Die Situation und Rolle des Spanischen in Marokko und der Westsahara

Ein kontrastiver Vergleich


Seminararbeit, 2022

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Externe Sprachgeschichte
2.1 Die Regionen in Marokko und der Westsahara mit spanischer Kolonialvergangenheit
2.2 Spanisch-Marokko und Spanisch-Westsahara in Entstehung und Zerfall

3 Soziale Relevanz des Spanischen in Marokko und der Westsahara
3.1 Ceuta und Melilla
3.2 Marokko – Tétouan und Sidi Ifni
3.3 Westsahara

4 Sprachliche Charakteristika
4.1 Ceuta und Melilla
4.2 Marokko – Tétouan und Sidi Ifni
4.3 Westsahara

5 Fazit

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

“El español tiene una característica esencial que muy pocas lenguas han alcanzado:
es universal ” (vgl. Quilis Morales 1998: 15): Mit diesem Zitat des einstigen Hispanisten aus dem 20. Jahrhundert lässt sich die Situation des Spanischen in der Welt treffend bezeichnen. Die heutige Plurizentrik, welche vor allem auf die verschiedenen in Folge der Kolonialisierung stattgefundenen Hispanisierungswellen zurückzuführen ist, ist trotz der Vielfalt der Schlüssel jenes Prestiges, das die spanische Sprache heute in unserer Welt ausmacht. Neben den Zentren in Europa und (Hispano-)Amerika bahnte sie sich allerdings auch in weitere Regionen
ihren Weg, in denen man sie außerhalb des linguistischen und historischen Netzwerks nicht
direkt erwarten würde, wie zum Beispiel auf den Philippinen oder in Afrika, wo sie in Äquatorialguinea sogar den Status einer Amtssprache innehat. Für die meisten hispanophonen Regionen gilt dabei, dass sie linguistisch bereits hochqualitativ erschlossen sind. Dennoch gibt es heute noch Ausnahmen, von denen dies nicht behauptet werden kann. Häufig sind äußere, nicht zu beeinflussende Umstände der Grund für diese Tatsache. Exemplarisch hierfür soll
die Situation und Rolle des Spanischen in Marokko und der Westsahara Gegenstand
dieser Seminararbeit sein. Dabei soll die Frage nach den Forschungsdefiziten und deren Ursachen – besonders auf Seiten der Westsahara – im Zentrum des Interesses stehen,
indem bisherige Erkenntnisse kontrastiv an der Situation des benachbarten Marokko verglichen werden.

Zur kulturhistorischen Einordnung wird ein Überblick über den Ursprung und die Entstehung des Sprachkontakts beider Regionen im Rahmen der externen Sprachgeschichte gegeben.
Ziel ist es, ein historisches und kulturelles Vorstellungsvermögen für das zu bearbeitende Thema zu entwickeln. Besonders die politische Geschichte dieser einst spanischen Kolonie ist bis in die Gegenwart von hoher Relevanz.

Im Folgenden soll dann – entgegen der Vorgehensweise im voranstehenden Kapitel – unterteilt und fortan kontrastiv auf soziolinguistische Aspekte und Sprachkontaktsituationen beider Regionen eingegangen werden, ehe im vierten Kapitel das Hauptaugenmerk auf den sprachlichen Besonderheiten der jeweils vorherrschenden Varietäten liegt.

Schlussendlich soll eine Einschätzung über die Relevanz dieser politisch kritischen Region für die Hispanistik entstehen, welche bestehende Forschungslücken identifizieren, konkretisieren und in summa aufzeigt.

2 Externe Sprachgeschichte

Um die sprachliche Situation des Spanischen in Marokko und der Westsahara sowie deren Entwicklung besser verstehen zu können, soll durch das folgende Kapitel zunächst ein Überblick über den Ursprung und die Entstehung dieser linguistischen Region geschaffen werden. Dafür sollen primär die hispanisierten Teile Nordafrikas betrachtet werden,
welche sich geographisch im heutigen Marokko und der Konfliktregion Westsahara befinden.

