Eine Entwicklungstendenz im philosophisch-poetischen Erzählstil von Terrence Malick

Im Speziellen ein Vergleich der Werke: "Badlands" (1973) & "The Thin Red Line" (1998)


Term Paper, 2008

13 Pages, Grade: 1


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung in die Thematik

2. Stilistischer Vergleich: ‚Badlands’ & ‚The Thin Red Line’
2.1. Markantestes Element des Erzählstils: Off-Monologe und ihre Bedeutung
2.2. Zerrüttete Charaktere und ihre Beziehung zur Natur
2.3. Amerikanische Aussichten der Gewalt: Outlaw versus War

3. Literatur- und Quellenverzeichnis

4. Filmverzeichnis

1. Einführung in die Thematik

Der Erzählstil von Terrence Malick lässt sich grob skizziert damit zusammenfassen, dass er von einem neutralen Standpunkt aus versucht das philosophisch-poetische Wesen der Natur, ihre Allgegenwärtigkeit mit dem menschlichen Dasein zu verbinden. Sein Anliegen liegt darin die großen Fragen der Philosophie, vor allem jene nach der Existenz des Menschen, mit seinem filmischen Stil auszudrücken. In seinem Artikel Mit Hegel in die neue Welt für die Tageszeitung Die Welt stellt Hanns Georg Rodek fest, dass Terrence Malick eben keine Geschichten im traditionell aufgefassten Sinne erzählt, sondern seine Eindrücke darstellt.1

Es fällt schwer, den entscheidenden, dramatischen Moment in Malicks Filmen zu finden, in dem die Dinge passieren. […] Malick mag es, die „Mitte“ jeder Geschichte, jeder Action, jeder geistigen Verfassung oder jeder Stimmung auszulassen.2

Durch diese natürliche und völlig neutrale Beobachtungsfunktion der Kamera entsteht das Empfinden, dass die Handlung des Filmes einfach nur geschieht und diese Dramatik, die in diesem Geschehen steckt, wiederum für Terrence Malick überhaupt nicht wichtig erscheint.

Denn sein Augemerk liegt in keinem seiner bisherigen Filme auf solchen dramatischen Höhepunkten. Ihn interessiert „vielmehr das Davor und Danach“3 und er konzentriert sich auch darauf; er nimmt sich die Zeit um es zu ergründen. Dafür verwendet er vor allem die Möglichkeit des Erzählens aus dem Off:

Ich begann im Wald zu leben. Das Zwitschern der Vögel und das Summen der Libellen in der Luft. Alles schien so friedlich und einsam, als wären wir die einzigen Menschen auf der Welt. Wenn die Blätter über unsern Köpfen rauschten, meinte man die Geister flüstern sich wehklagend andere Sorgen zu, die sie bedrückten.4

In Badlands reflektiert die junge Holly sehr subjektiv ihr Verhältnis zu Kit und ihre Erlebnisse mit ihm, wobei die Off-Monologe in The Thin Red Line nicht nur von einem Charakter ausgehen, sondern sich in ihrer Willkür der Unbeständigkeit des Krieges anpassen. Beide Filme erhalten durch dieses Stilmittel einen Teil ihrer philosophisch-poetischen Wirkung. Obgleich sich damit sehr viele Unterschiede zwischen den Filmen aufzeigen lassen, symbolisieren die Off-Stimmen auch deutlich eine gemeinsame Intention: nämlich ins Innere der Charaktere zu blicken:

Ich hab mich gefragt wie das wohl sein wird, wenn ich sterbe. Wie das wäre, wenn du weißt, dass dieser Atemzug jetzt der Letzte in deinem Leben ist. Ich hoffe nur, dass ich dem Tod genauso übertrete wie sie [seine Mutter], mit derselben Gelassenheit. Denn da ist sie verborgen die Unsterblichkeit, die ich noch nicht gesehen hab.5

Ein sehr hervorstechendes Merkmal des Filmschaffens von Terrence Malick, kann man schon durch diese beiden Filmzitate belegen: sein philosophisches Denken drückt sich hauptsächlich durch seine sprachlichen Möglichkeiten aus.

