Work-Life-Balance im Corona-Office –Eine empirische Studie


Bachelorarbeit, 2021

105 Seiten, Note: A-


Leseprobe


Inhalt

Abstrakt

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Voruberlegungen
2.1 Das Coronavirus
2.1.1 Das Coronavirus in Deutschland
2.1.3 Auswirkungen aufdie Unternehmen
2.2 Work-Life-Balance
2.2.1Die Entwicklung des Konzepts „Work-Life-Balance“
2.2.2 Theorien der Work-Life-Balance
2.3 Work-Life-Balance MaBnahmen
2.3.1 Primare Work-Life-Balance MaBnahmen
2.3.2 Sekundare Work-Life-BalanceMaBnahmen
2.3.3 Tertiare Work-Life-Balance MaBnahmen

3. Forschungsstand und Hypothesen
3.1 Forschungsstand
3.2 Hypothesen

4. Empirischer Teil
4.1 Methodik
4.2 Auswahl des Messinstruments
4.3 Aufbau des Fragebogens

5. Auswertung derErgebnisse
5.1 Bereinigung der Stichprobe
5.2 Deskriptive Statistik
5.3 Reliabilitat der Variablen
5.4 Hypothesenuberprufung
5.4.1 Uberprufung der ersten Hypothese
5.4.2 Uberprufung der zweiten Hypothese
5.4.3 Uberprufung der dritten Hypothese
5.4.4 Uberprufung der vierten Hypothese

6. Diskussion

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Anlage 1: Fragebogen zurBachelorarbeit
Anlage 2: Codebook zumFragebogen
Anlage 3: Datensatz zum Fragebogen
Anlage 4: Ausgabe SPSS

Abstrakt

In dieser empirischen Forschungsarbeit wird die Work-Life-Balance von Arbeitnehmer*innen im Home-Office wahrend der Corona-Pandemie (kurz im Corona-Office) untersucht. In emem ersten theoretischen Teil wird die besondere Arbeitssituation in der Corona-Pandemie dargestellt, Konzepte und Theorien von Work-Life-Balance erlautert und das flexible Arbeiten im Home­Office als organisationale MaBnahme zur Forderung der Work-Life-Balance kritisch diskutiert. Es folgt ein Uberblick uber die Forschungsliteratur und die Ableitung der Forschungsfrage: Inwiefern hat sich das Arbeiten im Corona-Office auf die Work-Life-Balance von Arbeitnehmer*innen ausgewirkt? Zur Beantwortung der Forschungsfrage werden im Anschluss vier Hypothesen formuliert, die in einer quantitativen Studie mithilfe eines standardisierten Fragebogens uberpruft werden. Die Auswertung der Daten von 78 Proband*innen zeigt, dass Singles im Corona-Office eine schlechtere Work-Life-Balance haben als Menschen in einer Partnerschaft. AuBerdem konnte gezeigt werden, dass sich die wahrgenommene organisationale Unterstutzung positive auf die Work-Life-Balance von Arbeitnehmer*innen im Corona-Office auswirkt.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vier-Felder-Schema

Abbildung 2: Work/ Family Border Theory nach Clark

Abbildung 3: Ubersicht der Datenbereinigung

Abbildung 4: Verteilung des Geschlechts der Stichprobe

Abbildung 5: Verteilung des Alters derStichprobe

Abbildung 6: Wohnort der Proband*innen

Abbildung 7: Nationalitat der Proband*innen Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 8: Hochster Schulabschluss der Proband*innen Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 9: Reliabilitatsstatistik furdie Items Single_8 bis Singe_12

Abbildung 10: Reliabilitatsstatistik fur die Items Beziehung_6 bis Beziehung_10

Abbildung 11: Reliabilitatsstatistik furdie Items Kinder_1 bis Kinder_5

Abbildung 12: Reliabilitatsstatistik furdie Items Orga_6, _7, _10, _11 & _12

Abbildung 13: t-Test zu Hypothese Hi

Abbildung 14: t-Test zu Hypothese H2

Abbildung 15: t-Test zu Hypothese H3

Abbildung 16: Korrelation zu Hypothese H4

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Phaseneinteilung zur Beschreibung des COVID-19 Geschehens in Deutschland

Tabelle 2: Thesen zurWLBaus der Border Theory nach Clark

Tabelle3: Cronbachs's AlphaScores'Level

Tabelle4: Ubersicht derItems Single_8 bis Single_12

Tabelle5: Mittelwerte der Items Single_8 bis Single_12

Tabelle6: Mittelwerte furdie Items Beziehung_ 6 bis Beziehung_10

Tabelle 7: Mittelwerte fur die Items Kinder_1 bis Kinder_5

Tabelle8: Ubersicht derItems Orga_6,_7,_10,_11 & _12

Tabelle 9: Mittelwerte der Items Orga_6, _7, _10, _11 & _12

Tabelle 10: Korrelationskoeffizient nach Pearson;

Tabelle11: Uberblick uberdieAuswertung der Daten

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die Flexibilitat am Arbeitsplatz hat in den meisten westlichen Industriestaaten im Laufe der letzten Jahre zugenommen (Chung & van der Lippe, 2020). Diese Entwicklung wurde unter anderem aufgrund der Corona-Pandemie (im Folgenden kurz CP) stark vorangetrieben. Um Infektionen vorzubeugen, wurden viele Arbeitnehmer*innen - sowohl Erprobte als auch Neulinge - kurzerhand ins Home-Office (im Folgenden kurz HO) geschickt. Das mag fur viele Arbeitnehmer*innen (im Folgenden kurz AN) eine herausfordernde Situation gewesen sein, ob es nun galt neben dem Homeschooling Arbeitsmeetings abzuhalten oder aber trotz des Wegfalls vieler Freizeitaktivitaten in der CP punktlich Feierabend zu machen.

In den letzten Jahren ist eine betrachtliche Anzahl an Studien entstanden, die den Zusammenhang zwischen flexiblen Arbeitspraktiken und Work-Life-Balance (kurz WLB) untersuchen (Chung & van der Lippe, 2020). Hier wird oft Bezug auf die Border Theory von Sue Campbell Clark (2020) beziehungsweise auf die Boundary Theory von Blake E. Ashforth, Glen E. Kreiner & Mel Fugate (2020) genommen, die spater noch eingehend erlautert werden. Demzufolge fuhrt flexibles Arbeiten dazu, dass die Grenzen zwischen der Arbeit und dem personlichen Leben verschwimmen. Bei der Arbeit im HO wird beispielsweise die physische Grenze zwischen beiden Lebensbereichen aufgehoben. Das kann einerseits zu einer besseren Vereinbarkeit zwischen beiden Spharen, andererseits aber auch zu Konflikten fuhren. In diesem Zusammenhang wird oft von Work-Family-Conflict gesprochen (Golden, Veiga & Simsek, 2006; Allen, Herst, Bruck, Sutton, 2013).

Ob die Arbeit im HO zur WLB von AN beitragt, hangt von einer Vielzahl an Faktoren ab. Entscheidend sind beispielsweise die Fahigkeiten des Individuums, entsprechend seiner Verpflichtungen und Praferenzen mehr oder weniger starke Grenzen zwischen beiden Lebensbereichen zu ziehen, die Rolle von Familienmitgliedern und Arbeitskolleg*innen, die die Funktion von Grenzwachtern einnehmen konnen, sowie die Unterstutzung des Unternehmens (Clark, 2000; Ashforth et. al., 2000). Das Arbeiten im HO wahrend der CP (im Folgenden kurz Corona-Office genannt) scheint hierbei eine Ausnahmesituation fur AN darzustellen, die einer besonderen Betrachtung bedarf und aufgrund ihrer Aktualitat soweit bekannt bisher kaum untersucht wurde.

