Bret Easton Ellis "American Psycho" - Böse Literatur?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

16 Seiten, Note: 2,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. American Psycho
2.1 Bret Easton Ellis
2.2 Inhalt

3. Das Böse in American Psycho
3.1 Aufbau
3.2 Wirkung auf den Leser

4. Diskussion
4.1 Ellis und das Böse
4.2 Indizierung American Psycho

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Rahmen des Hauptseminars „Das Böse im Kunst- und Mediensystem“ zeigte sich den Teilnehmern bereits zu Beginn des Semesters, dass der Begriff des Bösen nicht einfach zu definieren ist. Schon bei dem Versuch das Böse zu erklären, wird man vor ein Problem gestellt. Allgemein bezeichnet das Böse alles, dem Guten entgegen gesetzte. Unglück, Elend und Leid gehen fast immer als Konsequenzen aus dem Bösen hervor.

Zumeist wird „das Böse“ in Zusammenhang mit seinem Antonym „das Gute“ in Verbindung gebracht, als „dasjenige, was das Gute, also das, was man als Wert empfindet, in Gefahr bringt.“[1] Jedoch dienen die Begriffe des Guten und des Bösen nicht nur, um zu beschreiben, sondern, jeder, der sie benutzt, wertet im selben Moment und erwartet, dass die Empfänger in gleicher Art und Weise werten. Daraus ergibt sich eine weitere Schwierigkeit: Man muss die Kriterien der Beurteilung und die zugrunde liegenden Wertvorstellungen miteinbeziehen, da der Begriff des Bösen subjektiv zu verstehen ist. Es ist also nicht wirklich möglich, eine exakte und allgemeingültige Definition des Bösen zu geben. Um eine einheitliche Basis für diese Seminararbeit zu stellen, soll im Folgenden das Böse als „die Erfahrungen bezeichnet (werden), die mitmenschliches Leben angreifen oder zerstören.“[2]

Diese Arbeit soll sich mit dem Thema „Bret Easton Ellis American Psycho – Böse Literatur?“ beschäftigen. Während unter Punkt 2 eine Kurzbiographie des Autors und der Inhalt des 1991 erschienenen Romans American Psycho vorgestellt werden, soll im dritten Punkt das Böse – im Buch in Form der ausführlichen Mord- und Gewaltdarstellungen – in den Mittelpunkt gestellt werden. Anhand einer Textanalyse soll hier das Hauptaugenmerk auf Fragen nach dem Aufbau, der Erzählperspektive und der Wirkung des Romans auf den Leser liegen. Unter Punkt 4 wird eine abschließende Diskussion geführt, die sich mit den Unterpunkten der Autor als „Bösewicht“, aber auch mit dem Thema der Indizierung des Romans kritisch beschäftigen soll.

Diese Arbeit wird sich aus Gründen der Einfachheit lediglich auf das literarische Werk American Psycho beziehen. Die gleichnamige Verfilmung aus dem Jahr 2000 soll hier keine Verwendung finden, auch wenn Buch und Film sich nur geringfügig unterscheiden.

2. American Psycho

Bret Easton Ellis Kultroman American Psycho hält den amerikanischen Yuppies der 80er Jahre ein unangenehmes Spiegelbild vor und vermittelt als Nebenprodukt dem mittelständischen Leser die beruhigende Botschaft, dass ein Job an der Wall Street und ungezählte Kreditkarten kein Garant für ein glückliches und erfülltes Leben sind.