2. Stilistische Wirkungen: Vergleich ‚Badlands’ & ‚The Thin Red Line’

Das grundlegendste Merkmal des philosophisch-poetischen Erzählstils von Terrence Malick ist seine Neutralität gegenüber dem Gegenstand. Er wertet zu keiner Zeit, weder mit seinen Naturaufnahmen noch in den Off-Monologen, sondern lässt den Zuschauer mithilfe seiner Beobachtungen selbst über die jeweilige Thematik urteilen. Darin lässt sich schon der Ansatz seiner Philosophie erkennen. Auf Heidegger begründet, versteht er das Sein immer im Zusammenhang mit der Zeit bzw. einer bestimmten Gefühlslage, in der der Mensch im Alltag mit Dingen konfrontiert wird. Der Philosoph Heidegger geht davon aus, „daß wir der Welt immer in einer bestimmten ‚Befindlichkeit’ begegnen“6; es kommt also „[a]uf das ‚Da-sein’ […] und nicht auf das ‚Ich’“7 des Menschen an. Terrence Malick verkörpert diesen Gedanken in seinen Filmen insoweit, dass er vor allem seine Figuren eben nach diesem Dasein in der Natur fragen lässt. Die Natur wird dadurch auch zu seinem stärksten Ausdrucksmittel.

2.1. Markantestes Element des Erzählstils: Off-Monologe und ihre Bedeutung

Das signifikanteste Ausdrucksmittel, dieses im vorherigen Kapitel erwähnten philosophischen Grundgedanken, stellt neben der Natur die Sprache aus dem Off dar. Es lässt sich über die Off-Monologe ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Früh- und Spätwerk von Terrence Malick feststellen. In Badlands und auch in Days of Heaven, beide aus den 70er Jahren, fällt auf, dass die Off-Monologe nur von einem Charakter ausgehen. Seine späteren Filme The Thin Red Line von 1998 und The New World von 2004 sind in sich komplexer, aufwendiger gestaltet und kennzeichnen sich dadurch, dass Malick seinen sehr poetischen Stil des Erzählens auf mehrere Figuren ausweitet und somit Merkanalität bzw. einen weiteren Bedeutungshorizont schafft. Es obliegt der sprachlichen Gewandtheit von Terrence Malick, dass diese Monologe stets völlig eins mit der Figur sind, ihr tiefstes Inneres widerspiegeln.

Eines Tages, ich betrachtete mir gerade ein paar Bilder mit Dad’s Diaapparat, da traf es mich wie ein Schlag, dass ich nichts weiter war, als eben dieses kleine Mädchen geboren in Texas. […] Ich dachte, wo würde ich wohl in diesem Augenblick sein, wenn ich Kit nie begegnet wäre oder er niemanden getötet hätte? In diesem Augenblick. Wenn meine Mutter meinem Vater nicht begegnet wäre? Oder wenn sie nicht gestorben wäre? Und wie sieht der Mann aus, den ich einmal heiraten werde? Was tut er jetzt, in dieser Minute? Denkt er vielleicht gerade an mich, obwohl er mich gar nicht kennt und wenn ja, sieht man es seinem Gesicht an?8

Holly Sargis fragt nach ihrer Existenz und ihrem Da-sein. Sie entwickelt Gedanken, die Malick durch seinen Erzählstil für den Zuschauer hörbar macht. Es ist die innere Sprache von Holly, die dem Film Badlands quasi als zweiter narrativer Erzählstrang zugrunde liegt. Holly reflektiert, für den Zuschauer deutlich durch ihre Stimme aus dem Off, ihre Erlebnisse für sich selbst wie in einem Tagebuch. „[I]hre Erzählung ist gezwungen, unzuverlässig, voll gestopft mit Wunsch-Projektionen und massenmedialen Klischees“9. In The Thin Red Line haben diese Selbstgespräche eine durchaus andere Intention:

