, hat sie zunächst einmal als gewöhnlich erfahren.“[7]

In der Aufklärung findet ein zunehmender Bedeutungsverlust übernatürlicher Träume statt, da göttliche Eingriffe auf die ehemalige Unmündigkeit der Menschen zurückzuführen sind und zur Zeit der Aufklärung nicht mehr benötigt wurden.[8] Des Weiteren wird in der Aufklärung versucht, alle Träume natürlich zu erklären.[9] Folglich wird der Traum im aufklärerischen Traumdiskurs als psychologisches Phänomen betrachtet, welches ein kurzzeitiges Versagen der Vernunft beinhaltet.[10] Der Traum geriet mit seiner vom Körper und von der sinnlichen Erfahrung unabhängigen Seelentätigkeit zum empirischen Beleg für eine dem Menschen eigene Tendenz, über die empirische Welt hinauszustreben.[11] Demzufolge impliziert der empirische Beleg eine partielle Unabhängigkeit von Körper und Seele. Dies wiederum widerspricht teilweise der aufklärerischen Anthropologie, welche vom Leitgedanken des ganzen Menschen definiert war in seiner Einheit von Leib und Seele. Nun halten die Romantiker an diesem Leitbild fest, doch es gibt einen zentralen Unterschied.[12] Dieser Unterschied liegt im erkenntnistheoretischen Paradigmenwechsel vom Empirismus zum Idealismus, genauer gesagt: zur idealistischen Naturphilosophie.[13] Der Traum repräsentiert nicht mehr das Ergebnis des Zusammenspiels von Rezeptoren und Speichermedien im Gehirn, wie man in der Aufklärung dachte, sondern gleicht einem Auswurf des Geistes, der sich im sinnlichen Bild zum Leib verstellt.[14] Während also noch in der Aufklärung der Traum erst einmal als nebulöse und letztlich uneffektive Funktion der Imaginationskraft bagatellisiert wurde, assoziierten ihn die Romantiker mit unbewusster Produktivität schlechthin.[15]

Wichtig für die romantische Traumtheorie ist nun, wie man sich das Leib- und Seelenschema im Nervensystem vorstellt. Das dualistische Schema, welches im Folgenden näher erläutern möchte, geht auf den Hallenser Arzt Johann Christian Reil zurück, der es 1807 entwickelte.[16] Das Nervensystem besteht aus dem Cerebral- und dem Gangliensystem, welche zwei voneinander getrennte Bereiche sind. Der Ursprung aller Bewusstseinsakte und aller willkürlichen Aktionen liegt im Cerebralsystem. Im Gegenzug dazu steuert das Gangliensystem alle Reproduktionsprozesse wie Wachstum, Ernährung, Atmung, Trieb und Sexualität. Wichtig hierbei ist zu wissen, dass im Wachen keinerlei Kontakt zwischen Ganglien- und Cerebralsystem stattfindet. Demnach entziehen sich die Vorgänge im Gangliensystem dem Bewusstsein ganz und gar und auf diese Weise wird das Gangliensystem zur physiologischen Basis für das romantische Unbewusste. Der Traum ist der einzige Kontaktpunkt zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten. Dort manifestiert sich das Unbewusste und wird so dem Bewusstsein zugänglich. Das romantische Unbewusste teilt sich in drei miteinander verwandte Bereiche. Erstens umfasst es alle Vorgänge der physischen Reproduktion, welche sich in der Seele als „Gefühle, Gemütsbewegungen und Leidenschaften“ niederschlagen und in ständiger Interaktion mit dem Bewusstsein stehen. Zweitens gehört das allgemeine Naturleben als Basis aller physischen und geistigen Produktionsakte dazu. Drittens ist das Unbewusste identisch mit dem Absoluten, das heißt der ursprünglichen Einheit von Subjekt und Objekt. Dadurch ist der Hintergrund skizziert, vor dem die romantischen Anthropologen ihre Traumtheorie entwickeln.[17] Außerdem schreibt Engel weiter, dass die Traumtheorie immer begleitet wird von einer Theorie des Schlafs[18] und einer Theorie des tierischen Magnetismus[19].

[...]


[1] Zitat von E.T.A. Hoffmann.

[2] Alt, Peter-André: Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit. München: Beck 2002. S.282.

[3] Die Lemuren waren bei den Römern im Gegensatz zu den segensreichen Laren und Penaten Schadensgeister, die als die Seelen friedlos Verstorbener umherirrten.

[4] Alt, Peter-André: Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit. München: Beck 2002. S.281.

[5] Hildebrandt, Alexandra: „Lebwohl, du heiterer Schein!“. Blindheit im Kontext der Romantik. Würzburg: Königshausen und Neumann 2002. S.67.

