Das Machtverhältnis der FC Bayern München AG zu ihren Stakeholdern. Ein Balanceakt zwischen nationalen Stakeholder-Interessen und internationalen Anpassungsbemühungen


Bachelorarbeit, 2022

38 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Glossar

1. Einleitung

2. Theorie
2.1. Stakeholder-Theorie
2.1.1. Grundlagen
2.1.2. Netzwerkeigenschaft des Stakeholder-Geflechts
2.1.3. Soziale Netzwerke als Analyserahmen des Stakeholder-Geflechts
2.2. Neoinstitutionalismus
2.2.1. Grundlagen
2.2.2. Isomorphie-Mechanismen
2.2.3. Die Entkopplung und strategische Reaktionsmöglichkeiten

3. Methodik
3.1. Fallbeispiel 1: Der Katar Antrag
3.2. Fallbeispiel 2: Der FC Bayern Campus

4. Ergebnisdarstellung
4.1. Fallbeispiel 1: Rolle à strategische Reaktion
4.1.1. Forderung und betroffene Stakeholder-Gruppen
4.1.2. Einordnung in die Verknüpfungsdimension
4.1.3. Überprüfung der Verknüpfungsdimension
4.2. Fallbeispiel 2: strategische Reaktion à Rolle
4.2.1. Forderung und betroffene Stakeholder-Gruppen
4.2.2. Einordnung in die Verknüpfungsdimension
4.2.3. Überprüfung der Verknüpfungsdimension

5. Diskussion
5.1. Einschätzung zur Modelltauglichkeit
5.2. Forschungspotenzial

Literaturverzeichnis

Glossar

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Der FC Bayern München (FCB) ist weltweit eine der bekanntesten und wertvollsten Fußballmarken (vgl. Ozanian 2021). Das Fußballunternehmen steht nach eigener Aussage in ihren Jahresabschlussberichten (JAB) für Leistungsorientierung, sportlichen Erfolg, Selbstbewusstsein, internationale Aktivität, wirtschaftliche Solidität, aber auch für Innovation im Marketing (vgl. FCB AG JAB 2018, S. 3). Allerdings scheint das Interesse an einer Erschließung von internationalen Märkten erst ab 2009/2010 vermehrt in den Fokus des Unternehmens gerückt zu sein (vgl. ebd. 2010, S. 2). Davor war der FCB zwar schon für lange Zeit im nationalen Wettbewerb einer der leistungsstärksten und mitunter profitabelsten Fußballvereine, hatte aber seinen wirtschaftlichen Fokus in erster Linie auf den nationalen Wettbewerb beschränkt. Eine der größten Besonderheiten des FCB sind die Eigentumsverhältnisse. Seit dem 21.12.2001 ist das Fußballunternehmen eine Aktiengesellschaft. Hauptanteilseigner und Gründer der FC Bayern München Aktiengesellschaft (FCB AG) ist mit 75 % der Anteile der FC Bayern München als eingetragener Verein (FCB e. V.) welcher mit über 290.000 Vereinsmitgliedern, der weltweit mitgliederstärkste Verein ist (vgl. FCB 2022a). Die restlichen 25 % der Anteile an der FCB AG sind gleichermaßen auf die drei Unternehmen Allianz SE, Audi AG und Adidas AG verteilt. Jedes dieser Unternehmen hält 8,33 % der Anteile. Nationale und internationale sportliche Erfolge und der dadurch rasant gestiegene internationale Bekanntheitsgrad des Vereins innerhalb der letzten Dekade, ließen den Verein das Potenzial einer Fokussierung und Teilnahme am internationalen Wettbewerb erkennen. Das zeigt sich eindrücklich an der international wachsenden Zahl an Fanclubs. Zum aktuellen Zeitpunkt hat der FCB 3715 Fanclubs in Deutschland und bereits über 700 Fanclubs außerhalb von Deutschland (vgl. FCB 2022b). Zur Steigerung der Bekanntheit und Präsenz im asiatischen und nordamerikanischen Markt eröffnete das Unternehmen im Jahr 2014 die erste Niederlassung in New York und 2016 die erste in Shanghai (vgl. FCB AG JAB 2014, S. 2; ebd. 2016, S. 3). Die Menge an Sprachen, in denen die verschiedenen Kanäle des Fußballunternehmens genutzt werden, steigt von Jahr zu Jahr (vgl. ebd. 2017, S. 3). Ein Trend, der bei anderen Unternehmen vermutlich auf deutlich größere Unterstützung stoßen würde, aber beim FCB eine wiederkehrende Ursache für Konflikte darstellt. Das Konfliktpotenzial liegt aus organisationstheoretischer Perspektive in dem originären Zweck der Organisation und den institutionellen Erwartungen an die Verhaltensweisen der Organisation, die aufgrund des anfänglichen Zwecks vorausgesetzt werden. Konkret bedeutet das, dass der FCB in erster Linie ein Sportverein ist, der den originären Zweck der körperlichen Ertüchtigung und der Unterhaltung erfüllt. Auch wenn dieser ursprüngliche Zweck schon lange nicht mehr im Vordergrund steht, ist der FCB, wie jede andere Organisation auch, auf den Zuspruch von Legitimität angewiesen. Legitimität ermöglicht einer Organisation den Fortbestand und kann gewonnen, erhalten, verloren und wiedergewonnen werden. Legitimität ist kein dauerhafter Zustand und basiert auf dem Zuspruch der Anspruchsgruppe mit dem größten Interesse an einem Fortbestand des Vereins. Bei Fußballclubs sind es in erster Linie die Fans, die die relevante und legitimierende Anspruchsgruppe darstellen. In der letzten Zeit kam es aber dazu, dass gerade aus den Lagern dieser Anspruchsgruppe vermehrt Zweifel an den nationalen und internationalen Tätigkeiten des FCB geäußert wurden (vgl. Daumann/Follert 2021). Deswegen soll es in dieser Arbeit konkret um die Fragen gehen:

