Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Trauma
2.1 Definition
2.2 Ursachen und Entstehung von Traumata
2.3 Arten von Kindesmisshandlung
2.3.1 Vernachlassigung
2.3.2 Korperliche Misshandlung
2.3.3 Seelische Misshandlung
2.3.4 Sexueller Missbrauch
2.4 Traumafolgen
2.4.1 Posttraumatische Belastungsstorung (PTBS)
2.4.2 Folgen einer Posttraumatischen Belastungsstorung im Kindes- und Jugendalter
3. Traumapadagogik in der stationaren Jugendhilfe
3.1 Definitionen
3.1.1 Heimerziehung
3.1.2 Traumapadagogik
3.2 Traumapadagogisches Handeln 1
3.2.1 Grundhaltung
3.2.2 Selbstwirksamkeit und Selbstbemachtigung
3.2.3 Bindungsaufbau und -sicherung
4. Professioneller Umgang mit Traumata
4.1 Grundkompetenzen von sozialpadagogischen Fachkraften
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wahrend meiner Ausbildung zur Staatlich anerkannten Erzieherin habe ich in einer heilpadagogischen Intensivgruppe fur Madchen im Alter zwischen acht bis vierzehn Jahren gearbeitet. Jedes Madchen wies psychische Belastungen durch traumatische Erfahrungen in der Kindheit auf. Dreiviertel der Adressat*innen wurde eine posttrau- matische Belastungsstorung oder eine Storung im Bindungsverhalten diagnostiziert. Die Heimerziehung bietet neben der klinischen Sozialarbeit einen sicheren Ort, an dem traumatisierte Kinder betreut werden. Die padagogische Arbeit in einer stationa- ren Wohngruppe findet ganzjahrig statt und ist somit ein pragender Teil von Kindern und Jugendlichen die dort wohnen. Es ist fur die Traumapadagogik in stationaren Einrichtungen somit unabdingbar, das padagogische Fachkrafte fur die spezifischen Bedarfe dieser Kinder und Jugendlichen geschult werden, um sie bei der Trauma- verarbeitung fachgerecht unterstutzen zu konnen. Die stationare Unterbringung von traumatisierten Kindern und Jugendlichen wird vermehrt als letzte Moglichkeit aus- gewahlt, wenn ambulante Formen nicht den gewunschten Erfolg erbracht haben.
In der vorliegenden Arbeit beleuchte ich Traumata bei Kindern und Jugendlichen im stationaren Kontext. Vorab ist zu klaren wobei es sich bei einem Trauma und der Traumapadagogik handelt und wie traumapadagogische Ansatze in der sozialpad- agogischen Praxis aussehen. Auf den folgenden Seiten soll es im ersten Teil um die Theorie des Traumas, der Ursachen und der Folgen gehen. In diesem mochte ich zudem die Posttraumatische Belastungsstorung und ihre Auswirkung auf Kinder und Jugendliche beleuchten. Im zweiten Teil hingegen, werden vor allem die stationare Jugendhilfe und Traumapadagogik definiert und traumapadagogisches Handeln dar- gestellt. Im dritten Teil mochte ich auf den professionellen Umgang mit Traumata in der sozialpadagogischen Praxis eingehen. Diesbezuglich gehe ich auf die Rolle der Professionalitat von padagogischen Fachkraften und moglichen Belastungen ein. Zum Abschluss mochte in einem Fazit die Frage nach Handlungsmoglichkeiten der stationaren Jugendhilfe bei traumatisierten Kindern und Jugendlichen beantworten.
2. Trauma
2.1 Definition
Das Wort Trauma stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet zu deutsch „ Wun- de“ oder „Verletzung“. In der Medizin bezieht sich diese Verletzung auf den Korper, in der Psychologie hingegen auf die menschliche Psyche.
Laut dem ICD-10 wird ein Trauma als Reaktion auf das Eintreten von kurz- oder langfristigen Ereignissen, ungewohnlichen Bedrohungen oder katastrophalen Ge- schehnissen definiert (vgl. Tagay, 2016, S. 26).
Das amerikanische Klassifikationssystem DSM-IV beschreibt ein Trauma als
„ [...] potenzielle oder reale Todesbedrohung, ernsthafte Verletzung oder eine Bedrohung der korperli- chen Unversehrtheit bei sich oder bei anderen, auf die mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Schrecken reagiert wird“ (vgl. American Psychiatric Assosiation).
Dabei ist zwischen dem traumatischen Ereignis und der traumatischen Reaktion zu unterscheiden. Ein Trauma setzt sich aus objektiven und subjektiven Faktoren der Wahrnehmung, Bewertung und Handlung zusammen. Die betroffene Person erlebt eine Diskrepanz zwischen der Situation selbst und seinen eigenen Bewaltigungsfak- toren, was zu Angst und Hilflosigkeit fuhrt und dadurch das Selbstbild des Betroffe- nen angreift. Ein traumatisches Ereignis zeichnet sich dadurch aus, dass der Mensch auch nach dem Erleben dieser Situation, nicht mehr in der Lage ist, mithilfe von An- passungs- und Bewaltigungsstrategien zu agieren. Die betroffene Person sieht sich selbst in einer ausweglosen Situation und zwingt den eigenen Korper den Uberle- bensmodus zu aktivieren (vgl. Konig, 2020, S.55f.).
