Zur „Historia von D. Johann Fausten“ in Thomas Manns „Doktor Faustus“


Seminar Paper, 2007

14 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Textuelle Übereinstimmungen

3.Weitere Faktoren

4. Kritische Auseinandersetzung mit Heinz Gockel

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Sekundärliteratur

Nachschlagewerke

1. Einleitung

In der folgenden Arbeit wird zunächst das Teufelsgespräch aus dem Roman „Doktor Faustus“ von Thomas Mann mit der Teufelsverschreibung in der „Historia von D. Johann Fausten“, die 1587 von dem Verleger Johann Spies veröffentlicht wurde, verglichen. Das Hauptaugenmerk liegt auf den textuellen Übereinstimmungen zwischen diesen Werken. Auf diesen Übereinstimmungen basierend, setzt sich die Arbeit weiterhin zum Ziel, auch andere Gründe dafür zu suchen, was Thomas Mann dazu veranlasst hat, das Volksbuch als Hauptquelle für den Faust-Stoff zu wählen.

Das erste Kapitel vergleicht die „Historia“ und den „Doktor Fautus“ auf textlicher Ebene. Dabei soll vor allem die mittelalterlich geprägte Sprache im Vordergrund stehen, die bei Thomas Mann gerade im Teufelsgespräch immer wieder auftaucht.

Das zweite Kapitel ist bestimmt durch die Suche nach weiteren Hinweisen, die für die „Historia“ als Hauptquelle sprechen. Dazu wird auf die Figur des Ehrenfried Kumpf und seine Funktion als Luther-Karikatur eingegangen. Weiterhin wird auch Albrecht Dürer angeführt, der ebenfalls in „Doktor Faustus“ eingebunden wurde.

Das dritte Kapitel geht auf den Text „Faust im Faustus“ von Heinz Gockel ein, der ein Verfechter der These ist, dass Thomas Mann sich stärker auf Goethes „Faust“ als auf das Volksbuch bezogen hat.

2. Textuelle Übereinstimmungen

Thomas Manns Roman „Doktor Faustus“ steht in der großen Tradition der deutschen Faust-Dichtungen. Durch die häufigen Faust-Adaptionen stellt sich selbstverständlich die Frage, welche von ihnen Thomas Mann am stärksten beeinflusst hat. Es gibt zwei Texte, die stark hervortreten: Zum einen die „Historia von D. Johann Fausten“, die 1587 von dem Verleger Johann Spieß in Frankfurt am Main herausgebracht wurde, und zum anderen den Goetheschen „Faust“. Da Thomas Mann ein bekennender Goethe-Verehrer war, liegt die Vermutung nahe, dass er sich stärker am „Faust“ orientiert hat.

Diese Annahme ist aber durch eine Aussage, die Thomas Mann in einem Brief an Hilde Zaloscer machte, anscheinend schon widerlegt: „Mit Goethe’s Faust – das will auch gesagt sein – hat mein Roman nichts gemein, außer der gemeinsamen Quelle, dem alten Volksbuch.“[1] Natürlich ist man zur Vorsicht angehalten, wenn man solche Äußerungen von Thomas Mann liest. Ein weiterer Punkt, der aber gegen Goethes „Faust“ als Hauptquelle spricht, ist die Tatsache, dass Thomas Mann viele seiner Romane an Goethes Romane anlehnte, der Faust-Stoff jedoch schon im „Zauberberg“ und im „Joseph“ benutzt wurde.

Aber der deutlichste Beweis, welcher für die „Historia“ als Quelltext spricht, ist die hohe Zitatendichte. Dietrich Assmann hat in seinem Text „Thomas Manns Roman ‚Doktor Faustus’ und seine Beziehung zur Faust-Tradition“ einen Zitaten-Katalog erstellt, der verdeutlicht, wie viele Textbezüge zwischen „Doktor Faustus“ und der „Historia“ bestehen. Aus diesem Katalog folgen nun einige Beispiele. Hauptsächlich stammen diese aus dem Kapitel Das Teufelsgespräch (XXV). Der Grund für die Auswahl dieses Kapitels ist die hohe Frequenz, mit der Mann sich der Zitate aus der „Historia“ bedient.