[6] Manfred Engel: Geburt der phantastischen Literatur aus dem Geiste des Traumes? Traum und Phantastik in der romantischen Literatur. In: Christine Ivanović/Jürgen Lehmann/Markus May (Hg.): Phantastik – Kult oder Kultur? Aspekte eines Phänomens in Kunst, Literatur und Film. Stuttgart, Weimar: Metzler 2003. S.153.

[7] Pikulik, Lothar: Romantik als Ungenügen an der Normalität am Beispiel Tiecks, Hoffmanns, Eichendorffs. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1979. S.55.

[8] Engel, Manfred: „Träumen und Nichtträumen zugleich“. Novalis’ Theorie und Poetik des Traumes zwischen Aufklärung und Hochromantik. In: Uerlings, Herbert: Novalis und die Wissenschaften. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1997. S.147.

[9] Ebd.

[10] Ebd. S.148.

[11] Ebd. S.151.

[12] Hier verweise ich auf mein oben genanntes Zitat von Lothar Pikulik.

[13] Engel, Manfred: Naturphilosophisches Wissen und romantische Literatur – am Beispiel von Traumtheorie und Traumdichtung der Romantik. In: Wissen in Literatur im 19. Jahrhundert. Hg. von Lutz Danneberg und Friedrich Vollhardt. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 2002. S.67.

[14] Alt, Peter-André: Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit. München: Beck 2002. S.244.

[15] Engel, Manfred: „Träumen und Nichtträumen zugleich“. Novalis’ Theorie und Poetik des Traumes zwischen Aufklärung und Hochromantik. In: Uerlings, Herbert: Novalis und die Wissenschaften. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1997. S.153.

[16] Alt, Peter-André: Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit. München: Beck 2002. S.269.

[17] Engel, Manfred: Naturphilosophisches Wissen und romantische Literatur – am Beispiel von Traumtheorie und Traumdichtung der Romantik. In: Wissen in Literatur im 19. Jahrhundert. Hg. von Lutz Danneberg und Friedrich Vollhardt. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 2002. S.70-72.

[18] Engel, Manfred: Naturphilosophisches Wissen und romantische Literatur – am Beispiel von Traumtheorie und Traumdichtung der Romantik. In: Wissen in Literatur im 19. Jahrhundert. Hg. von Lutz Danneberg und Friedrich Vollhardt. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 2002. S.72-73: Phänomenologisch wird der Schlaf in der Romantik nicht anders bestimmt als in der Aufklärung, physiologisch wird er aber neu erklärt: Das Cerebralsystem stellt die Tätigkeit im Schlaf ein, doch die Tätigkeit des Gangliensystems ist fortdauernd. Der Schlaf ändert seinen Grundcharakter, denn er ist kein Defizitzustand mehr, sondern einer von zwei periodisch wechselnden Grundzuständen der menschlichen Existenz. Wachen und Schlafen sind der periodische Wechsel von „bewusst“ und „unbewusst“.

[19] Ebd. S.73-74: Tierischer Magnetismus, oder auch Mesmerismus genannt, ist die Lehre von der angeblichen Heilwirkung des Magnetismus. Der Patient, oder meist die Patientin, werden hierbei in einen magnetischen Schlaf versetzt in dem dann vom Patienten bemerkenswerte Fähigkeiten entwickelt werden. Der Kranke kann Gedanken und Empfindungen des Magnetiseurs, aber auch der Außenobjekte wahrnehmen. Weiterhin kann er seine Krankheit lokalisieren, erkennen, sich über künftige Entwicklungen und mögliche Heilung äußern. In der Ekstase, dem höchsten Grad des magnetischen Schlafes, weiß und berichtet der Patient von räumlich fernen, vergangenen oder zukünftigen Ereignissen.

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Details

Titel
Traumtheorie in E.T.A. Hoffmanns "Bergwerken zu Falun"
Hochschule
Universität Bayreuth
Veranstaltung
PS Erzählungen von E.T.A. Hoffmann
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
13
Katalognummer
V122978
ISBN (eBook)
9783640279654
ISBN (Buch)
9783640871612
Dateigröße
433 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
- sehr gute Fußnoten-Arbeit - bei der Analyse ist natürlich alles aus dem Primärtext belegt, aber es fehlen Zitate aus dem Primärtext - einige wenige sprachliche Schwächen, da zu oft pathetisch - guter Aufbau, der eingehalten wurde - schwache Zusammenfassung
Schlagworte
Traumtheorie, Hoffmanns, Bergwerken, Falun, Erzählungen, Hoffmann
Arbeit zitieren
Katharina Ströhl (Autor:in), 2008, Traumtheorie in E.T.A. Hoffmanns "Bergwerken zu Falun", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122978

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