2.2 Ursachen und Entstehung von Traumata
Jeder Trauma-Typ hat einen unterschiedlichen Entstehungshintergrund, zeigt einen anderen Verlauf und hat verschiedene Symptome. Die Kenntnis unterschiedlicher Traumata ist eine Grundvoraussetzung, um im padagogischen Umgang mit traumati- sierten Kindern und Jugendlichen eine adaquate Hilfestellung gewahrleisten zu kon- nen. Die amerikanische Psychologin Leonore Terr hat 1991 potenziell traumatisie- rende Ereignisse in drei Bereiche kategorisiert. Diese werden in drei Traumtatypen unterteilt: Ein Typ I-Traumata stellt ein einmaliges oder kurzfristiges Ereignis ( schwe- re Verkehrsunfalle, berufsbedingte Traumata, sexuelle Ubergriffe, kriminelle oder korperliche Gewalt) dar, wahrend ein Typ II-Traumata mehrfach oder langfristig (Na- turkatastophen, technische Katastrophen, wiederholter sexueller und korperlicher Missbrauch, Kriegserleben ) auftreten kann (vgl. Tagay et. al. 2016. S.35 ff.). Ein me- dizinisch-bedingtes-Traumata wird als dritter Trauma-Typ angesehen, welches durch eine akute lebensgefahrliche Erkrankung, notwendige medizinische Eingriffe oder angenommene Behandlungsfehler ausgelost werden kann (vgl. Maercker, 2009, S. 122f.). Zwei Drittel der Menschen, die ein traumatisches Erlebnis erlebt haben, haben dieses ohne langfristige Schadigung uberstanden. Ereignisse, die zu einem Trauma fuhren konnen, sind nicht aus sich heraus traumatisch. Wichtig hierbei ist den betroffenen Menschen, sein Alter und seine Verarbeitungsmoglichkeiten zu be- trachten, anstatt des eigentlichen Traumaereignisses (vgl. Hantke und Gorges, 2012, S. 53f). Werden traumatische Erlebnisse durch Dritte („man-made“-Traumata), z.B. Bezugspersonen ausgelost, kann dies zu einer Storung der Traumatisierten im Bin- dungsverhalten fuhren. Besonders Kinder und Jugendliche suchen die Schuld, nach einer Traumatisierung, bei sich selbst. Sind Kinder und Jugendliche einer Traumati- sierung ausgesetzt, kann dies zu einer biologischen, sozialen und/oder psychologi- schen Entwicklungsstorung fuhren (vgl. Eckardt, 2013 S. 10f.).
2.3 Arten von Kindesmisshandlung
Im Folgenden mochte ich auf weitere Ursachen fur Traumata bei Kindern und Jugendlichen eingehen. Zu diesen zahlen die Vernachlassigung, korperlicher, seeli- scher oder sexueller Missbrauch.
2.3.1 Vernachlassigung
Die Vernachlassigung von Kindern und Jugendlichen stellt eine Form von Miss- handlung dar. Diese zeigt sich, wenn einem Kind nicht genugend emotionale, kogni- tive, korperliche oder materielle Zuwendung und Sicherheit gewahrleistet wird. Die Vernachlassigung eines Kindes resultiert oftmals aus mangelnden Wissen, Uberfor- derung oder mangelnder Erziehungsqualitaten der Bindungspersonen. Eine Missach- tung der erzieherischen Aufgaben von Elternteilen ist eine gewaltsame psychische oder physische Beeintrachtigung, die durch Unterlassung der gefuhlsmaftigen Unter- stutzung der Kinder zustande kommt (vgl. Kockeritz in Weift, 2016, S. 355 ff.).
2.3.2 Korperliche Misshandlung
Korperliche Misshandlung stellt eine Form des Missbrauchs dar, die sich auf das absichtliche Verursachen von Schmerzen und korperlichen Schaden bezieht. Peter Wetzels unterteilt diese in „elterliche korperliche Zuchtigung" und „elterliche korperli- che Misshandlung “ (vgl. 1997, S. 68). Korperliche Misshandlung ist mit die bekann- teste Form von Kindesmisshandlung, da sie in den vergangenen Jahren vermehrt mediale Aufmerksamkeit erhalten hat. Dennoch ist zu beachten, dass korperlicher Missbrauch nicht die schlimmste Form von Kindesmisshandlung darstellt. Korperli- cher Missbrauch geht gleichzeitig mit einem emotionalen Missbrauch einher, da Kinder nicht „lautlos“ geschlagen werden. Dennoch heilen korperliche Wunden leichter als seelische Wunden (vgl. Engfer 2002, S. 802). Hierbei ist auch anzumerken, dass korperliche Misshandlung oft mit Unfallen beim Spielen oder Ahnlichem zu verste- cken versucht wird. Dadurch werden nicht alle Falle von korperlicher Misshandlung auch als solche erkannt.
2.3.3 Seelische Misshandlung
Wie bereits erwahnt kann eine seelische Misshandlung mit einer korperlichen ein- hergehen. Zur seelischen oder auch psychischen Misshandlung gehoren negative Interaktionen gegenuber dem Kind bzw. Jugendlichen. Dies kann sich in Zuruckwei- sung, emotionaler Unerreichbarkeit, Einschuchterung, vermehrter Beschimpfung und Entwurdigung auftern (vgl. Engfer 2002, S. 802ff.). Seelische Misshandlung muss nicht zwangslaufig mit korperlicher Misshandlung einhergehen, sondern kann ebenso gesondert auftreten. Es ist kein einmaliges Ereignis und kann sich uber einen lange- ren Zeitraum erstrecken. Dadurch ist es einem Kind nicht moglich eine selbstsichere Personlichkeit aufzubauen.
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