Diese Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Zunächst gehe ich auf das jüdisch-christliche Menschenbild ein, das durch die moderne Hirnforschung in Frage gestellt wird. Sodann folgt als Gegenbild hierzu eine kontroverse Diskussion über den neuronalen Reduktionismus, für den mentale Zustände nichts anderes als physikalische Phänomene sind. Die Schlußbetrachtung versucht, die Grenzen der neuronalen Hirnforschung aufzuzeigen und bietet dadurch den Vertretern des abendländischen Menschenbilds die Chance zum Dialog mit den Neurowissenschaftlern. Es soll gezeigt werden, daß trotz der ernstzunehmenden neurowissenschaftlichen Ergebnisse, die das Menschenbild verändern könnten, letzten Endes die Theologen ihren Fuß in der Tür der Neurowissenschaftler behalten.
Inhalt
Einleitung
1. Das jüdisch-christliche Menschenbild
1.1. Vorbemerkung
1.2. Das Menschenbild im AT
1.2.1. Ganzheitliches Verständnis vom Menschen
1.2.2. Wesensbestimmung des Menschen
1.3. Das Menschenbild im NT
1.3.1. Vorbemerkung
1.3.2. Der Kern des christlichen Menschenbildes
1.3.3. Das Menschenbild Jesu
1.3.4. Das Menschenbild des Paulus
2. Der Neurowissenschaftliche Standpunkt
2.1. Vorbemerkung zum neuronalen Reduktionismus
2.2. Materialistische Deutung: Der eliminative Physikalismus
2.2.1. Der Mensch - nichts anderes als ein neuronaler Automat?!
2.2.2. Anfragen an den eliminativen Physikalismus
2. 3. Das Körper-Geist-Problem
2.3.1. Ein Trilemma
2.3.2. Das Argument der Erklärungslücke
2.4. Das Rätsel des Bewußtseins – die Tür bleibt offen! Das Rätsel der Qualia
2.5. Das Rätsel des Zusammengehens von Erster- und Dritter- Person-Perspektive
2.5.1. Problemstellung
2.5.2. Die Erste- und Dritte-Person-Perspektive in ihrer rätselhaften Verstrickung
3. Schlußbetrachtung: Was bleibt?
4. Literaturverzeichnis
Bemerkung zu der Fußnotensetzung:
In dieser Arbeit habe ich bei der Erstnennung der jeweiligen Autoren den entsprechenden vollständigen Titel ihres Artikels, Aufsatzes oder Buches genannt. Danach habe ich lediglich die Namen samt Seitenzahl angegeben. Sofern ich auf mehr als eine literarische Quelle des Autors zurückgegriffen habe, habe ich stets den Kurztitel angegeben, damit die Zuordnung eindeutig ist.
0. Einleitung
Problemstellung:
Eine Kamera wurde 1887 zum Schreckgespenst der Xingu-Indianer in Brasilien. Diese gingen nämlich von der aus unserer Sicht schlichten, mythischen Vorstellung aus, menschlicher Geist sei nichts anderes als ein Abbild des Körpers und damit ablichtbar. Kameraaufnahmen sind diesem Verständnis nach identisch mit dem Raub von Seelen.[1] Die abendländischen, mit Kamera ausgestatteten, Forscher von damals maßen jenem Gedanken keine Bedeutung zu und legten ihn in der Rubrik „unmöglich“ ab, so wie das sicherlich viele heutige Zeitgenossen auch tun würden. Ganz abwegig ist jedoch diese Vorstellung nicht, wie moderne Neurowissenschaftler unserer Tage auf vielfältige Weise zeigen; denn moderne Techniken ermöglichen es, aktive Hirnareale mit entsprechenden phänomenalen Bewußtseinszuständen zu identifizieren. Das muß einerseits ernstgenommen, darf jedoch andererseits – wie noch gezeigt werden wird – nicht überbewertet werden. Die Hirnforscher können auch nicht mehr leisten, als jene Korrelation zu bestätigen: Bewußtsein und damit eine subjektive Innenperspektive zu haben, geht aus Materie, dem Körperlichen, hervor, es emergiert. Nichts ist uns vertrauter, als daß wir uns als Menschen vorfinden, die wir nun einmal sind. Dennoch wird das Bewußtsein, wird die Körper-Geist-Beziehung auch weiterhin ein Rätsel bleiben, das u.a. nach der Ansicht von FLOHR nicht zu entschlüsseln ist.