„Unlike any other type of society, capitalism inevitably and by virtue of the very logic of its civilization creates, educates and subsidizes a vested interest in social unrest.” Mit diesem vorangestellten Zitat von Joseph A. Schumpeter leitet der Autor Ernst-Wilhelm Händler den ersten Teil seines Wirtschaftsromans „Wenn wir sterben“ ein. Die soziale Unrast, die laut Schumpeter unabwendbar ist, sobald der Kapitalismus als leitende Gesellschaftsform anerkannt ist, scheint auch vor den Protagonisten von Händlers Roman keinen Halt zu machen. So gerät der mittelständische Elektrohersteller „Voigtländer“, der zu Beginn des Romans noch von drei gleichaltrigen Frauen geführt wird – Charlotte, Bär und Stine - durch eine geschickt eingefädelte Intrige unter die alleinige Leitung Stines. Doch auch sie wird später ausgebootet - von der mächtigen Milla, die sich mit der Übernahme von „Voigtländer“ in ihrem Großkonzern „D’Wolf“ weiter profilieren will. „Wenn wir sterben“ ist ein Roman vom zeitgenössischen „Fressen und gefressen werden“: Was zählt ist einzig und allein das soziale Überleben, welches eng verquickt ist mit den eigenen, ökonomisch verwertbaren Leistungen. Werden diese nicht mehr erbracht, oder können sie nicht mehr erbracht werden, so ist der soziale Tod sicher und dann heißt es lax „Game Over“ frei nach dem Credo „Wer keinen Erfolg hat, soll gefälligst den Mund halten“ .
Man sieht: Händler geht es nur vordergründig um den Plot als solchen, viel wichtiger ist dem Autoren eine detaillierte Schilderung des kapitalistischen Wirt-schaftsprozesses. Das Ökonomische durchdringt alle Lebensbereiche, das Optimierungsdenken hat sich in den Köpfen der Protagonisten festgesetzt und ist fort-an der einzige Kompass für ihre Handlungen. Diese können im Einzelnen ganz unterschiedlich ausfallen, fest steht jedoch, dass „die moderne Industriegesell-schaft den Menschen entwurzelt und deformiert“ hat. Wie diese Symptome genau aussehen und zu Tage treten, soll im folgenden Hauptteil untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Stine (Christine Trendelenburg)
- 1.1. Karriere als Lebensplanmuster
- 1.2. Absolutsetzung der Rationalisierung – Stine als Halbe
- 1.3. Stine und die Zeit
- 2. Milla
- 2.1. Millas Formeln für den Erfolg
- 2.2. Selbstzweifel
- 2.3. Selbstauflösung als Strategie
- 2.4. Das Joint venture - eine Fata Morgana
- 3. Nebenstimmen: Die Töchter Ethel und Fleur
- 3.1. Ethel: Gesundheitswahn und Drogenexzesse
- 3.2. Fleurs Videokunst
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Roman „Wenn wir sterben“ von Ernst-Wilhelm Händler analysiert detailliert den kapitalistischen Wirtschaftsprozess und dessen Auswirkungen auf die Protagonisten. Der Autor beleuchtet, wie das Optimierungsdenken alle Lebensbereiche durchdringt und die Charaktere in ihrem Handeln prägt. Es wird gezeigt, wie das ökonomische System Individuen entwurzelt und deformiert.
- Der Einfluss des kapitalistischen Wirtschaftsprozesses auf das Individuum
- Die Rolle von Intrigen und Machtstrukturen im beruflichen Aufstieg
- Die Auswirkungen des Optimierungskalküls auf zwischenmenschliche Beziehungen
- Die Ambivalenz von Erfolg und Selbstzweifel
- Die Verzerrung des Zeitverständnisses im Kontext des unaufhörlichen Strebens nach Erfolg
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die zentralen Figuren vor: Stine, Milla, und die Nebenfiguren Ethel und Fleur. Das Kapitel über Stine beschreibt ihren karriereorientierten Lebensstil, ihre rücksichtslose Verfolgung von Erfolg, und die dargestellte „Halbierung“ ihres Wesens als Folge der vollständigen Unterwerfung unter das ökonomische System. Die Darstellung von Milla beleuchtet ihre Strategien im Kampf um Macht und ihren ambivalenten Umgang mit dem System, geprägt von Erfolg, Selbstzweifel und einer Form der Selbstauflösung. Die Kapitel über Ethel und Fleur zeigen die Auswirkungen des Systems auf jüngere Generationen, dargestellt durch extremes Verhalten und künstlerische Verarbeitung der Entfremdung.
Schlüsselwörter
Kapitalismus, Wirtschaftsprozess, Optimierungskalkül, Machtstrukturen, Intrigen, Erfolg, Selbstzweifel, Entfremdung, Rationalisierung, Identität, Zeitverständnis, Joint Venture.
- Arbeit zitieren
- Philipp Hauner (Autor:in), 2007, Das Subjekt des Wirtschaftsprozesses als Ergebnis eines Optimierungskalküls in Ernst Wilhelm Händlers 'Wenn wir sterben', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123602