Im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit soll deshalb die WLB von Arbeitnehmer*innen wahrend der CP im Rahmen einer quantitativen Studie untersucht werden. Ziel ist, mithilfe eines standardisierten Fragebogens die Situation bestimmter Personengruppen wie zum Beispiel Eltern und Singles zu beleuchten, fur die es aufgrund der veranderten Lebensumstande wahrend der CP moglicherweise schwerer war, Arbeits- und Privatleben zu vereinen. Als theoretischer Bezugsrahmen fur die empirische Studie soll wie bereits angeklungen das Konzept der WLBsowie die Boundary bzw. Border Theory verwendet werden, die zu erklaren versuchen, wie Individuen die Ubergange und Grenzen zwischen Arbeitswelt und Privatleben gestalten.

Die Arbeit ist dabei wie folgt aufgebaut: In einem ersten Teil sollen theoretische Grundlagen geschaffen werden. In diesem Zusammenhang wird zuerst die Arbeitssituation in der CP sowie der Begriff der WLB erlautert. AnschlieBend werden Boundary und Border Theory erklart, die aufgrund ihrer vielen thematischen Uberschneidungen im weiteren Verlauf der Arbeit als Einheit angesehen werden. In einem weiteren Schritt wird insbesondere auf die Rolle der Unternehmen eingegangen, die flexibles Arbeiten moglich machen, um zur WLB und damit zur Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen beizutragen. Das mag jedoch nicht zwingend der Fall sein, vor allem nicht in Zeiten von Corona, wo das Arbeiten im HO uber Monate verpflichtend war. Hier soll auf mogliche Unterstutzungsangebote seitens des Unternehmens eingegangen werden - ein Thema, das auch im Fragebogen aufgegriffen wird.

Der zweite Teil der Arbeit widmet sich der empirischen Untersuchung der WLB von Arbeitnehmer*innen vor und wahrend der CP. Zuerst wird kurz der bisher eher durftige Forschungsstand erlautert und Hypothesen aufgestellt. In einem nachsten Schritt werden Methodik und Forschungsdesign vorgestellt. AnschlieBend werden die Ergebnisse der Arbeitprasentiertund diskutiert. Die Arbeit schlieBt mit einem Fazit und Empfehlungen fur zukunftige Forschungsarbeiten.

2. Theoretische Voruberlegungen

Im Folgenden werden zentrale Begriffe und Theorien erklart, die Grundlage fur die Konzipierung der empirischen Untersuchung waren, die im Anschluss erlautert wird. Im Mittelpunkt steht hierbei das Konzept der WLB, das in den letzten Jahrzehnten im Zuge groBerer gesellschaftlicher Umwalzungen immer mehr an Popularitat gewonnen hat. Im Zuge dessen wurden in den meisten westlichen Industriestaaten im Laufe der letzten Jahre flexible Arbeitspraktiken eingefuhrt. Diese Entwicklung wurde unter anderem aufgrund der CP stark vorangetrieben. Im Folgenden soll deshalb zuerst ein Uberblick uber das pandemische Geschehen in der CP sowie dessen Auswirkungen auf den Arbeitsalltag gegeben werden.

2.1 Das Coronavirus

Coronaviren wurden erstmals in den 1960er Jahre entdeckt und zahlen zur Familie der RNA- Viren. Die Verbreitung findet im Normalfall von Tier zu Tier statt (Helmholtz, o.D.). Die Menschheit arrangierte sich mit den durch Coronaviren ausgelosten Krankheiten, da die Erkrankung sich in einem milden Verlauf abzeichnete. Anders war es jedoch bei der SARS-CoV Epidemie, die im Jahre 2002 ausbrach und weltweit ca. 1.000 Todesopferforderte. Ein neuartiges Coronavirus tauchte erstmals Ende Dezember 2019 im chinesischen Wuhan auf. Hierfur gibt es zwei Erklarungsansatze: Einerseits wird vermutet, dass das Virus auf einem Markt von einem Tier auf den Menschen ubergesprungen ist (Schilling, et al., 2021). Eine andere Vermutung fur den Ausbruch konnte die Mutation eines der Menschheit bereits bekannten Coronavirus sein (Helmholtz, o.D.). Das Virus wurdeimFebruar2020 durch ein Expertengremium inSARS-CoV- 2 umbenannt, was ubersetzt fur Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom Coronavirus-2 steht. Die Weltgesundheitsorganisation hat der durch das Virus ausgelosten Krankheit den offiziellen Namen COVID-19 (Coronavirus Disease 2019) gegeben. Die durch Tropfchen-, Aerosol- und Kontaktinfektion ubertragene Krankheit hat sich im Anschluss innerhalb weniger Wochen uber den gesamten Globus ausgebreitet. Das Virus kann dabei bis zu 24 Stunden ohne Wirt uberleben und sorgt somit fur eine schnelle Verbreitung (Helmholtz, o.D.). Die Krankheit weist dabei leichte Verlaufe mit normalen Erkaltungssymptomen bis hin zu schweren Lungenentzundungen und todlichen Verlaufen auf. Die Symptome reichen von Husten (42 %) uber Fieber (26 %) uber Schnupfen (31 %) und Storung des Geruchs- und/oder des Geschmacksinns (19 %) bis hin zu Pneumonie (1 %) (Robert Koch Institut, 2021).

2.1.1 Das Coronavirus in Deutschland

In der Tabelle 1 ist zu erkennen, wie das Robert-Koch-Institut den Verlauf der CP in Deutschland in die Phasen 0-5 eingeteilt hat (Robert Koch Institut, 2021). Die Phase 0 begann am 27.01.2020 mit dem ersten laborbestatigten Fall in Deutschland (Robert Koch Institut, 2021). Die Infektionszahlen stiegen aufgrund von Ruckreisen aus Skigebieten und Karnevalsfeiern an, sodass ab KW 10/2020 die Phase 1 mit der ersten COVID-19-Welle begann. Nach umfassenden Kontaktbeschrankungen und einem Lockdown lautete die Offnung der Gastronomie in der KW 20/2020 das Ende der Phase 1 ein. Die anschlieBende Phase 2, auch Sommerplateau genannt, endete aufeinem niedrigen Infektionsniveau inKW37/2020.DiePhase2lasstsichdabeinochin Phase 2a (KW 21 - 30/2020) und Phase 2b (KW 31 - 39/2020) unterteilen. Diese unterscheiden sich aufgrund der gestiegenen Moglichkeit sich auf das Virus testen zu lassen. Ab KW 40/2020 beginnt die Phase 3 mit der zweiten COVID-19-Welle durch einen deutlichen Anstieg der 7-Tage- Inzidenz wahrend der Herbst-Winter Saison. Grund fur den Anstieg ist die Aufhebung der pauschalen Reisewarnungen. Zwischen KW 44 und 47/2020 stagnierten die Fallzahlen, wahrend sie in KW 52/2020 ihren Hohepunkt erreichten (Robert Koch Institut, 2021). Die 4. Phase verlief zwischen der KW 09/2021 und der KW 23/2021 mit der dritten COVID-19-Welle (Robert Koch Institut, 2021). Die anschlieBende Phase 5, ab KW 24/2021 startend, ist ebenfalls eine Plateauphase, derenEnde lautRobertKoch Institut zum jetzigen Zeitpunkt nichtabsehbar ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Phaseneinteilung zur Beschreibung des COVID-19 Geschehens in Deutschland
2020 / 2021 (Stand August 2021)