Warum herrscht dieser Krieg im Herzen der Natur? Warum bekriegt die Natur sich selbst? Kämpft das Land gegen die See? Gibt es eine rächende Kraft in der Natur? Nicht nur eine Kraft, sondern zwei?10

Es steckt darin dieselbe philosophische, fragende Kraft wie in Badlands. Wieder stehen die existentiellen Fragen, die auf Heidegger fußen, im Vordergrund, wirken aber weitaus vielschichtiger und detaillierter. Des Weiteren verkörpern diese Monologe auch ähnlich jener von Holly Sargis, die „verschiedensten Ängste und Sehnsüchte […] Traumbilder […]“11 der Soldaten.

Stunden sind wie Monate. Tage wie Jahre. Ich bin in ein goldenes Zeitalter gegangen, stand an den Ufern einer neuen Welt.12

Aber ein Unterschied kristallisiert sich ganz deutlich heraus: nimmt der Erzählstrang in Badlands noch eine sehr berichtende Rolle ein, wirkt die Off-Sprache in Malicks Interpretation des Krieges sehr metaphorisch und oftmals bruchstückhaft. Sie spiegelt in ihrer Zufälligkeit die Kriegsmaschinerie, die in der Wahl ihrer Opfer auf gleiche Weise handelt, sehr unmenschlich wieder und verweist, unter anderem auch mit dem Gesagten, darauf, dass die Identität des Soldaten im Krieg keinerlei Wert zukommt und jeder gesichtslos ist.

[...]


1 Vgl. Hanns-Georg, Rodek, „Mit Hegel in die Neue Welt. Erspüren statt erzählen: Terrence Malick probiert in ‚The New World’ ein anderes Kino“, Die Welt, 02.03.2006, S. 29.

2 i. O. Herv. Adrian, Martin, „Things To Look Into“, Übers. von Elena Messner, RAY 06/03, 2006, S. 14.

3 Ebd.

4 Badlands (USA 1973), 0:34.

5 Der schmale Grat (The Thin Red Line Kanada/USA 1998), 0:05.

6 Capurro, Rafael, „Martin Heidegger“, Philosophie der Gegenwart. In Einzeldarstellungen. Von Adorno bis v. Wright, Hg. Julian Nida-Rümelin, Stuttgart: Kröner 1991, S. 232.

7 Ebd. S. 233.

8 Badlands (USA 1973), 0:34.

9 Martin, „Things To Look Into“, S. 16.

10 Der schmale Grat (The Thin Red Line Kanada/USA 1998), 0:05.

11 Christoph, Egger, „Im gleißenden Licht, im lastenden Schatten. Krieg und Natur in abgründiger Schönheit - ‚The Thin Red Line’ von Terrence Malick“, Neue Zürcher Zeitung, 12.12.1999, S. 59.

12 Der schmale Grat (The Thin Red Line Kanada/USA 1998), 1:57.

Excerpt out of 13 pages

Details

Title
Eine Entwicklungstendenz im philosophisch-poetischen Erzählstil von Terrence Malick
Subtitle
Im Speziellen ein Vergleich der Werke: "Badlands" (1973) & "The Thin Red Line" (1998)
College
University of Vienna  (Theater-, Film- und Medienwissenschaft)
Course
Techniken Wissenschaftlichen Arbeitens
Grade
1
Author
Year
2008
Pages
13
Catalog Number
V123342
ISBN (eBook)
9783640280773
ISBN (Book)
9783640289301
File size
408 KB
Language
German
Keywords
Eine, Entwicklungstendenz, Erzählstil, Terrence, Malick, Techniken, Wissenschaftlichen, Arbeitens
Quote paper
Thomas Ochs (Author), 2008, Eine Entwicklungstendenz im philosophisch-poetischen Erzählstil von Terrence Malick, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123342

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