Schon am Anfang der Aufzeichnungen von Leverkühn, also unmittelbar vor dem eigentlichen Gespräch mit dem Teufel, fällt Leverkühn merklich in einen stark von mittelalterlichen Ausdrücken geprägten Ton: „Hatte den ganzen Tag, schmerzhafte Creatur, mit dem leidigen Hauptweh im Dunkeln gelegen […]“[2]. Diese „[…] schmertzhaffte Creatur […]“[3] ist eindeutig aus einer mittelalterlichen Quelle entlehnt. Natürlich hat Thomas Mann auch andere Quellen aus diesem Zeitraum benutzt, so z. B. den „Hexenhammer“ oder den „Simplicissimus“ von Grimmelshausen, aber die Zitate, die der „Historia“ zugeschrieben werden können sind so zahlreich im Teufelsgespräch, dass die Vermutung naheliegt, diese sei seine Hauptquelle. Es sind solche Zitate wie „[…] Affenbänklein […]“[4] oder „[…] als du noch nicht die hl. Geschrift vor die Tür und unter die Bank gelegt hattest“[5], die zwar orthographisch weitestgehend angepasst sind, die jedoch vom Kontext her klar ihre Wurzeln in der „Historia“ haben.

Besonders gut erkennt man die Beziehungen zwischen der „Historia“ und „Doktor Faustus" auch an der Beschreibung der „Hellen und ihrer Spelunck“[6]. Der Teufel benutzt das gleiche Vokabular, das auch schon Mephostophiles gut 350 Jahre vorher in der „Historia“ benutzte, um Fausten in einer „Disputation von der Hell / Gehenna genandt / wie sie erschaffen vnd gestalt seye / auch von der Pein darinnen“[7] zu berichten. Besonders die lautmalerischen Begriffe wie „Gilffen“[8], die im modernen Sprachgebrauch nicht mehr benutzt werden, sind Teil dieser Beschreibung. Gerade hier erkennt man, dass Mann sich sehr aus den Formulierungen der „Historia“ bedient hat. In diesem Kapitel [16] der „Historia“ gibt es noch eine weitere sehr genaue Übereinstimmung mit Thomas Mann: „Gleich wie Cain / der also verzweiffelte / Seine Suende weren groesser / denn daß sie jhme verziehen moechten werden / […].“[9] In der „Historia“ verzagt Fausten an der Gnade Gottes, genau wie Kain und Judas, die zwar alle drei die Reue im Herzen trugen, aber nicht zur Erlösung gelangten. Leverkühn hingegen führt „[d]ie Zerknirschung Kains, der der festen Meinung war, seine Sünde sei größer, als daß sie ihm je verziehen werden möchte“[10] eher als ein Beispiel seiner religiösen dogmatischen Kenntnisse an und gibt dem Teufel dadurch zu verstehen, dass er nicht an der Gnade Gottes verzagen würde. Ein weiteres Zitat, das Mann aus diesem Kapitel extrahiert und bis auf eine veränderte Satzstellung wortwörtlich übernommen hat, ist: „Da werden sie ihre Zungen fressen für große Schmerzen […].“[11] Es gibt noch weitere Übereinstimmungen, die einzig dieses Kapitel [16] der „Historia“ betreffen. Andere Kapitel, die sehr stark von Mann hinzugezogen wurden, sind z. B. Kapitel [1] und [6]. Alleine auf der Seite 333 im „Doktor Faustus“ sind drei Zitate aus Kapitel [1] und vier Zitate aus Kapitel [6] zu finden, wobei eines der Zitate ein überdeutlicher Hinweis auf die „Historia“ ist: „Kurzum, zwischen uns braucht’s keinen vierigen Wegscheid im Spesser Wald und keine Zirkel.“[12] Dies ist eine Anspielung auf den Ort, an dem D. Johann Fausten den Teufel beschwört, nämlich im Spesser Wald an einer Kreuzung. Nicht nur der Ort, sondern auch die Bezeichnung „vieriger Wegscheid“ ist ein Hinweis auf die „Historia“, denn dies ist wieder ein Beispiel mittelalterlichen Sprachgebrauchs.