2.1 Die Regionen in Marokko und der Westsahara mit spanischer Kolonialvergangenheit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Karte der ehemaligen Protektorate in Nordwestafrika

Die vorliegende Abbildung stellt kartographisch die territoriale Situation des heutigen Marokko und der Westsahara nach der Kongokonferenz (1884/85) dar. Zu sehen ist – wie der Legende zu entnehmen – die Einteilung sowohl der spanischen Protektorate als auch der französischen. Die hellorange eingefärbte Fläche zeigt das Protektorat Spanisch-Marokko, welches den Landstrich an der marokkanischen Mittelmeerküste mit den Örtlichkeiten Tétouan als Protektoratshauptstadt sowie den heutigen spanischen Enklaven Ceuta und Melilla beinhaltete. Allerdings befand sich auch ein Teil Französisch-Marokkos an der Mittelmeerküste in Form eines kleinen Gebiets etwas weiter östlich von Melilla. Somit wurde diese Region von den Franzosen hin zum Meer gänzlich umklammert. Ergänzt wurde jenes spanische Territorium durch den Kap Juby-Streifen, welcher sich südwestlich an Französisch Marokko anschließend befand. Heute ist dieser Teil des marokkanischen Staats und grenzt im Westen mit seiner Küste an den Atlantik sowie im Osten an Algerien. Südlich davon liegt wie ein spanisches Territorialkontinuum das zunächst als Río de Oro bezeichnete Protektorat Spanisch-Westsahara mit ihrer ersten spanischen Siedlung Villa Cisneros, welche heute als Stadt Dakhla bezeichnet wird. Dieselben Grenzen dieser hier gelb eingefärbten Region existieren so – die Annektierung durch Marokko ausgeblendet – bis heute bzw. ist dies das Ziel der im Februar 1976 ausgerufenen República Árabe Saharaui Democrática (RASD), die seit jeher nebst der Annektierungskonflikte weltweit um die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit kämpfen muss und damit ein politisch und militärisch äußerst instabiles, umstrittenes Gebiet darstellt.
Ein kleiner Fleck, der damals bis 1969 ebenfalls noch zu Spanisch-Westsahara gezählt wurde, war die Kleinstadt Ifni, welche etwas weiter im Norden an der Atlantikküste gelegen vollends von Französisch-Marokko umgeben war (vgl. Abb. 1).

In der vorliegenden Arbeit sollen exemplarisch die Städte Ceuta und Melilla, Tétouan, Ifni
und das weite, kaum urban geprägte Gebiet der Westsahara kontrastiv behandelt werden.

2.2 Spanisch-Marokko und Spanisch-Westsahara in Entstehung und Zerfall

Über das gesamte Gebiet der Westsahara und partiell Marokkos ist (sprach-)historisch bis
weit in das Spätmittelalter nur wenig bekannt. Als Grund hierfür wird häufig angeführt,
dass “die Quellenlage […] problematisch“ sei (Doppelbauer 2014: 36), was sich nach eigenen Recherchebemühungen – besonders im Hinblick auf die heutigen Sprachkontakte – auch
mit der persönlichen Einschätzung deckt. In der Antike ließ sich mit den Phöniziern zwar eine semitischsprachige Bevölkerung nieder, jedoch existieren von diesen “kaum kulturelle Spuren“ (Morgenthaler García 2013: 274). Dabei muss ergänzt werden, dass sich besonders die Wüstengebiete aufgrund der geographischen Begebenheiten – was für die Westsahara ausnahmslos zutrifft – für Völker in Bezug auf eine Niederlassung als wenig lukrativ erwiesen.

Demnach kann auch diese Tatsache als Grund für eine mangelnde kulturhistorische Forschungsrelevanz angesehen werden. Lediglich eine potenzielle Fischerkultur entlang der
im Westen gelegenen Atlantikküste könnte denkbar gewesen sein. WissenschaftlerInnen tendieren daher zu der These, dass die Region “erst mit der Einführung des Kamels im dritten Jahrhundert [n. Chr., Anm. d. Verf.] […] als Karawanendurchgang bedeutend“ geworden sei (Morgenthaler García 2013: 274). Trotzdem soll sich dort erst weitere fünf Jahrhunderte später ein für Wüsten typisches Nomadenvolk islamisch-berberischer Herkunft etabliert haben. Arabisiert wurde dieses Gebiet erst im zwölften Jahrhundert durch aus dem Osten eingewanderte jemenitische Völker. Seitdem verbreitete sich die heute für die Westsahara signifikante arabische Varietät Hassania (vgl. Morgenthaler García 2013: 274).