Wie verhält sich der Vorstand der FC Bayern München AG gegenüber relevanten Stakeholder-Gruppen und deren Erwartungen an das Unternehmen?

Wie bewertet der Vorstand die Beziehung und das Machtverhältnis zwischen der FC Bayern München AG und seinem Stakeholder-Geflecht?

Um die Verhaltensweisen des Managements zu erkennen, nachzuvollziehen, zu beschreiben und zu bewerten, müssen verschiedene Faktoren in die Betrachtung einbezogen werden. Aus diesem Grund wird sowohl auf Elementen aus der Stakeholder-Theorie (ST), als auch auf Annahmen aus dem Neoinstitutionalismus (NI) zurückgegriffen. Auf eine Kompatibilität der beiden Ansätze wird bereits in diversen anderen Veröffentlichungen verwiesen (vgl. Würz 2012; Süß 2009; Walgenbach/Meyer 2008). Diese Arbeit geht einen Schritt weiter, in dem sie den aufgestellten Verknüpfungsdimensionen eine direkte und praktische Überprüfung folgen lässt. Die in dieser Arbeit vorgeschlagenen Verknüpfungsdimensionen werden im Rahmen der darauffolgenden praktischen Überprüfung hinsichtlich einer Bidirektionalität zwischen den Dimensionen der beiden verwendeten Konzepten untersucht. Praktisch überprüfbar werden die aufgestellten Dimensionen mithilfe einer direkten Anwendung auf zwei Fallbeispiele, in denen der Vorstand der FCB AG mit Forderungen bzw. direkter Kritik seitens seiner Stakeholder konfrontiert war.

Zu diesem Zweck werden im ersten Schritt die theoretischen Grundlagen der ST und des NI kurz erläutert. Hierbei wird es darum gehen, die relevanten Ansätze, Begriffe und Konzepte vorzustellen, welche für den weiteren Verlauf der Arbeit als wiederkehrende Bezugsrahmen fungieren. Nachdem die theoretischen Grundlagen erläutert wurden, werden in der Methodik vier Verknüpfungsdimensionen zwischen dem Konzept von Rowley (1997) und dem von Oliver (1991) aufgestellt. Diese Dimensionen bilden den Analyserahmen für die anschließende praktische Überprüfung zweier Fallbeispiele. Sollte die Überprüfung der Verknüpfungsdimensionen in beiden Fallbeispielen bestätigt werden, ergeben sich hieraus eine Vielzahl an möglichen Implikationen, die für eine tiefergehende Beschreibung und Bewertung der Beziehung zwischen Unternehmen und Stakeholder-Geflecht herangezogen werden können. Es ergibt sich die Möglichkeit, ausschließlich anhand der vom Vorstand der FCB AG gewählten strategischen Reaktionsmöglichkeit auf isomorphe Zwänge, die subjektive Bewertung des Vorstands bzgl. der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Abhängigkeitsbeziehung zwischen Organisation und dem Stakeholder-Geflecht zu prognostizieren.