Quelle: in Anlehnung an Robert Koch Institut, 2021

2.1.3 Auswirkungen auf die Unternehmen

Der folgende Abschnitt soll einen Uberblick uber die Entwicklungen wahrend der CP geben, die den Berufsalltag betreffen. Aufgrund der rapiden Verbreitung des Virus wurden auch die Arbeitgeber*innen durch umfassende Gesetzesbeschlusse in die Pflicht genommen, ihre Arbeitnehmer*innen vor einer Ansteckung wahrend ihrer Tatigkeit zu schutzen. Das Bundesministerium fur Arbeit und Soziales hat die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verabschiedet, die den Arbeitgeber verpflichtet, unter anderem ein betriebliches Hygienekonzept zu entwerfen (Bundesministerium fur Arbeit und Soziales, 2021). Kurz zusammengefasst bestanden Teile dieses Konzepts in allgemeinen MaBnahmen zur Kontaktreduktion im Betrieb, in Bereitstellung von Mund-Nasen-Masken und Corona-Testmoglichkeiten sowie in betrieblichen MaBnahmen zur Erhohung der Impfbereitschaft. Die jedoch wohl weitreichendste Vorgabe fur die Arbeitgeber*innen trat am 27. Januar 2021 in Kraft. Die Bundesregierung verpflichtete alle Arbeitgeber*innen bis 01. Juli 2021 dazu, ihren Angestellten die Moglichkeit einzuraumen aus dem HO zu arbeiten, sofern es die Tatigkeitsprofile zulieBen (Bundesregierung, 2021). Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass das weitreichende Veranderungen fur die Unternehmen mit sich bringen konnte (Bertelsmann Stiftung, 2020). In einer Sonderstudie zur Auswirkung der CP auf die Arbeitswelt wurden 211 Expert*innen fur Technologie, Kunstliche Intelligenz und Digitalisierung zu den mittel- bis langfristigen Auswirkungen auf die Arbeitswelt befragt. 92 % der Befragten waren der Meinung, dass die Pandemie die Digitalisierung beschleunigen kann. Zwei Drittel der Experten sind der Meinung, dass digitale Dienstleistungen auch nach der Krise aus dem HO ausgefuhrt werden und vermuten, dass es zu einer teilweisen Auflosung des Buroalltags kommen wird. Die bislang vorherrschende Prasenzkultur in den Unternehmen erfordert somit auch ein Umdenken der Fuhrungskrafte, von der gewohnten Kontrolle der Mitarbeiter*innen hin zu einer Zusammenarbeit, die auf Vertrauen basiert. Es wird sich somit ein hybrides Modell zwischen physischen und virtuellen Arbeiten einstellen.

Neben der Bertelsmann Stiftung zeigen auch weitere Studien, dass die CP die Chance fur Unternehmen birgt, kunftig ressourcenschonender zu agieren. Beispielsweise veroffentliche das Vodafone-Institut eine internationale Studie, die zeigt, dass die GroBe des CO2-Footprints abhangig von der Wahl des Arbeitsplatzes ist (Vodafone-Institut, 2021). Alleine in Deutschland konnte durch das Arbeiten im HO pro Jahr 12,2 Megatonnen CO2 Emissionen eingespart werden. Ein GroBteil dieser Summe entfallt, wenn 17,5 Millionen Deutsche, denen laut Studie das Arbeiten aus dem HO grundsatzlich moglich ist, an 2,3 Tagen pro Woche auf das Pendeln verzichten konnten (Vodafone-Institut, 2021). Die Ergebnisse der Studie legen den Unternehmen nahe, den bestehenden Trend des Arbeitens aus dem HO fortzufuhren und durch eine Verankerung in die Betriebsvereinbarungen zu sichern (Bertelsmann Stiftung, 2020). Man konnte somit aus der CP einen Vorteil schlagen und neben der Digitalisierung auch den Umweltschutz vorantreiben.

2.2 Work-Life-Balance

Der Begriff „Work-Life-Balance” findet in der Literatur zahlreicher Disziplinen wie beispielsweise der Psychologie, der Betriebswirtschaftslehre und der Soziologie Verwendung. ZudemistdieserBegriffmittlerweileinallerMundeundvieleMenschengebenan,nachWLBzu streben. Es ist jedoch unklar, was damit eigentlich genau gemeint ist. Es gibt namlich keine einheitliche Definition (Kaiser, Reindl, & Stolz, 2010; Warhurst, Eikhof, & Haunschild, 2008). Verschiedene Definitionen von WLB lassen sich mitunter auf ein unterschiedliches Verstandnis der einzelnen Komponenten dieses Begriffs zuruckfuhren.

Der Begriff „Work“ wird in der Literatur beispielsweise oft als bezahlte Erwerbsarbeit aufgefasst. AuBen vor bleiben bei diesem Verstandnis von „Work“ jedoch beispielsweise unbezahlte Uberstunden oder Fortbildungen sowie die Zeit, die fur den Arbeitsweg benotigt wird (Guest, 2002). AuBerdem sollte der Begriff „Work“ die stetigen Veranderungen in unserer Arbeitswelt widerspiegeln. So bietet die Einfuhrung flexibler Arbeitszeiten und moderner Informationstechnologien zwar neue Moglichkeiten Arbeits-und Lebenswelt zu vereinbaren. Dies kann aber auch zur Belastung fur Arbeitnehmer*innen werden, wenn diese beispielsweise das Gefuhl haben, immer erreichbar sein zu mussen und im Zuge dessen auch abends oder an Wochenenden arbeiten (Guest, 2002; Towers, Duxbury, Higgins & Thomas, 2006). Viele Arbeitnehmer*innen sind deshalb uberarbeitet und leiden an Burnout. Kristina A. Bourne & Pamela J. Forman sprechen in diesem Zusammenhang von einer „culture of overwork“, die in der modernen Arbeitswelt vorherrscht (Bourne & Forman, 2014). Laut David E. Guest gehen die steigenden Belastungen in der Arbeitswelt auf Kosten der Qualitat des Privat-und Familienlebens (Guest, 2002). Damit kommen wir zur zweiten Variablen.

Der Begriff WLB impliziert, dass die Arbeit nicht Teil des Lebens ist, was unter anderem von Suzan Lewis und Cary Cooper kritisiert wurde (Lewis & Cooper, 2005).Der Begriff „Life“ sollte folglich vielmehr als der Bereich des Lebens angesehen werden, der nicht zur Arbeit gehort. Manche Autor*innen (z.B.Clark, 2000) beziehen sich in diesem Zusammenhang ausschlieBlich auf das Familienleben, was jedoch wiederum nur einen Aspekt des Lebens jenseits der Arbeit abbildet. Vielmehr gehoren hierzu auch Freizeitaktivitaten und Hobbies (Guest, 2002).

Bevor die dritte Variable „Balance“ beleuchtet wird, soll an dieser Stelle noch einmal gesondert auf das Verhaltnis von „Work“ und „Life“ eingegangen werden. Die vorangegangenen Abschnitte haben gezeigt, dass es in der modernen Arbeitswelt schwierig ist, beide Lebensbereiche klar zu definieren und voneinander abzugrenzen. Das mag einerseits unbefriedigend sein, andererseits jedoch die Tatsache widerspiegeln, dass die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben nicht zuletzt aufgrund flexibler Arbeitspraktiken immer mehr verschwimmen.

AuBerdem soll durch die vorangegangenen Ausfuhrungen nicht der Eindruck entstehen, dass das Verhaltnis von „Work“ und „Life“ lediglich eines zwischen Anstrengung und Entspannung ist. Vielmehr weist Michael Kastner in seinem Vier-Felder-Schema drauf hin, dass beide Aspekte in beiden Lebensbereichen auftreten konnen. Anders als die These von einer „culture of overwork“ vermuten lasst, konnen demzufolge im Arbeitsalltag auch Tatigkeiten stattfinden, die der Erholung dienen. Umgekehrt geht es im Privatleben neben der Freizeit und Erholung auch darum, die Hausarbeit zu erledigen oder familiaren Verpflichtungen nachzukommen (Kastner, 2004). In diesem Zusammenhang wird deutlich, warum es vor allem fur erwerbstatige Mutter oft schwierig ist, beide Bereiche zu vereinen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vier-Felder-Schema Quelle: Kastner, 2004, S.4

Das bringt uns zum Begriff der „Balance“, der ebenso wie die Begriffe „Work“ und „Life“ unterschiedlich gedeutet und nicht einheitlich verwendet wird. Guest unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen objektiven und subjektiven Indikatoren. Objektive Indikatoren sind die Arbeitsstunden im Vergleich zu der Zeit, die fur das Privatleben genutzt wird. Subjektive Indikatoren beziehen sich auf die Praferenzen und die Lebenssituation von Individuen. Die subjektive Wahrnehmung von Balance kann dabei von objektiven Kriterien stark abweichen. Ein Beispiel hierfur sind sogenannte „Workaholics“, die sich dafur entscheiden sehr viel zu arbeiten und dadurch eine gewisse Genugtuung erfahren. Maury Peiperl und Brittany Jones unterscheiden diese von “Overworkers”, die viel arbeiten mussen und das als Beeintrachtigung ihrer Work-Life­Balance wahrnehmen (Peiperl & Jones, 2001).

