Sucht und kognitive Beeinträchtigung

Menschen mit einer „mäßigen“ kognitiven Beeinträchtigung: Eine Risikogruppe bezüglich Sucht


Research Paper (undergraduate), 2008

45 Pages, Grade: C


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1 Einleitung
1.1 Vorverständnis
1.2 These und Fragestellung
1.3 Theorie

2 Begriffsklärung
2.1 Droge und Missbrauch
2.2 Sucht versus Abhängigkeit
2.3 Kognitive Beeinträchtigung

3 Entwicklung der Behindertenhilfe
3.1 Normalisierung
3.2 Dezentralisierung
3.3 Selbstbestimmung
3.4 Inklusion

4 Sucht und Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung
4.1 Rahmenbedingungen
4.2 Intra- und interpersonelle Faktoren
4.3 Anfälligkeit für psychische Störungen
4.4 Vulnerabilität für Sucht
4.5 Verifizierung der These

5 Kritische Würdigung
5.1 Erkenntnisse für die Behindertenhilfe
5.2 Theorieeinwand
5.3 Selbstreflexion
5.4 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

„Wenn es stimmt, dass man nicht von einer Droge, sondern von einem Gefühls- oder Erlebniszustand abhängig wird, und wenn es weiterhin richtig ist, dass man abhängig wird, weil man sich nicht mit einer als belastend empfundenen Lebenssituation identifizieren kann und weder Alternativen noch Änderungsmöglichkeiten für sich sieht, dann haben – so traurig es ist, dies festzustellen – Menschen mit geistiger Behinderung in einer Gesellschaft, in der sich die Selbstkonzepte der Menschen immer radikaler dem Leistungs- und Verwertungsstandpunkt unterwerfen und in der der Konkurrenzkampf demgemäß immer gnadenloser wird, noch mehr als nichtbehinderte Menschen Anlass, ein realistisches Selbstkonzept durch das fiktive und illusionäre, welches der Alkohol vermittelt, zu ersetzen.“

(Schinner 2000: 9)

Abstract

Das Thema dieser Theoriearbeit, Sucht und kognitive Beeinträchtigung, ist ein in der Behindertenhilfe neu zu betrachtendes Phänomen. Substanziell geht es hier um das Zusammenwirken zwischen diesen beiden Beeinträchtigungen. Präziser formuliert um die Wirkung und Relevanz der Sucht bei Menschen mit einer mäßigen kognitiven Beeinträchtigung. Ich gehe davon aus, dass diese Gruppe mit großen Risiken zu kämpfen hat. An dieses Erkenntnisinteresse ist meine Fragestellung geknüpft:

Anhand welcher Kriterien, resp. Faktoren, sind Menschen mit einer mäßigen kognitiven Beeinträchtigung, die ein eher selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen können (z.B. unterstützes Wohnen, kleine Wohngemeinschaften, gemietete Wohnungen etc.), gemäß der Theorie nach Beer eine Risikogruppe bezüglich Sucht (Missbrauch von legalen Drogen)?

Menschen flüchten sich in Drogen wie Alkohol, Tabak usw. und leiden unter den Folgen dieses Konsums, wenn dieser kein Genuss mehr ist, sondern eine Sucht, die durch das soziale Milieu im breiteren Sinne bestimmt wird. Darüber hinaus wird dieser Konsum unter Erwachsenen normalerweise als selbstverständlich angesehen und ist trotz seiner schädlichen Wirkung gesellschaftlich akzeptiert. Dagegen wird in Bezug auf Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung davon ausgegangen, dass diese das Thema Sucht nicht betrifft. Der Drogengebrauch, resp. –missbrauch, sowie Sucht als Krankheit ist eine Reaktion auf den Zusammenbruch des sozialen Gefüges und trägt zugleich entscheidend dazu bei, die dadurch bewirkten gesundheitlichen Ungleichheiten weiter zu verstärken. Er eröffnet einen scheinbaren Fluchtweg aus schwierigen Lebenslagen und Stresssituationen, verschlimmert die Probleme jedoch. Dieses Phänomen gilt genauso für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung. Diese sind darüber hinaus noch gefährdeter, da sie aufgrund ihrer kognitiven Beeinträchtigung im Zusammenspiel mit Sucht als psychische Störung eine begrenzte Palette von Problemlösungsstrategien besitzen, um solche Probleme ohne Unterstützung zu bewältigen. Dies trifft vor allem auf Menschen zu, bei denen eine mäßige kognitive Beeinträchtigung diagnostiziert wurde.