Abschließend wird basierend auf den untersuchten Fallbeispielen eine Einschätzung erfolgen, inwiefern die Reaktionen des Vorstands auf die von ihren Stakeholdern an sie adressierten Erwartungen und Anforderungen, im Kontext der aufgestellten Verknüpfungsdimensionen zu bewerten sind und inwiefern die entwickelten Verknüpfungsdimensionen auf andere Untersuchungsgegenstände übertragbar sind.

2. Theorie

Ziel dieses Kapitels ist die theoretische Herleitung und Fundierung der in der Methodik verwendeten Analyseinstrumente. Die hierfür verwendeten Konzepte, sind zum einen die initial als Ansatz der ST verfasste, von Rowley (vgl. 1997, S. 901) vorgeschlagene Konzeptualisierung der Abhängigkeitsbeziehung zwischen Organisation und Stakeholder-Geflecht. Zum anderen, die als Erweiterung bestehender Annahmen aus dem NI, von Oliver (vgl. 1991, S. 152) aus dem Phänomen der Entkopplung abgeleiteten strategischen Handlungsoptionen einer Organisation, um auf isomorphe Zwänge von institutionellen Erwartungen zu reagieren.

2.1. Stakeholder-Theorie

Die ST kann nicht als Einheitskonzept verstanden werden, vielmehr ist es ein Sammelbegriff für verschiedene Ansätze, die nebeneinander existieren, aber inhaltlich viele Gemeinsamkeiten aufweisen (vgl. Jones/Wicks 1999, S. 211). Der Konsens zwischen den Ansätzen in der ST ist, dass die Entscheidungen und Handlungen eines Unternehmens relevanten Einfluss auf verschiede Gruppen und Personen haben. Es wird angenommen, dass selbst die Gruppen, die nur indirekt von dem Wirken des Unternehmens beeinflusst werden, als relevante oder zumindest potenziell relevante Anspruchsgruppen vom Vorstand berücksichtigt werden müssen. Daraus ergeben sich für das Unternehmen eine Vielzahl von Beziehungen zu Anspruchsgruppen, welche bereits in der Lage sind, die Entscheidungen des Unternehmens zu beeinflussen oder künftig dazu in der Lage sein könnten (vgl. Freeman 2010).

2.1.1. Grundlagen

Zur Klärung des Begriffs Stakeholder unterscheiden Mitchell et al. (1997) zunächst zwischen Anspruchsberechtigten-Gruppen, die einen legitimen oder nicht-legitimen Anspruch gegenüber dem Unternehmen haben und Beeinflussern, sprich Personen, die die Macht haben, das Unternehmen zu beeinflussen. Diese beiden Elemente, Macht und Legitimität, sind Kernelemente von Stakeholdern. Diese Elemente können sich überschneiden, aber auch abseits voneinander existieren. Neben Macht und Legitimität ist das dritte Element die Dringlichkeit. Sie beschreibt das Maß an unmittelbarer Aufmerksamkeit, die von den Stakeholdern bzgl. ihres Anliegens erwartet wird. Sie ist eine Kombination aus zeitlicher Sensibilität und Kritikalität der Forderung. Die Einführung des Begriffs Dringlichkeit ermöglicht die Transformation eines statischen Modells in ein dynamisches Modell, in dem sowohl die Zeit als auch die sich ändernden Elemente Macht und Legitimität eine Rolle spielen. Es wird deutlich, dass potenzielle Beziehungen ebenso relevant sein können wie die tatsächlichen. Anhand der drei genannten Elemente lassen sich a priori die für das Unternehmen relevanten Stakeholder identifizieren. Es handelt sich dabei jedoch immer um eine subjektive Einschätzung des Vorstands, welchen Stakeholdern er besondere Relevanz beimisst und somit seine Aufmerksamkeit widmet. Mitchell et al. gehen davon aus, dass ein Stakeholder in Abhängigkeit von der Anzahl der in ihm vereinigten Elemente mehr Beachtung durch das Management erhalten sollte (vgl. ebd., S. 856). Da es in dieser Arbeit um die Verhaltensweise des Vorstands gegenüber seiner relevanten Anspruchsgruppen geht, werden ausschließlich die von Mitchel et al. als sog. Expectant Stakeholder kategorisierten Gruppen betrachtet (vgl. ebd., S. 869). Stakeholder dieser Gruppe besitzen immer zwei der drei genannten Elemente. Je nach Kombination der Elemente lassen sich erneute Stakeholder Typen ableiten. In beiden Fallbeispielen handelt es sich um sog. Dominante Stakeholder. Sie besitzen die Elemente Macht und Legitimität. Ihre hierdurch entstehende Relevanz für die Organisation macht eine ständige Beobachtung und Auseinandersetzung mit diesen Stakeholdern notwendig. Innerhalb einer Organisation gibt es deshalb verschiedene Abteilungen, die sich gezielt mit einem dieser Dominante Stakeholder beschäftigen. Die Abteilungen sind dauerhaft in der Organisationsstruktur besetzt. Beispiele dafür sind beim FCB der Fanbeauftragte, die Personal-, Sponsoring- und Presseabteilung.