2.1 Bret Easton Ellis

Bret Easton Ellis wurde am 7. März 1964 in einem Vorort von Los Angeles als Sohn eines Immobilienmaklers und einer Hausfrau geboren und gilt spätestens seit seinem Skandalbuch American Psycho, das im Jahr 2000 verfilmt wurde, als einer der kontroversesten, aber auch sprachgewaltigsten jungen Autoren seiner Generation. Aufgewachsen in Kalifornien besuchte er das Bennington College in Vermont, wo er eine Ausbildung im Fach Musik absolvierte. Noch während seines Studiums schrieb er mit 19 Jahren sein Erstlingswerk Unter Null (Original: Less than Zero).[3] Die Handlung besteht aus einem schonungslosen Zustandsbericht über das dekadente aber orientierungslose Leben der Yuppies in den 80ern. Der Erfolg des Debütromans wird durch die Verfilmung im Jahr 1996 widergespiegelt. 1987 erschien – gleichzeitig mit seiner Umsiedlung nach New York – sein zweiter Roman Einfach unwiderstehlich (Original: The rules of Attraction), bevor er 1991 mit American Psycho endgültig seinen Durchbruch erlangte und zum wohl umstrittensten Kultautor der heutigen Zeit aufstieg. Gleich nach der Veröffentlichung sorgte der Roman für heftige Diskussionen. Die Ursache waren die vielen detaillierten Beschreibungen sadistischer Folterungen und Morde, die der Protagonist Bateman begeht. Die detailliert beschriebenen und brutalen Gewalt- und Sexexzesse, die in Patrick Batemans sinnentleertes Leben eingebettet sind, haben sowohl dem Roman als auch Bret Easton Ellis viel Aufmerksamkeit gebracht. Höhepunkt dieses Aufsehen bildete sicher die Indizierung des Skandalromans 2001, auf die später in dieser Arbeit noch genauer eingegangen wird. 1994 erschien mit Die Informanten (Original: The informers) sein vierter Roman, der das oberflächliche Leben in Los Angeles genauer betrachtet und 1998 folgte Glamorama. In beidenBüchern nimmt Ellis sein Lieblingsthema, die Ziel- und Beziehungslosigkeit der vorgestellten Charaktere, wieder auf.2005 erschien mit Lunar Park in den USA nach siebenjähriger Funkstille endlich Ellis neuer Roman, der mit verwischten Grenzen zwischen Realität und Fiktion fast wie eine Autobiographie des Autors erscheint. Bereits in seinen früheren Werken finden sich autobiographische Elemente.[4] Des Weiteren hat Bret Easton Ellis die Angewohnheit seine Romane miteinander zu verknüpfen. Zum Beispiel tauchen Protagonisten aus früheren Werken als Nebenfiguren in späteren Romanen wieder auf. So ist Patrick Bateman, der Serienkiller aus American Psycho, dem Leser eigentlich schon aus Einfach unwiderstehlich bekannt.[5] Diese Vorgehensweise vermittelt dem Leser das Gefühl, „dass alle Romane von Ellis in der gleichen fiktionalen Wirklichkeit spielen und somit den gleichen fiktionalen Gesetzen unterworfen sind.“[6]

Heute lebt Ellis noch immer in New York, bekennt sich öffentlich zu seiner Homosexualität und arbeitet aktuell an einer Fortsetzung seines Romans Unter Null. Der Titel Imperial Bedrooms soll voraussichtlich 2010 erscheinen. Bret Easton Ellis zählt zu den sogenannten Generation X Autoren der 80er Jahre. Seine Romane zeichnen sich durch einen flachen, schlichten Stil aus, der ihm sehr gemischte Kritiken einbringt.

2.2 Inhalt

Im Folgenden soll nun auf den Inhalt des Romans American Psycho eingegangen werden. Mit den Worten „Ihr, die ihr hier eintretet, lasset alle Hoffnung fahren“[7] (Original: Abandon all hope ye who enter here) beginnt Bret Easton Ellis sein bekanntestes und provokativstes Werk. Das Zitat aus Dantes Göttlicher Komödie, ist mit roter Farbe auf die Seitenwand der „Chemical Bank“ projiziert, an der der Protagonist Patrick Bateman während einer Taxifahrt durch New York mit seinem Bekannten Timothy Price vorbeifährt.[8] Ohne dass ein zusammenhängender Plot erkennbar ist, erzählt Ellis hier also die Geschichte von Patrick Bateman. Zum erzählten Zeitpunkt ist der Protagonist 27 Jahre alt, Angestellter an der Wall Street und wohlhabend. Über seinen Job sind keine weiteren Details vorhanden, außer, dass er einen Designerschreibtisch, eine Sekretärin namens Jean und regelmäßige Tischreservierungen in exklusiven Restaurants hat, wobei man eher vermutet, dass es sich hierbei um private Treffen handelt, bei denen der übertriebene Materialismus der Yuppies im Mittelpunkt steht.