Die Untersuchung anhand Beers Theorie hat die Fragestellung beantwortet und die besagte These erweitert, resp. umformuliert – dies ist zugleich der zusammengefasste Kern dieser Theoriearbeit:

Wegen der veränderten Lebenswelten (durch Dezentralisierung, Deinstitutionalisierung, Normalisierung und Selbstbestimmung) in der Behindertenhilfe und der verschiedenen intra- und interpersonellen Belastungsfaktoren (mangelnde Problemlösungsstrategien und Selbstkontrolle, mangelndes Selbstwertgefühl, Stigmatisierung, Anfälligkeit für psychische Störungen, mäßige kognitive Beeinträchtigung) steigt bei Menschen mit einer „mäßigen“ kognitiven Beeinträchtigung die Tendenz, von legalen Drogen, insbesondere Alkohol und Nikotin gefährdet oder sogar abhängig zu werden.

1 Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit zwei Beeinträchtigungen: auf der einen Seite mit Sucht und auf der anderen mit kognitiver Beeinträchtigung . Ein Phänomen auf dem Weg zur Normalität. Eine Wirklichkeit und meine Motivation, die dieser Theoriearbeit ein Gesicht verliehen haben, basieren auf verschiedenen Interessen, auf die ich im Laufe der Einleitung kommen werde. Diese Interessen haben persönliche, aber auch wissenschaftliche und sozialpolitische Hintergründe.

1.1 Vorverständnis

Schinner beschreibt im Zitat (siehe S. 3) divergente Welten, in welchen unterschiedlich lebende Menschen existieren können. Dazu gehören einerseits Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und anderseits diejenigen, die ohne eine zumindest „diagnostizierte" Beeinträchtigung leben. Die Gefühls- oder Erlebniszustände dieser beiden Menschengruppen spiegeln ein kongruentes Bild der Suchtproblematik wieder. Angehörige der einen und der anderen Gruppe können von legalen und illegalen Drogen abhängig werden. Die Wirklichkeiten, in denen sich diese Subjekte befinden, unterscheiden sich nur im Punkt der verfügbaren oder nicht verfügbaren kognitiven Ressourcen. Im Falle einer Beeinträchtigung treten Defizite ein, die das Repertoire der Problemlösungsstrategien radikal einschränken. Dies hat zur Folge, dass das Risiko bei der Bewältigung einer „kritischen“ Lebenssituation, den Bewältigungskampf ohne Drogen nicht zu bestehen, resp. dem Suchtversuch ohne professionelle Unterstützung nicht entgehen zu können, größer ist. Fernziel der Behindertenhilfe, dank der Einführung des Normalitätsprinzips, ist es, Menschen, die zu Klienten und Klientinnen gemacht werden, zu verstehen und ihnen trotz ‚Verhinderungen’, sprich kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen, ein Leben zu ermöglichen, das demjenigen nicht-beeinträchtigter Menschen so weit wie möglich entspricht (vgl. Wendeler 1992: 9).

Das Wissen über Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung habe ich mir während der Ausbildung sowie der Praxis in diesem Bereich angeeignet. Insbesondere wurde das Wissen durch die zwei besuchten Module ‚Psychische Störungen’ und ‚Entwicklungsbeeinträchtigungen’ erweitert und professionalisiert. So habe ich mir das Verständnis über Definitionen und Klassifikationen von diversen kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen extendiert, aber auch zwei internationale Klassifikation der WHO1 und eine nationale Klassifikation kennengelernt. In der Praxis habe ich mehrfach das Suchtverhalten bei den Bewohnern und Bewohnerinnen beobachtet. Dies hat meine Motivation geweckt und mein Neugier zentralisiert. Weiter habe ich das Wissen über Sucht im Modul ‚Suchtmittelmissbrauch und Abhängigkeit’ vertieft – diese Thematik hat für mich einen ganz persönlichen und sehr emotionalen Charakter, da ich schon in früher Kindheit mit deren Folgen konfrontiert wurde. In den erwähnten Modulen wurde jedoch keine direkte Verbindung zwischen den beiden Thematiken Sucht und kognitive Beeinträchtigung geschaffen. Eine Verbindung beider Themen trifft man jedoch auch in der Praxis der Behindertenhilfe nicht an. Obwohl Sucht ein großes Thema ist, wird nicht klar definiert, kaum offen thematisiert, und meist wird aus der Erfahrung interveniert. Es gibt somit kaum Suchtkonzepte, welche das professionelle Handeln kanalisieren würden. Solche Interventionen ohne theoretische Begründung haben meines Erachtens eher defizitäre als konstruktive Wirkung, nicht weil die Erfahrung unwichtig ist, sondern weil Sucht einerseits eine Krankheit und anderseits in diesem Bereich ein Novum darstellt, das mit dem Erfahrungswissen alleine nicht verstanden und erklärt werden kann.