In der Literatur finden sich Definitionen von „Balance“, die entweder auf die objektive oder die subjektive Perspektive abzielen. Laut Jeffrey H. Greenhaus, Karen M. Collins & Jason D. Shaw ist die gleiche Verteilung von Ressourcen auf beide Lebensbereiche beispielsweise wichtiger als die Werte und Wunsche des Individuums (Greenhaus, Collins, & Shaw, 2003). Im Gegensatz dazu, macht Natalie Reiter den Begriff der Balance an personlichen Praferenzen fest. Demzufolge kann Balance in ganz unterschiedlichen Lebensentwurfen hergestellt werden (Reiter, 2007).Da es beim Thema WLB vor allem um die Zufriedenheit des Individuums mit seinem Leben geht, soll im Folgenden eine subjektive Perspektive eingenommen werden. Diese Perspektive scheint auch besser mit Borderund Boundary Theory vereinbar, die ja annehmen, dass Individuen die Grenzen und Ubergange zwischen beiden Bereichen entsprechend ihrer Praferenzen und in Abhangigkeit von Moglichkeiten, die beispielsweise Gesellschaft und Unternehmen bieten, gestalten. So scheint es in konservativen Gesellschaften mit einer traditionellen Verteilung von Geschlechterrollen fur Frauen im HObeispielsweise schwieriger Arbeits-und Privatleben in Einklang zu bringen (Chung & van der Lippe, 2020).

Eine Definition, die die oben genannten Aspekte einfangen kann, scheint die von Robert Zaugg zu sein. Laut Zaugg ist WLBdie „Schaffung eines psychologischen Gleichgewichts zwischen dem Erwerbsleben und dem Privatleben anhand von individuellen, organisationalen und gesellschaftlichen MaBnahmen“ (Zaugg, 2006, S. 9). Das Privatleben beschrankt sich dabei nicht nur auf die Familie, sondern auf alle Aktivitaten jenseits des Erwerbslebens, das sich ebenso in einem weiten Sinn, auf alle Tatigkeiten bezieht, die mit der Erwerbsarbeit verbunden sind. Zauggs Definition nimmt auBerdem eine subjektive Sichtweise ein und zeigt, dass WLB etwas ist, das durch MaBnahmen auf unterschiedlichen Ebenen erreicht werden kann. Bleiben entsprechende MaBnahmen aus, kann es zu Konflikten zwischen beiden Lebensbereichen fuhren. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur vor allem von Work-Family-Conflict gesprochen, wobei es grundsatzlich moglich erscheint, die Konfliktperspektive auch auf andere Aspekte des Privatlebens auszuweiten (Kaiser, Ringlstetter, Reindl, & Stolz, 2010).

In der Literatur wird Work-Family-Conflict nach Jeffrey Greenhaus und Nicholas J. Beutell meist definiert als „a form of interrole conflict in which the role pressures from the work and family domains are mutually incompatible in some respect“ (Greenhaus & Beutell, 1985, S. 77). Dieser Definition liegt die Annahme zugrunde, dass die Lebensbereiche von Arbeit und Leben mit unterschiedlichen Rollen verknupft sind, die wiederum unterschiedliche Verpflichtungen und Belastungen mit sich bringen. Von Work-Family Conflict spricht man nun, wenn die Erfullung der Rollen in einem Lebensbereich die Erfullung der Rollen im anderen Lebensbereich erschwert. Greenhaus und Beutell unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen zeitbasierten, belastungsbasierten und handlungsbasierten Konflikten. Im Fall von zeitbasierten Konflikten beschneidet die Zeit, die fur die Erfullung einer Rolle zum Beispiel als Managerin benotigt wird, die zeitlichen Ressourcen, die zur Erfullung der anderen Rolle, zum Beispiel als Mutter, notig sind. Bei belastungsbasierten Konflikten geht es darum, dass mit der Erfullung der Rolle in einem Lebensbereich Stress verbunden sein kann, der die Erfullung der Rolle im anderen Lebensbereich beeintrachtigt. Handlungsbasierte Konflikte herrschen hingegen vor, wenn die Handlungserwartungen, die mit einer Rolle einhergehen, es dem Individuum erschweren den Handlungserwartungen an eine andere Rolle gerecht zu werden. Eine Frau mag zum Beispiel Work-Family-Conflict empfinden, wenn sie in ihrer Rolle als Managerin bestimmend und sachlich sein muss, wahrend sie in ihrer Rolle als Mutter liebevoll und herzlich sein soll (Greenhaus & Beutell, 1985).

Studien zeigen, dass Work-Family-Conflict sich negativ auf die Zufriedenheit von Menschen mit ihrem Job (z.B. Allen et al., 2000) oder auf die Zufriedenheit mit ihrem Leben auswirken kann (z.B.Kossek & Ozeki, 1998) sowie zu Despressionen fuhren kann (z.B. Frone, Russell, & Cooper, 1992). Das zeigt, dass Work-Life-Balance nicht nur wichtig fur die Zufriedenheit und das Wohlergehen der Menschen ist, sondern auch fur deren Gesundheit.

2.2.1 Die Entwicklung des Konzepts „Work-Life-Balance“

Ein erster Meilenstein in der Entwicklung des Konzepts WLBist die Industrialisierung. Vor dieser Zeit wurde ein groBer Teil der Produktion von Familien in erster Linie fur den Eigenbedarf hergestellt. Mit der Entstehung der industriellen Marktwirtschaft gab es mehr Arbeitsplatze auBerhalb der Familie. Arbeit, um Geld zu verdienen, und Fursorge fur die Familie wurden zu getrennten Aktivitaten, die an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten stattfanden (Googins, 1991).Aus dieser raumlichen und zeitlichen Trennung von Arbeit und Familie ergab sich eine klare Rollenverteilen. Der Mann war der Ernahrer, wahrend die Frau sich um Heim und Kinder kummerte. Im Zuge dessen wurden Familie und Arbeit in fruhen Studien als voneinander abgetrennte Bereiche angesehen (Parsons & Bales, 1955).In diesem Zusammenhang wurde auch von Segmentation gesprochen -ein eher veraltetes Konzept, das im nachfolgenden Theorieteil noch genauer erlautert wird. Erst in spateren Studien wurde anerkannt, dass sich beide Bereiche gegenseitig beeinflussen.

Durch die Globalisierung -dem zweiten Meilenstein in der Entwicklung des Konzepts der „Work- Life-Balance“ - werden raumlichen und zeitlichen Grenzen zwischen Arbeit und Leben aufgeweicht. Die Globalisierung sorgt fur eine schnelle Veranderung der Markte, bei der keine Rucksicht auf die bis dato ubliche 5-Tage-Woche und die ublichen Arbeitszeiten genommen wird. Die neuen Arbeitszeiten sind abhangig von den Marktanforderungen und verlangen Arbeitnehmer*innen dabei Kompetenz und Leistungsbereitschaft sowie Flexibilitat ab. Im Rahmen der Globalisierung mussen die gewohnten stabilen Beschaftigungsverhaltnisse neuen atypischen Beschaftigungsverhaltnissen weichen, die vom stetigen Anpassungsdruck der Unternehmen gepragt sind und zu Unsicherheit unter den Arbeitnehmer*innen fuhren (Menz, Kratzer & Dunkel, 2010; Jurgens & VoB, 2007; Kastner, 2004a).

