Thomas Hobbes' Legitimation des Staates und seine Rezeption durch Carl Schmitt


Dossier / Travail, 2008

15 Pages, Note: 2,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Naturzustand bei Hobbes und die Konsequenz

3 Schmitts Folgerungen aus dem Naturzustand und die Bedeutung für Souveränität und Ausnahmezustand
3.1 Der Begriff des Politischen
3.2 Legalität und Legitimität
3.3 Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

Thomas Hobbes' Legitimation des Staates und seine Rezeption

durch Carl Schmitt

1 Einleitung

Affinität oder einseitige Wahlverwandtschaft, was verbindet Thomas Hobbes, den unorthodoxen und revolutionären Denker des 17. Jahrhunderts mit Carl Schmitt, einen der umstrittensten und kontrovers diskutierten Publizisten des 20. Jahrhunderts? Eine finale Antwort auf diese Frage steht noch aus und soll auch hier nicht angestrebt werden. Doch lässt sich ein Aspekt unter genauer Betrachtung bestimmen, der den Schwerpunkt der vorliegenden Ausarbeitung definieren soll und zumindest eine Teildimension der angesprochenen Fragestellung umfasst. Der von Thomas Hobbes unvergleichlich entwickelte Naturzustand, die daraus gefolgerte Konsequenz und deren Aufnahme und Weiterentwicklung durch Carl Schmitt für die Aspekte Ausnahmezustand und Souveränität.

Während im Falle des neuzeitlichen Pioniers lediglich eine Skizzierung seines Konzepts anhand des "Leviathan" erfolgt, werden bei Carl Schmitt gleich drei Werke im Vordergrund stehen: "Der Begriff des Politischen", "Legalität und Legitimität" und "Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes". Sinn dieser Synopse ist der Nachweis einer exakten Rezeption Hobbes' durch Carl Schmitt und der anschließenden Verarbeitung seines Erbes. Die Einschränkung auf die Thematik des Naturzustandes ist höchst selektiv und dem Umfang der vorliegenden Arbeit geschuldet. Dabei kann auf die zu Schmitts Zeiten[1] fast dreihundertjährige Rezeptionsgeschichte Hobbes, welche namhafte Philosophen wie Spinoza und Rousseau umfasst, aber auch berühmte Diskurse zu Hobbes Lebzeiten, wie die Auseinandersetzung mit Kardinal Bellarmin nicht eingegangen werden, obgleich der Stand der Forschung und die Wahrnehmung eines Autors in der wissenschaftlichen Diskussion einen (wenn auch subtilen) Einfluss auf jeden Rezipienten ausübt. Moderne Analysen, wie die Macpherson-These bleiben ebenfalls unberücksichtigt, weil die Darstellung des Naturzustandes nicht im historischen Kontext reflektiert, sondern anhand des Originalwerks erfolgt. Im Falle Carl Schmitts sollen einige Anregungen zu seiner Präsenz in der wissenschaftlichen Landschaft geboten werden, obwohl auch hier nur die Oberfläche tangiert wird.

2 Der Naturzustand bei Hobbes und die Konsequenz

Hobbes' entgültiger Bruch mit dem antiken Menschenbild des zoon politicon, wie es Aristoteles in seiner Politik entwarf, mit der diametral entgegengesetzten Konzeption des homo homini lupus ist bekannt. Weiter ist nach Hobbes der Staat nicht im antiken Verständnis physei und strebt damit naturbedingt dem höchsten Gut, der Eudaimonia, entgegen, sondern der Staat ist (um in der verwendeten Terminologie zu sprechen) thesei, existiert also nicht naturgemäß sondern ist durch einen bewussten, vernunftgeleiteten Akt der Konstruktion und Vereinbarung entstanden. Mit seiner Auslegung des Naturzustands vollzieht Hobbes auch eine Abkehr von dem mittelalterlichen Naturrechtsdenken, dass dieses zum lex aeterna erklärt hatte. Sein Naturzustand folgt zwar ebenfalls unwandelbaren Gesetzen, doch stehen diese im Sinne des "bellum (...) uniuscuiusque contra unumquemque".