2.1.2. Netzwerkeigenschaft des Stakeholder-Geflechts

Die grundlegende Annahme der ST geht von einer bilateralen Beziehung zwischen Organisation und den jeweiligen Stakeholdern aus. Die Theorie des Stakeholder-Geflechts erweitert die Betrachtung und geht davon aus, dass Stakeholder untereinander gewisse Netzwerkeigenschaften aufweisen und somit nicht alleinstehend, sondern im Kontext des gesamten Stakeholder-Geflechts wahrgenommen werden müssen. Diese Sichtweise ist auf die von Rowley (1997, S. 888) formulierte Fragestellung: „How does the structure of an organization’s stakeholder relationship affect its responses to stakeholder pressures?“ zurückzuführen. Es geht nun nicht mehr nur um die Frage, inwieweit ein einzelner Stakeholder dazu in der Lage ist, maßgeblich die Handlungen der Organisation zu beeinflussen, sondern es wird geschaut, in welcher Beziehung die Stakeholder zueinanderstehen und ob die Stakeholder ggf. selbst Stakeholder haben, die einen indirekten Einfluss auf die Organisation ausüben könnten. Die grundlegende Erkenntnis aus dem Konzept des Stakeholder-Geflechts ist, dass der Vorstand einer Organisation dazu angehalten ist, gleichzeitig allen relevanten Stakeholdern seine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und er dabei das komplexe Beziehungsgeflecht der Stakeholder untereinander und zur Organisation berücksichtigen muss (vgl. Donaldson/Preston 1995, S. 65ff.).

2.1.3. Soziale Netzwerke als Analyserahmen des Stakeholder-Geflechts

Rowley spezifiziert die Netzwerkeigenschaften des Stakeholder-Geflechts, indem er soziale Netzwerke als Analyserahmen setzt (vgl. 1997, S. 901 ff.). Dadurch werden die Dynamik und Vielschichtigkeit des Stakeholder-Geflechts beschreibbar. Die von Rowley verwendeten Bezugsgrößen sind Density (Dichte) und Centrality (Zentralität) .

Density bezieht sich auf die Anzahl an Verbindungen zwischen den Stakeholdern innerhalb eines Netzwerkes. Hohe Density beschreibt eine Vielzahl an Verbindungen zwischen den einzelnen Stakeholder-Gruppen und führt somit zu einem effizienteren Informationsaustausch innerhalb des Stakeholder-Geflechts. Bei hoher Density ist eine rapide und stetige Diffusion von Normen, die sich innerhalb des Stakeholder-Geflechts etablieren, möglich. Die Konsequenz ist, dass es für das Unternehmen schwieriger wird, sich den Forderungen und Erwartungen der Stakeholder zu widersetzen. Bei einem geringen Maß an Density bestehen nur wenig Verbindungen zwischen den einzelnen Stakeholder-Gruppen, was wiederum dazu führt, dass einzelne Akteure im Stakeholder-Geflecht isoliert werden können und nur vereinzelt Informationen aus dem restlichen Netzwerk erhalten (vgl. ebd.).

Centrality beschreibt die relative Position eines Stakeholders innerhalb des Netzwerkes.

Rowley unterscheidet zwischen drei Teilkomponenten, die Einfluss auf die Centrality haben: Degree Centrality, Closeness Centrality und Betweenness Centrality.