[2] Neurowissenschaftler unserer Zeit sind in ihren Beurteilungen gewisser Erkenntnisse vorsichtiger geworden. Sie haben erkannt, daß nicht vorschnell gewertet, insbesondere, daß Bewußtsein nicht nur auf Physikalisches reduziert werden darf, weil der Mensch ein „hochkomplexer nichtlinearer Neuroautomat“[3] sei. Die Zeit des strengen Materialismus ist vorbei und damit jene, in der beispielsweise Bewußtsein der Freude als ausschließlich physikalisches Phänomen gegolten hat. Natürlich – und das wird in dieser Arbeit gezeigt – ist mit Freude eine Reizung von Nervenfasern verbunden, denn ohne Gehirn gibt es kein Bewußtsein. Freude geht allerdings nicht im Neuronalen auf bzw. Mentales darf nicht in Neuronales aufgelöst werden. Man könnte meinen, daß hier ein Dualismus Geist-Physik vorliegt, mit allem, was zu den jeweiligen Gebieten dazugehört. Es wäre allerdings angebrachter, von zwei verschiedenen Perspektiven als von einem Dualismus zu sprechen. Denn es gilt ja nicht, eine Person-Perspektive auf die andere reduzieren zu wollen. Überhaupt – und das ist die Pointe des Bewußtseinsrätsels – kann sich niemand so recht vorstellen, wo die Lösung dieses Problems zu finden sein könnte. Was fast 2000 Jahre lang unter dem theologisch-philosophischen Begriffspaar „Leib-Seele“ angesiedelt war, gehört in unserer Zeit unter Einbeziehung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in den Dialog der Theologie mit den Neurowissenschaften, genauer: der Hirnforschung. Die mittlerweile gewonnenen Erkenntnisse über das Gehirn haben weitreichende Folgen und beschränken sich keineswegs auf den medizinisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Sie betreffen in fundamentaler Weise das Selbstverständnis des Menschen. Das Gehirn spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn es liefert die materiell–biologischen Grundstrukturen der menschlichen Identität und Personalität, die das Verhältnis des Ich zur Welt erst ermöglichen. Neurowissenschaftler und Theologen sind durch das zutiefst menschliche Bedürfnis der Frage nach dem Wer-wir-sind angetrieben, wenngleich sich die Akzentsetzungen der jeweiligen Lösungssuche diametral gegenüberliegen.
„Tief verankerte Vorstellungen von Seele, Bewußtsein, Selbstbestimmung und Verantwortung sehen sich konfrontiert mit ernüchternden Erkenntnissen über Aktionspotentiale, die Bedeutung von Neurotransmittern, neuronalen Verschaltungen und Ähnlichem. Die unmittelbare subjektive Erfahrung der kausalen Rolle mentaler Prozesse wie Gedanken, Intentionen, Wünsche und Gefühle für das menschliche Handeln scheint sich mit den Ergebnissen moderner Neurowissenschaften nur schwer in Einklang bringen zu lassen.“[4]
Auch wenn die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse schwerwiegend sind, so lösen sie doch weder das Rätsel, wie Materie Bewußtsein hervorbringen kann, noch können sie den Erfahrungsgehalt der Qualia[5] in Frage stellen. Es ist unbegreiflich, woher diverse Phänomene kommen, wie z. B. daß Materie überhaupt dazu kommt, eine subjektive Innenperspektive zu entwickeln, zu denken, zu lachen, zu jubeln, zu grübeln usw. Darin liegt u. a. eine große Chance für Theologen im Dialog mit Neurowissenschaftlern, für das christliche Menschen- und Schöpfungsbild einzutreten, das auf seine faszinierende Art Begriffe wie Seele, Geist, Personsein, Ich, Selbstorganisation usw. inhaltlich zu füllen vermag. Man könnte sicherlich schöne Dialoge führen, ohne daß einer der beiden Dialogteilnehmer am Ende des Gesprächs das Gefühl haben müßte, etwas von seinem Standpunkt aufgegeben zu haben. Abgesehen davon ist es vernünftig, legitim und der Realität entsprechend, vor der Rätselhaftigkeit gewisser Phänomene stehenbleiben zu dürfen.