Der technologische Wandel stellt den dritten Meilenstein stellt dar. Die zunehmende Konzentration der Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen fuhrt zu einem qualifikatorischen Strukturwandel und zu einer steigenden Nachfrage nach hochqualifiziertem Personal (Reinberg, 1999; Wieland & Scherrer, 2000). Bei hochqualifizierten Arbeitnehmer*innen ist dabei eine Ausweitung der Wochenarbeitszeiten zwischen 55 und 70 Stunden zu verzeichnen (Roth & Zakrzewski, 2006). Die fortschreitende Entwicklung der Kommunikationstechnologie ermoglicht dabei zusatzlich ein ortsunabhangiges Arbeiten, oftmals auch am Wochenende und im Urlaub. Fruher dienten diese Zeiten der Regeneration und gaben Moglichkeit den familiaren und hauslichen Pflichten nachzukommen. Die Kombination aus den neuen Organisations- und Steuerungsformen der Erwerbstatigkeit mit der gestiegenen Arbeitsmenge und Arbeitsintensitat bringen neue Konflikte und Belastungen. Entsprechende Konflikte konnen dazu fuhren, dass familiare und soziale Kontakte vernachlassigt werden, was Unzufriedenheit und sogar psychosomatische Erkrankungen auslosen kann (Dunkel et al., 2010; Klimpel & Schutte, 2006; Wieland & Scherrer, 2000).

Zu guter Letzt haben neben okonomischen Veranderungen auch soziale Veranderungen das Thema WLB in den gesellschaftlichen Fokus rucken lassen. Hierzu zahlen laut Arthur Brief und Walter Nord unter anderem ein Anstieg der Scheidungsrate, der zu mehr alleinerziehenden Muttern fuhrte, die berufstatig wurden. Im Zuge dessen hat auch das Arbeiten in Teilzeit zugenommen (Brief & Nord, 1990). Insbesondere berufstatige Mutter streben nach WLB, da sie sowohl in der Arbeit als auch in der Familie Verpflichtungen haben, denen es gleichermaBen gerecht zu werden gilt.

Heute beschrankt sich das Streben nach WLB nicht mehr nur auf ein bestimmtes Geschlecht. Vielmehr stellen Autor*innen das Aufkommen einer neuen Generation von Arbeitnehmer*innen fest,die„Generation X“ genannt wird. Diese Generation zeichnet sich laut Bruce Tulgan dadurch aus, dass sie einen gesteigerten Wert darauflegt, eine Balance zwischen Arbeits- und Privatleben zu erreichen (Tulgan, 1996).

2.2.2 Theorien der Work-Life-Balance

Wir wissen nun, zumindest grob, was WLB ist und wieso diese im Zuge groBerer gesellschaftlicher Umweltzungen in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Bisher ist jedoch unklar geblieben, wie sich Arbeits- und Privatleben gegenseitig beeinflussen konnen. Hierzu gibt es in der Literatur drei Erklarungsansatze: Segmentation, Compensation und Spillover (Lambert, 1990). Diese drei Ansatze sollen in einem ersten Teil erlautert werden. Die Theorien lassen sich jedoch insofern kritisieren, als dass sie nicht erklaren, unter welchen Umstanden eine Balance oder aber Konflikte zwischen beiden Lebensbereichen entstehen. Auskunft hieruber geben dieBoundary Theory und die Border Theory, die im Anschluss erklartwerden.

Die unterschiedlichen Theorien werden im Folgenden getrennt voneinander erlautert. Es soll jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass diese in Konkurrenz zueinanderstehen. Vielmehr scheinen sie alle auf wichtige Aspekte des Themenkomplexes WLB hinzuweisen und sich somit an vielen Stellen gegenseitig zu erganzen.

2.2.2.1 Segmentation Theory

Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt zur Entwicklung von WLB angeklungen, wurden Arbeit- und Privatleben fruher als getrennte Bereiche angesehen, die einander nicht beeinflussen. In diesem Zusammenhang wird von Segmentation gesprochen - ein Phanomen, das vor allem auf Fabrikarbeiter zutrifft, die in ihren Berufen wenig involviert und mit ihren Tatigkeiten unzufrieden waren, was zu einer klaren Grenze - sowohl physisch alsauchpsychisch - zwischen Arbeits- und Privatleben fuhrte (Blood &Wolfe, 1960). Daraus entwickelte sich die These, dass diese Arbeiter die Unzufriedenheit im Arbeitsleben durch mehr Involviertheit im Privatleben kompensiert haben. Im Folgenden soll diesbezuglichdie Compensation Theory vorgestellt werden.

2.2.2.2 Compensation Theory

Anders als die Segmentation Theory nimmt die Compensation Theory an, dass Arbeits- und Privatleben einander beeinflussen. Die Compensation Theory beschreibt, wie Arbeitnehmer*innen Defizite in einem der beiden Bereiche im jeweils anderen Bereich auszugleichen versuchen. Ist ein Mitarbeiter in seiner Arbeit aufgrund der Tatigkeit oder negativen Ereignissen unerfullt, so versucht er diese Lucke durch positive Ereignisse im Privatleben auszufullen (Young & Kleiner, 1992). Ein konkretes Beispiel hierfur ist eine Mitarbeiterin, die sich in der Arbeit trotz ihrer Anstrengungen nicht wertgeschatzt fuhlt und ihre Energie deshalb nicht in die Erwerbstatigkeit steckt, sondern in ihr Privatleben, wo sie die ersehnte Bestatigung erfahrt (Rincy & Panchanatham, 2014). Die Compensation Theory wurde primar verwendet, um zu erklaren wie Arbeitnehmer*innen mit ihrer Unzufriedenheit im Arbeitsleben umgehen. Jedoch funktioniert das Prinzip auch umgekehrt: Arbeitnehmer*innen kompensieren Probleme im Privatleben, indem sie sich mehr in ihrem Arbeitsleben einbringen (Lambert, 1990).

Was die Compensation Theory damit leistet, ist zu zeigen, dass Arbeits- und Privatleben nicht wie bis dato angenommen als abgetrennte Bereiche angesehen werden sollten, die einander unberuhrt lassen. Vielmehr macht die Compensation Theory deutlich, dass Arbeits- und Privatleben einander beeinflussen. So zeigt sie, dass Defizite in einem Lebensbereich durch mehr Involviertheit im anderen Lebensbereich ausgeglichen werden. Gleichzeitig hat die Compensation Theory jedoch auch ihre Schwachen, denn sie kann nicht erklaren, unterwelchen Umstanden Konflikte entstehen, wenn Individuen nach einer Balance zwischen Arbeits- und Privatleben streben (Clark, 2000). Auch wenn die Compensation Theory das Thema WLB nicht direkt adressiert, scheint sie jedoch wichtige Vorarbeit fur deren Entwicklung geleistet zu haben.

2.2.2.3 Spillover Theory

Ebenso wie die Compensation Theory versucht die Spillover Theory zu erklaren, in welchem Verhaltnis Arbeits- und Privatleben zueinanderstehen. Die Spillover Theory ist in diesem ZusammenhangeinederpopularstenTheorien(Lambert,1990).DasWort„Spillover“stammtaus dem Englischen und lasst sich im Deutschen mit „Uberschwappen“ oder „Ausstrahlen“ ubersetzen. Der Spillover Theory dienen dabei folgende Annahmen als Grundlage: Die Bereiche von Arbeits- und Privatleben sind durch eine durchlassige Grenze getrennt. Deshalb konnen positive oder negative Ereignisse in einer Sphare positive oder negative Auswirkungen in der anderen Sphare haben. Die Auswirkungen konnen dabei direkt und indirekt sein (Rolle, 2013).

Ein Beispiel fur einen direkten und positiven Spillover-Effekt ist eine Gehaltserhohung, die im Privatleben zu mehr Kaufkraft fuhrt. Als Beispiel fur einen indirekten Spillover lassen sich Anerkennung und Lob im Berufsleben auffuhren, die zu einem gesteigerten Selbstwertgefuhl fuhren, was wiederum einen freundlicheren Umgang mit den Mitmenschen im Privatleben bewirkt (Rolle, 2013).