Laut Dietrich Assmann sind alleine in Kapitel 25 des „Doktor Faustus“, also dem Teufelsgespräch, 62 Zitate mit 230 übereinstimmenden Einzelwörtern vorhanden, in Kapitel 47, Adrians Oratio, sogar 44 Zitate mit 270 übereinstimmenden Einzelwörtern. Es wäre nun interessant aufzuführen, welche Person welchen Anteil an den Zitaten hat, so wie es Assmann in seinem Text getan hat. Doch am interessantesten dürfte es sicherlich sein, sich auf eine bestimmte Figur zu beschränken. Diese Figur ist der Gymnasialdirektor Ehrenfried Kumpf, auf den im folgenden Kapitel das Hauptaugenmerk gelegt wird.

3.Weitere Faktoren

„- Weistu was so schweig.“[13] Dieses Zitat stammt aus dem Kapitel [65] der „Historia“ und bildet im „Doktor Faustus“ den Anfang von Leverkühns Aufzeichnungen. In der „Historia“ ist dieses Zitat der Anfang eines Reimes, der wiederum auf einen bekannten Reim Luthers zurückgeht. Nur dass hier vom bösen Geist die beiden letzten Zeilen etwas umgedichtet werden. In Luthers Rede heißt es: „An Gott nicht verzag / dein huelff kompt alle tag.“[14]

Luther ist in der gesamten „Historia“ zugegen, da dieses Werk im Geiste der Reformation geschrieben wurde. „Eine wesentliche Rolle der Breitenwirkung der von L[uther] gegebenen literarischen Impulse spielen die zahllosen protestantischen Pfarrer und Lehrer, die einen neuen Schriftstellerstand repräsentierend das literarische Leben in Deutschland mitgestaltet haben. Ein großer Teil der deutschen Dichter stammte aus protestantischen Pfarrhäusern.“[15] Natürlich ist über den Schriftsteller der „Historia“ nichts bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass er eventuell aus einer der beiden genannten Berufsgruppen stammt, da er eine recht umfangreiche Bibliothek benutzt hat, um für sein Werk Recherchen anzustellen. Zu dieser gehörten neben Hartmann Schedels „Weltchronik“ auch die Tischreden Martin Luthers.

[...]


[1] Gockel, Heinz zitiert Thomas Mann in: „Faust im Faustus“ In: „Thomas Mann Jahrbuch. Band 1“. Hrsg. von Eckhard Heftrich und Hans Wysling. Frankfurt a. M.: 1988. S. 133

[2] Mann, Thomas: „Doktor Faustus“. Frankfurt a. M.: 1990. S. 300

[3] Füssel, Stefan; Kreutzer, Hans Joachim [Hrsg.]: „Historia von D. Johann Fausten“. Stuttgart: 2003. S. 114

[4] Mann, Thomas: „Doktor Faustus“. S. 303

[5] Ebd.

[6] Ebd. S. 305

[7] Füssel, Stefan; Kreutzer, Hans Joachim [Hrsg.]: „Historia von D. Johann Fausten“. S. 36

[8] Ebd. S. 39

[9] Ebd. S. 36

[10] Mann, Thomas: „Doktor Faustus“. S. 331

[11] Ebd. S. 330

[12] Mann, Thomas: „Doktor Faustus“. S. 333

[13] Mann, Thomas: „Doktor Faustus“. S. 299

[14] Füssel, Stefan; Kreutzer, Hans Joachim [Hrsg.]: „Historia von D. Johann Fausten“. S. 270

[15] Wolf, Herbert: „Martin Luther”. Stuttgart: 1980. S. 167

Excerpt out of 14 pages

Details

Title
Zur „Historia von D. Johann Fausten“ in Thomas Manns „Doktor Faustus“
College
University of Dusseldorf "Heinrich Heine"
Course
Textinterpretation: Faustus
Grade
1,3
Author
Year
2007
Pages
14
Catalog Number
V123328
ISBN (eBook)
9783640280667
ISBN (Book)
9783640283972
File size
444 KB
Language
German
Keywords
Johann, Fausten“, Thomas, Manns, Faustus“, Textinterpretation, Faustus
Quote paper
Alexander Kühbach (Author), 2007, Zur „Historia von D. Johann Fausten“ in Thomas Manns „Doktor Faustus“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123328

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