Diese Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Zunächst gehe ich auf das jüdisch-christliche Menschenbild ein, das durch die moderne Hirnforschung in Frage gestellt wird. Sodann folgt als Gegenbild hierzu eine kontroverse Diskussion über den neuronalen Reduktionismus, für den mentale Zustände nichts anderes als physikalische Phänomene sind. Die Schlußbetrachtung versucht, die Grenzen der neuronalen Hirnforschung aufzuzeigen und bietet dadurch den Vertretern des abendländischen Menschenbilds die Chance zum Dialog mit den Neurowissenschaftlern. Es soll gezeigt werden, daß trotz der ernstzunehmenden neurowissenschaftlichen Ergebnisse, die das Menschenbild verändern könnten, letzten Endes die Theologen ihren Fuß in der Tür der Neurowissenschaftler behalten.
1. Das jüdisch-christliche Menschenbild
1.1. Vorbemerkung
Die Frage nach dem Menschen ist eine prinzipiell offene Frage. Auch in der Bibel findet man nicht das biblische Menschenbild schlechthin vor, sondern nur sich ergänzende bzw. z. T. im Gegensatz stehende Aspekte über das, was den Menschen auszeichnet.[6] Erst recht bieten die Heiligen Schriften keine Lösungen für konkrete moderne ethische oder naturwissenschaftliche Fragen des Menschseins. Eindeutige Antworten fehlen, z. B. wie die unveräußerliche Würde des Menschen oder die Freiheit des menschlichen Willens begründet sein sollten. Zum einen könnte man diesen vermeintlichen Mißstand nun beklagen, denn wer der Bibel autoritativen Anspruch zubilligt, der wünscht, daß diese ihm Richtschnur und Orientierung für das eigene Leben ist. Zum anderen aber liegt hierin meiner Überzeugung nach eine große Chance. Der gläubige Mensch kann sich in Freiheit und Verantwortung des biblischen Koordinatensystems bedienen und auf diese Weise Wegweiser auf seiner Suche nach Antworten auf große offene Fragen des menschlichen Lebens oder Menschenseins überhaupt finden.
1.2. Das Menschenbild im Alten Testament
1.2.1. Ganzheitliches Verständnis vom Menschen
Anthropologische Aussagen des Alten Testaments sind geprägt von einer ganzheitlichen Sichtweise des Menschen. Der Mensch wird nicht in Körper und Geist (Leib-Seele-Dichotomie) oder in Körper, Geist und Seele (Trichotomie) aufgegliedert.[7] Vielmehr sind den Organen des Menschen bestimmte Funktionen zugeordnet. So ist das Herz[8] das Organ des Verstandes und der Gefühle, aber auch dem Auge[9] wird wertendes und urteilendes Vermögen zugeschrieben. Der Gefühlsbereich ist nicht ausschließlich dem Herzen vorbehalten, sondern erstreckt sich über das gesamte Innere[10] des Menschen, die Organe Niere[11] und Leber[12], den Hals- und Kehlbereich[13]. Sehr treffend bringt Ps 16,9 diese ganzheitliche Sichtweise vom Menschen als psychosomatische Einheit zum Ausdruck: „Darum freut sich mein Herz und frohlockt meine Seele[14]. Auch mein Fleisch wird in Sicherheit ruhen“. Der ganze Mensch mit Verstand, Gefühl und Physis kann sich demnach in Gott geborgen wissen.