Ebenso wie die Compensation Theory scheint auch die Spillover Theory wichtige Aspekte zum Zusammenspiel zwischen Arbeits- und Privatleben aufzugreifen. So erklart sie, wie Ereignisse in einem Lebensbereich sich positiv oder negativ auf den anderen Lebensbereich auswirken, wenn Emotionen oderVerhaltensweisen uberschwappen. Jedoch lasst sich auch eine ahnliche Kritik wie bei der Compensation Theory anbringen, denn auch die Spillover Theory erklart nicht, wie Individuen eine Balance zwischen beiden Bereichen herstellen konnen. Ebenso wenig kann die Spillover Theory aufzeigen, wie entsprechende Konflikte, die durchaus aufgrund von Spillover entstehen konnen, gelost werden konnen.

2.2.2.4 Boundary Theory

Im Gegensatz zur Spillover Theory und Compensation Theory adressiert die Border Theory ebenso wie die Boundary Theory, die im Anschluss erlautert wird, das Thema WLB explizit. Ursprunglich wurde die Theorie von Christena Nippert-Eng (1996) entwickelt und von Ashforth et al. (2000) weiterentwickelt. Anders als beider Spillover und der Compensation Theory wird in der Boundary Theory neben den Bereichen Arbeit und Familie noch eine dritte Sphare mitaufgenommen. Zwischen diesen drei Bereichen bzw. um die Rollen, diemit diesen Bereichen verbunden sind, werden zeitliche und raumliche Grenzen gezogen. Ubertritte uber diese Grenzen werden nach Ashforth et al. als grenzuberschreitende Aktivitaten (boundary-crossing activities) bezeichnet (Ashforth et al., 2017). Diese grenzuberschreitenden Aktivitaten konnen neben kleinen, standig wiederkehrenden Mikroubergangen, wie beispielsweise das Pendeln in die Arbeit, auch dauerhafte Makroubergange, wie den Eintritt in den Ruhestand, darstellen. Die Boundary Theory fokussierthierbei aufalltagliche Ubertritte von einem Lebensbereich zum anderen. Laut Ashforth et al. schaffen Individuen Grenzen zwischen den unterschiedlichen Lebensbereichen, um ihren Alltag zu ordnen. In Abhangigkeit von der Flexibilitat und Durchlassigkeit der Grenzen sind die unterschiedlichen Lebensbereiche eher abgetrennt oder eher integriert. Segmentierung und Integration werden hierbei als zwei entgegengesetzte Pole an den Enden eines Kontinuums angesehen (Ashforthet al., 2017).

Eine Grenze ist flexibel, wenn sie nicht an feste Orte und Zeiten gebunden ist, sondern eine Rolle in unterschiedlichen Bereichen ausgefuhrt werden kann. Als Beispiel hierfur nennen Ashforth et al. eine Person, die in einem Familienunternehmen arbeitet. Hingegen beschreibt die Durchlassigkeit einer Grenze die Haufigkeit, wie oft es zu Unterbrechungen aus anderen Lebensbereichen kommt (Hall & Richter, 1988). Das ist beispielsweise bei einem Vater im Homeoffice der Fall, in dessen Arbeitszimmer immer wieder die Kinder platzen. Je flexibler und durchlassiger die Grenzen, desto mehr sind die Lebensbereiche integriert und desto leichter sind Grenzubertritte. Jedoch birgt das auch die Gefahr, dass die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Lebensbereichen verschwimmen. Das gleiche gilt auch umgekehrt: Je unflexibler und undurchlassiger und damit klarer die Grenzen, desto mehr sind die unterschiedlichen Lebensbereiche voneinander abgetrennt und desto schwerer sind Grenzubertritte.

Ob flexible und durchlassige Grenzen bzw. unflexible und undurchlassige Grenzen zu mehr WLB fuhren, hangt unter anderem von den Rollenidentitaten ab. Damit sind die Ziele, Werte und Normen gemeint, die mit der Ausubung einer bestimmten Rolle einhergehen. Je unterschiedlicher diese Rollenidentitaten sind, die mit den verschiedenen Lebensbereichen verbunden sind, desto groBer die Gefahr, dass flexible und durchlassige Grenzen zu Konflikten fuhren.

2.2.2.4 Border Theory

Die Border Theory wurde von Susan Campbell Clark als Kritik an Spillover und Compensation Theory entwickelt. Laut Clark sind Menschen „border-crossers who make daily transitions between two worlds - the world of work and the world of family“ (Clark, 2000, S. 748) Diese Tatsache verlangt nach einer Theorie, die erklart, wie Individuen diese Grenzen und Ubertritte gestalten, um die Balance zu erreichen. Clarks Theorie ist der Boundary Theory, die im Vorfeld erlautert wurde, in vielen Punkten sehr ahnlich, wie die folgenden Ausfuhrungen zeigen werden. In der Literatur werden beide Theorien deshalb oft als Einheit gesehen (Bulger, Matthews, & Hoffmann, 2007). Ein Unterschied ist jedoch, dass Clark nur zwischen den Spharen von Arbeits- und Familienleben unterschiedet und weitere Bereiche auBen vor lasst. In der folgenden Abbildung ist Clarks Theorie graphisch dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Work/ Family Border Theory nach Clark
Quelle: Rolle, 2013, S.54

Die zentralen Konzepte ihrer Theorie sind a) die Domanen der Arbeit und der Familie, b) die Grenzen zwischen diesen Domanen, c) die Grenzganger und d) die Grenzwachter. Im Folgenden soll auf die unterschiedlichen Konzepte gesondert eingegangen werden: a) Die beiden Lebensbereichen Arbeit und Familie stellen unterschiedliche Welten dar, in denen jeweils eigene Ziele, Regeln und Verhaltensweisen herrschen. Diese Ziele lassen sich in wertgeschatzte Ziele (valued ends) und wertgeschatzte Mittel (valued means) unterscheiden. Ein Ziel im Privatleben kann die personliche Zufriedenheit darstellen und ein Ziel im Bereich der Arbeit kann das Verdienen von Geld sein. Um diese Ziele zu erreichen sind in den verschiedenen Lebensbereichen unterschiedliche Verhaltensweise vonnoten. Im Privaten gilt es liebevoll und groBzugig zu sein, wahrend im beruflichen Umfeld eher Eigenschaften wie verantwortungsbewusst und leistungsfahig zu sein erforderlich sind. Je nach Individuum wird versucht, die beiden Bereiche miteinander zu verflechten oder voneinander zu trennen. Clark spricht hierbei ebenso wie Ashforth et al. von Integration und Segmentation, die zwei Enden eines Kontinuums darstellen. Laut Clark ist die Integration der bessere Weg, um eine Balance zwischen den Bereichen herzustellen (Clark, 2000).

b) Durch die Grenzen wird festgelegt, wo die jeweiligen Bereiche beginnen. Unterschieden wird dabei zwischen physischen Grenzen, wie beispielsweise Mauern oder dem Arbeitsweg, zeitliche Grenzen, wie beispielsweise der Arbeitszeit, und psychologischen Grenzen, beispielsweise das eigene Verhalten. Inwieweit Elemente der Bereiche in den anderen Bereich uberschwappen konnen, hangt von derDurchlassigkeit der Grenzen ab. Ein konkretes Beispiel zu diesem Fall stellt das Arbeiten im HO dar. Des Weiteren definiert Clark die Grenzstarke durch die Flexibilitat (flexibility) beim Verengen oder Ausweitern der Bereiche und durch die Vermischung (blending) (Clark,2000).