Über Tétouan, einer Stadt in Marokko mit heute knapp 400.000 Einwohnern, existiert zumindest eine gewisse Vorgeschichte aus dem 15. Jahrhundert: Sidi Al Mandari, ein aus Granada stammender Militärchef, soll in den Jahren um 1480 das Königreich Granada in Richtung Afrika verlassen haben, um daraufhin an jenem Ort, an dem heute Tétouan liegt,
eine Siedlung zu gründen. Nach der Reconquista sollen sich immer mehr aus dem ehemaligen
Al-Andalus verjagte Juden und Muslime dort niedergelassen haben. Eine ähnliche Siedlungsbewegung fand am Anfang des 17. Jahrhunderts statt, als die Moriscos – zum Christentum konvertierte Mauren – aus Kastilien und Aragón vertrieben wurden.
Al Mandaris Grab kann heute noch auf dem Friedhof von Tétouan aufgesucht werden
(vgl. Doppelbauer 2018: 90). Somit ist – auch wenn man vorsichtig mit dieser These umgehen muss – der Gründervater ein Andalusier und der Siedlungswachstum ein Produkt aus Vertreibungsbewegungen nach dem Zerfall von Al-Andalus. Behutsamer formuliert ist der Bevölkerungsursprung Tétouans eine kontinentale Verlagerung von Völkergruppen aus der iberischen Halbinsel. Für das Spanische ist jedoch die spätere Geschichte deutlich relevanter: 1860 wurde die Stadt offiziell von Spanien erobert und war in Folge der auf der Kongokonferenz zugesprochenen Kolonien Hauptstadt des Protektorats Spanisch-Marokko.
In der Architektur der Stadt ist der spanische Einfluss beispielsweise in der symmetrischen Konstruktion bis heute zu sehen: Eine planmäßige Anordnung der Straßen und Häuserblöcke, die sich um die runde Plaza Primo aufbauen, an der mit der katholischen Kirche
Nuestra Señora de la Victoria das Herzstück emporsteigt. Dieses Stadtgebiet reiht sich – im Luftbild sehr konträr wirkend und markant sichtbar – an die sog. Medina, die arabische bzw. nordafrikanische Altstadt, mit ihren verwinkelten Gassen (vgl. Doppelbauer 2018: 91–92).

Auch für Ifni (heute Sidi Ifni) gibt es einige wenige Überlieferungen über die Vergangenheit der kleinen Hafenstadt: Die Rede ist von einer “Landnahme“, bei der “kastilische Seefahrer [1478] an der afrikanischen Küste und irgendwo vis-à-vis der Kanaren ein befestigtes
Fort bauten und [es] Santa Cruz de Mar Pequeña tauften“ (Doppelbauer 2014: 37).
Dennoch handelt es sich hierbei nur um Mutmaßungen. Ob sich die Festung tatsächlich an Ort und Stelle von Ifni befand, konnte bisher mitunter aufgrund der Quellensituation nicht bestätigt werden. Santa Cruz de Mar Pequeña wurde in Folge des gewonnenen ersten spanisch-marokkanischen Kriegs 1859/60, in welchem auch Tétouan an Spanien fiel, an jene abgetreten und die unbestätigte Theorie, dass es sich dabei geographisch um Ifni handeln könnte,
liegt nahe.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Situation und Rolle des Spanischen in Marokko und der Westsahara
Untertitel
Ein kontrastiver Vergleich
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Romanische Philologie)
Veranstaltung
Seminar Linguistik "Romanische Sprachen in Afrika"
Note
1,3
Autor
Jahr
2022
Seiten
18
Katalognummer
V1236745
ISBN (eBook)
9783346656445
ISBN (Buch)
9783346656452
Sprache
Deutsch
Schlagworte
situation, rolle, spanischen, marokko, westsahara, vergleich
Arbeit zitieren
Michael Stecher (Autor:in), 2022, Die Situation und Rolle des Spanischen in Marokko und der Westsahara, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1236745

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