Valie Exports

Erläuterung von Texten und Interviews und Herstellung eines Bezuges zu ihren Werken


Term Paper (Advanced seminar), 2008

22 Pages, Grade: 1, 0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Valie Export

3. Sprach- und Bildzeichen
3.1 Kulturation ist Substitution und Absenz
3.2 Weiblichkeit als Funktion
3.3 Weiblichkeit als Bild
3.4 Weiblichkeit –eine Differenzerfahrung im Nospace

4. Bezüge zu anderen Künstlerinnen.

5. Zusammenfassung und Kritik

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Die Ganzheit ist eine Wunschvorstellung unserer Nervenzerrüttung.

Das Unsichtbare ist nicht das Unsinnliche, denn es ist das Spürbare.

Statt Leibinseln entstehen Leitballen, von der Linienhaut zusammengehalten.[1]

Wie transformieren Künstler ihre Werke in das Zeichensystem Sprache?

Der Rezipient, sofern er das vom Künstler erstellte Werk nicht mit seinen Wertevorstellungen oder bisherigen Bilderfahrungen in Einklang bringen kann, erwartet in den Äußerungen des Künstlers meist eine Antwort auf die Fragen nach dem ,Was ?’, nach dem ,Wie ?’ und nach dem ,Warum ?’ des künstlerischen Schaffensprozesses.

Da Künstler und Rezipienten das jeweilige Werk oder die Werkreihen von individuellen Standpunkten aus betrachten, fließen die Gedanken und Ideen beider Seiten nicht in einem Endpunkt zusammen.

Obwohl es unmöglich ist, die Werke durch Sprache zu ersetzen, ist der Rezipient geneigt, neben einer chronologischen Abfolge der Ideen- und Gedankengänge, die dem Arbeitsprozess vorausgingen, ein vom jeweiligen Künstler über sich selbst erstelltes psychologisches Gutachten, unter Einbezug aller biografischen und historischen Faktoren zu erwarten.

Dass der Künstler dies nicht vermag und so auch keine vollständige Analyse und Interpretation bieten kann, und auch nicht sollte, da dies dem Sinn der Kunst widersprechen würde, ist dem Rezipienten oft nicht bewusst.

So würde der Künstler bei einer vollständigen Interpretation den Rezipienten um diverse Deutungsmöglichkeiten und Perspektiven berauben, da jeder Mensch über ein angeborenes Bildwissen und Erfahrungen verfügt, die rechtshemisphärisch gespeichert, sowie verarbeitet wurden und nicht verbalisiert werden können.

Die philosophische Sprachtheorie setzte voraus, dass Dinge, die sich nicht in bestimmter Weise sagen ließen, keine Realität haben. Nach Wittgenstein sind die

Grenzen der Sprache auch die Grenzen der Welt.[2]

Doch gerade das Unbestimmte, Unsagbare der künstlerischen Idee stellt häufig einen der elementarsten Schritte des künstlerischen Schaffensprozesses dar.

Zwischen der Struktur der Sprache und derjenigen der Wirklichkeit besteht

zwingende Gleichwertigkeit. Das Sein reicht soweit wie die Sprache. Die

Logik der Prädikation ist dabei zweiwertig: Sie kennt nur Ja und Nein. Mit

dem Unbestimmten, dem Potenziellen, Abwesenden oder Nichtigen tut sie

sich schwer. ,,Nichts“ hat keine Prädikate. Aber ohne das Mannigfaltige, das

Vieldeutige, Sinnliche und Mehrwertige lässt sich über Bilder nicht wirklich

nachdenken.[3]

Der Künstler, sofern er um Erläuterung seiner Arbeiten gebeten wird, geht einen erneuten Dialog mit seinem Werk ein; einen Dialog, den er zuvor vielleicht schon abgeschlossen hatte. In diesen Dialog werden neue und auch vorangegangene Erkenntnisse, sowie innere Bildwelten neu einbezogen.

Die Werke sind meist nicht in einem linearen Prozess entstanden, sondern stehen am Ende einer Reihe von Synthesen und am Ende eines vielschichtigen intermedialen Prozesses, dessen Schritte im Einzelnen nicht immer rekonstruiert werden können.

Wenn Künstler über ihre Bilder schreiben oder reden, gehen sie verschiedene Wege. Die erneute Beschäftigung mit dem eigenen Werk kann zu einem neuen Werk führen, das schon vorhandene Ideenkomplexe aufnimmt und sie um einen Schritt, beziehungsweise eine Fragestellung erweitert, oder zu Texten, die scheinbar völlig unabhängig als selbständige Werke neben den Bildern existieren und mit ihren Neologismen oder ihrer poetischen Form den Rezipienten erneut auffordern, sein Welt-Bild- und Sprachwissen zu aktivieren.