Sein Bekannter Price hat bestätigt das Bilderbuch-Yuppie-Dasein und äußert sich verständnislos über den seiner Meinung nach schlechten Zustand der Stadt und zählt die Obdachlosen am Straßenrand. New York wird mit seinem Elend von Krankheiten, Raub, Folter, Mord und Obdachlosigkeit zum Vergleichsobjekt mit Dantes cittá di Dite: „…erwürgte Models, Babies, die von Mietskasernendächern geworfen werden, in der U-Bahn getötete Kinder, Kommunisten, die sich zusammenrotten, einen umgelegten Mafia-Boss, Nazis […] Baseballspieler mit AIDS, noch mehr Mafia-Kram, Verkehrskollaps, die Obdachlosen, diverse Psychopathen […] all das passiert in dieser einen Stadt“[9]. Ähnlich zu den beiden Erstlingswerken von Bret Easton Ellis – Unter Null (1985) und Einfach unwiderstehlich (1987) – wird schon im ersten Kapitel von American Psycho (1991) der Handlungsverlauf des Romans angedeutet.[10] In Form der Taxifahrt wird die Position Batemans zusammenfassend dargestellt: Er gehört – ebenso wie sein Begleiter – zur gehobenen Gesellschaftsschicht. Beide lassen sich auch als sogenannte Yuppies bezeichnen, erfolgreich, wohlhabend, attraktiv, männlich und weiß. Besonders Price verdeutlicht mit seinen Monologen während der Fahrt, dass er sich vom Elend der Stadt genervt fühlt und sich von diesem sowie den unteren Gesellschaftsschichten abgrenzt.

Im Büro widmet sich Bateman weniger seiner Arbeit, als dass er seinen Gedanken nachhängt, die sich lediglich um die morgendliche Talkshow („Haben sie heute morgen die Patty Winters Show gesehen?“[11] ) und andere Nichtigkeiten drehen.[12] Bald wird klar, dass Patrick Batemans Leben eine furchtbar öde Routine ist, die den Protagonisten gleichzeitig unter ständigen Leistungsdruck setzt. Denn an der Wall Street zählen nichts als Statussymbole. "In" sein ist alles. Verpasst zu haben, dass dieses oder jenes Restaurant mittlerweile out ist, ist ein unverzeihlicher Fauxpas. Einen Fehler im Dresscode zu machen, ist ebenso katastrophal. Immer informiert zu sein, was Mode und Trends angeht, wird für Bateman zur Lebensaufgabe.

Doch auf seine ganz eigene Art bricht der Protagonist aus diesem, ihn selbst langweilenden Trott aus. Der aalglatte und perfekt scheinende Yuppie verwandelt sich nachts zum Psychopaten, der Frauen, die er "Girls" nennt, Obdachlose, Taxifahrer und einige andere Opfer scharenweise auf brutalste Weise quält und umbringt. Mit diesen Grausamkeiten ändert das Buch die bisherige Linie und die kranke Psyche Batemans ersetzt die bisher fehlende Handlung der Erzählung. Mit seinem Charme und seinem Geld wiegt der Serienmörder seine Opfer in falscher Sicherheit, wenn er zum Beispiel Prostituierte zu sich einlädt oder Verabredungen verführt. Fällt die Tür jedoch hinter ihnen ins Schloss, fällt der Startschuss zu tagelangem Quälen bis er die Opfer zu Tode gefoltert hat. Er rückt den Opfern – bevorzugt Frauen – mit Bohrmaschinen, Ratten, Kleiderbügeln und Bolzenschussgeräten zu Leibe.[13]