Die Suchtproblematik an sich ist nichts Neues, sondern etwas Komplexes und ein stets neu zu betrachtendes Ventil der Sozialpolitik. Die Sichtbarkeit in den Medien prägt die öffentliche und politische Wahrnehmung von Suchtproblemen. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre mit den offenen Drogenszenen wurden Drogenprobleme als die brennendsten Probleme der Schweiz wahrgenommen. Nach der Schließung der offenen Drogenszenen sank die Aufmerksamkeit für Drogenfragen zunächst in den Medien, dann auch in der Öffentlichkeit und in die Politik (vgl. Spinatsch 2004: 2). Drogenprobleme sind am heftigsten diskutierten Themen; für die einen sind Drogen kongruent Terrorismus und für die andern Teil des menschlichen Lebens. Der Konsum von Tabak und Alkohol ist insbesondere dann gesellschaftlich gestattet, wenn er kontrolliert und situationsadäquat erfolg (vgl. Reker in: Klauß 2003: 4; Loviscach 1996: 13).

1.2 These und Fragestellung

All diese bestehenden Erkenntnisse: Meine Erfahrung, das angeeignete Wissen und die fehlenden Instrumente, aber auch die Zusammenarbeit mit Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung sowie psychischen Störungen haben mich sensibilisiert, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Da mich ausschließlich die Wirkung von Drogen auf Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung interessiert und weil diese Arbeit nur eine Theoriearbeit ist, grenze ich das Thema wie folgt ein: „Menschen mit einer ‚mäßigen’ kognitiven Beeinträchtigung: Eine Risikogruppe bezüglich Sucht“.

Das Thema „Sucht und Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung“ ist ein relativ neues, daher aber auch ein spannendes. Wenn ich im Folgenden ein paar Gedanken zu dieser Thematik vorstelle, dann immer noch von der Perspektive eines Suchenden aus. Da es sich aber auch um einen Bereich handelt, der künftig noch stärker im Arbeitsalltag der Behindertenhilfe zu berücksichtigen sein wird, ist die hier stattfindende frühzeitige Annäherung ein Verdienst der heutigen Organisation. Suchtverhalten, besonders Missbrauch von Alkohol und weichen Drogen ebenso wie Essstörungen, spielt im Alltag eine überproportional große Rolle. Betrachtet man diese Phänomene aus einer gewissen Distanz, kann einen das auch nicht wundern, denn warum sollen Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung nicht in ähnlicher Weise gefährdet sein, suchtkrank zu werden, wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Neuere Untersuchungen zeigen sogar, dass gerade diese Gruppe von Menschen in ihrer (früh)kindlichen Entwicklung überproportional höheren psychischen Belastungen ausgesetzt sind, erhebliche soziale Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren und ein größeres Risiko haben, psychisch zu erkranken (vgl. Klauß 2003: 31). Gerade Alkohol und übermäßiges Essen haben in diesem Zusammenhang eine hohe Bedeutung in der (scheinbaren) Bewältigung innerer und äußerer Spannungszustände und Probleme. Der Konsum von legalen Drogen wird zunehmend auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe festgestellt und thematisiert. So häufen sich Beobachtungen, dass Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung Alkohol, Zigaretten und Medikamente missbräuchlich benutzen. Diesen Beobachtungen kann ich mich anschließen. Mein Ziel ist das Zusammenwirken von Sucht und einer mäßigen kognitiven Beeinträchtigung zu untersuchen. Außerdem interessiert mich, herauszufinden:

Anhand welcher Kriterien, resp. Faktoren, sind Menschen mit einer mäßigen kognitiven Beeinträchtigung, die ein eher selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen können (z.B. unterstützes Wohnen, kleine Wohngemeinschaften, gemietete Wohnungen etc.), gemäß der Theorie nach Beer eine Risikogruppe bezüglich Sucht (Missbrauch von legalen Drogen)?