Im Folgenden werde ich mich Texten und Interviews der Künstlerin VALIE EXPORTs widmen, diese erläutern und den Bezug zu einigen ihrer Werke herstellen. Die Erläuterungen beziehen sich hauptsächlich auf ihren Text ,,Das Reale und sein Double: Der Körper“, aus dem Jahr 1992, basierend auf ihrem Vortrag den sie 1987 im Kunstmuseum in Bern hielt.

2. Valie Export

VALIE EXPORT wurde 1940 in Linz/Österreich als Valie Lehner –heute Stöckinger geboren.

Ich hatte den Namen meines Vaters und den Namen meines geschiedenen MaMannes und irgendwo sind dann doch immer Identifikatoren drinnen, ja, die mi mich mit wem zusammenbringen, die wohl mit mir was zu tun haben…. Ich wowollte eigentlich meinen eigenen Namen kreieren, weil ich meine eigene Kunst mamache… und dann ist mir Export eigentlich am sinnvollsten erschienen, weil ichich exportiere meine Ideen, ich exportiere meine Gedanken, ich gehe Ex-Port, ichich gehe aus diesem Hafen aus diesem umschlossenen Bereich und begebe aufmich auf die Weltenmeere der Zivilisation oder der Kultur.[4]

Ihre künstlerische Arbeit umfasst unter Anderem Video Environments, digitale Fotografie, Installationen, Body Performances, Spielfilme, Experimentalfilme, Dokumentarfilme, Expandet Cinema, konzeptuelle Fotografie, Körper-Material-Interaktionen, Persona Performances, Laser Installationen, Objekte, Skulpturen sowie Texte zur zeitgenössischen Kunstgeschichte und zum Feminismus.

Sie gehört in den späten 1960er Jahren zu den umstrittenen Künstlern Österreichs, die sich mit Fragen zur Konstruktion von Wirklichkeit und mit bildnerischen Darstellungen von psychischen Zuständen befassen.

Das Thema des weiblichen Körpers und der Repräsentation der Frau in der Gesellschaft formuliert sie unter Einsatz der eigenen Person. Ihr eigener Körper ist meist Gegenstand der Aktion und somit Hauptmedium. Sie überschreitet Tabugrenzen, konfrontiert mit bürgerlichen Zwängen und erörtert medial konstruierte Frauenbilder.[5]

3. Sprach- und Bildzeichen

Wie diverse andere Künstler, beschreibt und interpretiert VALIE EXPORT ihre Werke nicht wie ein Rezipient seinen Blick führt, wie man einen Versuchaufbau beschreiben, oder die inneren Vorstellungen eines imaginären blinden Rezipienten durch das Bild oder die Performance leiten würde.

In ihrem Text ,,Mediale Anagramme“ von 1990 bezeichnet sie ihre Arbeiten als Notizbücher, in denen immerwieder die Seiten, Aufzeichnungen, Bilder in andere Zusammenhänge gebracht werden und neue Bedeutungen einen neuen Kontext ermöglichen, was die oben bereits erwähnte Vielschichtigkeit des künstlerischen Prozesses stützt:,, Das Medium ist nicht allein Botschaft die, oder anders, das Medium ist nicht nur Eine Botschaft“[6]

Ihre gesprochenen Texte oder auch schriftlichen Dokumente stellen somit meist selbständige, unabhängige Einheiten dar, die eine Kritik, ein soziologisches Profil der Gesellschaft entwickeln.

EXPORTs Ausführungen lassen sich in Thesen fassen, die im Einzelnen erläutert und mit einigen ihrer Werke in Zusammenhang gebracht werden sollen.

Es sind Thesen über ein Fortschreiten der Kultur mit seinen Auswirkungen und Risiken, insbesondere in Bezug auf den weiblichen Körper und die Identitätsfindung der Frau.

3.1 Kulturation ist Substitution und Absenz

Die fortschreitende Vervollkommnung und Ersetzung der natürlichen Organe

durch künstliche Werkzeuge, die wiederum selbst neue Werkzeuge und

künstliche Organe herstellen können, bewirken einen kulturellen Fortschritt,

schufen eine Kulturhöhe, eine zivilisatorische Pyramide an deren Spitze der

Mensch als eine Art Prothesengott sitzt.[7]

Angelehnt an Freuds These, der Mensch sei ein Mängelwesen, das sich zu einer Art Prothesengott entwickelt hat, formuliert EXPORT ihre Grundgedanken zu weiteren Entwicklungsprognosen für die Gesellschaft und die Rolle der Frau.