1.2.2. Wesensbestimmung des Menschen
Die anthropologischen Texte des AT zeichnen sich durch ihren dialogischen Charakter aus.[15] Hierbei geht es um den Dialog Gottes mit dem Menschen[16] bzw. den Dialog des Menschen mit Gott[17]. Nur vor Gottes Angesicht und im Bewußtsein seiner Verwiesenheit auf Gott kann der Mensch zum Menschen werden, wie dies Ps 8 treffend zum Ausdruck bringt. Relativ zentral, nämlich in Ps 8,5, ist die Frage nach dem Menschen positioniert: „Was ist der Mensch, daß Du sein gedenkst (…)?“. Die Frage nach dem Menschen und das Gedenken Gottes stehen in einem sehr engen Kontext. Nur aus der Perspektive Gottes können Antworten auf das Wesen des Menschen, das Was und Wer des Menschen, gefunden werden. Ohne Rückkopplung an Gott läuft der Mensch Gefahr sich selbst zu „vergotten“ und absolut zu setzen. Hier kommt deutlich zum Ausdruck, wie grenzenlos der Mensch auf Gott als seinem Gegenüber angewiesen ist. Diese konstitutionelle Eigenschaft des Menschen verbunden mit dem Objekt seines Strebens macht für PANNENBERG erst sinnvolles Sprechen von „Gott“ möglich. Der alttestamentliche Mensch zeichnet sich demnach durch seine Gottoffenheit aus.[18] Dabei sind Gottoffenheit und Weltoffenheit vom Grund her dasselbe. Dies unterstreicht u. a. Thomas von Aquin in seiner „Summa Contra Gentiles“. Seiner Ansicht nach strebt der Mensch auf ein oberstes Ziel, auf Gott zu bzw. auf das mit Gott gegebene summum bonum.[19] Alle anderen Ziele, nach denen der Mensch strebt, sind diesem höchsten untergeordnet und nur „vorläufige(n) Antworten“, die ihn bei der Suche nach seiner Bestimmung nicht ruhig stimmen, sondern antreiben.[20] Insofern begegnet der Mensch der Welt mit einer gewissen Offenheit. Indem er der Welt offen gegenübertritt, wird er mit seinem Leben direkt oder indirekt konfrontiert und damit mit der Frage nach seiner Bestimmung, mit der Frage nach Gott. Von Gott ist der Mensch in seiner Geschöpflichkeit abhängig, von Gott hat er sein Leben. Sehr plastisch wird dieser Schöpfungsakt in Gen 2,7 geschildert. Gott tritt hier formgebend in Erscheinung. Er produziert keine einheitliche Massenware, sondern fertigt höchst einzigartig den Menschen, dem dadurch Individualität und Personalität gegeben sind. Als Material dient ihm Staub vom Erdboden. Es bedarf allerdings noch des Lebensatems. Auch diesen erhält der Mensch durch Gott und wird so eine „lebendige Seele“ (Gen 2,7).[21] So schafft Gott aus toter Materie Leben. Hierbei wird die Abhängigkeit des Menschen von Gott als seinem Schöpfer deutlich, aber auch die Vergänglichkeit des Menschen. Er ist Staub und wird am Ende seiner Tage zum Staub zurückkehren. Für den Menschen im AT ist das gesamte menschliche Leben von seinem Anfang bis zu seinem Ende dem Handeln Gottes unterworfen und ganz in Gottes Händen.[22] Insofern ergibt sich ein Gottesbezug, der nicht mehr wegzudenken ist. So unterstreicht die Textstelle in Jer 1,5: „Ehe ich dich im Mutterschoß bildete, habe ich dich erkannt“, daß Gott es ist, der die Beziehung zum Menschen aufnimmt. Er ist es, der den Menschen liebend erwählt[23] und ihm auf diese Weise die unverlierbare Würde schenkt, die nur er geben kann. Zum vollen Menschsein gehört nach Gen 2,18 das partnerschaftliche Miteinander von Mann und Frau und damit die Sozialnatur des Menschen. Die Einsamkeit des ersten Menschen ist durchbrochen. Als gegenseitige Hilfen stehen sie füreinander ein.