Dies ist zugleich meine Fragestellung. Hinzu kommen Fragen in Bezug auf substanzungebundene Verhaltensweisen, wie zum Beispiel exzessiver Fernseh- und/oder Internetkonsum. Ich begrenze mich aber auf die Wirkung von legalen Drogen. Weil mir die empirischen und theoretischen Grundlagen für illegale Drogen fehlen. Die Institutionen im Behindertenbereich orientieren sich zunehmend am Normalisierungsprinzip und fördern hiermit das autonome und selbstbestimmte Leben der Klientel, was dazu führt, dass diese deutlich einfacher nach legalen Suchtmitteln greifen können, weil diese ihnen nun zugänglicher sind. Daneben sehe ich auch andere Gründe, die ich in der folgenden These zusammenfasse:

Wegen zunehmender Dezentralisierung und Deinstitutionalisierung sowie Orientierung am Normalisierungs- und Selbstbestimmungsprinzip in der Behindertenhilfe und mangelnder Problemlösungsstrategien bei Menschen mit einer „mäßigen“ kognitiven Beeinträchtigung steigt die Tendenz insbesondere von legalen Suchtmitteln, wie Alkohol, Nikotin, Medikamente usw. gefährdet oder sogar abhängig zu werden.

1.3 Theorie

Die Wissenschaften im deutschsprachigen Raum, die sich mit Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung befassen sowie die Pädagogik für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung kümmern sich wenig um dieses Thema. Die Suche nach Fachliteratur bleibt fast erfolglos – es sind größenteils nur englischsprachige Veröffentlichungen vorhanden. Ich habe (im Internet) lediglich einen Vortrag von Peter Schinner (2000), eine Dokumentation der Arbeitstagung von Theo Klauß (2003), eine Dokumentation der Arbeitstagung von Klaus Hennicke (2006) und das Buch von Olaf Beer (2008) gefunden.

Aus diesem Grund und aus Gründen der Validität heraus nehme ich für die Erklärung dieses Phänomens die für mein Thema relevanteste Theorie von Beer („Suchtmittelgebrauch und geistige Behinderung“) (2008), die das Zusammenwirken zwischen Sucht und kognitiver Beeinträchtigung untersucht. Da seine Theorie viel Empirie inne hat finde ich belangvoll einige Argumentationen und Thesen mit der Theorie von Klauß („Geistige Behinderung und Sucht“) (2003) segmentiell ergänzen . Mit diesem Prozess strebe ich nach mehr Prägnanz und Validität der Erklärungen. Mit Hilfe dieser Theorien will ich die oben angeführte These verifizieren sowie Fragestellung gründlich beantworten.

Diese Arbeit besteht aus fünf Teilen, resp. Kapiteln. Im nächsten Kapitel werde ich mich mit den zentralen Begrifflichkeiten, die während dieser Arbeit immer wieder zu treffen sind, auseinandersetzen. Dies des Verständnisses und der besseren Orientierung wegen. Diese beiden Ebene ermöglichen den Zugang zum Thema und vereinfachen die Wege, die ansonsten zu einem Irrtum führen könnten. Das dritte und vierte Kapitel beschäftigen sich mit der Theorie und den Theorierissen der oben genannten Autoren, mit dem Ziel meine Fragestellung zu beantworten und somit meine These zu verifizieren, worauf meine theoriebasierte Erklärungen aufbauen. Im Dritten nehme ich mir vor, den Paradigmenwechsel zu entschlüsseln, d.h. ich beschreibe die Entwicklung, die sich innerhalb der Behindertenarbeit in den letzten 40 Jahren vollzogen haben, weil genau dieser Wechsel dazu beigetragen hat, dass Sucht bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung akutes Thema ist. Diese Reihenfolge schien mir sinnvoll. Damit man die weiteren Zusammenhänge zwischen Sucht, kognitiver Beeinträchtigung und veränderten Lebenswelten im Kapitel vier verstehen kann, ist es notwendig die geschichtliche Entwicklung in der Behindertenhilfe zu kennen. Von Interessen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Veränderungen in der Wohnversorgung, sowie die wechselnden Leitbilder pädagogischer Arbeit. Der Inhalt des vierten Kapitels, der im Zentrum der Arbeit steht, hat zum Ziel, die Fragestellung zu beantworten und die These zu verifizieren oder falsifizieren. Hier wird Suchtverhalten bei Menschen mit einer mäßigen kognitiven Beeinträchtigung in den USA und Australien untersucht und analysiert. Ausgehend von empirischen Untersuchungen und theoretischen Inputs zur Prävalenz, werden im weiteren Verlauf die Ergebnisse zu den Unterpunkten Vulnerabilität psychischer Störungen und Suchtmittelmissbrauch dargestellt. Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass die Ausführungen aufgrund der bereits angesprochenen mangelnden deutschen Fachliteratur zu dieser Thematik nur einen vergleichsweise kleinen Einblick in das Thema geben können. Und im fünften Kapitel wird eine kritische Würdigung mit den belangvollen zusammengefassten Erkenntnissen, Einwänden und einer Selbstreflexion vorgenommen.