Sigmund Freud verwendete den Begriff „Prothesengott“ in seiner Arbeit „Das Unbehangen in der Kultur“ (1930), um einen Zustand der menschlichen Kulturentwicklung zu beschreiben, in dem der Mensch im Widerspruch zu seiner biologischen Veranlagung lebt. Nach Freud schützt er sich mit der Kultur gegen die Natur und regelt so das menschliche Zusammenleben.

Kultur stellt sich als die Summe dessen dar, was den Menschen von seinen tierischen Ahnen unterscheidet. Durch Wissenschaft und Technik kann der Mensch zudem Wunschvorstellungen realisieren, die lange Zeit als unerfüllbar angesehen wurden.[8] Im medizinischen Bereich trifft dies auf zahlreiche Techniken zu, mit deren Hilfe der menschliche Körper geheilt, manipuliert oder beeinflusst werden kann, wie zum Beispiel In-vitro-Fertilisation, plastische Chirurgie, Gentechnik oder auch Transplantationsmedizin.

Diese Aspekte der menschlichen Evolution, der Schutz vor der eigenen Natur und der Aufstieg zu einer Art Gottmensch, haben zu einem partiellen Verlust des Körpers geführt. Der Mensch hat längst vergessen, dass er selbst ein Teil der Natur ist. Er triumphiert über sich selbst und wird zu seinem eigenen Eliminator. Der Zustand der Vollendung des Körpers ist demzufolge eine Scheinrealität.

Der Mensch ist auf dem Weg zu einer ideologischen Identität, wobei er seine ökologische verliert.

In Zeugnissen vergangener Jahrtausende lassen sich stets Beispiele für des Menschen Kampf mit seiner Natur, mit seinem Körper finden. Die christliche Religion erzeugte zum Beispiel die Urangst vor der Triebstruktur des Menschen. Der Körper wurde zu einem Symbol für Sündhaftigkeit, damit zu einem Feind und musste bekämpft werden.

In der antiken Zeuxislegende erhielt der Bildhauer Zeuxis den Auftrag, ein Bildnis der schönen Helena zu erstellen. Zu diesem Zwecke komponierte er aus den Körperteilen der schönsten Mädchen der Stadt das Gesamtbild der Helena. Pygmalion fand in seiner eigens geschaffenen Statue die perfekte Frau.

Mary Shelleys Frankenstein stellt ebenfalls ein Zeugnis menschlicher Allmachtsfantasien in Bezug auf den Körper und dessen Konstruktion dar.

In seinen Visionen kreierte der Mensch stets Menschenmaschinen, die ihm selbst überlegen waren. Die Kino- und Fernsehwelt prägte das Bild eines Cyborgs aus der fernen Zukunft, mit dem Aussehen eines Menschen und der Kraft einer Maschine mit bionischen Gelenken, die zum Beispiel die Seh- und Muskelkraft, ins Übermenschliche steigern.

Die neuste Entwicklung stellen analoge Welten dar, wie zum Beispiel die derzeit stetig wachsende Community von Second Life.

[...]


[1] Lassnig, Maria: Die Abstraktion, in: Katalog Galerie Ulysses, Wien, 1992, o.S.

[2] Wittgenstein, Ludwig: Logisch-philosophische Abhandlung. Tractatus logico- philosophicus, isKritische Edition, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1998

[3] Maar Christa: Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder. Köln 2004, 38.

[4] www.fehe.org/index.php?id=572 - 59k, VALIE EXPORT im Interview mit Felicia Herrschaft, April 2004 (16. o8.2008)

[5] Vgl. Grosenick, Uta: Women Artists, Künstlerinnen im 20. und 21. Jahrhundert, Köln 2005.

[6] Grosenick, Uta: Women Artists, 76.

[7] EXPORT,VALIE : Das Reale und sein Double: Der Körper, Bern 1992, 8.

[8] Vgl., Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur, Wien: Internationaler Psychoanalytischer VVerlag 1930 Erstdruck. (Zahlreiche Neuausgaben, z. B. in: Das Unbehagen in der Kultur und aandere kulturtheoretische Schriften, Fischer, 2001).

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Details

Title
Valie Exports
Subtitle
Erläuterung von Texten und Interviews und Herstellung eines Bezuges zu ihren Werken
College
University of Cologne  (Kunst und ihre Didaktik )
Course
Künstlertexte - Das andere Sprechen zum Werk
Grade
1, 0
Author
Year
2008
Pages
22
Catalog Number
V123017
ISBN (eBook)
9783640295616
ISBN (Book)
9783640301584
File size
908 KB
Language
German
Keywords
Valie, Exports, Künstlertexte, Sprechen, Werk
Quote paper
Mareike Rolef (Author), 2008, Valie Exports, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123017

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