[24] Verantwortung soll der Mensch auch für die ihm anvertrauten Mitgeschöpfe tragen. So zeugen Gen 1,26-28 und 9,1-7 vom Herrschaftsauftrag des Menschen, der keinesfalls als Freibrief zur Ausbeutung der Schöpfung[25] mißverstanden werden darf. Unterstrichen wird dies durch die Tatsache, daß Gott den Menschen als sein Abbild geschaffen hat. Der Mensch hat als dessen Stellvertreter die göttliche Ordnung auf Erden zu sichern. Er steht als Repräsentant Gottes unter dem sittlichen Anspruch, den Willen Gottes durch lebensförderliches Handeln zu verwirklichen.[26] Im gelingenden diesseitigen Leben erfährt er heilvolle Gottesnähe, die allerdings mit dem Tod endet. Lange Zeit nämlich ist dem alttestamentlichen Menschen der Glaube an die Überwindung des Todes und ein Leben im Jenseits fremd.[27] Das ist insofern verwunderlich, als ein solcher Glaube die Vollendung von JHWHs heilsgeschichtlicher Offenbarung auch in bezug auf das Endschicksal des einzelnen Gläubigen – aus welchen Gründen auch immer – unberücksichtigt läßt. Der Glaube an die Auferstehung der Toten kam zu jener Zeit auf, als sich die JHWH–Gläubigen vermehrt Gedanken über die endzeitliche Manifestation der universalen Königsherrschaft Gottes gemacht haben. HAAG weist auf die Ansätze eines solchen Glaubens in Ez 37 hin. Darin wird die Vision von der „Wiederbelebung der Totenbeine“ beschrieben, die als solche ein „Bild für die auch im Tod erhalten gebliebene Identität des Volkes“ ist.[28] Gott schafft also den ganzen Menschen und möchte den ganzen Menschen heil machen. Die Ganzheitlichkeit ist der Schöpfung damit inhärent. Die Treue Gottes zu seinen Geschöpfen besteht auch über den Tod hinaus. Der Tod setzt dem Geschaffenen kein Ende, sondern ist das Durchgangstor zur neuen Schöpfung. So erklärt es sich, daß das Vertrauen des alttestamentlichen Menschen in Gottes Macht auch über das Todesreich mit der Zeit gewachsen ist.[29]
1.3. Das Menschenbild im Neuen Testament
1.3.1. Vorbemerkung
Das christliche Menschenbild ist grundlegend von dem Alten Testament her geprägt. Anthropologische Aussagen des Neuen Testaments zehren daher von dem jüdischen Erbe, über das Johannes Paul II. 1986 gesagt hat: „Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas ‘Äußerliches’, sondern gehört in gewisser Weise zum ‘Inneren’ unserer Religion.“[30] In den meisten Schriften des Neuen Testaments sind Aussagen über den Menschen implizit enthalten. Nur Paulus geht der Frage nach dem Menschen unter verschiedenen Gesichtspunkten nach; so fragt er z. B. nach der Bedeutung der Termini σωμα, ψυχη, πνευμα u. a. und entwickelt aufgrund dieser sein Bild vom Menschen.[31]
1.3.2. Der Kern des christlichen Menschenbildes