Degree Centrality wird als die Anzahl der Verbindungen zu oder von einem bestimmten Akteur gemessen und gibt Aufschluss über die Kommunikationsaktivität eines Akteurs im Stakeholder-Geflecht. Closeness Centrality gibt an, inwieweit sich ein Akteur in Reichweite aller anderen Akteure des Stakeholder-Geflechts befindet und ist damit ein Indikator für die Unabhängigkeit eines Akteurs in Bezug auf seine Fähigkeit, alle anderen Akteure des Stakeholder-Geflechts zu erreichen. Betweenness Centrality wird daran gemessen, inwieweit ein Akteur auf dem kürzesten Weg mit allen Stakeholdern innerhalb des Stakeholder-Geflechts kommunizieren kann und gibt somit Auskunft über das Potenzial des Akteurs, die Kommunikation im Stakeholder-Geflecht zu kontrollieren und den Zugang einzelner Akteure zum restlichen Stakeholder-Geflecht einzuschränken (vgl. Würz 2012, S. 140). Diese drei Teilkomponenten werden bei der Festlegung auf das Maß der Centrality berücksichtigt, wobei sich Rowley auf die Betweenness Centrality fokussiert. Je nachdem wie stark die Aspekte Density und Centrality innerhalb des Stakeholder-Geflechts und der Organisation als Akteur innerhalb dieses Netzwerks ausgeprägt sind, resultieren verschiedene Machtpositionen für die Organisation, welche die unterschiedlichen Konstellationen des Machtgefälles innerhalb der Beziehung zwischen Stakeholdern und Organisation beschreiben.

So schlägt Rowley die folgende Unterscheidung zwischen vier mögliche Konstellationen vor, in Form von Rollenbezeichnungen, die das Verhältnis zwischen Organisation und Stakeholder-Geflecht beschreiben (vgl. 1997, S. 901 ff.):

Compromiser : Wenn die Density des Stakeholder-Netzwerks und die Centrality der fokalen Organisation hoch sind, bedeutet dies, dass die hohe Density die Kommunikation und Koordination unter den verschiedenen Stakeholdern erleichtert, womit sie sich auf diese Weise zu einer einflussreichen kollektiven Kraft formieren können. Da jedoch auch die Centrality hoch ausgeprägt ist, kann die fokale Organisation auf die Bildung von Forderungen und Erwartungen beeinflussen. Aus diesem Grund besteht die aus Sicht der fokalen Organisation hier anzuwendende Strategie darin, die Stakeholder zu beschwichtigen und ihren Forderungen nachzukommen, mit dem Ziel eine Win-win-Situation für Stakeholder und Organisation zu schaffen.

Commander : Wenn die Density niedrig ist bedeutet dies, dass die Stakeholder eher spärlich vertreten oder voneinander isoliert sind, sodass eine Kommunikation oder Zusammenarbeit untereinander nicht möglich ist und keine Koalitionen gebildet werden können. In Verbindung mit einer hohen Centrality bedeutet dies, dass sich die fokale Organisation in einer bestimmenden Machtposition befindet, wodurch sie die zu erfüllenden Erwartungen festlegen und ein hohes Maß an Weisungsfreiheit ausüben kann.

Subordinate : Wenn die Centrality niedrig und die Density hoch ist, bedeutet dies, dass die Stakeholder einen erheblichen Einfluss ausüben können und über einen besseren Informationsaustausch verfügen, sodass die fokale Organisation keine andere Wahl hat, als den Erwartungen und dem Druck der Stakeholder nachzugeben.

Solitarian : Wenn sowohl die Centrality als auch die Density niedrig sind, weil weder die fokale Organisation noch ihre Stakeholder gut vernetzt sind, bleibt das Machtgefälle gering. Der Informationsaustausch ist beschränkt.

Dieses Vier-Rollen-Modell wurde am Beispiel zweier Netzwerke aus der US-amerikanischen Halbleiterbranchen und aus der Stahlproduktion empirisch überprüft. Rowley et al. (vgl. 2000, S. 372 f.) konnten das von Rowley (vgl. 1997, S. 901 ff.) aufgestellte Modell hinsichtlich der Auswirkungen der vier Rollen der Organisation und dem daraus resultierenden Einfluss auf das Stakeholder-Geflecht bestätigen.

