Mit dem Roman "Das Reich von dieser Welt" arbeitet Alejo Carpentier die Unabhängigkeitsbewegung in der Karibik literarisch auf und behandelt damit repräsentative Figuren, Geschehnisse und Phasen der lateinamerikanischen Geschichte, die etwa von 1760 bis in die Zwanzigerjahre des 19. Jahrhunderts reichen. Um einen Einstieg in die Analyse dieses Romans zu erhalten, scheint es sinnvoll, Carpentiers Blick auf die Rassen- und Kulturmischung in Lateinamerika genauer zu betrachten. Denn die Ansichten der extra-okzidentalen Perspektive zeigen sich aufgrund jenes Verhältnisses, das in Lateinamerika und in der Karibik zwischen der westlichen Kultur und den Schwarzen entstand. Dabei bespricht Carpentier das Problem der Abhängigkeit vom europäischen Modell und verdeutlich, dass er eine reine Nachahmung ablehnt. Nichtsdestotrotz befürwortet er keinen radikalen Bruch mit dem europäischen Muster, sondern sieht es als wichtig an, es anzuerkennen und davon zu lernen.
Amerika sieht Carpentier als einen „Ort des Zusammentreffens dreier großer Weltrassen, der roten, schwarzen, weißen, die sich sonst nirgends auf dem Planeten getroffen haben“ und zeichnet damit in seinem frühen Roman eine Spannung zwischen Amerika und Europa nach, die seiner Auffassung nach für Lateinamerika bezeichnend war. In einer erzählerischen Gegenüberstellung zwischen Einheimischen und Zugereisten verdeutlicht er, wie Letztere Traditionen, Lebensweisen, Gebräuche und Ideale aus Europa nach Amerika „transplantierten“. Außerdem brachten die Europäer westliche Lektüre und Musik sowie „[europäische] Raumvorstellungen von Gebäuden, Städten und Landschaften“ mit. Dadurch kam es zu einer Hispanisierung und Europäisierung Amerikas.
Doch nicht nur das, auch die Negersklaven afrikanisierten die Kultur der Karibik. Zudem prägten die Immigranten aus der westlichen Welt ihre neue Heimat, „durch politische Strukturen, Verwaltungsinstanzen, Wirtschaftsweisen, kulturelle Institutionen nach europäisch-iberischem Muster“. Aus diesem Grund wurde die europäische Kultur zur Bestimmenden, obwohl es sich bei ihr um eine Minderheit handelte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
-
- Zyklische Modellierung der Geschichte Haitis
- Der Prolog und das Konzept des real maravilloso
- Die Perspektive der „, Wilden”
- Das extra-okzidentale Bewusstsein Ti Noels
- Synthese von Euro- und Amero-Avantgarde
- Pauline Bonaparte als Ebenbild der europäischen Kultur
- Schlussbetrachtung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Alejo Carpentiers Roman „Das Reich von dieser Welt“ im Kontext der lateinamerikanischen Geschichte und Identität. Ziel ist es, die extra-okzidentale Perspektive in der Karibik und ihre Darstellung in Carpentiers Werk zu untersuchen.
- Die Modellierung der haitianischen Geschichte als zyklischer Kampf zwischen Unterdrückern und Unterdrückten
- Die Rolle des „real maravilloso“ als Ausdruck der lateinamerikanischen Kultur und Identität
- Der Einfluss europäischer Kultur auf die Karibik und die Suche nach einer eigenen Identität
- Die Darstellung der Sklaverei und des Kolonialismus in der Karibik
- Die Vermittlung zwischen den Perspektiven der Sklaven und der europäischen Leser
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und erläutert die Relevanz der extra-okzidentalen Perspektive für die Analyse von Carpentiers Werk. Dabei wird die historische und kulturelle Situation der Karibik im 18. und 19. Jahrhundert beleuchtet.
Das zweite Kapitel analysiert die zyklische Modellierung der Geschichte Haitis im Roman. Carpentier zeigt die ständigen Konflikte zwischen der schwarzen Bevölkerung und den Kolonialmächten auf und betont die Wiederkehr von Unterdrückung trotz des Unabhängigkeitskampfes.
Der Prolog wird im Detail untersucht, um die Bedeutung des „real maravilloso“ als Konzept der lateinamerikanischen Kultur und Identität zu verstehen. Der Begriff wird von Carpentier klar vom „merveilleux“ der Surrealisten abgegrenzt.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der „Perspektive der ‚Wilden‘“ und zeigt, wie Carpentier die Sichtweisen der Sklaven auf die europäische Kultur und ihre Versuche der Anpassung darstellt.
Die Perspektive von Ti Noel wird analysiert, um das extra-okzidentale Bewusstsein und die Verbindung von afrikanischen Traditionen mit europäischer Kultur zu beleuchten.
Das sechste Kapitel untersucht die Synthese von Euro- und Amero-Avantgarde in Carpentiers Roman, wobei die Frage nach einer eigenen, lateinamerikanischen Identität im Vordergrund steht.
Schließlich wird Pauline Bonaparte als Symbol der europäischen Kultur und ihr Einfluss auf die Karibik analysiert.
Schlüsselwörter
Diese Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen der lateinamerikanischen Literatur, wie der extra-okzidentalen Perspektive, dem „real maravilloso“, der Suche nach Identität, der Darstellung von Kolonialismus und Sklaverei sowie der Modellierung der Geschichte Haitis. Carpentiers Roman „Das Reich von dieser Welt“ dient dabei als zentrales Beispiel, um diese Themen zu veranschaulichen.
- Citar trabajo
- Silvia John (Autor), 2018, Extra-okzidentale Perspektiven in Alejo Carpentiers "Das Reich von dieser Welt", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1240163