Zur zentralen Überzeugung christlicher Anthropologie gehört der bereits im Alten Testament zentrale Gedanke, daß der Mensch als freie konkrete Person von Gott geschaffen und von ihm als seinem Schöpfer „beim Namen gerufen“ (Jes 43,1) wurde. Dieses persönliche Angesprochenwerden von Gott erfolgt sehr subtil und läßt Raum für die freie Reaktion des Menschen. Es unterstreicht die Liebe, die seine Beziehung zu den Menschen auszeichnet. Der Name eines Menschen ist nämlich nicht nur etikettenhaft als Unterscheidungsmerkmal nützlich, wie dies z.B. bei der Vielfalt von Produktbezeichnungen von Waren im Supermarkt der Fall ist. In dem Aussprechen des Namens eines Menschen ist ein Mehr enthalten; ein Mehrwert, der in christlich-abendländischer Tradition als Würde des Menschen verstanden wird. Sehr tief faßt Jesaja im 43. Kapitel den Begriff der Personwürde. Gott, der den Menschen geschaffen und erlöst hat, gibt sich als derjenige zu verstehen, der stets der Begleiter des Menschen durch dessen Leben ist. Der Mensch ist Gott „teuer“, „wertvoll“ und hat Gottes Liebe (Jes 43,4), weil der Mensch sein eigen ist (Jes 43,1). Die Würde des Menschen steht hiernach in engem Zusammenhang mit der ernstgemeinten Schöpfung Gottes und nichts kann sie zerstören: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“ (Jes 43,1). Erwidert der Mensch nun als ein freies Gegenüber Gottes diesen Ruf, so ereignet sich der Dialog auf der Glaubensebene. Für RATZINGER ist der Glaube ein „Eintreten in das Gekanntsein und Geliebtsein von Gott her“[32]. Dieser Dialog verheißt Leben nicht nur in ferner Zukunft, sondern ermöglicht Auferstehung bereits im Hier und Jetzt.[33] Leben, das auf Ewigkeit ausgerichtet ist, trägt das Prinzip „Unsterblichkeit“ in sich. Insbesondere die Tradition hat das in einer mehr substantialistischen Begrifflichkeit mit „geistige(r), unsterbliche(r) Seele“ zu fassen gewußt.[34] Solch ein Seelenbegriff beinhaltet ja gerade das, was an anderer Stelle des Textes unter dem Dialog Gottes mit den Menschen festgehalten wurde: das „besondere(s) Gewolltsein, besondere(s) Gekanntsein und Geliebtsein von Gott“[35], „ein Wesen (zu) sein, das von Gott auf ewigen Dialog hin gerufen und darum seinerseits fähig ist, Gott zu erkennen und ihm zu antworten“[36]. Dialog Gottes mit den Menschen ist eine mehr geschichtliche, heutige Begrifflichkeit, die der dialogischen und personalistischen Sicht der Bibel eher gerecht wird. Die Bibel versteht den Menschen nämlich als Leib-Seele-Einheit und damit ganzheitlich, nicht dualistisch.[37]
[...]
[1] Vgl. WOLFF, Philip, Die Rettung der Seele, S. 1.
[2] Vgl. FLOHR, Hans, Die Realisierung von Bewußtseinszuständen, S. 43.
[3] LOICHINGER, Alexander, Seminarsitzung „Theologie und Neurowissenschaften“ vom 11.07.08, eigene Mitschrift.
[4] ENGELS, Eve-Marie und HILDT, Elisabeth, Die Herausforderungen der Neurowissenschaften – Zur Einführung, S. 10.
[5] Qualia sind qualitative Bewußtseinszustände und werden auch als Erlebnisqualitäten bezeichnet wie z. B. jegliche Art von Gefühlen, Körperempfindungen und Sinnesqualitäten. Qualia zeichnen sich durch ihren spezifischen phänomenalen Gehalt aus, d. h. es fühlt sich für ein erlebnisfähiges Subjekt immer auf eine bestimmte Art und Weise an, sie zu haben. Vgl. GOLLER, Hans, Das Rätsel von Körper und Geist. Eine philosophische Deutung, S. 163.
[6] Vgl. RITSCHEL, Dietrich, Artikel: „Theologische Anthropologie“, S. 163.
[7] Vgl. WOLFF, Hans Walter, Anthropologie des Alten Testaments, S. 21.
[8] Vgl. ebd. S. 90; S. 106.
[9] Vgl. DOHMEN, Christoph, Artikel: „Auge“, S. 1222.