Der Korrektheit und Gleichheit wegen verwende ich in dieser Arbeit jeweils die weibliche als auch die männliche Form.

2 Begriffsklärung

In diesem Kapitel beschreibe und erkläre ich die wichtigen Termini, die für das Verständnis vorliegender Arbeit und die Bedeutung für das Thema bedeutsam sind. Darüber hinaus werde ich jeweils noch eine kurze Schilderung ihrer Entwicklungsgeschichte vornehmen. Zudem soll eine Abgrenzung der Begriffe „Geistige Behinderung“ und „Kognitive Beeinträchtigung“ erreicht werden, um etwaigen Diskriminierungen vorzubeugen.

2.1 Droge und Missbrauch

Unterschiedliche Wissenschaften, politische Intentionen und Praxistraditionen haben die Begriffe in der Drogendiskussion stark beeinflusst, weswegen diese nicht einheitlich gebraucht werden. Allein der Begriff „Droge“ ist auf sehr zwiespältige Weise mit Emotionen belastet und wird heute meistens mit den illegalen Drogen gleichgesetzt (vgl. van der Linde 2008: B1). Das Wort stammt aus dem Niederdeutschen und bedeutet trocken (vgl. Loviscach 1996: 17). Aus historischer Sicht ist nicht belegbar, dass es eine Gesellschaft gegeben hätte, die frei von Drogen war. Früher diente aber der Begriff eher als Bezeichnung für die Grundstoffe zur Herstellung sowie für die Arzneimittel selbst – die Einschränkung auf psychoaktive Substanzen trat erst in neuerer Zeit auf (vgl. ebd.). Drogen werden auch als Suchtmittel, Rauschmittel und Rauschgift bezeichnet, wozu aber auch Medikamente und Genussmittel zählen (vgl. Beer 2008: 12f.). Dies ist aber unkorrekt und umgangssprachlich, genauer und korrekter ist der Begriff „psychoaktive Substanz“ (Hurrelmann 1997: 12). Nach dem Terminus der WHO gilt jede Substanz als Droge, die in einem lebenden Organismus körperliche oder psychische Funktionen verändern kann (vgl. ebd.; Comer 2001: 306). Diese Veränderung kann auf die Fähigkeit eines Menschen je nach Gebrauchs- und Missbrauchsmuster hinderlich oder förderlich einwirken (vgl. ebd.; Hurrelmann 1997: 8). Zu den Drogen gehören alle psychoaktiven und psychotropen Wirkstoffe pflanzlicher oder synthetischer Herkunft, die durch ihre Wirkung auf das Zentralnervensystem in den natürlichen Ablauf des Körpers eingreifen und Stimmungen, Gefühle, Bewusstsein und Wahrnehmungen beeinflussen (vgl. ebd.; Loviscach 1996: 17; Comer 2001: 306f.). Man unterscheidet zwischen illegalen (z.B. Haschisch, LSD, Heroin, Kokain usw.) (vgl. Art. 1 BetmG) und legalen Drogen (wie Alkohol, Nikotin, Kaffee, gewisse Arzneimittel etc.) (vgl. Hurrelmann 1997: 12f.; Loviscach 1996: 18f.). Diese Unterscheidung, die politisch ist und erst im 20. Jahrhundert erfolgte, beruft sich auf die gesetzlichen Vorgaben und entspricht nicht durchweg den medizinischen oder kulturvergleichenden Erfahrungen (vgl. Loviscach 1996: 18f.). All diese Substanzen können aber durchaus Anlass einer Sucht sein.

[...]


1 engl. World Health Organisation – Weltgesundheitsorganisation (2001).

Excerpt out of 45 pages

Details

Title
Sucht und kognitive Beeinträchtigung
Subtitle
Menschen mit einer „mäßigen“ kognitiven Beeinträchtigung: Eine Risikogruppe bezüglich Sucht
College
University of Applied Sciences Northwestern Switzerland
Grade
C
Author
Year
2008
Pages
45
Catalog Number
V123740
ISBN (eBook)
9783640292257
ISBN (Book)
9783640292394
File size
544 KB
Language
German
Keywords
Sucht, Beeinträchtigung
Quote paper
Nick Lulgjuraj (Author), 2008, Sucht und kognitive Beeinträchtigung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123740

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Sucht und kognitive Beeinträchtigung



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free