2.2. Neoinstitutionalismus

Der NI bezeichnet eine sozialwissenschaftliche Theorieströmung, die sich seit den 1980ern in viele Richtungen entwickelt hat, weswegen man ihn nicht als Einheitskonzept verstehen kann. Aufgrund der konzeptionellen und disziplinären Offenheit bietet die Theorieströmung des NI für die Soziologie, Organisationsforschung, Kommunikationsforschung und auch für die Managementforschung einen attraktiven Forschungszugang, der sich je nach Forschungsdisziplin entsprechend erweitern oder einschränken lässt. Die u. a. darauf zurückzuführende Expansion des NI hat zur Folge, dass das gesamte Forschungsfeld, mit all seinen disziplinären Abspaltungen sehr undurchsichtig geworden ist. Deswegen wird diese Arbeit auf die Konzepte und Begriffe zurückgreifen, die sich als weitgehend einheitliche Referenzpunkte entwickelt haben. Die verwendeten Ansätze des NI unterschieden sich in zwei essenzielle Analyseebenen. Zum einen mikro-institutionelle Ansätze, welche ihr Forschungsinteresse auf die Institutionalisierungsprozesse innerhalb der Organisation richten. Zum anderen makro-institutionelle Ansätze, welche sich mit der Reproduktion und Adaption externer institutionalisierter Elemente beschäftigen und somit das Forschungsinteresse auf die Faktoren richtet, die von außen auf die Institutionalisierungsprozesse in der Organisation einwirken.

2.2.1. Grundlagen

Das im NI verwendete Legitimitätsverständnis wurde in besonderem Maße von den Arbeiten von Meyer/Rowan (1977) und DiMaggio/Powell (1983) geprägt. Meyer und Rowan verweisen in ihrer Arbeit darauf, dass sowohl der organisationale Erfolg als auch das organisationale Überleben nicht ausschließlich von der Effizienz und Formalität der Organisation abhängig ist. Sie gehen davon aus, dass die Bereitwilligkeit einer Organisation, sich an von sowohl von außen als auch von innen an sie herangetragene Erwartungen anzupassen, eine mindestens gleich hohe Bedeutung zu kommt (vgl. 1977, S. 340 ff.). Passt sich die Organisation an diese Institutionen an, so wird ihr Legitimität zugesprochen (vgl. Hellmann 2006, S. 70 f.). Die Bedeutung des Legitimitätszuspruchs geht Hasse/Krücken (vgl. 2005, S. 50 ff.) zu folge sogar so weit, dass selbst wenn eine Organisation aus Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit, der Effizienz oder der Rationalität theoretisch nicht mehr überlebensfähig wäre, ein ausreichend hoher Legitimitätszuspruch ihr Überleben trotzdem gewährleisten könnte. In einer späteren Veröffentlichung führen Meyer/Rowan (vgl. 1991, S. 340 ff.) einen weiteren Aspekt aus, welchen sie als den Gebrauch von legitimated vocabularies bezeichnen. Darunter verstehen sie die Verwendung von Wörtern, welche den Anschein erwecken, legitim zu sein. Der Gebrauch dieser Wörter setzt allerdings keine Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Verhalten der Organisation voraus. Durch die Verwendung dieser legitimated vocabularies kann vielmehr eine Entkopplung zwischen der organisationalen Außendarstellung und der organisationalen Innenansicht erfolgen. Voraussetzung ist, dass die organisationalen Legitimitätsfassaden weiterhin aufrechterhalten werden (vgl. Hellmann 2006, S. 78 f.). Obwohl sie ihn häufig verwenden, liefern weder Meyer/Rowan noch DiMaggio/Powell eine explizite Definition für den Begriff der Legitimität. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit auf die im NI mittlerweile größtenteils als Konsens angesehene Definition von Suchman (1995, S. 574) zurückgegriffen: „[...] a generalized perception or assumption that the actions of an entity are desirable, proper, or appropriate within some socially constructed systems of norms, values, beliefs, and definitions.“

[...]

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Das Machtverhältnis der FC Bayern München AG zu ihren Stakeholdern. Ein Balanceakt zwischen nationalen Stakeholder-Interessen und internationalen Anpassungsbemühungen
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Wirtschaftswissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2022
Seiten
38
Katalognummer
V1235827
ISBN (eBook)
9783346660626
ISBN (eBook)
9783346660626
ISBN (eBook)
9783346660626
ISBN (Buch)
9783346660633
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stakeholder-Theorie, Fußball, Neoinstitutionalismus, Isomorphie, FC Bayern München, FC Bayern München AG, DFB, DFL, Katar, Sponsoring, NLZ, Nachwuchsleistungszentrum, Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß, Oliver Kahn, Deutschland, Bundesliga, WM, FIFA, Qatar Airways, Campus, Leistungszentrum
Arbeit zitieren
Julius Enzensperger (Autor:in), 2022, Das Machtverhältnis der FC Bayern München AG zu ihren Stakeholdern. Ein Balanceakt zwischen nationalen Stakeholder-Interessen und internationalen Anpassungsbemühungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1235827

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