Im berühmten Kapitel 13 des Leviathan (Teil 1, Vom Menschen) zeichnet Hobbes sein Bild des Menschen als relativ gleich starke und gleich intelligente Lebewesen[2] ; sie empfinden ferner "(...) am Zusammenleben kein Vergnügen, sondern im Gegenteil großen Verdruß, wenn es keine Macht gibt, die dazu in der Lage ist, sie alle einzuschüchtern."[3] Und, "So liegen also in der menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: Erstens Konkurrenz, zweitens Mißtrauen, drittens Ruhmsucht."[4] Daraus kristallisiert sich der unüberwundene Naturzustand als Kriegszustand, denn "Daraus ergibt sich klar, daß die Menschen während der Zeit, in der sie ohne eine allgemeine, sie alle im Zaun haltende Macht leben, sich in einem Zustand befinden, der Krieg genannt wird, und zwar in einem Krieg eines jeden gegen jeden."[5] Das Wesen des Krieges besteht nicht nur in den tatsächlichen Kampfhandlungen, sondern auch "(...) in der bekannten Bereitschaft dazu während der ganzen Zeit, in der man sich des Gegenteils nicht sicher sein kann. Jede andere Zeit ist Frieden."[6] Modern gesprochen kommt dadurch die Volkswirtschaft zum erliegen und, "was das Schlimmste von allem ist, beständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes - das menschliche Leben ist einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz."[7] Auch wenn Hobbes zur empirischen Illustration einige Beispiele anbietet; der Naturzustand vornehmlich ist als Gedankenexperiment zu betrachten. Das wird aus folgendem Zitat ersichtlich: "Vielleicht kann man die Ansicht vertreten, daß es eine solche Zeit und einen Kriegszustand wie den beschriebenen niemals gab, und ich glaube, daß er so niemals allgemein auf der ganzen Welt bestand. Aber es gibt viele Gebiete, wo man jetzt noch so lebt. (...) Wie dem auch sei - man kann die Lebensweise, die dort, wo keine allgemeine Gewalt zu fürchten ist, herrschen würde, aus der Lebensweise ersehen, in die solche Menschen, die früher unter einer friedlichen Regierung gelebt hatten, in einem Bürgerkrieg abzusinken pflegen."[8] Nach Hobbes befinden sich allerdings Könige und alle sonstigen souveränen Machthaber aufgrund ihrer Unabhängigkeit permanent im Kriegszustand.[9] "Weil sie aber dadurch den Fleiß ihrer Untertanen fördern, so folgt daraus nicht dieses Elend, das die Freiheit von Einzelmenschen begleitet."[10] Weiterhin behauptet Hobbes, dass im Naturzustand keine Kategorien wie Gerecht versus Ungerecht, respektive Mein contra Dein existieren, da "Wo keine allgemeine Gewalt ist, ist kein Gesetz, und wo kein Gesetz, keine Ungerechtigkeit."[11] Nunmehr lassen sich nach Hobbes mindestens vier Gründe nennen, die ein Streben nach Frieden selbst im Naturzustand als gesetzmäßig rechtfertigen. Zusammengefasst sind jene der Selbsterhaltungstrieb, das Verlangen nach einem angenehmen Leben, das Verlangen, die Früchte seines Fleißes genießen zu können und das Verlangen nach Wissen und friedlichen Künsten.[12] "Und die Vernunft legt die geeigneten Grundsätze des Friedens nahe, auf Grund derer die Menschen zur Übereinstimmung gebracht werden können. Diese Gebote sind das, was sonst auch Gesetze der Natur genannt wird."[13] Argumentativ geht Hobbes hier lediglich scheinbar naturrechtlich vor; er paart seinen Ansatz nämlich mit einem Denken in Gegensätzen, wie es später typisch für die Dialektik Hegels wurde. Auf diese Thematik, die bis zur antiken Schule der Stoa zurückreicht kann hier nicht eingegangen werden.

Abschließend sei kurz auf die Konsequenzen für die Staatskonstruktion aus dem bisher gezeigten eingegangen. Ein zentraler Baustein des Hobbesschen Systems ist der Grundsatz pacta sunt servanda, weil durch Vertragstreue ein Merkmal für Gerechtigkeit konstituiert wird. Im Kapitel 16 leitet Hobbes auf dieser Grundlage ab, dass ein Stellvertreter eine Menge von Personen zu einer Einheit schmieden kann.[14] Die Basis bildet eine Art Sozialvertrag. Im zweiten Teil des Leviathans (Vom Staat) stellt Hobbes seine konkreten Vorstellungen seiner Vertraglehre vor. Insbesondere in den Kapiteln 17-20, sowie 29 erfährt der Leser u.a., dass Zusammenscharungen keine Sicherheit garantieren können.[15] Nur der durch den Herrschaftsvertrag eingesetzte legibus solutus kann Sicherheit garantieren. Solange er diesen Zustand aufrecht erhält besteht weder ein Großes, noch ein Kleines Widerstandsrecht, denn quis iudicabit, wer soll Richter sein. Der Herrscher ist seinen eigenen Gesetzen nicht unterworfen; Gewaltenteilung wird abgelehnt. Hobbes orientiert sich affirmativ an der Aristoteleschen Staatsformenlehre, votiert aber eindeutig für die absolutistische Monarchie, denn "(...) obwohl es richtig ist, daß viele Augen mehr sehen als eines, so gilt das nicht von vielen Beratern, sondern nur dann, wenn die entgültige Entscheidung bei einem liegt."[16] Das Frontispiz der Erstaussage unterstreicht die Allmacht des Souveräns offensichtlich. Er ist ausgestattet mit den Mächten beider Regimenter Gottes; also die von Luther postulierte Aufteilung in weltliche Ordnungsmacht, die das Militär einschließt und den Klerus. Zweck dieser Befugnis ist der Schutz des Volkes vor äußeren Feinden und inneren Zerfall, der seine schrecklichste Ausprägung im Bürgerkrieg findet. Zur Verhinderung des Letzteren obliegt ihm die Bestimmung des (christlichen) confessio, doch der fides[17] verbleibt als unergründlich dem Untertan überlassen.