Allerdings ist in American Psycho nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Ist Bateman tatsächlich ein Serienmörder? Mit keinem Wort wird im Roman erwähnt, dass die Polizei nach dem Killer fahndet, kein Opfer wird vermisst und niemand hindert den Protagonisten daran seine brutalen Grausamkeiten weiterhin auszuleben. Denn Bateman sitzt auch künftig ungestört an seinem Schreibtisch, isst in teuren Restaurants, schnupft Koks und kauft teure Anzüge. Eine Antwort, ob sich die Morde wirklich in der Realität abspielen oder ob alles nur in der kranken Phantasie des Psychopathen existiert, bleibt der Autor dem Leser schuldig. Selbst der Protagonist verliert in seinem Blutrausch das Gefühl für Realität und Fiktion. Vielleicht ist die Flucht in seine Phantasie die einzige Möglichkeit, die es für Bateman gibt, aus der starren New Yorker Upperclass auszubrechen. Vielleicht sind Batemans durch und durch kranke Gedanken der einzige Ort, an dem er noch ein unverwechselbares Individuum sein kann und nicht der uniforme und austauschbare Angestellte, der er tagsüber ist. Ellis lässt alle Möglichkeiten offen und stellt die Realität von Batemans Geschichte in Frage, um sie einige Seiten später wieder zu bestätigen.

Was nun wahr und was imaginiert ist, bleibt sich am Ende gleich. Beide Batemans, sowohl der gesellschaftskonforme Wall-Street-Yuppie als auch der brutale Killer, haben letztendlich eines gemeinsam: Sie sind auf gewisse Weise beide entmenschlicht. Tagsüber ist Bateman jeder Emotion beraubt, sämtliche Ansichten und Meinungen werden von Medien und noch erfolgreicheren Yuppies diktiert. Bateman ist ein Gefangener seines Umfelds, der zwar diffus an seiner Situation leidet, aber dennoch nicht vorhat an seinem Leben irgendetwas zu ändern. Der nächtliche Bateman fühlt zwar, jedoch nur in der Extremsituation der Folter und des Mords. Hier empfindet er tatsächlich Freude, Erfüllung und Glück. Doch diese Gefühle sind so weit entfernt von gesunder Menschlichkeit, dass er sich selbst nicht mehr als einen Teil von ihr wahrnimmt. Dadurch befindet er sich mit seinem Leben in einem Teufelskreis, aus dem es keinen Ausweg gibt. Diese Erkenntnis nutzt Bret Easton Ellis, um seinem Erfolgsroman einen passenden Schluss zu geben: „Kein Ausgang“[14].

[...]


[1] Konrad Lorenz, Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression, München 1993, S. 252.

[2] Bettina Kruhöffer, Reflexionen über ‚das Böse’. Sprachliche Differenzierungen in Auseinandersetzung mit der Theologie Wolfhart Pannenbergs, Münster 2002, S. 235.

[3] Vgl. Jaime Clarke, An interview with Bret Easton Ellis. Gedruckt erschienen im Mississippi Review 1999. Online abrufbar unter: http://www.geocities.com/Athens/Forum/8506/Ellis/clarkeint.html.

[4] http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,1852317,00.html.

[5] Vgl. Horst Steur, Der Schein und das Nichts. Bret Easton Ellis’ Roman Less Than Zero, Essen 1995, S. 23-24.

[6] Alexander Flory, Out is in. Bret Easton Ellis und die Postmoderne, Dissertation an der Universität Heidelberg, Neuphilologische Fakultät 2006, S. 97 http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=982481543.

[7] Bret Easton Ellis, American Psycho, S. 13.

[8] Bret Easton Ellis, American Psycho, S. 13.

[9] Ebd., S. 14f.

[10] Vgl. Ebd., Kapitel Aprilscherze, S. 13-41.

[11] Bret Easton Ellis, American Psycho, S. 96.

[12] Vgl. Ebd., Kapitel Büro, S. 94-100.

[13] Vgl. Ebd., American Psycho, u.a. Kapitel Lunch mit Bethany, S. 321-343.

[14] Ebd. S. 549.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Bret Easton Ellis "American Psycho" - Böse Literatur?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Das Böse im Kunst- und Mediensystem
Note
2,4
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V123418
ISBN (eBook)
9783640285457
ISBN (Buch)
9783640286027
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bret Easton Ellis, American Psycho, Böse Literatur, Das Böse
Arbeit zitieren
Eva Sailer (Autor:in), 2008, Bret Easton Ellis "American Psycho" - Böse Literatur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123418

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