c) Grenzganger (border crossers) sind Personen, die die Grenzen zwischen der Arbeits- und Familiendomane uberqueren. Man unterscheidet dabei in Hauptteilnehmer*innen (central participants) und peripheren Teilnehmer*innen (peripheral participants). Aufgrund des Einflusses, den die Hauptteilnehmer*innen auf beide Bereiche ausuben konnen, wird ihnen eine besser WLB zugeschrieben. Periphere Teilnehmer*innen hingegen uben wenig Einfluss auf beide Bereiche aus, da sie wenig Kontakt zu den anderen Bereichsmitgliedern haben (Clark, 2000).

d) Das letzte Element der Theorie sind die Grenzwachter (border keepers). Sie bewachen ihre Grenze undhabenmit anderen Mitgliedern der DomaneEinfluss auf die Durchlassigkeit und die Starke der Grenze (Rolle, 2013). Grenzwachter konnen im Bereich der Arbeit Vorgesetzte und Kolleg*innen sein und im Bereich der Familie die Partner*innen. Aufgrund der begrenzten Erfahrung mit anderen Bereichen verteidigen die Grenzwachter ihre eigenen Bereiche. Die zentralen Erkenntnisse aus Clarks Border Theory sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Diese Thesen konnen angewandt werden, um eine bessere WLB zu erreichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Thesen zur WLB aus der Border Theory nach Clark

Quelle: In Anlehnung an Rolle, 2013

Kritik erntet die Theorie von Kerstin Jurgens, da bei Clark nur das Balancieren zwischen den Bereichen im Vordergrund steht. Und wenn sie auf Rollenkonflikte des Individuums eingeht, betrachtet sie nicht die Dimensionen gesellschaftlicher Strukturzusammenhange (Jurgens, Arbeits- und Lebenskraft, 2006).

2.3 Work-Life-Balance Mafinahmen

Die Fluktuation stellt ein immer groBeres Problem fur Unternehmen dar. Der Fachkraftemangel und bessere Verdienstmoglichkeiten bei der Konkurrenz konnen fur Arbeitnehmer*innen einen Grund fur einen Betriebswechsel darstellen. Daneben ruckt die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit immer mehr in den Fokus. Eine gesunde WLB ist nicht nur fur den Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin von Vorteil ist, sondern auch fur den AG (Rolle, 2013). Mitarbeiter*innen, die in einem Unternehmen mit einem guten Arbeitsklima arbeiten sind zufriedener, arbeiten motivierter und bleiben dem Unternehmen daher langer erhalten. Fur Unternehmen ist es damit auch wirtschaftlich rentabel, die WLB ihrer Mitarbeiter*innen zu fordern. Dem AG stehen primare, sekundare und tertiare MaBnahmen zur Verbesserung der WLB zur Verfugung, die in den folgenden Abschnitten erlautert werden.

2.3.1 Primare Work-Life-Balance Mafinahmen

Zu den primaren MaBnahmen zahlen Aspekte, die Arbeitsort, -zeit, -ablaufe, -inhalte und - organisation betreffen, also Regelungen, die die Mitarbeiter*innen und ihre Arbeit direkt betreffen (Mohe, Dorniok, & Kaiser, 2010). Diesbezuglich stehen den Unternehmen eine Vielzahl von WLB MaBnahmen zur Verfugung.

2.3.1.1 Dynamische Arbeitszeitgestaltung

Bei der dynamischen Arbeitszeitengestaltung ist die Dauer der taglich entrichteten Arbeitszeit flexibel. Teilzeitarbeit und Job-Sharing stellen potenzielle Instrumente der dynamischen Arbeitszeitgestaltung dar (Lindner-Lohmann, Lohmann, & Schirmer, 2008). Im Folgenden sollen diese flexiblen Arbeitsmodelle genauer erlautert werden.

Die Teilzeitarbeit ist eine Verkurzung der Arbeitszeit verglichen zur Vollzeitarbeit. Die Verkurzung kann dabei „stunden-, halbtags-, tage- oder wochenweise kontinuierlich oder in Intervallen“ definiert werden (Jung, 2008, S. 228f). Arbeitnehmer*innen, die langer als sechs Monate in einem Beschaftigungsverhaltnis stehen, konnen seit 2001 durch § 8 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetz eine Verringerung ihrer Arbeitszeit fordern. Die gewonnene Zeit kann fur die Pflege von Familienangehorigen oder zur Betreuung von Kindern verwendet werden (Schnieder, 2013).

Das Job-Sharing stellt ebenfalls eine Form der Teilzeitarbeit dar, bei der sich mehrere Arbeitnehmer*innen eine Arbeitsstelle teilen (Jung, 2008). Die Verantwortung fur einen Arbeitsplatz kann dabei von zwei oder mehr Arbeitnehmer*innen getragen werden. Die Aufteilung der Dauer der Arbeitszeit wird durch die Arbeitnehmer*innen selbststandig getatigt und die Vergutung erfolgt anteilig an der geleisteten Arbeitszeit (Schnieder, 2013). Neben vollen Sozialleistungen haben die Arbeitnehmer*innen auch mehr Freizeit durch flexible Arbeitszeiten.

2.3.1.2 Variable Arbeitszeiten

Gleitende Arbeitszeiten und Vertrauensarbeitszeit dienen der individuellen Arbeitszeitgestaltung. Neben der Dauer ist hierbei auch der Ort, an dem die Arbeit erledigt wird, flexibel (Lindner- Lohmann et al., 2008). Bei der gleitenden Arbeitszeit wird durch den AG ein Zeitfenster festgelegt, in dem Anwesenheitspflicht besteht und die Arbeitnehmer*innen ihre vertraglich geregelten Arbeitszeiten erbringen mussen. Aufgrund der kurzfristigen Einsatzplanung ist durch Abstimmung unter den Arbeitnehmer*innen dafur zu sorgen, dass stets genug anwesende Arbeitnehmer*innen die Leistungsbereitschaft sicherstellen (Albert, 2005). Durch die Dehnung und Streckung der Arbeitszeiten stellen sich weniger Fehlzeiten aufgrund privater Bedurfnisse der Arbeitnehmer*innen ein (Schnieder, 2013).

Das Modell der Vertrauensarbeitszeit besteht aus den folgenden zentralen Elementen: Auf Arbeitszeiterfassung und -kontrolle sowie Anwesenheitsvorgaben durch den AG wird vollstandig verzichtet. Den Arbeitnehmer*innen wird mehr Entscheidungsspielraum eingestanden und Unternehmensziele werden in Zielvereinbarungsgesprachen festgelegt (Haipeter, Lehnhoff, Schilling , Voss-Dahm, & Wagner, 2002) Das den Arbeitnehmer*innen gegebene Vertrauen soll fur eine hohere Identifikation mit dem Unternehmen sorgen, was wiederum zu mehr Zufriedenheit und Motivation fuhrt. Die Flexibilitat im Beruf fuhrt zu einer besseren Vereinbarkeit zwischen Berufs-und Privatleben (Schnieder, 2013).

2.3.1.3 Verschobene Arbeitszeitgestaltung

Von chronologischer Flexibilitat spricht man, wenn man die Arbeitszeit in einem gewissen Rahmen zeitlich verschieben kann (Lindner-Lohmann et al., 2008). Zu der verschobenen Arbeitszeitgestaltung zahlen die Modelle der Schichtarbeit , der kapazitatsorientierten variablen Arbeitszeit (kurz KAPOVAZ) und der Arbeitszeitkonten (Schnieder, 2013). Schichtarbeit und KAPOVAZ tragen aber eher zu einer Verschlechterung der WLB bei, da die Planung der Arbeitszeiten durch den AG erfolgt und teilweise willkurlich und kurzfristig geschehen kann. Das Modell der Arbeitszeitkonten hingegen kann zu einer Verbesserung der WLB beitragen, da es die „Saldierung von Abweichungen zwischen der vereinbarten und der tatsachlichen Arbeitszeit“ ermoglicht (Lindner-Lohmann et al., 2008, S. 87). Der Vergutungsanspruch ist dabei vom Umfang der geleisteten Arbeit abhangig. Man unterscheidet dabei zwischen Kurzzeit- und Langzeitkonten. Kurzzeitkonten beinhalten alle Arbeitszeitkonten, deren Laufzeit zum Ausgleich des Kontos weniger als ein Jahr betragt. Langzeitkonten hingegen haben eine langere Laufzeit, deren Saldo beispielsweise zu einem fruheren Renteneintritt fuhren kann oder in Zeiten von konjunkturellen Schwankungen Kurzarbeit verhindern kann (Schnieder, 2013).