[10] Im AT werden nur wenige innere Organe des Menschen benannt. So das Herz, die Leber, die Galle und die Nieren. Nicht aber die Lunge, der Magen und die Därme. Vgl. WOLFF, Hans Walter, S. 103.
[11] Vgl. Ps 16,7: Die Niere als Organ der Schulderkenntnis. Bemerkung in ELB (hier und im folgenden: Revidierte Elberfelder Bibel; abgekürzt: ELB): Die Niere als Sitz des Gewissens.
[12] Vgl. WOLFF, Hans Walter, S. 104.
[13] Vgl. ebd. S. 33–35.
[14] Im Kontext von Ps 16,9 stehen die anthropologischen Begriffe wie „Herz“, „Fleisch“, „Seele“, „Niere“. Die EÜ sowie einige Exegeten gehen davon aus, daß statt kebodi („es frohlockt meine Herrlichkeit “) ursprünglich kebedi („meine Leber“) zu lesen ist. Die Leber gilt als Organ starker emotionaler Empfindungen. So kann für Leber auch das Innere, die Seele verwendet werden. Vgl. HOSSFELD, Frank-Lothar, ZENGER, Erich (Hrsg.), Die Psalmen I. Psalm 1-50, S. 110.
[15] Vgl. WOLFF, Hans Walter, S. 16 f.
[16] Vgl. u.a. Ijob 38-41.
[17] Vor allem die Klage- und Danklieder, aber auch die Psalmen zeugen hiervon.
[18] Vgl. PANNENBERG, Wolfhart, Was ist der Mensch? Die Anthropologie der Gegenwart im Lichte der Theologie, S. 11.
[19] Vgl. THOMAS von Aquin, Summe gegen die Heiden, S. 61 und S. 63.
[20] Vgl. PANNENBERG, Wolfhart, S. 40.
[21] Vgl. WOLFF, Hans Walter, S. 43.
[22] Vgl. ebd. S. 161.
[23] Vgl. JÜNGLING, Hans-Winfried, Artikel: „Erwählung. Altes Testament“, S. 841 f.
[24] Vgl. WOLFF, Hans Walter, S. 251.
[25] Hierzu äußerten sich die deutschen Bischöfe 1998, daß „der Herrschaftsauftrag im Sinne der altorientalischen Königsvorstellungen als Hirtenmetapher zu verstehen (ist): Dem Menschen ist es anvertraut, die Tiere auf die Weide zu führen und zu leiten sowie die Erde verantwortlich für Ackerbau, Viehzucht und Städtebau in Besitz zu nehmen.“ Vgl.: Die deutschen Bischöfe, Handeln für die Zukunft der Schöpfung, S. 21.
[26] Vgl. SCHLÖGEL, Herbert, Umwelt und Ökologie. Theologisch-ethische Aspekte, S. 132.
[27] Vgl. WASCHKE, Ernst-Joachim, Artikel: „Auferstehung. Altes Testament“, S. 915.
[28] HAAG, Ernst, Artikel: „Auferstehung der Toten, A. des Fleisches“, S. 1191 f.
[29] Vgl. STEMBERGER, Günter, Artikel: „Auferstehung. Antikes Judentum“, S. 916 f.
[30] ZENGER, Erich, Heilige Schrift der Juden und der Christen, S. 18
[31] Vgl. SCHMID, Josef, Artikel: „Anthropologie, Biblische A.“, S. 611 f.
[32] RATZINGER, Joseph, Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis, S. 261. Das von RATZINGER Gemeinte könnte man in Abwandlung des bekannten Wortes von DESCARTES, cogito, ergo sum, auch so formulieren: cogitor, ergo sum. Damit kommt der Gedanke zum Ausdruck, daß der Mensch deshalb ein Mensch ist, weil er ganz ursprünglich von Gott als seinem Gegenüber gedacht wurde.
[33] Vgl. ebd.
[34] Vgl. ebd. S. 263.
[35] Ebd.
[36] Ebd.
[37] Vgl. ebd. S. 263 f.
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