3 Schmitts Folgerungen aus dem Naturzustand und die Bedeutung für Souveränität und Ausnahmezustand

Aus den schier vielen Publikationen Schmitts lässt sich, im Gegensatz zu Hobbes, kein Haupt- oder Gesamtwerk erkennen. Diese Feststellung liegt auch in Schmitts Selbstverständnis, "(...) schließlich hat er die Rolle des Undurchsichtigen besonders in seinen 'Bekenntnisschriften' geradezu kultiviert."[18] Die in der Einleitung genannten Schriften Schmitts sollen im Folgenden, anhand der aufgeworfenen Fragestellung, beleuchtet werden. Die beiden erstgenannten Schriften stammen aus dem Jahr 1932, jenes Jahr des letzten Atemzugs der Republik von Weimar. Die Letztgenannte aus dem Jahr 1938 und damit aus der nationalsozialistisch geprägten Phase Schmitts, auch wenn er spätestens seit 1936 in Ungnade gefallen war.[19] Die Thematik der "Politischen Theologie" Schmitts kann lediglich gestreift werden, obwohl dort eine Fundgrube von Bezügen zu Hobbes vorliegt. Im Abschnitt 3.3 wird ein Aspekt dieser Dimension exemplarisch angegangen. Auf eine Darstellung der Auseinandersetzung Hobbes' mit der (vor allem katholischen) Kirche wurde in Abschnitt 2 ebenfalls verzichtet. Nachstehendes Zitat soll als Anregung zur weiteren Beschäftigung mit dieser Thematik dienen:"'Ich bin Katholik', notiert Schmitt im Glossarium, (Spätwerk von 1991 G.S.) 'nicht nur dem Bekenntnis, sondern auch der geschichtlichen Herkunft, wenn ich so sagen darf, der Rasse nach."[20] Mit dieser und ähnlichen Aussagen hat Schmitt immer wieder den theologischen Bezug seiner Ansichten unterstrichen. Auch versuchte er auf dieser Basis seine intellektuelle Nähe zu Hobbes hervorzuheben. Auf den nationalistischen Unterton wird noch im weiteren Verlauf eingegangen. Schwerpunkt des vorliegenden Abschnitts ist aber die Anwendung des Hobbesschen Naturzustands durch Schmitt auf die Aspekte Ausnahmezustand und Souveränität.

[...]


[1] Gemeint sind die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, in welchen die aufgeführten Ausgaben Schmitts entstanden.

[2] HOBBES, Thomas: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, 1966, S. 94

[3] Ebenda S. 95

[4] Ebenda

[5] Ebenda S. 96

[6] Ebenda (Hervorhebung im Original)

[7] Ebenda

[8] Ebenda S. 97

[9] Ebenda

[10] Ebenda S. 98

[11] Ebenda

[12] vgl. Ebenda

[13] Ebenda

[14] vgl. Ebenda S. 123 - 127

[15] Ebenda S. 131 - 162 / 245 - 254

[16] Ebenda S. 202

[17] Demnach ist die Bestätigung der äußeren Konfession durch den Untertanen nach Hobbes als Lippenbekenntnis ausreichend.

[18] Frasch, Timo: Zwischen Selbstinszenierung und Rezeption. Carl Schmitts Ort in der Bundesrepublik Deutschland, 2006, S. 27 (Hervorhebung im Original)

[19] vgl. Ebenda S. 9

[20] zit. nach Ebenda S. 25 (Hervorhebung im Original)

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Thomas Hobbes' Legitimation des Staates und seine Rezeption durch Carl Schmitt
Université
University of Hagen
Note
2,7
Auteur
Année
2008
Pages
15
N° de catalogue
V123266
ISBN (ebook)
9783640280346
ISBN (Livre)
9783640283804
Taille d'un fichier
459 KB
Langue
allemand
Mots clés
Thomas, Hobbes, Legitimation, Staates, Rezeption, Carl, Schmitt
Citation du texte
Guido Schmidt (Auteur), 2008, Thomas Hobbes' Legitimation des Staates und seine Rezeption durch Carl Schmitt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123266

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