2.3.1.4 Sabbatical

Ein Sabbatical stellt eine Moglichkeit fur Angestellte dar, ihre Arbeit fur eine langere Zeit zu pausieren. Der Ursprung des Begriffs geht auf das Wort „schabbat“ aus dem alten Testament zuruck. Damals verstanden die Leute darunter, nach sieben Jahren Ackerbau ihre Arbeit fur ein Sabbatjahr zu unterbrechen, damit sich der Boden regenerieren kann (Kruse, 2009). Um ein Sabbatical zu ermoglichen, stehen den Arbeitnehmer*innen mehrere Moglichkeiten zur Verfugung. Zum einen konnen sich Arbeitnehmer*innen uber einen langeren Zeitraum hinweg Uberstunden auf ein Langzeitkonto gutschreiben lassen und im Anschluss das Zeitguthaben bei gleichbleibender Vergutung fur eine langere Freistellung nutzen. Zum anderen besteht die Moglichkeit uber 2-6 Jahre auf 2/3 bis 6/7 ihres Gehalts zu verzichten. Zu denselben Konditionen konnen Mitarbeiter*innen anschlieBend fur bis zu einem Jahr freigestellt werden (Schnieder, 2013). So kann Arbeitnehmer*innen eine langere Auszeit vom Arbeitsalltag gewahrt werden. Die freie Zeit konnen sich Arbeitnehmer*innen frei gestalten, beispielweise fur langere Reisen, zur Weiterbildung oder zur Familiengrundung. Eine solche Auszeit dient dabei als gesundheitspraventive MaBnahme oder zur Forderung der Kreativitat und Motivation.

2.3.1.5 Flexible Gestaltung des Arbeitsortes durch Telearbeit

Wahrend bei den bereits vorgestellten Modellen die Variable Zeit im Mittelpunkt der WLB MaBnahmen stand, ruckt bei der flexiblen Gestaltung des Arbeitsortes durch Telearbeit der Ort in den Vordergrund. Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und modernen Kommunikationstechniken ist die Arbeit in vielen Berufen nicht mehr an einen festen Ort gebunden. So kann auf dem Hin- und Ruckweg zur Arbeit, beim Kunden oder von zu Hause gearbeitet werden (Vahs & Schafer-Kunz, 2007).Laut Kruselassen sich vier verschiedene Arten der Telearbeit unterscheiden. Die mobile Telearbeit , das Arbeiten an Telearbeitsplatzen und die Telearbeit vor Ort ermoglichen es Arbeitnehmer*innen mobil und losgelost vom Firmensitz zu arbeiten (Kruse, 2009). Diese Formen der Arbeit sind dabei aber nicht forderlich fur die WLB, da Arbeitnehmer*innen, beispielsweise auf dem Arbeitsweg im Zug, noch mehr arbeiten. Deswegen wird nicht weiter auf diese Formen der flexiblen Gestaltung des Arbeitsortes eingegangen.

Die einzige Variante der flexiblen Gestaltung des Arbeitsortes durch Telearbeit, die zu einer Verbesserung der WLB beitragen kann, ist das Model der Teleheimarbeit (Kruse, 2009). Der Begriff Teleheimarbeit wird im Folgenden mit dem englischen Begriff Home-Office gleichgestellt. Die Arbeitsleistung wird dabei durch Anbindung des externen Arbeitsplatzes uber das Internet in der Privathaushalt erbracht. Erbringen Arbeitnehmer*innen in regelmaBigen Abstanden ihre Arbeit sowohl im Buro als auch von zu Hause, spricht man von alternierender Teleheimarbeit (Hirschfelder & Huber, 2004). Diese Art der Teleheimarbeit ist am meisten verbreitet. Die Teleheimarbeit bietet Arbeitnehmer*innen Vorteile, die sich auf eine positive WLB auswirken konnen. Der Wegfall des Arbeitsweges verringert das Stresslevel der Arbeitnehmer*innen. Sie erlangen durch die freie Gestaltung der Arbeit ein HochstmaB an Flexibilitat und konnen Aufgaben, die ein hohes MaB an Konzentration verlangen, in ihre personlichen Leistungshochphasen legen. Frei von Ablenkung durch Kolleg*innen und Larm im Buro im eigenen Rhythmus arbeiten zu konnen, fuhrt zu mehr Motivation und Zufriedenheit bei Arbeitnehmer*innen (Waldeck, 2003). Nachteile der Teleheimarbeit sind die mangelnden sozialen und personlichen Kontakte zu Kolleg*innen und Vorgesetzten, was zu beruflichen Problemen fuhren kann. AuBerdem verwischen die Grenzen zwischen Arbeit und Familie, da die Erwerbstatigkeit zu Hause stattfindet (Kruse, 2009).

2.3.2 Sekundare Work-Life-Balance Mafinahmen

Sekundare WLB MaBnahmen betreffen zwar nicht unmittelbar die Arbeit, richten sich aber an die Arbeitnehmer*innen und beeinflussen dadurch deren WLB (Schnieder, 2013). Durch soziale sowie finanzielle Unterstutzung der Arbeitnehmer*innen soll deren Gesundheit gefordert und Fehlzeiten durch Krankheit vermieden werden. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, wird im folgenden Teil eine Auswahl der relevantesten sekundaren MaBnahmen zur Forderung der WLB kurz vorgestellt. Bei allen MaBnahmen steht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Vordergrund.

GemaB dem Mutterschutzgesetz § 6 Abs. 1 herrscht 6 Wochen vor der Geburt eines Kindes ein relatives Beschaftigungsverbot, was bedeutet, dass die werdende Mutter zwar arbeiten durfte, es aber nicht muss. Nach der Geburt hingegen besteht ein 8-12-wochiges, striktes Beschaftigungsverbot. Im Anschluss konnen Mutter und Vater Elternzeit in Anspruch nehmen. Um die neue Familie zu unterstutzen, konnen Unternehmen freiwillig eine erweiterte Familienpause anbieten (Schnieder, 2013).

Um den Mitarbeiter*innen einen erleichterten Einstieg nach einer Familienphase zu ermoglichen, ruckt fur immer mehr Unternehmen das Modell der betrieblichen Kinderbetreuung in den Vordergrund (Busch, 2001) . Betriebskindergarten ermoglichen Eltern ihre Kinder wahrend der Arbeitszeiten in Obhut zu geben. Dadurch ergibt sich eine Win-Win Situation, da die Eltern fokussierter und letztlich effektiver arbeiten konnen, wenn sie wissen, dassihreKinderinderNahe gut betreut werden. Die MaBnahme der betrieblichen Kinderbetreuung ist sehr kostspielig und platzintensiv und findet daher hauptsachlich in GroBbetrieben Anwendung (Schnieder, 2013). Fur Kleinere und mittelstandische Unternehmen gibt es die Option, die Betreuung der Kinder in Kindergarten finanziell zu unterstutzen.

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Ende der Leseprobe aus 105 Seiten

Details

Titel
Work-Life-Balance im Corona-Office –Eine empirische Studie
Note
A-
Autor
Jahr
2021
Seiten
105
Katalognummer
V1240117
ISBN (eBook)
9783346664204
ISBN (Buch)
9783346664211
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Work-Life-Balance, WLB, Home-Office, Home Office, Work Life Balance, Corona, Empirische Studie, Quantitative Studie
Arbeit zitieren
Moritz Harant (Autor:in), 2021, Work-Life-Balance im Corona-Office –Eine empirische Studie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1240117

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